Protocol of the Session on March 1, 2000

(Jürgen Mehlfeldt CDU)

die Handwerkskammer gefordert, die damit immer noch sehr restriktiv umgeht und andererseits die Probleme bei den Nachfolgern anprangert und gern der Politik zuschreibt.

(Glocke)

Herr Müller, akzeptieren Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mehlfeldt? – (Zustimmung)

Ich möchte den Vorwurf der Unwahrheit noch einmal wiederholen, Herr Müller. In der Frage steht ganz eindeutig: Wie stellt sich demgegenüber die Insolvenzentwicklung in Hamburg dar?

(Glocke)

Herr Mehlfeldt, eine Zwischenfrage ist eine Frage. Wenn Sie nun Ihre Frage stellen könnten, sonst müßten Sie sich noch einmal melden.

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Dann melde ich mich noch einmal zu Wort!)

Danke.

In der Antwort des Senats ist mir als weiterer Punkt die Frage der Bürokratie beziehungsweise deren Abbau aufgefallen. Als wirtschaftspolitischer Sprecher der GAL-Fraktion sind auch mir die Antworten des Senats ein wenig zu dürftig. Ein Hinweis auf die Hamburger Wirtschaftsförderung und die Wirtschaftsbeauftragten in den Bezirken mit dem Abbau von Bürokratie zu vergleichen, finde ich etwas schwammig. Dazu würde ich gern hören, was diese Institutionen dazu beitragen, bürokratische Hürden abzubauen. Das Beispiel des Optikers mit seinem Werbeschild – ich weiß nicht, ob es stimmt – ist ein Beispiel, wie es nicht sein soll.

(Antje Blumenthal CDU: Warum soll es denn nicht stimmen?)

Hierzu ist mir noch nicht klar, inwieweit die HWF oder die Wirtschaftsbeauftragten in den Bezirken dies abstellen wollen oder es tatsächlich tun.

Abschließend möchte ich zu einem Bereich kommen, der uns Grünen besonders wichtig ist, es ist der Bereich Handwerk und Umwelt. Hier habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen, daß das Klimaschutzprogramm des Senats, „Heizung + Solar“, gerade für die Ein- und Zweifamilienhäuser in Hamburg im letzten Jahr mit 1 Million DM Fördersumme genehmigt wurde und 5 Millionen DM an Auftragsvolumen für die Hamburger Betriebe generiert hat. Das ist ein Beispiel, das man auch einmal erwähnen sollte, Herr Mehlfeldt, und nicht nur immer die anderen Seiten.

Darüber hinaus wurden auch für die Mehrfamilienhäuser 5 Millionen DM Fördersumme bereitgestellt, die für die Betriebe ein Auftragsvolumen von 27 Millionen DM generiert haben. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie auch der Senat die Politik in diesem Bereich wahrnimmt und Umwelt und Arbeitsplätze in Einklang bringt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält Herr Hackbusch.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Hacki auf der Suche nach der Löschtaste!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die wichtigen Kennzeichen der Großen Anfrage zeigen einerseits, daß das Hamburger Handwerk in seiner Bedeutung kräftig abnimmt, es gibt immer weniger Handwerksbetriebe, und andererseits, daß es in der Struktur deutlich überaltert ist. Das merkt man auch anhand der Großen Anfrage. Diesen beiden Strukturproblemen müßte man sich entsprechend stellen.

