Protocol of the Session on February 28, 2019

Die vergangenen Wochen haben aber wieder einmal gezeigt, dass leider genau das Gegenteil hier der Fall ist. Es wurden gleich mehrere Fälle von völlig unmenschlichen Abschiebungen bekannt, bei denen die Menschenrechte mit Füßen getreten wurden.

Ein dramatisches Beispiel ist der Fall einer Familie aus Marburg, die nach Algerien abgeschoben werden sollte. Obwohl die Frau im achten Monat hochschwanger und laut ärztlicher Bescheinigung reise- und flugunfähig war, wurde die Abschiebung angeordnet. In Algerien wartet der Ehrenmord auf diese Frau. Auf ihren Mann, den Vater der zweijährigen und vierjährigen Töchter, wartet das Gefängnis in Algerien.

Die Abschiebung wurde nur verhindert, weil der Pilot sich anständigerweise geweigert hat, die Frau ohne ärztliche Begleitung mitzunehmen. An dieser Stelle möchte ich meine Hochachtung vor diesem Piloten aussprechen, der sich seine Menschlichkeit, aber auch seine Vernunft bewahrt hat.

(Beifall DIE LINKE)

Dann wurde der Fall eines Ehepaares bekannt, das in den Kosovo abgeschoben werden sollte. Die beiden leben schon seit über der Hälfte ihres Lebens in Deutschland und haben hier geborene Kinder und Enkel. Sie gehören der im Kosovo verfolgten Gruppe der Roma an. Im Kosovo haben sie nichts mehr. In Hessen lebt jedoch die ganze Familie mitsamt den Kindern und Enkeln. Auch in diesem Fall bescheinigt ein aktuelles Attest die Reiseunfähigkeit der betroffenen Frau, die darüber hinaus noch eine Schwerbehinderung hat.

Was für eine Anmaßung ist das? – Die Regierungspräsidien ignorieren ärztliche Atteste, setzen die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen aufs Spiel. Nicht nur mich sollte das entsetzten, liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem Landtag.

Im letztgenannten Fall lag auch eine Empfehlung der Härtefallkommission vor, der übrigens auch Vertreter des Innenministeriums angehören. Die Härtefallkommission hat dem Innenminister empfohlen, aus dringenden humanitären und persönlichen Gründen einen Aufenthalt zu gewähren. Doch darüber setzte sich der Innenminister kaltherzig hinweg. Anscheinend sind Sie von den potenziellen Stimmen des AfD-Wählerlagers so sehr angetan, Herr Beuth, dass Ihnen die Einzelschicksale dieser Menschen vollkommen egal sind.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf CDU: Ei, ei, ei!)

Diese Fälle zeigen, dass die Landesregierung ihre Politik der Abschiebung um jeden Preis und ohne jede Rücksicht auf die Betroffenen auch in dieser Legislaturperiode fortsetzen möchte.

Denn auch im letzten Jahr wurden schon, wie wir alle wissen, unglaubliche Fälle bekannt. Ich erinnere da nur an den ebenfalls aus dem Kosovo stammenden Rom, der quasi direkt aus der Psychiatrie abgeschoben wurde. Ich erinnere an die Abschiebung einer serbischen Schülerin direkt aus dem Klassenzimmer. Ich erinnere an den Familienvater, der vor den Augen seiner kleinen Kinder zur Abschiebung abgeführt wurde.

Nicht zu vergessen sind dann natürlich die ganzen Abschiebungen in das Bürgerkriegsland Afghanistan, bei denen jede einzelne eine menschenrechtliche Katastrophe ist.

(Beifall DIE LINKE)

Das sind leider keine traurigen Einzelfälle. Das hat System. Die flüchtlingsfeindliche Stimmung innerhalb der Bevölkerung – zumindest bei gewissen Bevölkerungsteilen – wird von der Landesregierung bereitwillig aufgegriffen, während die Rufe nach Humanität leider verhallen.

