Protocol of the Session on March 1, 2000

(Ole von Beust CDU: Wie viele Punkte haben Sie denn?)

Ja, aber an dem Beispiel Moorhuhn, ein Spiel, das man sich für eineinhalb Minuten aus dem Netz runterladen kann und was sozusagen im Nebeneffekt per Banner für eine Whisky-Marke wirbt, kann man alles veranschaulichen, was eigentlich diese neue Ökonomie ausmacht.

Erstens ist klar, Herr Hackbusch, daß das nur über Kommerz läuft. Das Spiel ist prima, aber der Banner für die Werbung ist das Entscheidende. Technisch ist es natürlich auch heute möglich, Filterprogramme einzubauen, die jede Werbung rausschmeißt. Das wäre nur das Ende des Netzes, weil das ist werbungsgetrieben, und da muß man sich entscheiden. Davon muß man aber die Frage trennen, ob zum Beispiel dadurch, daß ein privates Unternehmen den Provider für den Hamburger Senat darstellt, ob man dieses Instrument für kommerzielle Zwecke nimmt. Das darf nicht sein im Sinne von Datenaustausch, das kann sein im Sinne von Werbung in diesem Verfahren, aber es wäre auch das Ende jeder elektronischen Kommunikation des Staates mit dem Bürger, wenn an dieser Stelle gegen Datenschutz verstoßen würde. Deswegen bin ich da sehr sicher, daß das nicht geschehen wird.

Zweitens: Das größte Hemmnis für eine breitere Einführung von Netz und Nutzung des Netzes ist in Deutschland immer noch der zu hohe Preis für die Telefonminute.

(Farid Müller GAL: Die Telekom!)

Da sind wir zu den internationalen Wettbewerbern ein Hochpreisland sondergleichen. Heute ist es kein Kunststück, den Zugang zum Netz umsonst anzubieten, aber ich weiß von Studierenden und Schülern, daß da manchmal schon die Telefonrechnung durch das Netz auf 130, 140 DM im Monat hochschnellt, was viel Geld ist. Von daher auch von dieser Stelle der Appell: An den Gebühren muß in der Tat an dieser Stelle nach unten gedreht werden, wenn wir den Netzzugang für alle ermöglichen wollen.

Das letzte, was ich an dem Beispiel Moorhuhn deutlich machen möchte, ist, daß es eben eine ganz neue Ökonomie ist. Das sind nicht mehr wie früher Kapital und Arbeit, die entscheidend sind, sondern es ist eine Ökonomie der Aufmerksamkeit, wo man versuchen muß, durch seine Kreativität, durch sein Produkt viele Menschen zu erreichen.

(Ole von Beust CDU)

Das Besondere ist, daß jeder Zugriff dazu hat und sein Geld nur und ausschließlich über mitlaufende Werbung verdient. Aber diese Kreativität zu fördern, dazu haben wir in Hamburg gute Voraussetzungen. Dazu können diese vielen kleinen Unternehmen – dazu gehört die breite Szene, das ist Ottensen, das ist Bahrenfeld, das hat Herr Dobritz richtig gesagt – sehr viel beitragen. Ich glaube, wir können auch für Hamburg mit Stolz sagen, daß wir da überhaupt keinen Rückstand gegenüber anderen Wettbewerbern haben, auch was diese Ausbildungsseite anbelangt.

Wir haben an der Universität und an der Technischen Universität auf jeden Fall als einen der größten Fachbereiche die Informatik, und zwar sehr früh gebildet. Wir haben in Hamburg die Spezialisten für Datenbanksysteme. Wenn es einen Bereich gibt, der zentral und wichtig für E-Commerce ist, dann sind das Datenbanksysteme. Ich glaube, hier haben wir auch die richtigen Investitionen für die Zukunft getätigt, und auf diesem Weg müssen wir auch weitergehen, weil sich hier viel entwickeln wird.

