Protocol of the Session on June 14, 2001

Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, daß wir entsprechende Angebote in der Stadt haben müssen. Ich bin sicher, daß im Rahmen der Lenkungsgruppe, die wir im Bereich der Psychiatrie zur Regionalisierung und Kooperation eingerichtet haben, noch entsprechende ambulante und stationäre Angebote kommen werden, und wir werden diese Einrichtungen entsprechend unterstützen.

Aus meiner Sicht haben wir in Hamburg hinsichtlich der Psychiatrie in den letzten Jahren sehr viel auf den Weg gebracht, die Regionalisierung, die Sektorisierung, Ambulantes und Stationäres wurde zusammengeführt. Es ist klar, daß der Krankenhausplan 2005 mit seinen Ausbauprojekten noch eine weitere Verbesserung bringen wird, denn ich denke, daß gerade das ein sehr wichtiges Signal für diese Menschen ist. Gerade weil die psychisch Kranken unsere Unterstützung brauchen, müssen wir diesen Krankenhausplan planerisch sehr schnell umsetzen. Dafür

(Senatorin Karin Roth)

haben wir Investitionen vorgesehen, und die Einrichtungen werden die Projekte, wie wir sie geplant haben, entsprechend durchführen können, und zwar in allernächster Zeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir befinden uns zwar im Wahlkampf, aber ich finde es dennoch schade, daß immer alle Themen in den Wahlkampf einbezogen werden, auch solche, die es nicht verdienen und bei denen wir uns in den Ausschüssen sehr viel einiger sind, als es hier im Parlament dargestellt wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zunächst möchte ich einmal auf die tatsächlich sehr überzogenen Ausführungen von Herrn Wersich eingehen. Wir wissen, welches Ziel Sie verfolgen, Herr Wersich,

(Helga Christel Röder CDU: Na, was denn?)

aber vielleicht können Sie bei einigen Situationen den Ernst erkennen und in Ihrer Wortwahl etwas zurückhaltender sein.

(Beifall bei der SPD)

Sie reden von einem Kahlschlag der Betten im Klinikum Nord. Ich weiß gar nicht, wovon Sie eigentlich reden.

(Dietrich Wersich CDU: 30 Prozent!)

Es gab bisher – für die, die es nicht wissen – 769 Betten für die psychiatrische Versorgung im Klinikum Nord. Diese Betten werden zum Teil umverteilt in andere Bezirke der Stadt; das habe ich bereits ausgeführt. Wenn man die Gesamtzahl der Betten in Hamburg zusammenrechnet, kommt man auf etwa die gleiche Zahl. Die Kassen sagen natürlich, wenn in Altona, in Rissen, im Albertinen-Krankenhaus und in Harburg neue Betten aufgebaut werden, kann man die Sektorisierung im Klinikum Nord zum Teil zurückführen und braucht dort weniger Betten. Das auf die Senatorin zu schieben und ihr totales Versagen vorzuwerfen, ist, wie ich finde, nicht fair.

(Dietrich Wersich CDU: Darum geht’s doch gar nicht! Das hat doch damit nichts zu tun!)

Des weiteren möchte ich ein paar Worte zu Herrn Jobs sagen. Daß Sie nicht immer richtig lesen konnten, habe ich in den Ausschüssen gemerkt. Daß Sie aber auch nicht zuhören können, ist mir spätestens in der letzten Debatte vor vierzehn Tagen deutlich geworden; und darum möchte ich Sie wenigstens bitten. Ich habe drei oder vier positive Punkte aus dem Bericht zitiert: Wenn für Sie frauenspezifische Projekte nicht wichtig sind, ist es doch für uns Frauen hier in diesem Parlament wichtig, diese Dinge hervorzuheben. Deshalb habe ich es getan, wie auch die Aufsichtskommission. Da gibt es überhaupt kein Vertun.