Um der AfD das Wasser abzugraben, betreibt das Innenministerium deren Politik. Die Menschenrechte, das Recht auf Familie, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, bleiben dabei komplett auf der Strecke.

Dass die GRÜNEN so eine Abschiebepolitik mittragen, ist zwar bedauerlich, aber es sollte in diesem Land eigentlich auch niemanden mehr verwundern.

Dann gibt es noch die Abschiebungen, hinter denen die GRÜNEN und die CDU ausdrücklich stehen und auf die Sie, Herr Beuth, ganz besonders stolz sind – auf die Abschiebung von sogenannten Gefährdern. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle kein neues Fass aufmachen, aber einige Worte hierzu kann ich mir dann doch nicht verkneifen. Ihre Politik könnte man nämlich wie folgt zusammenfassen: Sicherheit durch Abschiebung. Aber es müsste eigentlich so lauten: Sicherheit durch Präventivprogramme, Sicherheit durch die Förderung von Aussteigerprogrammen, Sicherheit durch breite Aufklärung an Schulen und in der Gesellschaft. Und vor allem: Sicherheit durch die Bekämpfung von rechtsradikalem Gedankengut.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Minister, die wenigen Fälle, die ich eben geschildert habe, zeigen doch nur eines: Sie handeln nach der Maxime „Abschiebung um jeden Preis“. Statt die zunehmende ausländerfeindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung zu bekämpfen, feuern Sie diese mit Ihrer Politik noch an. Für schnelle vermeintliche Erfolgsmeldungen ist Ihnen jedes Mittel recht.

(Zuruf CDU: Na, na, na!)

Da werden Familien auseinandergerissen, sich über ärztliche Atteste hinweggesetzt und Menschen in den direkten Bürgerkrieg abgeschoben.

Frau Kollegin, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.

Ich komme zum Schluss. – Herr Beuth, Ihre Politik ist unmenschlich; und aus diesem Grunde muss die Abschiebepolitik, die Sie betreiben, abgeschafft werden. Ihre Politik ist unmenschlich und nicht minder unverantwortlich. Wir

müssen dieser Abschiebepolitik ein Ende setzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat sich Kollege Dirk Gaw für die Fraktion der AfD gemeldet. Herr Gaw, Sie haben das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat eine Aktuelle Stunde einberufen, in der es eigentlich um das Thema „unmenschliche Abschiebepraxis“ gehen sollte. Ich habe hier hauptsächlich etwas über unmenschliche Abschiebeentscheidungen gehört. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon mit Rückführungen zu tun hatte. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn auch mit dieser Maßnahme Berührung gehabt

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das kann ich mir vorstellen! – Janine Wissler (DIE LINKE): Wir auch, aber auf der anderen Seite!)

und möchte gleich vorwegschicken: Unsere Rückführungen sind alles andere als unmenschlich.

(Beifall AfD – Saadet Sönmez (DIE LINKE): Die Schlafzimmertür einzutreten, und das vor den Augen der Kinder, ist nicht unmenschlich?)

Nein, sie sind das genaue Gegenteil davon.

(Saadet Sönmez (DIE LINKE): Die Schlafzimmertür einzutreten ist menschlich?)

Ich habe vorgestern mit einer Kollegin gesprochen, die über zehn Jahre lang Rückführungen durchgeführt hat. Hier einige ihrer Aussagen: Alle eingesetzten Rückführungskräfte verfügen über eine Schulung, welche jährlich wiederholt wird. Weiterhin wird in jährlichen Abständen Erste Hilfe unter Berücksichtigung des lagebedingten Erstickungstods, kurz auch PAS genannt, geschult. Jeder Rückführer muss sich einer Prüfung unterziehen, in der entschieden wird, ob eine Eignung vorliegt, diese Tätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen, unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten zur Empathie, durchzuführen. Schulungen und Lehrgänge erfolgen ausschließlich durch ausgebildetes Rückführungspersonal. Deutsche Ausbilder der Rückführung schulen europaweit.

