Protocol of the Session on February 3, 2000

Die Kommission betont, daß sie in dieser Gesamtbewertung eine faktische Situation und eine Bewußtseinslage erkennt, die dem Rang des Parlaments und den Regeln der parlamentarischen Demokratie nicht gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Senatoren, Sie sollten diese Kritik ernst nehmen und sich in Zukunft überlegen, ob Sie Anfragen künftig weiter in dieser Art und Weise beantworten wollen. Ich hoffe nicht. Ich hoffe, daß alle Parteien in dieser Frage mit mir einig sind.

(Uwe Grund SPD: Vielleicht kommen Sie mal zur Sache!)

Ja, lieber Herr Grund, seien Sie geduldig!

Ich möchte jetzt auf das Thema der Wirtschaftskriminalität in Hamburg zurückkommen und in welcher Weise sich Hamburg personell für deren Bekämpfung einsetzt. Bundesweit steigt die Zahl der Fälle der Wirtschaftskriminalität von Jahr zu Jahr im zweistelligen Prozentbereich weiter an. Die meisten Fälle sind bei den Betrugsdelikten zu finden, gefolgt von der Wirtschaftskriminalität im Anlage- und Finanzbereich und bei Wettbewerbsdelikten.

(Glocke)

Ich möchte keine Zwischenfragen beantworten.

Es geht um keine Zwischenfrage, sondern darum, ob Sie gut lesen können, weil das Licht Ihres Pultes nicht brennt. Wir können es gleich reparieren, dann stoppe ich die Zeit. Haben Sie keine Probleme beim Lesen?

(Elke Thomas CDU: Ich hoffe nicht, daß ich die Pro- bleme hatte!)

Dann fahren Sie bitte fort.

Die Form der Kriminalität stellt an die Ermittlungsarbeiten besondere Ansprüche. Die Verfahren sind komplex, und schon kleine Fehler der Ermittler können das Verfahren lahmlegen. Für eine wirksame Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ist spezialisiertes und qualifiziertes Personal erforderlich. Deswegen werden

(Senator Dr. Thomas Mirow)

den Wirtschaftskriminalisten neben einer normalen polizeilichen Ausbildung zusätzliche Qualifikationen und spezielles Wissen vermittelt. Der Kostenpunkt einer solchen Ausbildung zum Wirtschaftskriminalisten liegt zur Zeit bei circa 35 000 DM; das ist viel Geld. Das Problem, das sich für Hamburg stellt, ist aber folgendes: Sobald die Kriminalisten ausgebildet und für diese spezielle Kriminalitätsform einsetzbar sind, bewerben sich viele weg, da Hamburg ihnen keine Aufstiegschancen bietet. Sie erkennen neue Arbeitschancen in der freien Wirtschaft und wandern dorthin ab. Ein recht eindrucksvolles Beispiel, wie ich meine, ist, daß topausgebildete Wirtschaftskriminalisten zur Wasserschutzpolizei und zum LKA wechseln, nur weil sie dort 300 DM monatlich mehr verdienen als mit ihrer bisherigen Tätigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einer solchen Entwicklung müssen wir entgegentreten, wenn wir ausmachen, daß fehlende Karrierechancen und schlechte Bezahlung der Grund dafür sind, daß viele hochqualifizierte Leute nach einer teuren Ausbildung einen Bereich der Hamburger Polizei verlassen. Deshalb muß es unsere Priorität sein, alles Mögliche zu tun, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU – Uwe Grund SPD: Sehr rich- tig!)

Und was tut Hamburg? Hamburg sammelt keine Statistiken über Personalfluktuation, nicht darüber, wie lange die Mitarbeiter in der Dienststelle verbleiben oder wohin sie gehen, und auch nicht darüber, aus welchen Gründen die Mitarbeiter die Dienststelle verlassen. Auf meine Frage, welche konkreten Stellenverbesserungen noch erfolgen werden, heißt es in der Antwort:

„... daß darüber aus Präjudizgründen keine weiteren Aussagen getroffen werden können.“

Das ist sehr interessant.