Auf der anderen Seite lassen Sie uns bitte nie vergessen, es ist auch nicht der Traum, den ich mir wünschen würde, das papierlose Büro, sondern es werden immer noch mindestens die Hälfte der Menschen in den nächsten 20 Jahren nicht am Netz sein. Auch für die müssen wir natürlich Leistungen und Dienstleistungen anbieten.

Mein kleiner Traum zum Schluß wäre, weil ich gerade aus solch einer Streßsituation komme, daß auch dann, wenn man es ganz eilig hat, der ganz konventionelle Drucker hinter dem PC wirklich funktioniert und nicht streikt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der GAL und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und verein- zelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema liegen mir nicht vor.

Dann kommen wir zu dem von der CDU angemeldeten Thema:

Wie effizient ist unser Bildungssystem: Green Cards und Schulanmeldezahlen

Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort hat Herr Professor Dr.Salchow.

Frau Präsidentin! Der Senator hat gesagt, das Problem, das wir eben diskutiert haben, sei in der Wirtschaft erzeugt. Ich glaube zwar auch, daß das Klagelied der Wirtschaft zu hoch ausgefallen ist, aber dennoch ist es ein ganz klarer Sachverhalt. Es ist unglaublich für unsere Gesellschaft, fremde Intelligenz im Ausland nach Deutschland einkaufen zu müssen. Das ist ein Offenbarungseid, meine Damen und Herren.

(Peter Zamory GAL:Wo ist die irdische Intelligenz?)

Für Hamburg ist die Frage der Ausbildung von IT ein äußerst wichtiger Sachverhalt, weil Hamburg, wie wir eben gehört haben, ganz heftig von der Entwicklung im IT-Bereich profitiert. Es wäre also zu vermuten gewesen, daß in Hamburg Bildung und Ausbildung auf diesen zukunftsträchtigen Markt zielt, auch weil Hamburg sich gerne brüstet mit der hohen Abiturientenrate, sich brüstet mit 13 Schuljahren, mit diversen Hochschulen und diversen schönen Bekenntnissen zur Zukunft.

Was nützen uns die hohen Zahlen von Absolventen von Gymnasien und Hochschulen, wenn die Leute nicht das können, was sie brauchen?

Es hat offensichtlich in Hamburg nicht funktioniert, die Ausbildung in Schulen und Hochschulen so zu gestalten, daß wir die Experten ausbilden, die wir brauchen. Die IHK hat das schon länger gesagt, Debis, SAP und Siemens. Auch Airbus hat gefragt, wo kriegen wir die Experten, die Fachleute her. Das ist das Problem der Bildungspolitik in Hamburg.

Natürlich spiegelt sich außer schlechter Bildungspolitik auch die Stimmung der Gesellschaft wider. Wir haben trotz steigender Abiturientenzahlen eine sinkende Nachfrage nach Studienplätzen in Naturwissenschaft und Technik. Wir schlendern seit Jahren am Abgrund der Technikskepsis. 1968 plus minus zehn. Einige hier in diesem Hause haben das immer wieder zu guten politischen Preisen verkauft: Biotech-Skepsis, Gentechnik-Skepsis, Magnetschwebebahn-Skepsis, Forschungsreaktor-Garching-Skepsis, A3XX hier bauen – immer Skepsis.

In Hamburg haben wir begonnen, schöne Fächer zu lieben. Die Schüler kombinieren sich das für ihr Abitur so schön hin, daß es gut ist und schlau für die Noten, aber jeweils weg von Technik, Naturwissenschaft, Mathematik und Informatik. Das ist der Sachverhalt.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, daß wir uns aus Nettigkeit scheuen, den jungen Leuten zu sagen, wo etwas im argen ist. Man muß den jungen Leuten auch etwas zumuten und ihnen etwas abverlangen und zutrauen.

Jetzt zu der Seite der Universität. Die Zahl der Studienabsolventen in diesen Fächern ist um den Faktor zwei bis drei zu niedrig. Das Durchschnittsalter, wenn man Diplom oder Magister macht, ist 28,2 Jahre. Das ist zu hoch.

