Darum setzt auch der Suchtbericht so an, daß er sagt, die Prävention muß sich vor allem mit diesem Problemkreis befassen, also mit dem Erreichen der Leute, die für sich denken „ich trinke normal, das ist nicht weiter schlimm“. Wir müssen dazu kommen, uns klarer mit dem sozial akzeptierten Alkoholkonsum auseinanderzusetzen, der bei uns einfach zu hoch ist, und überlegen, was wir tun können, um die Trinkmenge insgesamt zu verringern. Ganz wichtig ist dabei, die Zugriffsnähe zu erschweren und die persönliche Einstellung zu verändern.
Das klingt jetzt zwar alles theoretisch, aber wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, daß uns das beim Rauchen, das früher normaler war – auch in bürgerschaftlichen Ausschußsitzungen wurde seinerzeit geraucht –, ganz gut gelungen ist und zurückgedrängt wurde. Es gehört sich einfach nicht mehr zu rauchen, wenn Nichtraucher anwesend sind. Man muß fragen, man muß sich entschuldigen. Die Raucher sind inzwischen ziemlich geächtet, und man sollte vielleicht ab und zu solidarisch eine Zigarette mitrauchen.
Zum Alkohol zurück. Wir sollten uns damit auseinandersetzen, daß wir hier eine Doppelmoral betreiben. Wir beklagen den Alkoholkonsum, aber haben zum Beispiel jedes Jahr auf dem Rathausmarkt das „Stuttgarter Weindorf“. Als erste Maßnahme sollten wir ab sofort öffentliche Plätze nicht mehr an Pächter vergeben, die Alkohol ausschenken.
Wir sollten deutlich machen, daß der öffentliche Raum auch mit sehr viel Spaß genutzt werden kann, ohne daß Alkohol fließt. Ich könnte mir vorstellen, daß das sogenannte Alstervergnügen sehr viel angenehmer wäre, wenn es keinen Alkohol gäbe, sondern andere Vergnügungsformen gefunden würden. Vielleicht können wir irgendwann auch den Ratsweinkeller in den „Ratssaftkeller“ umtaufen.
Gibt es noch Wortmeldungen zu diesem Thema? – Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, daß die Bürgerschaft von dieser Drucksache Kenntnis genommen hat.
[Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drucksache 16/937 (Neufassung): Gesetz zum Schutz von Patientenrechten bei klinischen und anatomischen Sektionen (GAL-Antrag) – Drucksache 16/3701 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute ist für die Bürgerschaft ein besonderer Tag. Es passiert nicht alle Tage, daß ein Gesetz vom Parlament ausgearbeitet und nicht vom Senat eingebracht wird.
Worum geht es? Wir haben schon in der letzten Legislatur einen Gesetzentwurf eingebracht, um zu regeln, wie mit toten Körpern zu verfahren ist, wie das Selbstbestimmungsrecht auf den eigenen Körper über den Tod hinaus gewährleistet werden kann. In der Diskussion, wie das am besten zu regeln ist, ist uns entgegengehalten worden, daß die Anzahl der Sektionen in Deutschland in den letzten Jahren rapide abgenommen hat, während in anderen europäischen Ländern zum Teil bis zu 80 Prozent der Verstorbenen seziert werden und die Todesursache festgestellt wird. Da es heute trotz des Fortschritts in der Medizin leider immer noch so ist, daß 30 bis 50 Prozent der Diagnosen falsch oder unvollständig sind, kann auf die Sektion als ein Mittel und als letzte Form der medizinischen Qualitätssicherung nicht verzichtet werden. Also gab es einen Diskussionsprozeß im Gesundheitsausschuß mit Sachverständigen, wie einerseits die Interessen der Patienten auf ihr Selbstbestimmungsrecht und andererseits das gesamtmedizinische und gesamtgesellschaftliche Interesse auf diese letzte Form der Qualitätssicherung gewährleistet werden kann. Ich bin der Meinung, daß wir einen akzeptablen Kompromiß gefunden haben.
Es war bereits in der Vergangenheit die Regel, daß jemand nicht seziert wurde, wenn er zu Lebzeiten festgelegt hatte, daß er nicht seziert werden möchte, es sei denn, der Staatsanwalt befürchtet eine unnatürliche oder illegale Todesursache.