Wie soll ich das verstehen? Haben Sie sich noch keine Gedanken über die Zukunft der Stellensituation bei den Wirtschaftskriminalisten gemacht? Haben Sie wirklich keine Ideen zu einer Verbesserung dieser Situation?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, andere Bundesländer machen es uns vor. Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bremen, Bayern oder Schleswig-Holstein verbessern die Situation ihrer Wirtschaftskriminalisten durch eigene Maßnahmen deutlich und halten so die Kompetenz, das Spezialwissen und, was in diesem Bereich auch sehr wichtig ist, die Erfahrung bei sich im Lande. In diesen Ländern müssen sich die Beamten für eine bestimmte Zeit bei der Behörde verpflichten, werden dann aber nach einigen Jahren mit einer Beförderung belohnt. Dieses Verfahren kennen wir aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei Fortbildungsmaßnahmen in der freien Wirtschaft oder auch bei Ausbildungszweigen im öffentlichen Dienst. Entsprechende Erfahrungsberichte dieser Länder liegen Ihnen nach meinen Erkenntnissen bereits seit Juli 1998 vor. Das ist doch lange genug, um endlich zu entscheiden.

Wenn Sie es mit der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Hamburg nun wirklich ernst meinen, dann sollten Sie dieses nicht nur als Lippenbekenntnis sagen, sondern auch Taten folgen lassen; ich hoffe darauf. Jahr für Jahr geht durch die abwandernden Wirtschaftskriminalisten Fachwissen verloren. Stoppen Sie diesen Trend, und treten Sie offensiv für eine Verbesserung der Situation der Wirtschaftskriminalisten in Hamburg ein. – Vielen Dank.

Das Wort erhält Herr Neumann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich die Große Anfrage der CDU-Fraktion gelesen habe, war das für mich eine große Überraschung. Auf der einen Seite deshalb, weil sich die CDU dieses wichtigen Themas annimmt, denn der Senat und auch die SPD-Fraktion sehen in der Bekämpfung der Kriminalität einen Schwerpunkt. Und verzeihen Sie den leichten Seitenhieb, aber die Ereignisse der letzten Monate machten deutlich, wie notwendig die Bekämpfung von Geldwäsche, organisierter Kriminalität und Wirtschaftskriminalität ist.

Auf der anderen Seite war ich hinsichtlich der Fragestellung etwas enttäuscht. Die Fragen sind zwar sehr fleißig zusammengetragen, als es aber um die Höherdotierung der Stellen ging, hatte ich zum Teil den Eindruck, daß die Hauptfragen vom Bund der Kriminalbeamten ausgingen, der als Gewerkschaft natürlich darum kämpft, daß die Mitglieder ordentlich besoldet werden. Es handelt sich um Fragen, die zum Teil schon stark – ich nenne es einmal so – in die Schlammzone gingen.

(Elke Thomas CDU: Das habe ich mir gedacht, daß Sie das sagen!)

Die Frage der Besoldung jedes einzelnen Beamten ist etwas, was wir in den letzten Wochen und Monaten bei CDUAnfragen generell festgestellt haben. Aus meiner Sicht ist das, was hier abgefragt worden ist, höchstens eine Schriftliche Kleine Anfrage wert. Herr Kühn ist doch Spezialist in der Formulierung Schriftlicher Kleiner Anfragen, zumindest was den Bereich Harburg betrifft. Er findet auch immer Widerhall in der örtlichen Presse.

Im Ergebnis stellt sich mir die Frage nach dem Rollenverständnis des Parlaments. Das Problem, wie das Parlament seine eigene Rolle definiert, hatten wir gerade in der Fragestunde, nämlich inwieweit wir Ziele vorgeben und die Erreichung derselben dann mit dem Haushaltsplan kontrollieren oder inwieweit wir hineinregieren möchten und für jeden einzelnen Polizisten auf der Straße zuständig sind. Ich bin der Auffassung, daß es nicht Aufgabe des Parlamentes ist, jedem bürgernahen Beamten dieser Stadt einen bestimmten Aufgabenbereich zuzuweisen. Dafür sind Polizeiführung und Innensenator verantwortlich, die dafür auch ausreichend gut bezahlt werden; wir sollten uns dazu nicht in Konkurrenz begeben.

