Protocol of the Session on February 28, 2019

Dazu ist die Grundgesetzänderung absolut notwendig; denn das bisherige Kooperationsverbot verhindert seit dessen Einführung 2006 eine direkte Unterstützung der Schulen durch den Bund. Deshalb hat die SPD in Bundestag und Bundesrat vehement gegen den Widerstand von CDU und CSU auch in Hessen gekämpft. Aber nach dem Ergebnis, das der Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern jetzt verhandelt hat, ist es, vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats, nach zweieinhalb Jahren endlich so weit. Werte Kolleginnen und Kollegen, der Digitalpakt kommt.

Mit diesem Pakt stellt der Bund den Ländern ab diesem Jahr 5 Milliarden € für Investitionen in digitale Infrastruktur, WLAN, Tablets und Dokumentenkameras zur Verfügung. Außerdem können wir mit dem Digitalpakt auch die Wartung der Geräte und Systeme sowie die Beratung und Qualifizierung des Lehrpersonals fördern. Das bedeutet für Hessen – wir haben es schon gehört – rund 370 Millionen €. Pro Jahr sind es etwa 75 Millionen €.

Mir stellt sich aber eine andere Frage: Wie viele Mittel wird die Landesregierung dazugeben? Denn nach dem nun erzielten Kompromiss werden die Länder nicht, wie zuerst beabsichtigt, verpflichtet, zusätzliche Mittel in gleicher Höhe bereitzustellen. Ich habe bereits eine Vermutung, wie das am Ende ausgehen könnte:

Hessen investiert 100 Millionen € jährlich zusätzlich in die Digitalisierung von Schulen. Das klingt zugegebenermaßen erst einmal gut. Das wäre eine runde Zahl, und sie erscheint auf den ersten Blick auch sehr groß. Gerechnet auf die knapp 2.000 Schulen wären das ca. 50.000 € pro Schule.

Viel schlimmer wäre allerdings der dahinter liegende Etikettenschwindel. Schon wieder würde sich die Landesregierung die Welt schönrechnen. Die Gleichung lautet immer – Sie kennen sie –: Geld vom Bund plus Landesmittel ist gleich „Hessen investiert“.

(Heiterkeit und Beifall SPD, DIE LINKE und ver- einzelt Freie Demokraten)

Vielen Dank. – Die schwarz-grüne Koalition tut das. Als ob ich es geahnt hätte: Sie tun es mit Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag schon wieder. In den Punkten 2 und 3 werden Bundesmittel, Landesmittel und kommunale Mittel addiert, damit das möglichst gut aussieht. So macht man das vielleicht nun einmal.

Unabhängig davon, wie viele Landesmittel am Ende bereitgestellt werden, gilt doch: Dieser Betrag darf auf keinen Fall Teil der bereits in Ihrem Koalitionsvertrag enthaltenen 1 Milliarde € für die Digitalisierung sein.

(Beifall SPD, Freie Demokraten und vereinzelt DIE LINKE)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, neben dem langen Warten haben die Schulen noch etwas anderes gemeinsam. Die Digitalisierung wird nämlich das, was die Schule den jungen Menschen vermitteln muss, und vor allem auch die Art, wie die notwendigen Kompetenzen vermittelt werden, völlig verändern, wenn das nicht schon längst geschehen ist. An dieser Stelle wurde viel versäumt.

In Bezug auf den Digitalpakt spreche ich insbesondere Frau Ministerin Sinemus und Herr Lorz an. Frau Ministerin, ich weiß, Sie treten das Erbe von Herrn Minister AlWazir an. Sie sind wie ich hier neu. Lassen Sie mich trotzdem eines klarstellen: Die Basis jeglicher Digitalisierung ist die digitale Infrastruktur. Die fehlt ganz besonders an den Schulen.

(Beifall SPD, Freie Demokraten und Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich bin direkt gewählter Abgeordneter. Ich brauche immer greifbare Beispiele aus meinem Wahlkreis. Denn ich verstehe noch nicht alles, was in Wiesbaden geschieht.

