Protocol of the Session on June 13, 2001

Ein wichtiger Punkt ist hierbei sicher auch eine andere Kostenbeitragsstruktur, die sich am Niveau vieler vergleichbarer Großstädte orientiert. Warum soll das, was woanders in bezug auf Qualität und Kosten Normalität ist, ausgerechnet in Hamburg nicht erreichbar sein? Hieran wird die CDU konkret und mit Nachdruck arbeiten, um das zu erreichen.

Damit wäre auch vielen Kindern und deren Eltern, besonders Berufstätigen und/oder Alleinerziehenden, mehr geholfen als mit äußerst durchsichtigen Versprechungen auf paradiesische Zustände bei der Kindertagesbetreuung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Steffen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Harlinghausen hat eben ein großes Wort gelassen ausgesprochen: Die Ehrlichkeit und Umsetzbarkeit von Konzepten, was die Jugendhilfe betrifft – und damit auch die Kinderbetreuung –, ist ein schöner Anknüpfungspunkt für mich. Es gibt mir die Gelegenheit, die Debatte vielleicht einmal auf die Tatsachen zurückzuführen, die wir bisher haben.

(Zuruf von Rolf Harlinghausen CDU)

Was wollen wir? Wir haben uns in dieser Legislatur damit beschäftigt, verläßliche Rahmenbedingungen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen, und wir wollen auch einen fairen Familienlastenausgleich. Daran arbeiten wir beziehungsweise haben wir – auch im Bund – schon entscheidende Punkte umgesetzt.

Ich möchte daran anknüpfen, was bisher getan wurde. Gerade Sie, Herr Harlinghausen, hatten in Ihrem Beitrag genannt, wichtig wäre es, daß Familien richtige Rahmenbedingungen vorfinden. Das ist natürlich nicht einfach. REGENBOGEN hat leicht reden, zu sagen, es soll alles kostenlos sein. Das löst aber natürlich nicht das Problem, weil man sich überlegen muß, wie ein Ausgleich tatsächlich gerecht stattfindet. Dann ist natürlich mit Erhöhung von Kindergeld und Steuererleichterung und -entlastung schon einiges getan. Wir haben das in vielfältigen Debatten zu diesem Thema vorher hier in aller Länge und Breite ausgeführt gehabt. Das muß ich hier nicht wiederholen.

Einen erheblichen Beitrag hat Rotgrün in dieser Legislatur zur Beitragsgerechtigkeit geleistet. Dieses Thema haben wir im Jugend- und Sportausschuß und in den Anhörungen schon des öfteren behandelt. Wie ist der Zustand aber vorher gewesen? Das hätte hier eigentlich den Aufschrei der Empörung auslösen müssen. In der Vergangenheit mußte von den Eltern wesentlich mehr für Halbtagsplätze als für Ganztagsplätze gezahlt werden. Dazu höre ich nichts. Dieses Thema ist in dieser Legislatur von Rotgrün angepackt worden, und wir haben es mit dem neuen Teilnahmebeitragsgesetz entscheidend verbessert und verändert.

(Rolf Harlinghausen CDU: Wer hat es denn so weit kommen lassen?)

Dazu würde ich gern etwas hören. Das sind doch alles nur falsche Reden, die hier von Ihnen gehalten werden, wenn gesagt wird, es ist alles teurer geworden. So kann man das nicht sehen. Schauen Sie sich doch die Beitragstabellen an.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn wir bessere Rahmenbedingungen wollen und auch Schritte dazu unternommen haben, ist das System der Kita-Card, das wir angepackt und entwickelt haben – dem haben wir uns fast übergreifend, mit einigen Abspaltungen, gemeinsam gewidmet –, auf einem guten Weg und ein wegweisendes Konzept. Da geht es darum, das erste Mal in der Geschichte der Kinderbetreuung in Hamburg tatsächlich Qualitätsstandards festzuschreiben. Vor nicht allzu langer Zeit gab es einen Bericht des Senats, der diesen Punkt aufgegriffen und deutlich gemacht hat. Dafür muß man auch einmal anerkennende Worte finden. Es ist nicht so, daß wir hier als Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern es wird beteiligt, es werden die Träger beteiligt. Die sagen sogar ausdrücklich, daß sie diesen Prozeß und auch die Idee begrüßen. Wo ist dann hier die Kritik zu hören? Ich nehme das gerne auf. Wir