Das Stichwort Haushalt habe ich schon genannt. Mit dem Haushalt 2000 wird deutlich, daß die SPD – wie auch der Senat – den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und die Gewinnabschöpfung legt. Gerade das Geld aus der Gewinnabschöpfung soll in Zukunft – wie es in der Presse stand – von einer „Task Force“ eingetrieben werden und, wenn es gerichtsfest ist, für Sachund Fachausgaben im Bereich der Justiz, der Polizei und der Opferhilfseinrichtungen ausgegeben werden. Die Antworten des Senats, auch wenn sie kurz und knapp sind, machen deutlich, daß dort ein Schwerpunkt gesetzt wird. Fast 35 Prozent der vorhandenen Stellen in der LKA-Abteilung sind den höherwertigen Stellen, also mindestens A12, zuzuordnen.

Viele Ihrer Fragen liegen im kleinteiligen Bereich auf dem Gebiet der einzelnen Wachen. Verglichen mit dem, was der Schutzpolizei an Personalbudget zur Verfügung steht, ist das des LKA exorbitant hoch. Die Abteilung zur Bekämp

(Elke Thomas CDU)

fung der Wirtschaftskriminalität ist die am besten ausgestattete des Landeskriminalamtes. Das kann man natürlich noch weiter steigern, aber bisher war ich nur gewohnt, von der CDU zu hören, keine Polizistenstellen zu streichen, sondern noch mehr zu schaffen. Nun höre ich von Ihnen, daß noch mehr Polizisten sogar noch besser bezahlt werden sollen.

Ich möchte noch einmal deutlich machen: Es muß auch gesagt werden, woher das Geld kommen soll. Wenn als Beispiel dafür, daß die Hamburger Polizei nicht ausreichend bezahlt sei, die am besten ausgestattete Abteilung herangezogen wird, dann halte ich das für einen Fehler und für unredlich.

Ich komme jetzt zum letzten Punkt – länger läßt sich über diese Große Anfrage aus meiner Sicht auch gar nicht debattieren –, den Frau Thomas ansprach, nämlich die Art und Weise, wie der Senat auf Fragen des Parlaments antwortet. Ich habe als junger Abgeordneter sehr schnell die Erfahrung gemacht, daß der Senat nicht immer das geantwortet hat, was ich eigentlich wissen wollte. Deshalb gaben mir ältere Kollegen den nützlichen Hinweis, Fragen so zu formulieren, daß man auch die richtigen Antworten bekommt. Herr Vahldieck hat in der letzten Innenausschußsitzung die Fragen unserer Fraktion hinsichtlich der Verkehrserziehung gelobt und gesagt, daß sie sehr erkenntnisreich gewesen seien.

(Heino Vahldieck CDU: Sozialdemokratische Anfra- gen werden auch besser beantwortet!)

Wir können Ihnen bei der Formulierung Ihrer Anfragen gern helfen; wenn Sie damit Schwierigkeiten haben, biete ich das gern an.

(Beifall bei der SPD)

Das ist aber ein Beispiel dafür, daß man auch Antworten bekommt, mit denen man etwas anfangen kann. Wenn es damit wirklich Probleme geben sollte – die habe ich als junger Abgeordneter gelegentlich auch verspürt und verspüre sie auch heute noch manchmal –, dann suche ich die Verantwortung zuerst bei mir und überlege, ob die Fragestellung richtig gewesen ist, und zwinge den Senat damit, die Antworten zu geben, die ich haben will. Daneben hat die Präsidentin vorhin schon den Hinweis auf den Ältestenrat für derartige Dinge gegeben und daß man dafür nicht die Hamburger Polizei instrumentalisieren sollte, um Unzufriedenheit mit dem Senat deutlich zu machen. Das halte ich für den falschen Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Mahr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition von SPD und GAL hat mit ihrem Koalitionsvertrag deutlich gemacht, daß die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität besondere Beachtung verdient.