Die Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule in Ober-Ramstadt ist seit Kurzem eine selbstständige Schule. Dort gibt es eine moderne Schulküche. Dort gibt es Werkräume. Es gibt ein Biotop, einen Videoschnittraum, ein Tonstudio, ein motiviertes Kollegium und eine engagierte Schulleitung. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Schule hat alles, wirklich alles.

(René Rock (Freie Demokraten): Nur kein WLAN!)

Sie hat alles bis auf – Sie ahnen es – schnelles Internet.

(Heiterkeit und Beifall SPD, Freie Demokraten und DIE LINKE)

Wenn ich aus dem Besuch dieser Schule eines mitnehme – das mache ich immer, wenn ich eine Schule besuche –, dann ist es der Wunsch nach einer Glasfaserleitung, um die Möglichkeiten der Digitalisierung überhaupt nutzen zu können.

Leider findet man das Wort Glasfaser im Koalitionsvertrag – Sie werden es wieder ahnen – kein einziges Mal. Dabei brauchen unsere Schulen eine solide und moderne digitale Infrastruktur und professionellen IT-Support. Sie brauchen einen digitalen Hausmeister, der die Software auf den neu

en Tablets installiert, der sie ins Schul-WLAN einbindet, der das mit dem Dokumentenscanner und den Whiteboards vernetzt.

Frau Ministerin Sinemus, ich bitte Sie: Vergeuden Sie keine Minute. Bauen Sie Ihr Ministerium auf. Legen Sie los. Die Digitalisierung läuft längst.

Die digitale Infrastruktur ist eben nur ein Teil. Darauf aufbauend, brauchen wir eine digitale Pädagogik, Didaktik und Lehrkräfte.

(Zuruf SPD: Richtig!)

Das muss alles ineinandergreifen. Denn Laptops alleine schaffen keine Medienkompetenz. Sie ersetzen auch keine Lehrkräfte.

(Beifall SPD, DIE LINKE und Michael Boddenberg (CDU))

Die Behauptung, an hessischen Schulen falle substanziell kein Unterricht aus, geht genauso an der Realität vorbei wie die Aussage, dass alle hessischen Schulen hinsichtlich der digitalen Bildung auf dem neuesten Stand seien.

(Beifall SPD, Freie Demokraten und vereinzelt DIE LINKE)

Auch hier wurde vieles während der Zeit verschlafen, als wir auf den Digitalpakt gewartet haben. Herr Kultusminister, eine Nachfrage bei Ihnen, wie viele Schulen in Hessen auf welchem digitalen Stand sind und welches Digitalisierungskonzept Sie verfolgen, erspare ich mir an dieser Stelle. Kurz, knapp und ehrlich wäre wahrscheinlich die Antwort: Darüber liegen der Landesregierung keine Informationen vor.

(Heiterkeit und Beifall SPD, vereinzelt Freie Demo- kraten und DIE LINKE)

Ich mache zurzeit die Erfahrung, dass viele Schulen eigene Konzepte erarbeiten, wie sie ihren Unterricht in der digitalen Bildungswelt gestalten wollen. Das ist leider noch nicht überall der Fall. Vielfach finden an den Schulen z. B. vereinzelte Programmierarbeitsgemeinschaften statt. So etwas geschieht oft auf Initiative der Eltern oder einzelner Lehrkräfte.

Mein Problem, gerade als Sozialdemokrat, ist dabei: Dies kann zu einer Spaltung hinsichtlich der digitalen Kompetenz der jungen Menschen führen. Denn viele dieser Angebote finden häufig an Schulen statt, an denen die Lehrkräfte nicht bereits durch große Klassen, Personalmangel oder ein schwieriges soziales Umfeld sowieso schon überlastet sind.

