Protocol of the Session on June 14, 2001

Frau Wilsdorf von der „taz“, Herr Schierk und Herr Koop von der „Welt“ haben am 9.Juni 2001 die Arbeit des Maßregelvollzugs in Ochsenzoll eindrucksvoll beschrieben. Sie haben auch die Lage der Patienten und die Problematik der Vollzugslockerung deutlich gemacht. Mit diesen Artikeln haben sie die durch die schrecklichen Vorkommnisse emotional aufgewühlte öffentliche Debatte versachlicht. Vielen Dank.

Wir werden Ihren Antrag zur Novellierung des Maßregelvollzugs in den Ausschüssen diskutieren. Allerdings ist dieser Vorschlag, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, dort bei einer Expertenanhörung einhellig abgelehnt worden. Trotzdem werden wir in den Ausschüssen schauen, ob wir zu einer Optimierung der gesetzlichen Regelung kommen müssen. Nur gesetzliche Regelungen allein lösen dieses Problem nicht.

Eine Therapie ist sicher der beste Schutz für die Bevölkerung vor diesen Straftätern. Dennoch wird immer ein Restrisiko bleiben.

(Carsten Lüdemann CDU: Das können Sie doch minimieren!)

Nicht jeder Patient ist therapierbar. Nicht jede Erkrankung ist von uns Ärzten abschließend zu therapieren. Ich gehe davon aus, daß es in unser aller Interesse ist, daß es auf der einen Seite zu einer optimalen Therapie von Straftätern kommt und auf der anderen Seite zu einer optimalen Sicherheitslage der Bevölkerung. Ich hoffe auf eine konstruktive Zusammenarbeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lüdemann, Sie haben hier keine fünf Punkte vorgelegt, sondern einen ganzen Gesetzesantrag. Diese sogenannte Neufassung des Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes, die Sie vorlegen, ist eine einzige Frechheit,

(Carsten Lüdemann CDU)

(Wolfgang Beuß CDU: Bitte?)

und zwar deshalb, weil Sie sich bei der CDU nicht einmal die Mühe der Auseinandersetzung mit dem in Hamburg geltenden Maßregelvollzugsgesetz gemacht haben.

(Antje Blumenthal CDU: Haben wir!)

Sie haben Herrn Rüttgers ankarren lassen, Sie haben eine Pressekonferenz einberufen, und Herr Rüttgers hat als Kronzeuge gegen das Hamburgische Maßregelvollzuggesetz gesprochen.

(Carsten Lüdemann CDU: Bringen Sie mal ein paar Sachargumente!)

Das hat mich hellhörig gemacht.

(Carsten Lüdemann CDU: Kommen Sie doch mal zu Punkt 1 des Antrags!)

Jetzt komme ich zu den Punkten. Ich bin in die Parlamentsdokumentation gegangen, habe mir die NRW-Geschichte angeguckt und kann nur sagen, daß ich es als ein starkes Stück empfinde, wenn Sie sich nicht einmal mit unserem hier gültigen Gesetz auseinandersetzen, sondern abkupfern, was Ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Dort hat man nämlich im Januar einen Änderungsantrag in den Nordrhein-Westfälischen Landtag eingebracht, der jetzt ausführlich diskutiert wird, und zwar mit dem Ergebnis, daß er eigentlich schon voll und ganz abgelehnt ist. Und das legen Sie uns hier jetzt als große Neuerung vor. Das ist tatsächlich Quatsch.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Konkret möchte ich es nun an Ihrem Paragraph 1 belegen. Sie haben in Ihrem Gesetzantrag einen Paragraphen 1, in dem Sie völlig überflüssigerweise fordern, daß die Unterbringung forensischer Patienten auf Stationen der Allgemeinpsychiatrie nur dann erfolgen darf – so steht es in Ihrem tollen Gesetzantrag –, wenn gewährleistet ist, daß von den Betroffenen keine Gefahr ausgeht. Was soll denn das? Wollen Sie damit Paragraph 4 unseres Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes ändern, der doch ganz klar sagt, daß die Maßnahmen grundsätzlich in den hierfür bestimmten psychiatrischen Abteilungen des Krankenhauses Ochsenzoll vollzogen werden? Sie dürfen nur im Einzelfall auch in anderen Einrichtungen vollzogen werden, wenn dadurch die Ziele des Maßregelvollzuges – Sie wissen: Therapie und Sicherheit gleichrangig – besser erreicht werden können.

Wenn man das liest, fragt man sich, ob Sie vorhaben, unsere Spezialeinrichtungen in Ochsenzoll zu schließen. Wollen Sie etwa das Haus 18 und Haus 9 schließen? Wollen Sie Ihre Zustimmung zu dem dringend erforderlichen Erweiterungsbau zurückziehen? Das alles frage ich mich. Ich finde es einfach nur abenteuerlich, was Sie hier machen; dazu ist das Thema zu wichtig und zu ernst.

(Antje Blumenthal CDU: Außer schimpfen tun Sie überhaupt nichts!)

Was Sie machen, ist sehr merkwürdig.

Ich denke, daß Sie dieses Gesetz hier als einen Schnellschuß vorgelegt haben, Sie wollen das Thema besetzen. Wir haben Wahlkampf, und Sie denken, Sie können damit punkten. Ich finde aber, daß man merkt, daß Sie dazu nicht in der Lage sind. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein einziger Beweis Ihrer Ignoranz und Unfähigkeit.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke – Antje Blumenthal CDU: Sie machen Wahlkampf!)