Die vom Senat angeordneten Stellenstreichungen an der Universität – jede zweite Stelle wird weggenommen – verlaufen so unsystematisch, daß zum Beispiel bei der Informatik 10 Prozent gestrichen werden, obwohl wir doch bei der Informatik einen Zuwachs brauchen. Das ist eine unsinnige Hochschulpolitik. Da müssen wir gegenan.

(Beifall bei der CDU)

Ich lese gestern, daß die Nachfrage nach einem Studienplatz in der Wirtschaftsinformatik doppelt so groß ist wie die Kapazität. Das kann doch nicht wahr sein nach dem, was man von Senator Mirow gehört hat. 1991 ist für den Fachbereich Wirtschaftsinformatik ein geeigneter Hörsaal versprochen worden. Er ist bis heute nicht da. Die Studenten pendeln zwischen Stellingen und der Schlüterstraße, und das hat der Senat zu verantworten und nicht die Industrie.

Dabei hat der Prodekan Informatik gerade erst bestätigt, daß die viel zuwenig Informatik-Absolventen gar keine Arbeitsplatzsorgen haben. Hier sind Strukturentscheidungen nötig. Ich verstehe nicht, warum in Hamburg die Hochschulpolitik und Hochschuladministration die erkennbar geeigneten Wege nicht geht, und ich kritisiere das.

(Beifall bei der CDU)

Ein Wort zu Schule. Mein Amt hat neulich Computer verschenkt. Ich hatte das vermittelt für eine Schule in Jenfeld. Ich weiß nicht, was jetzt mit den Computern passiert. Da müssen nämlich auch Lehrer sein, die damit umgehen können.

(Dr. Leonhard Hajen SPD)

(Dr. Martin Schmidt GAL: Die lernen das von den Schülern!)

Das einfache Hinstellen von Computern löst ja nicht das Problem an den Schulen. In einem Leserbrief im „Hamburger Abendblatt“ wurde der Hinweis gegeben, daß das Lehreralter ja immer höher wird, weil man junge Lehrer nicht einstellt. Das ist ein Problem der Hamburger Bildungspolitik.

Wenn Herr Henkel vom Bundesverband der Deutschen Industrie meint, daß man das, was Herr Schröder angeleiert hat, auch auf andere Felder der Wissenschaft ausweiten soll, dann bin ich sehr skeptisch.

Es darf nicht dazu kommen, daß sich in dieser Gesellschaft die Gewerkschaften mit der Rente mit 60 oder der Verkürzung der Arbeitszeit vergnügen und sich gleichzeitig unser Bildungssystem auf die bequemen Teile der Bildung stürzt. Für das Anstrengende kaufen wir dann Leute im Ausland auf, aus Tschechien oder Indien, das kann doch nicht sein,

(Wolfgang Baar SPD: Das tut doch weh! – Dr. Monika Schaal SPD: Das ist doch Blödsinn!)

und die eigenen Spitzenkräfte, die wir haben, gehen zu einem guten Teil nach USA und Singapur, weil sie da mehr Geld verdienen, und schicken nach zwölf Jahren, satt verdient oder preisausgezeichnet, eine Ansichtskarte ins museale Hamburg.

(Glocke)

Der letzte Satz, Frau Präsidentin. Globalisierung nimmt keine Rücksicht auf unsere Wünsche nach Bedächtigkeit und Gemütlichkeit und auch nicht nach der Kultur des Zufußgehens oder nach Ökofonds. Ich plädiere ganz energisch dafür, in der Schulpolitik und der Hochschulpolitik auf die aktuellen Bedarfe umzuschalten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Marx.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Salchow, Ihre Rede hat mich nicht besonders überzeugt. Manchmal haben Sie hier schon fundierter und sachlicher argumentiert.

Es ist noch gar nicht lange her, da hatten wir einen Kanzler, der Datenautobahnen für eine spezielle Form des Straßenverkehrs hielt, was uns im nachhinein nicht besonders überrascht, mußte Herr Dr. Kohl doch wohl immerfort an „Bimbes“ denken.

(Oh-Rufe von der CDU)

Ein Fan des Internet-Banking ist er wohl auch nicht gewesen.