Der zweite Punkt ist, daß Angehörige und bevollmächtigte Personen, erstmals gleichgestellt den Angehörigen – also auch Angehörige oder Lebenspartner in gleichgeschlechtlichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften –, in einer bestimmten Frist nach Versterben des Betroffenen Einspruch gegen die Sektion einlegen können.
Dieses Widerspruchsrecht ermöglicht ebenfalls, dafür zu sorgen, daß im Sinne des Verstorbenen gehandelt wird und eventuell eine Sektion unterbleibt, wenn er es gewünscht hat. Das Gesetz dient aber auch dazu, Rechtssicherheit für die sezierenden Ärzte zu schaffen und gleichzeitig den Tod aus seiner Tabuisierung in dieser Gesellschaft herauszuholen. Es soll auch dafür sorgen, daß sich die Menschen insgesamt stärker darüber Gedanken machen, was mit ihrem Körper passiert oder nicht passieren soll, wenn sie sterben. Das ist ein langsamer Prozeß, der sicher mit Informationsfaltblättern über die Möglichkeiten dieser Einsprüche begleitet werden soll, aber auch über die Möglichkeit für die Angehörigen, eine Sektion zu beantragen als Serviceleistung, wenn sie interessiert sind, die Todesursache ihres Angehörigen zu klären. Also, auch in der anderen Richtung gibt es nach diesem Gesetz die Möglichkeit, diese Serviceleistung im Institut für Rechtsmedizin in Anspruch zu nehmen. Insofern ist dieses Gesetz schon wegweisend und geht über das, was in Berlin gesetzlich geregelt wurde, hinaus und kann in der gesamten Republik
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin eben gebeten worden, nicht in voller epischer Breite über dieses Thema zu sprechen. Das werde ich auch nicht tun.
Ich möchte hier ganz besonders auf den Aspekt der Qualitätssicherung hinweisen und ein Beispiel nennen. Bis vor wenigen Jahren war es in den USA für ein Krankenhaus notwendig, einen gewissen Prozentsatz von Patienten zu obduzieren, um so die Qualität nachzuweisen und eine Anerkennung zu bekommen. Dies ist dann weggelassen worden, und daraufhin reduzierte sich die Obduktionsrate von 50 auf 15 Prozent. Inwieweit die Qualität heruntergegangen ist, stand leider nicht in dieser Studie.
Ich möchte darauf hinweisen, daß in diesem Bereich Qualitätssicherung das wichtigste Kriterium überhaupt ist. Leider ist es so, daß bei uns die Rate der Sektionen auf nahezu 1 Prozent heruntergegangen ist. Man kann nicht davon sprechen, daß wir so eine Qualitätssicherung durchführen können. Das hat mehrere Gründe. Ein Grund ist natürlich die fehlende rechtliche Voraussetzung. Der andere Grund ist natürlich auch das verringerte Budget in den Krankenhäusern.
Ich möchte meinen Dank an eine unserer Mitarbeiterinnen, Frau Glißmann, aussprechen, ohne die dieses Gesetz so nicht zustande gekommen wäre. Vielen Dank, Frau Glißmann.
Ich möchte Sie abschließend bitten, dem einstimmigen Votum des Gesundheitsausschusses zu folgen und diesem Gesetz zuzustimmen. – Vielen Dank.
Wolfgang BeußCDU: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Petersen hat es eben schon erwähnt, wir haben uns im Gesundheitsausschuß einvernehmlich auf die Novellierung des Gesetzes eingelassen. Dieses Gesetz ist zugunsten der Betroffenen, es schafft Sicherheit bei Angehörigen, es schafft Sicherheit auch in der Erwartung des Todes von kranken Menschen, die möglicherweise von einer Sektion betroffen sein werden. Aber Herr Petersen hat eben auch schon darauf hingewiesen, es schafft auch einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätssicherung in bezug auf Krankheits- und Todesursachenermittlung, in bezug auf Forschungsergebnisse und in bezug auf die Häufigkeit verschiedener Todesfolgen.
Meine Damen und Herren! Jetzt haben zwei Ärzte zu diesem Thema gesprochen, und erlauben Sie mir zwei Gedanken eines Nichtmediziners zu diesem wichtigen Thema.
