Protocol of the Session on June 27, 2001

und ihr alle müßt folgen. Insofern ist es doch hervorragend, daß Herr Schröder gesagt hat, wir warten erst einmal ab, was die anderen dazu sagen, und dann werden wir das diskutieren.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Ich kann Ihnen schon prophezeien, und das wäre auch mein Wunsch, daß wir in dieser Frage zu einem großen gesellschaftlichen Fortschritt kommen, daß wir uns einigen, und gerade hier in Hamburg

müssen wir uns einigen. In den Großstädten der Bundesrepublik verändert sich die Struktur der Bevölkerung zunehmend. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund wird in den nächsten Jahrzehnten ansteigen. Wir sind darauf angewiesen, daß die Großstadtgesellschaften miteinander in Frieden leben. Wir müssen alle dafür sorgen, daß sich die Menschen in den Großstädten verstehen und kennenlernen, nicht nur tolerieren, auch anerkennen. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten. Ich bin sicher, daß die CDU da auch mitmachen wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren, sehe ich zu dem ersten Thema der Aktuellen Stunde nicht. Wir kommen jetzt zum zweiten Thema, angemeldet von der SPD-Fraktion:

Solide Finanzpolitik statt Ausverkauf der Stadt

Das Wort hat Herr Ehlers.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Strom öffentlicher Finanzen fließt – die Erfahrung haben wir auch als Abgeordnete zu unserem Leidwesen machen müssen – nicht gleichmäßig und träge, sondern da gibt es einige Gefahren. Ich glaube, das ist das, wo wir aufmerken müssen. Wir sind, trotz einiger guter Nachrichten, noch nicht durch die Stromschnellen hindurch.

In welche Nebenarme hinein sich der Finanzstrom entwickeln kann, war das Thema des Länderfinanzausgleichs. Das ist heute ausführlich behandelt worden und glimpflich für uns abgelaufen. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß das, was für Hamburg zusätzlich positiv dabei herausgekommen ist, dieses Haus, wenn überhaupt, erst im Jahre 2004 erreicht. Das sollte jedenfalls für die Beratungen, die vor uns stehen, mit bemerkt werden. Man muß natürlich festhalten, daß pro Kopf der Bevölkerung in der Vergangenheit in keinem Land der Bundesrepublik mehr in diesen Finanzausgleich geflossen ist als aus Hamburg. Die Hamburgerinnen und Hamburger zahlen auch jetzt mit 1 Milliarde DM dann pro Kopf in diesen Finanzausgleich, mehr als Einwohnerinnen und Einwohner in irgendeinem anderen Land. Das ist eine beachtliche Leistung. Man muß natürlich sagen, daß uns dieses Geld auch in Hamburg durchaus fehlen wird.

Wenn man sich den Strom der Finanzen weiter anguckt, also die schwellende Ausgabenflut der Vergangenheit und den Schuldenzuwachs, war dem ein starker Staudamm entgegenzusetzen. Das war die Konsolidierung. Von 1994 bis zum Jahre 2001 ist es gelungen, die Staatsausgaben nachhaltig um 2,3 Milliarden DM zu schmälern. Dieses bedeutete, daß wir Ausgaben jährlich um 300 Millionen DM verringert haben. Trotzdem verblieb jedes Jahr eine Lücke im Betriebshaushalt, und sie war durch Vermögensveräußerungen zu schließen. Wohl dem, der noch etwas zu veräußern hatte. Diese Sparleistung ist unter dem anfeuernden Beifallsrufen der Opposition erbracht worden. Manchmal könnte man vielleicht auch den Eindruck haben, je näher Wahlen kamen, daß es eher das Entzücken der Opposition war, daß die, die da regieren, bei Spareinschnitten auch durchaus einmal auf die Opposition einiger Interessengruppen stoßen, die sich jedenfalls zur Wehr setzten, auch wenn es galt, eigentlich nur ungerechtfertigte Ansprüche zurechtzurücken und zurückzuweisen.

Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz in Erinnerung rufen, daß die SPD dieses ganze Vorhaben mit der STATT

(Mahmut Erdem GAL)

Partei angefangen und dann in rotgrüner Koalition fortgesetzt hat. Und wer hat dieser Koalition schon zugetraut, daß sie diese Konsolidierung wirklich über die Runden bringen könnte? Wir haben es geleistet. Dabei hat uns auch geholfen, daß die Finanzquelle etwas kräftiger sprudelt. Deswegen haben wir schon 1999 den Betriebshaushalt ausgeglichen, aber jeder Konjunktureinbruch bringt uns wieder in Schwierigkeiten. Wir wissen, daß uns die Steuerreform – jedenfalls bis zum Jahre 2005 – noch erhebliche Probleme aufbürden wird.

Nun ist oft das Wort vom Kaputtsparen in dieser Stadt genannt worden. Es gibt einen Vertreter in der Politik, der sehr deutlich gesagt hat, es käme nicht darauf an, was sich eine Stadt leisten kann, sondern – für Berlin jedenfalls hat er das gesagt – wir müssen uns leisten, was Berlin braucht. Wenn ich mir angucke, wie das mit der Haltung der Opposition in dieser wichtigen Frage ist, dann ist eigentlich die CDU, wenn man auf ihren Antrag zum letzten Haushalt guckt, nichts anderes als ein Diepgen-Verschnitt. Am Anfang des Antrages steht eine kritische Analyse.