Durch Wirtschaftskriminalität entstehen jährlich Schäden in Milliardenhöhe, und wie uns die aktuelle Debatte lehrt – Herr Neumann deutete es bereits an –, sind auch Menschen mit öffentlichem Ansehen nicht vor Versuchungen gefeit. Angeblich soll Wirtschaftskriminalität 1 Prozent der Gesamtkriminalität ausmachen, Fachleute gehen aber davon aus, daß dadurch ein Schaden verursacht wird, der 30 Prozent der durch sämtliche Straftaten verursachten Gesamtschadenssumme betragen soll; also 1 Prozent verur

sacht 30 Prozent der Gesamtschadenssumme sämtlicher Kriminalität, wenn diese These richtig ist.

Vielleicht sollten wir deshalb diesen Umstand bei der alljährlichen Debatte um die Kriminalstatistik mehr in den Vordergrund stellen, damit auch die Relation im Gefüge der Gesamtkriminalität deutlicher wird. Insofern bin ich der CDU dankbar, daß wir heute Gelegenheit haben, hierüber zu debattieren.

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel, an dem die Notwendigkeit einer Schwerpunktsetzung im Bereich der Wirtschaftskriminalität besonders deutlich wird. Rund 60 Milliarden DM verlieren Kapitalanleger nach Schätzung der „Stiftung Warentest“ in Berlin jährlich bundesweit durch dubiose Anlegergeschäfte. Dieses ist nur ein Aspekt der komplizierten Rechtsmaterie Wirtschaftskriminalität. Paragraph 74c StGB nennt allein 42 Gesetze, die die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer begründen. Aktuelle Schätzungen über Schadenssummen in Hamburg liegen mir zur Zeit nicht vor.

Die CDU nähert sich diesem Thema in der ihr eigenen Form, und dies scheint zunächst auch auf der Hand zu liegen: Wie viele Beamte welcher Besoldungsgruppen werden für diesen Bereich vorgesehen, und wie viele werden fremdgenutzt? Da kann ich mich nur meinem Vorredner anschließen und sagen: Die Fragen sind berechtigt, aber ist das eine Große Anfrage wert? Technisch gesehen, ja. Man kann dem Senat für die Beantwortung vier Wochen Zeit geben, das ist manchmal auch klug, da könnte man auch eine Frage stellen.

(Heino Vahldieck CDU: Trotzdem hieß es, die konn- ten aus Zeitgründen nicht beantwortet werden!)

Gleichwohl sind es tatsächlich manchmal Fragen, bei denen es schwierig ist. Ich muß sagen, daß ich etwas irritiert war. Das ist sicher kein Maßstab, denn von mir sind Anfragen schon dünner beantwortet worden, als Sie das eben eingeklagt haben. So dünn fand ich diese Beantwortung nicht. Es sind auch wenig Fragen.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich teile Ihre Sorgen, daß in manchen Fachdienststellen angesammeltes Fachwissen teilweise verlorengeht – das stimmt sicher –, weil sich einem Sachbearbeiter nicht die entsprechenden Perspektiven bieten.

So ist es auch zu begrüßen – das haben Sie nämlich nicht gesagt –, daß der Senat mit seiner Antwort deutlich gemacht hat, daß ein nicht unerheblicher Teil der Sachbearbeiter in eine A12-Position gehoben worden ist; es sind immerhin sechs Planstellen. Damit knüpft der Senat übrigens an Forderungen der politischen Debatte der letzten Legislaturperiode an, in der wir als GAL-Fraktion eine Perspektive für qualifizierte Sachbearbeiter angemahnt hatten, um damit die Attraktivität für polizeiinterne, aber auch für außenstehende Bewerber zu erhöhen. Wenn letztlich alle nach A12 und vielleicht auch nach A 13 bezahlt werden, schließt das nicht aus, daß der eine oder andere Beamte möglicherweise ein alternatives lukratives Angebot von außen annimmt.