Protocol of the Session on February 16, 2000

Spannender wäre es gewesen, Frau Brockmöller, wenn Sie nicht aufgezählt hätten, was der Senat uns eigentlich berichten müßte, nämlich wer wo Quartiersmanager ist, sondern wenn Sie aufgezählt hätten, was Sie in der SPD vor Ort eigentlich tun. Was ich von der SPD vor Ort mitbekomme, sind vor allen Dingen Blockaden beziehungsweise Verärgerungen der Bewohnerinnen und Bewohner. Da fängt die SPD in Rothenburgsort an, zum Beispiel den Beirat neu zu besetzen. Da sie gerne SPD-Mehrheiten haben möchte, werden dann Leute, die zwar auch in der SPD sind, einfach als einfache Bürgerinnen und Bürger umdeklariert. Der ganze Beirat droht zu kippen, und man muß heftigst intervenieren, bevor die SPD das wieder zurückführt.

(Wolfgang Marx SPD: Die SPD besteht halt nicht nur aus Funktionsträgern!)

Erstaunlicherweise war das gerade ein Funktionsträger, der vorher auch im Ortsausschuß war, das ist Pech.

In anderen Fällen verändert die SPD eigenmächtig Beschlüsse, die vor Ort in den Beteiligungsgremien gefaßt werden, weil ihnen diese Beschlüsse nicht passen. Da, liebe Frau Brockmöller, bestehen Handlungsnotwendigkeiten. Wenn Sie dieses Programm befördern wollen – ein Programm zur sozialen Stadtteilentwicklung ist notwendig –, dann, bitte schön, fangen Sie auch bei Ihren Leuten vor Ort an.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Herr Schulz hat noch einmal das Thema der sogenannten sozialen Mischung angesprochen, wobei ich den Begriff soziale Mischung nicht ganz so schlimm finde wie gesunde Mischung, und Herr Scheurell ist prompt in die Falle getappt und hat gesagt, das haben wir alles schon lange gesagt. Herr Schulz will – das sagt er auch immer im Ausschuß –, daß in den sozial benachteiligten Gebieten zum Beispiel wesentlich mehr Eigentumswohnungen geschaffen werden. Eigentumswohnungen möchte er vor allen Dingen bei SAGA- und GWG-Beständen schaffen, wo heute noch die armen Menschen wohnen, und dann reiche Menschen hineinsetzen. Ihnen ist eventuell entgangen, daß wir in Hamburg immer weniger Wohnungen haben, die bezahlbar sind. Wenn Ihre Mischung dann so aussieht, daß man die armen Menschen vertreibt, dann herzlichen Dank.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Wolf-Dieter Scheurell SPD: Geben Sie doch zu, daß Sie mich vom Gegenteil überzeugen wollen!)

Herr Scheurell, das habe ich ganz bestimmt nicht getan. Ich habe noch nie dafür plädiert, billige, preisgünstige Sozialwohnungen umzunutzen. 1991 war ich noch nicht in der Bürgerschaft, aber mit Ihnen gestritten hätte ich bestimmt auch, da haben Sie recht.

Was ist notwendig? Frau Möller hat es eben teilweise schon gesagt. Wir müssen uns darin einig sein, in den benachteiligten Stadtteilen etwas für die Menschen zu tun, und etwas für die Menschen tun heißt nicht, immer nur Arbeitsplätze schaffen. Wir haben in der Erörterung im Ausschuß auch festgestellt, daß es teilweise überhaupt keine dauerhaften

Arbeitsplätze sind. Es ist, ehrlich gesagt, auch nicht machbar. Wir müssen den Menschen eine Perspektive für ihr Leben geben, eine Perspektive auch für das Leben im Stadtteil, sprich: Sie müssen die Chance haben, sich real an den Prozessen im Stadtteil zu beteiligen.