(Barbara Ahrons CDU: Die ist aber sehr durchsich- tig, diese Aussage!)

Aber dann kommen die knackigen Aussagen: Wir brauchen mehr Polizei, wir brauchen mehr Justiz, wir brauchen mehr Bildung, und wir brauchen mehr Verkehrsinfrastruktur. Das einzige, was wir nicht mehr brauchen, ist Gewerbesteuer. Die wollen wir senken.

(Barbara Ahrons CDU: Ja, richtig!)

Das heißt, alles in allem eine Haushaltsverschlechterung von mehr als 400 Millionen DM.

(Glocke)

Herr Ehlers, die fünf Minuten sind tatsächlich erreicht.

Ja, wie schade. Dabei hätte ich noch soviel zu sagen, aber man kann sich ja wieder melden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Dr. Freytag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ehlers, Sie haben gerade versucht, auf Berlin auszuweichen

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hinzuweisen!)

und damit den Versuch zu starten, vom eigenen finanzpolitischen Versagen dieses Senats abzulenken. Aber das ist Ihnen noch nicht einmal ansatzweise gelungen, denn, meine Damen und Herren, für wie dumm halten Sie die Menschen eigentlich in Hamburg? Seit 44 Jahren regieren Sie als SPD in Hamburg, und die finanzpolitischen Fehlleistungen haben Sie zu vertreten und niemand anderes.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte es für einen Witz, wenn Sie hier ein Thema anmelden „Solide Finanzpolitik statt Ausverkauf der Stadt“. Solide Finanzpolitik, da verwechseln Sie wahrscheinlich Ihre Wunschvorstellungen mit der Realität. Wie sieht die Realität dieses Haushaltes denn aus, meine Damen und Herren? Hamburg hat die höchste Staatsverschuldung aller Zeiten. Mit 35 Milliarden DM zehnmal soviel wie 1970,

doppelt soviel wie 1990. Das ist keine solide Finanzpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg zahlt am Tag allein für Zinsen über 5 Millionen DM. Auch das ist keine solide Finanzpolitik. Hamburg muß in diesem Jahr für die Investitionen neue Schulden von 1,4 Milliarden DM aufnehmen. Keine einzige Mark für die Investitionen der Stadt werden erwirtschaftet, sondern die Staatsverschuldung wird immer weiter hochgeschraubt. Auch das ist keine solide Finanzpolitik. Der Haushalt 2001 hat eine Einnahmelücke im Betriebshaushalt von 460 Millionen DM. Das hat mit solider Finanzpolitik überhaupt nichts zu tun, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Hamburg leistet sich immer mehr staatseigene, volkseigene Betriebe,

(Barbara Duden SPD: Volkseigene? Was soll das denn?)

mittlerweile zehnmal soviel wie vor zehn Jahren. Das sind 400 Unternehmensbeteiligungen, die den Haushalt insgesamt mit 562 Millionen DM belasten. Das sind die Verluste, die vom Haushalt übernommen werden müssen. Zudem werden Mittelstand und Handwerk in Hamburg, dem Rückgrat unserer Wirtschaft, auch noch Konkurrenz gemacht durch Staatsunternehmen. Das ist auch keine solide Finanzpolitik, meine Damen und Herren!

Ihre großartigen Sparleistungen, die Sie hier erwähnt haben, Herr Ehlers, tragen Sie auf dem Rücken der Schwachen in dieser Stadt aus,

(Oh-Rufe bei der SPD)

nämlich insbesondere in der Innenpolitik und in der Justizpolitik. Seit Mitte der neunziger Jahre haben Sie es geschafft, 800 Polizisten einzusparen. Sie haben 39 Richterstellen eingespart, Sie haben 27 Staatsanwaltstellen eingespart. Das ist keine solide Finanzpolitik, sondern das ist Politik zu Lasten der Schwachen in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Täuschen Sie sich nicht, meine Damen und Herren von der SPD, Ihre panikartigen Reaktionen, jetzt auf einmal mehr Geld für Innere Sicherheit und Justiz zu versprechen, ist Kosmetik. Dies ist doch nicht Ausdruck Ihrer inneren Überzeugung, sondern Ausdruck Ihrer nackten Angst vor dem Wahltermin 23. September, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Sie sparen überall da, wo es dem Bürger weh tut, aber nicht bei sich selbst. Sie haben zwölf Senatsmitglieder. Hamburg hat nach Kopfzahl die stärkste Landesregierung aller 16 Bundesländer. Bayern braucht neun, NordrheinWestfalen als größtes Bundesland braucht acht Minister, wir haben zwölf. Sie sparen nicht bei sich, Sie sparen bei den kleinen Leuten, und das ist keine solide Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg braucht eine neue Finanzpolitik, die die Schulden und Zinsen nachhaltig abbaut, die neue Spielräume für den Haushalt gewinnt, die die volkseigenen Betriebe in Wettbewerb überführt, die der folgenden Generation keinen Scherbenhaufen hinterläßt, denn unsere Kinder müssen das sonst bezahlen. Ihre Finanzpolitik hat folgende Ergebnisse: Sie haben Hamburgs Haushalt abgewirtschaftet, Sie haben Innere Sicherheit und Justiz abgetakelt, und dafür gehören Sie abgewählt.

(Jan Ehlers SPD)

(Beifall bei der CDU – Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Hajduk.