(Beifall AfD)

Rückführungen werden durch Angehörige der Kirchen sowie von Amnesty International bereits in den Räumlichkeiten der Rückführung am Flughafen überwacht.

(Beifall AfD)

Rückzuführende erhalten finanzielle Mittel zur Starthilfe in ihrem Heimatland. Es findet niemals eine Rückführung um jeden Preis statt.

(Saadet Sönmez (DIE LINKE): Doch, genau das!)

Eine Rückführungsmaßnahme beginnt zwei bis drei Stunden vor der eigentlichen Maßnahme. Es wird ausschließlich in Teams geflogen; es wird mit den Rückzuführenden immer bereits im Gewahrsamsraum Kontakt aufgenommen. Es wird meistens in englischer Sprache über den Ge

mütszustand, über das Erlebte und über die Bereitschaft zur Ausreise bzw. Rückführung, gesprochen. Jeder Rückzuführende wurde und wird selbstverständlich vernünftig behandelt. Niemand wird bedrängt oder Ähnliches, wenn es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt;

(Zuruf Saadet Sönmez (DIE LINKE))

denn diese gehen immer erst vom Rückzuführenden aus, weil er dadurch seine Rückführung zu verhindern versucht.

(Beifall AfD)

Jeder Rückführer möchte eine Rückführung ohne Zwischenfälle. Keiner hat Bock auf Stress.

(Beifall AfD)

Vor dem Betreten des Luftfahrzeugs – das haben Sie erwähnt – wird bei jeder Maßnahme durch die Rückführer persönlich mit dem eingesetzten Piloten gesprochen, der sich vor Ort ein Urteil über den Zustand des Rückzuführenden bildet und am Ende entscheidet, ob die Rückführungsmaßnahme stattfindet bzw. er diesen befördert. Eine geplante Rückführung wird abgebrochen, wenn der Rückzuführende aktiv gegen diese Maßnahme Widerstand leistet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in elf Jahren und bei weit über 200 Rückführungsmaßnahmen, zusätzlich zu den Sammelrückführungen mit Frontex, musste ich noch nie körperliche Gewalt gegen den Rückzuführenden anwenden; denn eine Maßnahme steht und fällt immer mit der Kommunikation.

(Beifall AfD)

Jeder Rückzuführende wurde menschlich behandelt. Es wird immer Rücksicht auf seine persönliche Situation genommen.

(Saadet Sönmez (DIE LINKE): Wenn es „menschlich“ ist, die Schlafzimmertür einzutreten!)

Im Gegensatz dazu wurden wir als deutsche Polizeibeamte im Ausland – jetzt können Sie auch einmal zuhören; das gehört zur Rückführung nämlich dazu – oder an Bord ausländischer Flugzeuge diskriminiert. Kolleginnen wurden gezwungen, Kopftücher zu tragen, da die Rückführungsmaßnahme ansonsten gescheitert wäre, obwohl der Rückzuführende sogar mit der Maßnahme einverstanden war und freiwillig nach Hause flog. In einigen Ländern wurden wir schon beim Versuch, im Hotel einzuchecken, ignoriert und nicht bedient. Polizeibeamtinnen wurden teilweise sogar belästigt. Auch Zugeständnisse, die den Rückzuführenden gemacht wurden, also bevor man die Rückführung angetreten hat, wurden den Rückführern am Zielort zum Verhängnis, was unter anderem eine Gefängnisstrafe eines Kollegen von 24 Stunden zur Folge hatte – ohne jegliches eigenes Verschulden.

Sie haben jetzt einen kleinen Einblick in die Arbeit der Rückführer bekommen, in die Rückführungspraxis. Falls es wirklich in einem Ausnahmefall zu einem Fehlverhalten von Kollegen gekommen sein sollte, wird dies seitens der Behörden sehr genau untersucht und führt zu disziplinarischen bzw. strafrechtlichen Maßnahmen.