Ein wichtiger Punkt für das Handwerk ist – ich habe das hier schon häufiger genannt –, daß es für diese Stadt und die Struktur zu deutsch und zu wenig multikulturell ist. Wenn das Handwerk nicht in der Lage ist, diese Aufgabe für sich zu lösen, wird es in einer multikulturellen Gesellschaft, in der wir existieren, als rein deutsche Institution auch keine Zukunft mehr haben. Nach meiner Meinung muß sich da etliches verändern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zweitens ist mir anhand der Fragestellung der SPD etwas aufgefallen, das hinsichtlich der Zukunftsperspektive der Stadt für uns sehr wichtig ist, daß nämlich zur sozialen Stadtentwicklung weder richtige Fragen gestellt noch richtige Antworten gegeben wurden. Wir sind der Meinung, daß es sehr wichtig ist, gerade das Handwerk – dazu gibt es etliche Diskussionen in der Handwerkskammer – mit der sozialen Stadtentwicklung zu verbinden. Das ist eine der guten Möglichkeiten und ein wichtiger Motor dazu, vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen. Es zeigt sich, daß der Senat Schwierigkeiten hat, verschiedene Behörden miteinander zu koordinieren. Hier antwortet im wesentlichen die Wirtschaftsbehörde. Sie hat aber mit der Frage der sozialen Stadtentwicklung nicht so viel zu tun und sagt dementsprechend nichts dazu. Auch die SPD hat vergessen, entsprechend zu fragen, und demgemäß entstehen dann solche Löcher, die für die Stadt schlecht sind.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Der dritte Punkt betrifft die Generalunternehmen, die man sich schon ein bißchen genauer ansehen muß, wie auch das Problem, das damit verbunden ist. Jedem von uns ist das Problem des Generalunternehmens anhand des Volksparkstadions deutlich geworden. Dort sind alle Dinge schiefgegangen, die überhaupt nur schiefgehen können: Ein Generalunternehmer, der den Auftrag bekommen hat, mit riesigen Auseinandersetzungen mit kleinen Handwerksbetrieben, sowie Aufträge, die zum Schaden der Stadt nicht erledigt wurden, zeigen, daß ein Generalunternehmer im wesentlichen nicht nur die Aufgabe und Funktion hat zu koordinieren, sondern – das zeigt das Problem des Volksparkstadions auch – Preise zu drücken oder Preise anzubieten, die zum Teil nicht realistisch sind. Das heißt, daß die Generalunternehmen bei jeder Vergabe öffentlicher Aufträge kritisch zu betrachten sind.

Das Problem wird dadurch deutlich, weil wir in dieser Stadt das Phänomen haben, daß viele Aufträge und Aufgaben der Stadt auf die öffentlichen Unternehmen verlagert werden; der Landesbetrieb Krankenhäuser und pflegen & wohnen sind dafür gute Beispiele. Wenn die Landesbetriebe Generalunternehmen beauftragen, dann fallen sie nach Auskunft des Senats nicht mehr unter die Berichtspflicht. Ich halte dieses Verfahren für nicht akzeptabel, denn öffentliche Unternehmen gehören der Stadt und müssen uns gegenüber als solche hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung transparent sein.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

(Farid Müller GAL)

Herr Mirow, das Gesetz in Hamburg sieht vor, daß in der Regel auch die öffentlichen Unternehmen hierüber Auskunft geben müssen, wenn sie Aufträge nach den VOL- und VOB-Bestimmungen mit übernehmen. In der Großen Anfrage wird dahin gehend geantwortet, daß darüber nichts gesagt werden könne, weil über private Unternehmen keine Informationen gegeben werden könnten; dann halte ich das für eine Frechheit.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Barbara Ahrons CDU: Genau!)

Das Wort erhält Senator Dr. Mirow.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf zwei Hinweise von Herrn Mehlfeldt eingehen und versuchen, dazu die Position des Senats deutlich zu machen. Vielleicht können wir den Punkt, von dem Sie sagen, er enthalte eine Unwahrheit, gemeinsam miteinander so klären, daß beide Seiten ihre Kenntnisse offenlegen.

Sie haben zunächst beklagt, daß keine hinreichenden Angaben zur Eigenkapitalausstattung vorlägen. Das stimmt. Aber, Herr Mehlfeldt, Sie wissen doch so gut wie ich, daß keine Zusammenkunft des Wirtschaftssenators mit Handwerkern stattfindet, in der die Handwerksbetriebe mir gegenüber nicht klagen, daß sie zu viele Statistiken fertigen müßten. Ständig werde ich gebeten: „Herr Wirtschaftssenator, helfen Sie uns, daß wir nicht so viele statistische Angaben machen müssen.“ In der Addition von Europäischer Union, die bestimmte Statistiken zwingend auferlegt, der bundesstatistischen Regelung und unseren eigenen Anforderungen ist das eine große Anzahl. Ich bitte Sie daher darum, redlich zu Ende zu argumentieren. Wenn wir miteinander der Meinung sind – ich teile diese Meinung –, daß man die kleineren und mittleren Unternehmen nicht mit zuviel Papierkram belasten darf, dann müssen wir auch damit leben, daß wir über bestimmte Dinge nicht so genau Bescheid wissen, wie wir es gerne möchten. Die Eigenkapitalausstattung ist, wie Sie wissen, in der statistischen Erfassung kein ganz unsensibles Thema.