Wir wollen uns mit den Fragen weiterhin kompetent inhaltlich auseinandersetzen.

(Heino Vahldieck CDU: Das wäre das erste Mal!)

Wir haben das in der letzten Sitzung getan, im Gegensatz zu Ihnen; wir haben die Sache inhaltlich diskutiert. Wir wollen uns auch mit dem auseinandersetzen, was die Kommission erarbeiten wird. Wir halten es für sehr sinnvoll. Wir sind damit einverstanden, daß wir uns im Ausschuß damit befassen. Ich denke nicht, daß wir näher auf Ihren Antrag eingehen werden.

(Heino Vahldieck CDU: Dann müssen Sie ihn ab- lehnen!)

Wir werden uns im Ausschuß mit den Problemen befassen. Wir werden dieses Thema im Rechtsausschuß und im

(Zurufe von der CDU)

Gesundheitsausschuß behandeln. Ihre Vorlage ist aber tatsächlich kein guter Beitrag. – Danke.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGENBO- GEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Petersen hat recht, wenn er sagt, daß die Mitarbeiterinnen in Haus 18 einen sehr schweren Job leisten. Sie leisten ihn auch recht gut. Das Bittere daran ist aber, daß die Debatte hierüber erst dann stattfindet, nachdem es Negativschlagzeilen gegeben hat. Ich glaube, das macht diesen Job im Haus 18 noch schwerer und deutlich, wieviel Respekt wir vor den Arbeiten haben müssen, die dort geleistet werden müssen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Aber alle! – Petra Brink- mann SPD: Na, denn denken Sie doch mal an Ihren Beitrag vom letzten Mal!)

Die Mitarbeiterinnen leisten einen guten Job. Ihnen sind Rahmenbedingungen gegeben worden, die sie bei dem, was sie sonst besser machen könnten, sehr eingrenzen.

Die Gestaltung des Maßregelvollzugs – darüber haben wir beim letzten Mal tatsächlich schon gesprochen – ist genauso wie beim Strafvollzug immer eine Gratwanderung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und dem Anspruch der Wiedereingliederung der Patienten. Es ist nicht einfach, insbesondere nicht mit Hauruck-Lösungen, dort ein schwieriges Problem zu lösen. Aufgrund von Negativschlagzeilen nun eine Debatte loszutreten und jetzt grundsätzlich darüber zu debattieren, ist, wie ich finde, nicht der richtige Zeitpunkt. Es ist Wahlkampf, und da sind wieder einmal die einfachen Lösungen gefragt nach dem Motto: nicht lange fackeln, Gesetze ändern, Türen abschließen und die Mauern noch erhöhen. Blinder Aktionismus wird zu einem schweren politischen Fehler führen.

(Dietrich Wersich CDU: Jetzt geht die Phantasie mit Ihnen durch!)

Deswegen finden wir, daß der Ansatz, den die CDU hier hereingebracht hat und der eben schon deutlich auseinandergenommen worden ist, kein konstruktiver Beitrag ist, über die Situation im Maßregelvollzug zu reden. Wir lehnen

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

A C

B D

eine Überweisung an den Ausschuß ab, weil es in der Tat Quatsch ist, was Sie vorgelegt haben, wie Frau Freudenberg bereits ausgeführt hat.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Farid Müller GAL)

Wenn wir aber einmal über den Maßregelvollzug in der Stadt debattieren, dann müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie die Bedingungen im Haus 18 tatsächlich sind. Darüber haben wir anhand des letzten Berichts der Aufsichtskommission für den Maßregelvollzug vor zwei Jahren schon einmal geredet. Wir haben darüber gesprochen, wie die Bedingungen dort die Arbeit erschweren, von der Überbelegung und der Personalknappheit, von dem schlechten Angebot an Therapieplätzen, und wir haben festgestellt, daß die Bedingungen nicht so sind, wie sie sein müßten. Gemeinsam haben wir auch festgestellt, daß das geändert werden und eine Entlastung geschaffen werden muß.

(Petra Brinkmann SPD: Das stimmt nicht!)

Dementsprechend haben Sie zugestimmt und fanden es gut, daß das Haus 18 erweitert wird, damit sich die Rahmenbedingungen verbessern. Jetzt sagen Sie doch nicht, das stimmt nicht, Frau Brinkmann;

(Petra Brinkmann SPD: Nein, weil wir außerham- burgische Plätze auch nehmen!)

dafür haben Sie in der Debatte sehr deutliche Worte gefunden. Ich wundere mich, daß Sie das vergessen haben.

Es ist notwendig geworden, dieses Haus zu erweitern; das findet statt. Die Bedingungen werden sich dann hoffentlich auch verbessern.

Ich finde es allerdings auch wichtig, in dieser Zeit einmal die Fragen zu stellen, warum diese Häuser in so großem zunehmenden Maße gebraucht werden, warum müssen immer mehr Plätze eingerichtet werden, warum gibt es immer mehr Menschen, die psychisch so krank sind, daß Gewalttätigkeiten Bestandteil ihrer Krankheiten sind? Diese Debatte würde ich gern mit Ihnen in Ruhe im Ausschuß führen, aber nicht anhand dieser Negativschlagzeilen und vor dem Hintergrund eines Wahlkampfes, bei dem schnelle Lösungen für schwierige Probleme geschaffen werden sollen, die so einfach nicht zu lösen sind.