(Rolf Harlinghausen CDU)

haben uns sogar in den Ausschüssen verständigt. Nein, die Träger arbeiten mit. Sie begrüßen dieses Konzept ausdrücklich, und sie sagen auch, sie sind dabei, diese Qualitätsstandards zu entwickeln. Mehr kann man nicht erwarten. Daß man sich jetzt auf einen Prozeß einigt und dieses Ziel weiterverfolgt, ist genau das, was wir wollen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Das wissen Sie selbst besser!)

Sie fangen mit Ihren Beiträgen genau an dem Punkt wieder an, über den wir eigentlich hinwegwollten. Was ist denn mit der Ausweitung der Kindertagesbetreuung von 20 000 Plätzen in den vergangenen Jahren? Zu der gegebenen Zeit war das die richtige Maßnahme. Was haben wir zeitnah festgestellt? Es kann nicht um die reine Ausweitung gehen, sondern es muß sich auch nach dem Bedarf richten, und es muß gezielt gesteuert werden. Das sind nicht nur unsere Worte, das sind auch die Worte der Opposition gewesen, die immer dann, wenn es gerne paßt, haushaltsmäßig so etwas aufgreift, und dann, wenn es fachlich nicht paßt, das Geld gerne hinausschmeißen will. So kann das auch nicht gehen. Die bedarfsgerechte Nachfrageorientierung, die wir anstatt der Angebotsausrichtung mit der Kita-Card einführen werden, führt dazu, daß wir diese Fehlsteuerung und Fehlangebote nicht mehr haben.

Ich möchte noch auf den Beitrag von Frau Sudmann eingehen: Versorgungsquoten? Über den Stand sind wir längst hinweg. Dieser Punkt ist uns auch von Trägern immer wieder nahegebracht worden, daß es nicht darum gehen kann, Versorgungsquoten festzulegen. Wir wollen, daß Kinder – egal ob es Krippenkinder, Elementar- oder Hortkinder sind –, die in dem Stadtteil eine Versorgung brauchen, sie auch bekommen. Das soll nicht daran scheitern, daß gesagt wird, in dem Stadtteil ist die Versorgungsquote erfüllt und die Träger können deshalb das Kind nicht aufnehmen. Das ist der Unsinn, den wir mit diesem neuen System überwinden. Also weg von den Versorgungswünschen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zum Schluß. Was ist notwendig? Das habe ich eben schon aufgeführt: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Veränderung der Familienstrukturen. Veränderungen der Lebenslagen von Familien verlangen auch eine andere Infrastruktur. Wir sind dabei, dies zu entwickeln, und wir haben schon wesentliche Schritte bewältigt. Man kann nicht nur sagen, Sie arbeiten seit vier Jahren daran, wieso ist noch nichts geschehen. Wesentliche Punkte sind bewältigt, Herr Harlinghausen. Einseitige Patentlösungen, wie wir sie von Ihrer Partei hören, führen in die Irre. Herr Böwer hat das mit dem Punkt Ganztagsschulenausbau schon angedeutet. Natürlich ist das, was man als Gesamtkonzept sehen muß, was Jugendhilfe und Kinderbetreuung insgesamt betrifft, ganz entscheidend. Man darf diesen Aspekt nicht isoliert betrachten. In dem Moment, wo wir einen Ausbau von Ganztagsschulen haben, in dem Moment – dieses Ziel haben wir uns für die nächste Legislaturperiode gesetzt –, wo es um eine intensivere, anders strukturierte Zusammenarbeit zwischen Institution von Jugendhilfe und Schule geht, wird es Rückwirkungen auf die Kinderbetreuung haben. Das wird auch das Kinderbetreuungssystem verändern müssen. Wir haben damit die Voraussetzungen geschaffen, daß wir zeitnah und flexibel darauf reagieren können. Das bisher Vorgelegte zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Wo ist der Koffer?)