Ich komme zweitens zum Punkt „Insolvenzen“. Herr Mehlfeldt, das möchte ich gern mit Ihnen klären. Meine Mitarbeiter haben mir gesagt, daß es hierzu eine Einschätzung der Handwerkskammer gäbe, aber keine statistischen Unterlagen. Bei allem Respekt: Eine Einschätzung der Handwerkskammer kann sich der Senat nicht als statistische Angabe gegenüber der Bürgerschaft zu eigen machen. Wenn Sie mit diesem Sachverhalt einverstanden wären, hätten wir die Sache aufgeklärt. Wenn Sie eine andere Wahrnehmung haben, müssen Sie es gleich sagen. Mir ist jedenfalls das Bild vermittelt worden, daß es keine statistischen Angaben gibt, sondern nur Einschätzungen von der Handwerkskammer. Insofern konnten sie nicht so einfach von uns übernommen werden. Wenn Sie es anders sehen, sagen Sie es bitte, denn wir haben überhaupt keinen Anlaß, Ihnen uns bekannte Hinweise, Angaben und Kenntnisse vorzuenthalten.

Ein dritter Punkt ist das Thema „Erweiterungen“. Ich glaube, bei genauer Betrachtung läßt sich erkennen, daß wir keinen allgemeinen Mangel an Gewerbeflächen – wenn man die vernünftigen Maßstäbe einer Großstadt anlegt – in der Stadt haben. Wir haben Engpässe in der örtlichen Angebotssituation für kleinräumige Gewerbeflächenerweiterungen. Daran muß gearbeitet werden. Das tun wir auch, und

zwar nicht zuletzt dadurch, daß wir Datenbanken erstellen. Wichtig ist es aber auch, daß die gegebenen örtlichen Möglichkeiten – wir haben beispielsweise die Wirtschaftsbeauftragten bei den Bezirken – genutzt und die zuständigen Stellen rechtzeitig eingeschaltet werden.

Es gab von Ihnen einen Hinweis auf den immer wieder kritisierten Meisterbrief. Auf Äußerungen des Senats beziehungsweise des Wirtschaftssenators kann sich dieser wirklich nicht bezogen haben. Derartige Äußerungen werden Sie von mir nicht hören.

Zum Stichwort öffentliche Auftragsvergabe: Das ist ein schwieriges Thema; darüber haben wir hier oft geredet. Aber, Herr Mehlfeldt, abgesehen vom Interesse des Handwerks und von der Notwendigkeit, falschen Einzelentscheidungen in den Behörden nachzugehen – das tun wir unter anderem auch durch die Arbeitsgruppe der Staatsräte –, muß sich das Handwerk durch seine Fähigkeit zur Kooperation selbst reorganisieren, um übergreifende Angebote eigenständig unterbreiten zu können. Es ist auch eine Strukturfrage an das Handwerk selbst. Wir werden uns nicht aus den Zwängen hinausbewegen können, daß sowohl die öffentliche Verwaltung, die in den vergangenen Jahren sehr viele Vergabestellen aus Personaleinsparungsgründen hat reduzieren müssen, als auch die im Wettbewerb stehenden öffentlichen Unternehmen so verfahren, wie sie verfahren. Das ist – das sage ich noch einmal – bis auf einige Ausnahmen aus meiner Sicht in Ordnung. Das Handwerk selbst muß sich in anderer Weise in die Lage versetzen, mit größeren Anbietern im Wettbewerb zu stehen.

Damit komme ich aus meiner Sicht zum Schlüsselpunkt – vom Nachfolgeproblem einmal abgesehen, über das wir auch schon gesprochen haben –, der an die gestellten Fragen von Herrn Müller anschließt, warum es nicht zu einer stärkeren Aufwärtsentwicklung im Handwerk kommt.