Es besteht häufig die sehr unwürdige Situation, daß Angehörige kurz nach dem Versterben eines lieben Menschen mit einer solchen Fragestellung konfrontiert werden. Ich habe das selbst vor einiger Zeit in einem Hamburger Krankenhaus erfahren. Ein junger Arzt versuchte, uns davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, eine Sektion durchführen zu lassen. Dieses Gespräch fand im Treppenhaus statt, im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Tür und Angel. Eine solche Situation ist für alle Beteiligten peinlich. Wir haben in den letzten Jahren häufig darüber gesprochen, daß Menschen in Würde sterben sollen. Das ist ein ganz wichtiges und wesentliches Thema. Aber auch das Entscheidungsgespräch für oder gegen eine Sektion muß in einem würdigen Rahmen stattfinden. Da muß in den Kliniken nachgebessert werden, damit man für solche Gespräche einen Raum der Ruhe und möglicherweise Besinnung hat, in dem man mit den Angehörigen das Für und Wider abwägen und eine Entscheidung herbeiführen kann.
Das zweite Thema, das ich kurz anreißen wollte, ist der Umgang mit dem Tod. Dieses Tabu ist inzwischen ein gesamtgesellschaftliches Problem. Gesetze können vieles regeln, aber sie können nicht unseren Umgang als Gesellschaft mit dem Tod regeln. Hier müssen Einstellungen wachsen, und die werden durch Erziehung, durch Vorbilder, durch die Öffentlichkeit und auch durch die Medien geprägt. Viele Menschen sind mit einer Entscheidung zum Beispiel über eine Sektion überfordert. Sie haben angesichts des Todes eines Angehörigen Angst, weiter darüber nachzudenken, was passieren könnte. Wir brauchen eine stärkere gesellschaftliche Enttabuisierung des Todes. Es ist nicht nur ein Thema für kranke und alte Menschen oder für die Kirche, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das in die Schulen, in unsere Bildungseinrichtungen und auch in die Medien hineingehört. Tote dürfen den Lebenden nicht mehr fremd, sondern sie müssen ein Bestandteil sein. Im Mittelalter war eines der wesentlichen Bildungsziele, einem Menschen eine angemessene Haltung zum Tod zu lehren und den Tod als Teil des Lebenswegs aller Menschen zu akzeptieren. Der Sinn solcher Auseinandersetzung war es jedoch keineswegs, dem Leben vorzeitig den Rücken zu kehren. Vielmehr ging es darum, dem Tod Beachtung zu schenken und aus dieser Beachtung auch Lebenskraft zu wecken. Nichts anderes soll im Bereich der medizinischen Sektionen passieren. Es kann den Betroffenen zwar nicht mehr zugute kommen, aber es kommt der nächsten Generation zugute. Das ist auch ein wesentliches Ziel von Sektionen. Gerade darum ist es aber für unsere Kultur, in der wir leben, wichtig, Tote und Lebende aufeinander zu beziehen. Wir müssen in dieser Frage mehr Souveränität entwickeln und den Tod als Bestandteil unseres Lebens akzeptieren. Insofern ist die Neufassung dieses Sektionsgesetzes ein sinnvoller und wichtiger Anknüpfungspunkt. Die Diskussion darüber befindet sich jedoch aus meiner Sicht gegenwärtig in einer Anfangsphase. Sie verdient eine umfangreiche öffentliche Beachtung und Resonanz auch außerhalb der Gremien, in denen sie jetzt beraten worden ist.
Wer möchte das Gesetz zur Regelung von klinischen, rechtsmedizinischen und anatomischen Sektionen in der vom Gesundheitsausschuß vorgeschlagenen Fassung beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Gesetz wurde einstimmig so beschlossen.
Wer will das in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen.
Wir beginnen mit dem Bericht 16/3689. Wer unterstützt zur Eingabe 841/99 die Ausschußempfehlung? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war mit Mehrheit so beschlossen.
Wer will zu den Eingaben 826/99, 849/99, 854/99, 859/99 und 40/00 den Ausschußempfehlungen folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch dieses wurde mit Mehrheit angenommen.