(Beifall bei der SPD)

Ferner habe ich die Sektorisierung hervorgehoben. Dazu möchte ich keine weitere Ausführung machen. Ebenso habe ich hervorgehoben, daß wir die stationäre Versorgung möglichst gering halten. Des weiteren habe ich noch sehr ausführlich gesagt, daß die ambulante Versorgung leider zu wünschen übrigläßt und daß es nicht in Ordnung ist, daß man die Patienten, wenn man sie entlassen möchte, aber nicht weiß, wo sie ambulant versorgt werden können, ent

läßt. Hören Sie nächstes Mal richtig zu, und kritisieren Sie nicht Dinge, die ich vorher selbst gesagt habe.

(Wolfgang Beuß CDU: Wir sind hier doch nicht in der Schule!)

Ebenso habe ich Punkte angeführt und kritisch begleitet, die Sie dann auch aufgeführt haben: Verweildauer, Fixierung und so weiter. Die Punkte, die kritisch anzumerken waren, habe ich hier angeführt, und dabei bleibe ich auch.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer die Drucksache an den Gesundheitsausschuß überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dies einstimmig beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 58 auf, Drucksache 16/6121, Antrag der CDU-Fraktion zum Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetz.

[Antrag der Fraktion der CDU: Hamburgisches Maßregelvollzugsgesetz – Drucksache 16/6121 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Gesundheitsausschuß und mitberatend an den Rechtsausschuß überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Lüdemann hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die unerträglichen Vorkommnisse im Klinikum Nord und die Vergewaltigungen durch einen Insassen sowie das Verhalten der Senatorin Roth haben wir in der letzten Sitzung ausführlich debattiert. Deswegen will ich darauf nicht noch einmal eingehen.

Senatorin Roth hat erst einmal eine Kommission eingesetzt, die die Schwachstellen analysieren soll, und wir wissen, wie Kommissionen arbeiten. Es wird erst noch eine ganze Zeit dauern, bis irgendwelche Änderungen vorgenommen werden.

Die CDU hat jetzt bereits Schwachpunkte des Maßregelvollzugsgesetzes herausgearbeitet und macht konkrete Vorschläge zur Verbesserung. Wir wollen zügig handeln, um weiteren schrecklichen Ereignissen vorzubeugen. Eines möchte ich aber gleich vorwegnehmen – da Sie uns immer gern etwas unterstellen –, wir sind nicht dafür, daß alle Insassen im Maßregelvollzug auf Dauer weggeschlossen werden sollen.

Im Maßregelvollzug sind Abwägungen immer sehr schwierig. Auf der einen Seite steht das Interesse der Allgemeinheit für Sicherheit und auf der anderen Seite das Interesse der Insassen, die dort behandelt und therapiert werden, um sie irgendwann durch Vollzugslockerung wieder an das normale Leben heranzuführen. Nur eins muß klar sein: Diese Abwägung muß immer so ausfallen, daß die Sicherheit an erster Stelle steht.

(Beifall bei der CDU)

Gerade im Maßregelvollzug befinden sich Straftäter, die zwar eine rechtswidrige Tat begangen haben, diese aber ohne Schuld oder nur mit verminderter Schuld begangen haben. Ohne Schuld bedeutet, daß sie die Tat zwar begangen haben, aber aufgrund psychischer Erkrankungen oder Defekte sowie Einfluß von Drogen oder Alkohol an

(Senatorin Karin Roth)

A C

B D

ders als der normale Straftäter behandelt werden. Gerade dieser Defekt – so möchte ich mal sagen – ist das Problem, der diese Insassen nicht normal berechenbar, sondern unberechenbar macht. Deswegen müssen sie auch besonders vorsichtig und aufmerksam behandelt werden und nicht wie normale Strafgefangene.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist die Sicherheit an die erste Stelle zu setzen. Bisher lautet das Gesetz: „Der Maßregelvollzug dient außerdem dem Schutz der Allgemeinheit.“ Wir möchten aber im Gesetz verankert haben, daß an erster Stelle der Schutz der Allgemeinheit und des Personals der Einrichtungen vor rechtswidrigen Taten zu gewährleisten ist.

Weiter heißt es derzeit im Gesetz: „Der Vollzug der Maßregel soll gelockert werden, sobald zu erwarten ist, daß der Patient die ihm eingeräumten Möglichkeiten nicht mißbrauchen wird.“ Wir sind der Meinung, daß diese Schwelle viel zu gering ist, wenn es lediglich heißt, daß man erwarte, daß das eingehalten wird. Hier muß es klipp und klar heißen, daß bei der Gewährung von Vollzugslockerungen sicherzustellen ist, daß die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet wird. Das ist der erste von insgesamt fünf Punkten, den wir ändern möchten.