Ich brauche keinen Koffer, sondern ich werde Ihnen vorstellen, woher das Geld kommt. Herr Harlinghausen sagte, es wäre unseriös. Ich halte es lieber mit Frau Steffen und nenne einige Tatsachen.

Wenn Sie mitgerechnet haben, werden Sie festgestellt haben, daß wir mit unserem Antrag auf ungefähr 1,365 Milliarden DM im Jahr kommen, die wir für die Kindertagesbetreuung brauchen. Das ist Fakt. Jetzt komme ich zu dem Koffer. Dieser Koffer muß nicht von mir allein, sondern muß vom Bund gefüllt werden. Das EU-Netzwerk Kinderbetreuung, das ich vorhin schon einmal angesprochen habe, hat in einem Aktionsprogramm, das in 2003 vollendet werden soll, für alle Mitgliedstaaten beschlossen, daß sie jeweils 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Kindertagesbetreuung – das hat Herr Böwer richtig gesehen – der Null- bis Fünfjährigen zur Verfügung stellen sollen. Sehe ich mir das Bruttoinlandsprodukt von Hamburg an, dann stelle ich fest, daß Hamburg für die Kindertagesbetreuung jährlich 1,4 Milliarden DM zur Verfügung stellen muß. Ich bin dann großzügig und sage, ich bin im ersten Schritt damit zufrieden, wenn wir das für alle Kinder von null bis zwölf Jahren nehmen. Das heißt also, der Koffer, der nicht gefüllt ist, liegt in Ihrer Verantwortung, auch von SPD und GAL auf Hamburger und auch auf Bundesebene. Wenn Frau Steffen sagt, auf Bundesebene haben Rot und Grün einen fairen Familienlastenausgleich hergestellt, dann habe ich das Gefühl, daß sie wirklich die klassische Familie meint, die mit den Doppelverdienerinnen. Gucken Sie sich die Kritik der Alleinerziehendenverbände an, die sagen, wir müssen über die neuen Steuern und die neuen Regelungen wesentlich mehr Geld abgeben als vorher.

Fazit ist – Sie können das hin- und herrechnen mit den Steuergeschichten und den anderen Sachen –, Sie werden nie eine gerechte Lösung dafür finden, daß alle Eltern für ihre Kinder den gleichen Zugang zur Kindertagesbetreuung haben. Deswegen ist es noch ein Argument mehr, zu sagen, die Kindertagesbetreuung soll kostenlos sein. Ich habe Ihnen schon genügend andere renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genannt, die das unterstützen. Sie wollen das nicht akzeptieren. Aber sagen Sie bitte schön, warum hat der Bund die Verpflichtung nicht erfüllt? Warum ist Hamburg nicht bereit, auch das als wichtige Infrastrukturmaßnahme und als wichtige Kostenausgabe zu sehen? Damit komme ich zu Herrn Böwer, der von nachhaltigen Finanzen spricht und der es nachhaltig findet, wenn wir 1,3 Milliarden DM für die EADS ausgeben. Herr Böwer, wir können uns darüber streiten.

Ich nehme ein anderes Beispiel: die Straßenbahn. Sie würden doch auch sagen, das ist ein nachhaltiges Projekt, und sie finden es toll, wenn Menschen, die heute Kinder sind, auch noch in 20 oder 30 Jahren damit fahren können. Warum soll die Generation, die in 20 oder 30 Jahren in Hamburg lebt, die Straßenbahn nicht auch bezahlen? Sie nutzt sie ja auch. Warum sehen Sie aber bei der Bildung diesen Punkt nicht. Bei der Bildung sagen Sie, das gilt natürlich nur für heute. Die Menschen, die in 20 Jahren leben, sollen nicht die heutige Bildung bezahlen. Das ist Quatsch. Bildung ist in Ihren Augen doch auch ein nachhaltiges Produkt. Deswegen muß für Bildung jetzt Geld ausgegeben werden. Man kann dann die Verschuldungs