Wenn wir das hinkriegen und hier in der Bürgerschaft nicht unendliche Reden halten, die im Ausschuß nie ihren Niederschlag finden, dann wird es vielleicht ein bißchen besser. Aber ich habe, ehrlich gesagt, keine Hoffnung, daß die Bürgerschaftsfraktion, zumindest die der SPD, ein ernsthaftes Interesse zeigt, im Ausschuß intensiv darüber zu diskutieren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt Senator Dr. Maier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Bürgerschaft interessiert sich tatsächlich sehr stark für dieses Thema; diese Drucksache wird zum dritten Mal erörtert.

Ich will deswegen in Kürze noch einige Ergänzungen zu dem machen, was Frau Brockmöller gesagt hat, was wir in dieser Globalrichtlinie im Verhältnis zwischen Bezirken und Senat und zwischen anderen Fachbehörden und Stadtentwicklungsbehörde geregelt haben – das ist von Ihnen verschiedentlich angemahnt worden –, um diese Zusammenarbeit besser hinzubekommen.

Jetzt ist die Regelung getroffen worden, in jedem Bezirk einen Arbeitskreis Soziale Stadtentwicklungspolitik unter Federführung des Bezirks zu bilden. In diesem Arbeitskreis sollen die verschiedenen Behördenprogramme innerhalb des jeweiligen Bezirks zusammengeführt werden. Das heißt, wir haben den Dezentralisierungsschritt in bezug auf die sogenannte Säule zwei tatsächlich im Organisatorischen vollzogen, nehmen allerdings unsererseits durchaus an diesen Arbeitskreisen teil, und manchmal müssen wir auch ein bißchen dafür sorgen, daß der Wunsch und Wille der übrigen Behörden, daran teilzunehmen, etwas wächst und das dann auch tatsächlich stattfindet.

Sie haben als besonders wichtig die Frage der Evaluation dargestellt; auch da sind wir ein Stück vorangekommen. Ein solches Programm, das so vielfältige und manchmal im einzelnen sehr schwer zu zählende Ziele verfolgt – man kann ja nicht sagen, soundso viele Quadratmeter oder soundso viele Arbeitsplätze –, muß neu geschaffen werden, muß sich seine Erfolgskriterien, auf den jeweiligen Fall bezogen, selber setzen. Und da haben wir das Quartiersmanagement beauftragt, so etwas wie ein Entwicklungskonzept für das jeweilige Quartier auszuarbeiten. Nachdem dieses über Senat oder Senatskommission dann gebilligt ist, nehmen wir dasselbe Konzept als Auswertungsfolie, um festzustellen, ob das definierte und festgelegte Ziel erreicht worden ist.

Eine zweite Auswertungsfolie wird für uns eine größere Rolle spielen. Es beginnt sich im Programm abzuzeichnen, daß bei bestimmten Maßnahmen, die an anderer Stelle geklappt haben und auch probiert wurden, eine gewisse Typisierung stattfindet. Nehmen Sie das bekannte Beispiel der Pförtnerlogen in Hochhäusern, nehmen Sie die Öffnung von Schulhöfen, die Betreuung von Kindern oder die Unterhaltung von Küchen in Schulen, um mittags dort ein Essen anzubieten.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wir wollen solche Typisierungen von Maßnahmen vornehmen, weil wir uns davon versprechen, daß wir erstens dazu beitragen können, gelungene Sachen zu propagieren und sie an anderen Stellen auch machbar zu machen, und weil wir zweitens daran messen können, ob das in dem einen oder anderen Fall erfolgreich war oder aber auch billiger gegangen ist und woran das möglicherweise gelegen hat. Wir schaffen uns da auch Maßstäbe für Auswertungen.

Beim Thema Mitwirkung wird vielleicht am deutlichsten, daß es sehr schwer ist zu sagen, woran man eigentlich, wenn Sie von Kennziffern sprechen, den Erfolg von Mitwirkungsbereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern mißt. Bei Wahlen tun wir das an der Wahlbeteiligung, aber hier finden keine Wahlen statt. Bei den Stadtteilbeiräten könnten wir vielleicht sagen, wenn so viele wie möglich teilnehmen. Es gibt aber Bezirke, wo dann gesagt wird, es sollen nur 15 teilnehmen, und dann kann man die Teilnehmerzahl auch nicht zum Kriterium machen. Da gibt es also durchaus so etwas wie ein Kennziffernproblem.