Ich habe den Eindruck, daß es für das Handwerk schwieriger ist als für andere Formen der Wirtschaft, sich auf veränderte Kundenentwicklungen, Nachfrage- und Serviceanforderungen einzurichten. Das kann man verstehen, weil zum Beispiel die Entwicklung im Bereich der Technologien einen laufenden Überblick erfordert, der schwer zu erlangen ist und Investitionen verlangt. Aber es ist kein Zufall, wenn wir über zahlenmäßige Entwicklungen der Betriebe sprechen, daß einerseits die Anzahl der Handwerksbetriebe deutlich gesunken ist, die handwerksähnlichen Betriebe aber erheblich zugenommen haben. In der Gesamtbilanz führt das ungefähr wieder zu einem ausgeglichenen Ergebnis. Herr Mehlfeldt, wir sollten weniger in einer Situation verharren, wie ich sie beim Handwerk manchmal spüre.

(Erhard Pumm SPD: Klagemauer!)

Es wird allgemein geklagt und der Staat beziehungsweise unsere Stadt – diese Situation ist nicht hamburgspezifisch; in Nordrhein-Westfalen oder andernorts ist es ähnlich – als diejenigen bezeichnet, die die Förderung des Handwerks nicht ausreichend ernst nehmen. Wir leben in einer Zeit, in der die Unternehmen in hohem Maße auf ihre eigenen Kräfte angewiesen sind und allerdings gute Rahmenbedingungen brauchen. Das ist wahr. So sind zum Beispiel von der jetzigen Bundesregierung mit den neuen steuerlichen Rahmenbedingungen entsprechende Weichen gestellt worden, die für die nächsten Jahre zu erheblichen Entlastungen der Handwerksbetriebe führen. Aber die aus meiner Sicht wirklich entscheidende Frage ist: Wie können

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke:)

wir es schaffen, die guten Traditionen des Handwerks aufzunehmen und sie in eine neue Zeit zu führen? Das ist eine Frage, die wir gemeinsam – die Handwerkerschaft und die öffentlich Verantwortlichen – aufnehmen und klären müssen. Das berührt die Frage, wie oft Handwerker telefonisch auch unterwegs erreichbar sind, zu welchen Uhrzeiten sie bereit sind, zu kommen und zu beraten. Hier sind noch viele ähnliche Fragen zu klären. Ich glaube, daß dies ein wichtiges Thema ist, das nicht mit der Frage verbunden werden kann, aus welchem Förderprogramm es wieviel Geld gibt. Es heißt immer, die Großen würden immer alles ganz schnell bekommen. Zu den Gesamtzuwendungen möchte ich bei dieser Gelegenheit sagen: Etwa 70 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftsbehörde kümmern sich ausschließlich um die Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Mehlfeldt.

Frau Präsidentin, meine lieben Kollegen, Herr Senator! Ich bin darum bei diesem Thema so engagiert, weil ich – das stimmt wohl heute noch – der einzige Abgeordnete in der Bürgerschaft bin, der als selbständiger Handwerksmeister mit eigenem Betrieb tätig ist.

(Farid Müller GAL: Was heißt das?)

Daß ich auch Obermeister einer Innung bin, dort viele Dinge zu hören bekomme und dadurch auch im Vorstand der Kammer gute Informationen erhalte, gibt mir das Recht, zu sagen, daß es hier um eine Unwahrheit geht. Ich hatte eigentlich vor, dafür das Wort „Lüge“ zu benutzen, habe aber dann das Wort „Unwahrheit“ gewählt, weil ich der Meinung war, daß dieses akzeptiert werden würde.

Die Beantwortung dieser Anfrage erfolgte unter anderem auf der Basis von Informationen der Handwerkskammer Hamburg. Das ist mir bekannt und ist auch normal. Ich habe mir die Antworten genau angesehen und dann in meiner Funktion als Vorstandsmitglied der Handwerkskammer ebenfalls nachgefragt. Auf die Frage:

„Wie stellt sich demgegenüber die Insolvenzentwicklung im Handwerk dar?“