(Sabine Steffen GAL)

debatte noch einmal neu führen, wieweit es sinnvoll oder nicht sinnvoll ist, die öffentlichen Ausgaben zu steigern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wirklich interessant ist, wenn Frau Steffen sagt, mit der Kita-Card machen wir etwas ganz Tolles,

(Petra Brinkmann SPD: Machen wir ja auch!)

alle sind begeistert und finden das System von Kita-Card gut. Sollte man vielleicht vergessen haben, daß der Senat im November mit der damals relativ neuen Senatorin die Notbremse gezogen hat, weil der Protest gegen die Umsetzung der Kita-Card so groß wurde? Nichts war gut. Im Gegenteil. Alles ist schlecht gelaufen. Deswegen mußten sie das Ganze anhalten und noch um ein Jahr verschieben. Das ist Fakt und nicht das, was Sie beschrieben haben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Böwer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Harlinghausen, Ihre Partei tritt möglicherweise nach dem 23. September an, in dieser Stadt die Verantwortung zu übernehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Roland Sal- chow CDU: So ist es! – Rolf Harlinghausen CDU: Genau!)

Dann müssen Sie sich aber gefallen lassen, daß Sie hier mit 23 aneinander gepaarten Sprechblasen nicht auskommen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die Aussage in dem Punkt verweigert, wohin eigentlich in Hamburg Familien- und Kinderpolitik gehen soll. Das einzige, worauf Sie sich eingelassen haben, war zu sagen, da muß man vielleicht einen Kassensturz machen und alle Leute zusammenholen. Der einzige Punkt, an dem Sie konkret geworden sind, war im Bereich des Elternbeitrags. Dann sind Sie wieder schwammig geworden und haben gesagt, „das muß im Vergleich sein mit denen der Großstädte“.

Meinen Sie Frankfurt, wo ein einkommensunabhängiges Kinderbeitragssystem gilt, wo durchschnittlich 300 DM bezahlt werden müssen, unabhängig davon, wieviel Geld man nach Hause bringt? Meinen Sie Bayern, wo der durchschnittliche Beitrag – etwa im Bereich der Krippe – bei etwa 600 DM liegt und der Staat sich weigert, Eltern überhaupt einen Zuschuß zu zahlen, so daß man dort auf 2200 DM Krippenbeitrag kommt? Herr Harlinghausen, ich weiß nicht, ob Sie vielleicht im Senat von Ole von Beust neben Schill den Jugendsenator machen – ich weiß nicht, was schlimmer ist –, aber Sie haben zum Beispiel völlig die Aussage verweigert, ob Sie ausbauen oder wie Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen wollen. Auch in diesem Bereich findet sich in Ihrem Wahlprogramm nichts, nur reine Sprechblasen. Daran müssen Sie sich messen lassen.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Sudmann?

(Thomas Böwer: Ja, wenn sie nicht wieder zur Steuerschätzung ist!)

Herr Böwer! Was werden Sie als Oppositionspolitiker im nächsten Jahr zur Kindertagesbetreuung fordern?

Genau das gleiche, was wir jetzt fordern, denn wir sind von unserem Konzept überzeugt. Wir sagen an dieser Stelle, wir werden eine Hamburger Garantie für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aussprechen und auch realisieren, genauso wie wir die Verläßliche Halbtagsgrundschule in Hamburg versprochen und durchgeführt haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Genauso wie wir gesagt haben, Hamburg wird eines der ersten Bundesländer sein, das den Rechtsanspruch auf eine vierstündige Kindergartenbetreuung im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch, den es bundesweit gibt, umgesetzt hat.

Genauso wie wir gesagt haben, wir halten die Qualitätsstandards im Bereich der Kindertagesbetreuung. Damit liegen wir im Bundesvergleich an der Spitze. Was wir nicht versprechen, was Sie dann tun, Frau Sudmann, ist, zu sagen, wir erhöhen das.