(Beifall SPD)

Dazu kommt noch, dass es an den Schulen, an denen die Qualität sowieso höher ist, natürlich auch noch Eltern mit der entsprechenden Zeit und Qualifikation gibt. Mit ihrem Engagement ermöglichen sie die entsprechende Projektarbeit.

Die Digitalisierung darf nicht zu sozialer Spaltung führen. Deswegen will die SPD, dass es jedes Kind schafft, einen Platz in der digitalen Gesellschaft zu finden und die Herausforderungen zu meistern.

(Beifall SPD)

Dazu müssten Sie angesichts der rasanten technologischen Entwicklung, aber auch wegen des Wandels der Arbeits

welt, die Bildung neu denken. Denn es geht um unsere Zukunft. Jetzt werden jene Menschen in unseren Schulen ausgebildet, die die Zukunft Hessens gestalten werden. Die nächste Generation braucht neue Kompetenzen und Lerninhalte. Deshalb muss die Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer der heutigen Zeit angepasst werden.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Was ist in dieser Hinsicht passiert? – Viel zu wenig. Daher brauchen wir dringend einen Masterplan für die Digitalisierung in den Schulen und des Unterrichts. Wir brauchen eine Unterrichtsdidaktik sowie ein Landesmedienkonzept. Auch dabei gilt: Herr Minister Lorz, legen Sie endlich los. Die Digitalisierung läuft längst. Oder liegen Ihnen darüber auch keine Informationen vor? – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD – Vereinzelter Beifall Freie Demokraten und DIE LINKE)

Herr Abg. Kaffenberger, vielen Dank. Das war übrigens Ihre erste Rede im Plenum des Hessischen Landtags. Das gesamte Haus gratuliert Ihnen dazu sehr herzlich.

(Allgemeiner Beifall)

Als nächsten Redner darf ich Herrn Abg. May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufrufen. Herr May, Sie haben das Wort.

Hochgeschätzter Herr Präsident,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ui, ui, ui!)

sehr geehrte Damen und Herren! Die Hoffnungen, die mit der Nutzung digitaler Endgeräte im Unterricht verbunden werden, sind sehr groß. Das ist auch bei manchem Debattenbeitrag wieder deutlich geworden. Es besteht die Hoffnung, dass mit einer Digitalisierungsoffensive ein Modernisierungsschub in den Schulen erreicht wird.

Allerdings ist bis heute unklar und wenig belegt, inwieweit diese Hoffnungen in der Tat auch substanziell hinterlegt werden können. Meiner Meinung nach kommt es ganz entscheidend darauf an, wie wir das ausgestalten. Deswegen war es richtig, dass der Minister heute skizziert hat, was wir mit dem Hessischen Digitalpakt Bildung vorhaben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Michael Boddenberg (CDU))

Der Digitalpakt zwischen dem Bund und den Ländern ist dabei ein Add-on. Er ist ein willkommenes Sahnehäubchen. Er ist etwas, was wir gerne hinzunehmen. Aber wenn man das Geld des Bundes in Relation zu dem setzt, was Hessen an Anstrengungen unternehmen wird, dann sieht man, dass es sich um etwas Willkommenes handelt, was hinzugefügt werden kann. Das kann aber nicht die großen Anstrengungen ersetzen, die das Land Hessen unternimmt.

Herr Kollege Kaffenberger, ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Sie aus dem Digitalpakt des Bundes und der Länder eine Geschichte zwischen CDU und SPD gemacht haben. Wie wir den Ausführungen des Herrn Kollegen Boddenberg entnehmen konnten, hatten wir eine Situation, in der sich alle 16 Bundesländer – es gibt auch noch Bundesländer, in denen die SPD mitregiert – gegen den

Übergriff des Bundes gewehrt haben. Von daher kann man da nicht die Nummer „CDU gegen SPD, und die SPD war vorne“ aufmachen. Ich glaube, es war richtig, dass alle Bundesländer gegen diesen Übergriffsversuch des Bundes zusammengestanden haben.