Ich will noch kurz zwei Punkte berühren, weil sich viele Argumente wiederholen. Es ist das Thema der kleinräumigen Wirtschaftsförderung angemahnt worden. Eine der wichtigsten Maßnahmen zur kleinräumigen Wirtschaftsförderung ist – das betreiben wir auch schon eine ganze Zeitlang –, dafür zu sorgen, daß kleinere Betriebe, ob nun Handwerker oder Gründerbetriebe, relativ preiswerten Gewerberaum finden. Deshalb versuchen wir mit Eifer, dieses Gewerbehofprogramm in verschiedenen Richtungen zu qualifizieren als Gründergewerbehof in der Rinderschlachthalle mit der Absicht, ein Ökozentrum in Altona zu realisieren, aber auch im unspezifischen Sinne in den Gebieten verhältnismäßig preiswerten Gewerberaum zu schaffen. Das ist, soweit wir in der Stadtentwicklungsbehörde darüber verfügen, in einer ganz passablen Weise in Gang gekommen.

Eine letzte Bemerkung zum Thema soziale Mischung. Ich bin sehr dafür, daß in einer Stadt die Bevölkerungsgruppen nicht sozial segregiert leben und man eine Mischung hinbekommt. Ich bin nicht sicher, ob wir schrecklich viele Menschen aus Blankenese, aus den Villenvierteln und vom Alsterlauf in die Gebiete der sozialen Stadtteilentwicklung zurückbekommen. Das wäre auch eine Möglichkeit der Mischung, das wird uns aber vermutlich nicht gelingen. Wenn man aber den Gedanken der Mischung – diesen Gedanken vermisse ich immer völlig bei der CDU – so ernst nimmt wie Sie, warum treten Sie nicht auch dafür ein, Sozialwohnungen nicht mehr auf der grünen Wiese separiert zu bauen, sondern überall da, wo größere Bebauungsprojekte gemacht werden, 20 Prozent Sozialwohnungen zu bauen?

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das wäre doch ein richtig gutes Mischungsprogramm, und dadurch käme natürlich eine Bewegungsform zustande, die Licht, Luft und Sonne auch in arme Wohnungen bringt. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über die Ausschußempfehlungen abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dieses ist einstimmig so angenommen.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 19 auf, Drucksache 16/3787: Antrag der Gruppe REGENBOGEN zu atomaren Zwischenlagern.

[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Keine neuen atomaren Zwischenlager an den von HEW betriebenen AKWs Brunsbüttel und Krümmel – Drucksache 16/3787 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Jobs bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für Atommüll gibt es keine schadlose Entsorgung. Ein sicheres Endlagerkonzept ist nicht in Sicht, weder für normalen Atommüll noch für abgebrannte Brennelemente. Die Wiederaufarbeitung ist eine dauernde ökologische Katastrophe. Mit einem Satz gesagt: Das Problem des Atommülls bleibt ungelöst.

Nicht nur, aber besonders dann, wenn Castor-Behälter auf die Reise geschickt werden, wird dieses deutlich. Einerseits wird immer noch keine Sorge dafür getragen, daß die Kontamination die Umwelt nicht weiterhin belasten kann, andererseits sind sehr viele Menschen nicht mehr gewillt, mit diesen ungelösten Problemen zu leben, und schließen sich deshalb den Protesten an, um damit die Atomwirtschaft und die Regierung erfolgreich unter Druck zu setzen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Da erscheint einigen das Konzept der Zwischenlagerung an den Standorten natürlich so etwas wie ein Königsweg zu sein; nicht weil es dadurch erkennbare Sicherheitsgewinne gäbe, sondern weil die Betreiber eine günstige und wenig aufsehenerregende Möglichkeit bekommen, ein unlösbares Problem für einige Zeit zu umgehen. Ferner bekommt die rotgrüne Bundesregierung die Möglichkeit, die zu erwartenden großen Demonstrationen zu vermeiden.