Der zweite Punkt ist wohl der wichtigste. Wenn Lockerungen im Maßregelvollzug gewährt werden sollen, ist bisher der Leiter der Einrichtung der einzige, der die Verantwortung trägt. Wir möchten, daß nicht nur der Leiter allein entscheiden kann, ob in einem bestimmten Fall Vollzugslockerungen gewährt werden können, sondern daß auch die Vollstreckungsbehörde sowie die zuständige Behörde zustimmen. Das ist gar nicht mal ungewöhnlich, denn bei dem viel einfacheren Kriminellen im normalen Strafvollzug entscheidet auch nicht der Leiter der Vollzugsanstalt allein über die Vollzugslockerungen; was vielleicht noch unproblematischer wäre. Für Vollzugslockerungen im normalen Strafvollzug gibt es eine Ausführungsverordnung, die immerhin zwei Seiten mit insgesamt 14 Punkten umfaßt, wobei sich das Strafvollzugsamt vorbehält zuzustimmen. Dabei geht es um die erstmalige Entscheidung von Vollzugslockerungen bis hin zu dem Punkt, wie der Insasse am Erreichen des Vollzugsziels mitgewirkt hat. Bei all diesen Punkten gibt es Zustimmungsvorbehalte des Strafvollzugsamtes. Die Frage ist, warum es das im Maßregelvollzug nicht gibt. Da wären diese Vorbehalte viel eher angebracht. Deswegen wollen wir, daß bei erstmaligen Lockerungen die Vollstreckungsbehörde wie auch die zuständige Behörde zustimmen müssen.

Ferner ist derzeit nicht geregelt, daß Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen;

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

das ist der dritte Punkt. Für Patienten im Maßregelvollzug, denen Lockerungen gewährt werden sollen und deren Anlaßtat insbesondere Tötungs-, schwere Gewalt- und Sexualdelikte waren, möchten wir ein Sachverständigengutachten einholen lassen. Das ist im Moment überhaupt nicht geregelt und ist unserer Meinung nach dringend erforderlich.

Viertens: Für jede Einrichtung sollte eine Sicherheitsfachkraft bestellt werden, das heißt, wie bei Behörden einen Fahrradbeauftragten oder Frauenbeauftragten im Maßregelvollzug für jede Einrichtung eine Sicherheitsfachkraft, die sich um Sicherheitsfragen kümmert.

Fünftens: In jeder Einrichtung sollten Beiräte eingerichtet werden, an denen auch die Anwohner beteiligt werden. Im Klinikum Nord, in Ochsenzoll, gibt es das schon. Es ist aber noch nicht gesetzlich verankert. Wir wollen, daß das für die eine Einrichtung, die es in Hamburg gibt, gesetzlich verankert wird. Das sind, wie ich finde, fünf konkrete Vorschläge, wie man jetzt schon einmal das Maßregelvollzugsgesetz ändern kann, um die Sicherheit in den Vordergrund zu stellen. Ich finde sie sehr plausibel und bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Petersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Maßregelvollzugs in Ochsenzoll haben einen schweren Job. Mit großem Engagement und viel Tatkraft versuchen sie, die kranken Straftäter zu therapieren. Für ihren großen Einsatz, den sie auch für unser aller Sicherheit bringen, bedanken wir uns.

(Beifall bei der SPD, der CDU und bei Dr. Hans- Peter de Lorent GAL)

Frau Wilsdorf von der „taz“, Herr Schierk und Herr Koop von der „Welt“ haben am 9.Juni 2001 die Arbeit des Maßregelvollzugs in Ochsenzoll eindrucksvoll beschrieben. Sie haben auch die Lage der Patienten und die Problematik der Vollzugslockerung deutlich gemacht. Mit diesen Artikeln haben sie die durch die schrecklichen Vorkommnisse emotional aufgewühlte öffentliche Debatte versachlicht. Vielen Dank.