Bevor das erste Atomkraftwerk stillgelegt ist, bevor auch nur ein Plan für den Atomausstieg vorliegt, wurden die Betreiber aufgefordert, standortnahe Zwischenlager zu errichten. Diese Gelegenheit haben sie sich natürlich nicht entgehen lassen. Damit erschließt sich ihnen eine Möglichkeit, den weiteren Betrieb ihrer Anlagen noch zu sichern. Wie weit das reicht, wird aus den einzelnen Anträgen deutlich, die kürzlich bekannt geworden sind. Wer nachrechnet, stellt fest, daß die Lager für weitere Laufzeiten beantragt sind: für Stade 13 Jahre, für Brokdorf 39 Jahre, für Krümmel für weitere 60 Jahre und für Brunsbüttel für stolze 92 Jahre.

(Präsidentin Ute Pape übernimmt den Vorsitz)

Das gilt wohlgemerkt bei Normalbetrieb, was bei diesen Anlagen ausgesprochen selten vorkommt.

Damit kann noch nicht einmal der größte rotgrüne Regierungseuphoriker zufrieden sein, und trotzdem kann die HEW derart perverse Anträge stellen. Wie so etwas ohne Protest hingenommen werden kann, dazu hoffe ich gleich etwas von Ihnen zu hören, Herr Senator.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

So wie die Bundesregierung jetzt agiert, wird der Atomausstieg in dieser Legislaturperiode nicht unumkehrbar geregelt werden. Durch Regierungshandeln wird es in dieser Zeit kaum nennenswerte und dauerhafte Stillegungen geben. So hat schon der Chef der Bayernwerke verkündet, daß seine AKWs diese Regierung mit Sicherheit überleben

(Senator Dr. Willfried Maier)

werden. Es sind genau diese Zwischenlager ein Mittel zum Überleben; und diese Überlebenshilfe geht wieder nur auf Kosten von Mensch und Umwelt.

Schauen wir uns einmal an, wie so eine Lösung aussieht. Ein Zwischenlager ist nichts anderes als eine ungesicherte Lagerhalle. In Gorleben und Ahaus versetzt dieser Gedanke viele Menschen in Aufruhr, denn solche Hallen bieten keinerlei Sicherheit gegen Einwirkungen von außen. Sie bieten vor allem auch keinerlei Sicherheit gegen die Strahlung, die von innen ausgehen kann. Das alles soll allein ein Castor-Behälter bringen. Dabei gibt es, wie wir wissen, eine Menge Probleme.

Einige Behältertypen haben dem Belastungstest nicht standgehalten. Die neuen Lagerbehälter sind vielleicht gerade deshalb gar nicht erst getestet worden, sondern haben einzig und allein aufgrund eines Computertestes ihre Freigabe erhalten.

Darüber hinaus gibt es bisher überhaupt keine Tests über die langfristigen Auswirkungen des jahrzehntelangen radioaktiven Dauerbeschusses der Behälter von innen. Aus Ahaus ist zu hören, daß die dort eingelagerten Castoren bereits nach kurzer Zeit anfangen zu rosten. Die Ursache ist unbekannt, Abhilfe bei beladenen Behältern kaum möglich. Deshalb bleibt es dabei, daß von diesen zusätzlichen Atomanlagen auch eine zusätzliche Gefahr ausgeht.

(Dr. Roland Salchow CDU: Eine ungeheure Ge- fahr!)

Das ist eine Gefahr, wie ich finde, die nicht hinnehmbar ist.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Roland Salchow CDU: Die Grünen klatschen nicht bei dem Satz! Das ist ja ungeheuerlich!)

Zum Stichwort Verminderung der Zwischenlager werden hier sicher gleich wieder alle im Chor rufen: Castor-Transporte werden verhindert. Auch von den Transporten geht natürlich eine unverantwortbare Gefahr aus.