Protocol of the Session on December 9, 2020

Im Frühsommer dieses Jahres erschütterte die Korruptionsaffäre um einen Ihrer Chefankläger nicht nur die hessische Justiz, sondern auch die bundesdeutsche Bevölkerung. Jahrelang hat einer Ihrer Oberstaatsanwälte in die eigene Tasche gewirtschaftet. Er hat Verfahrensbeteiligte unter Druck gesetzt, und zwar massiv. Das hat das Vertrauen in unseren Rechtsstaat nachhaltig erschüttert. Das geschah vor Ihren Augen.

Was ist Ihre Antwort darauf? Sie zeigten einen weniger als halbherzigen Kooperationswillen im Rechtspolitischen Ausschuss. Aufklärungswille sieht anders aus.

(Beifall SPD)

Die Frage muss ich der Ministerin stellen: Ist das Ihre Vorstellung von der Verwirklichung des Rechtsstaats und der Schaffung der Rechtssicherheit? Das steht als Oberziel in Ihrem Haushalt. Das sind nichts als schöne Worte.

Lassen Sie mich deshalb den ehemaligen Oppositionsabgeordneten Tarek Al-Wazir zitieren. Er hat damals zu Recht gesagt:

Regieren muss man nicht nur wollen, sondern auch können.

In den Ausschusssitzungen versteht sich Frau Kühne-Hörmann mehr als Moderatorin denn als Ministerin.

Herr Kummer, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die von Ihrer Fraktion angemeldete Redezeit abgelaufen ist.

Ich lasse es auf mich zukommen, dass ich mich da noch werde erklären müssen. Frau Präsidentin, ich komme zum Ende meiner Rede. Vielen Dank.

Ich sage es noch einmal: Sie versteht sich als Moderatorin und weniger als Ministerin. Frau Ministerin, bei kaum einem Thema, sei es auch noch so brisant oder wichtig, sind Sie sprachfähig oder auskunftsfähig. Stattdessen beehren Sie uns mit Ihrer Anwesenheit, um dann Ihren Abteilungsleitern das Wort zu erteilen. Wichtige Informationen mit Sprengkraftpotenzial werden nach Ihren Angaben der Hausleitung vorenthalten. Teilweise wissen Sie nicht einmal von den hochbrisanten Vorgängen im unmittelbaren Umfeld Ihrer engsten Mitarbeiter.

Deshalb stelle ich die Frage: Wer leitet eigentlich das Justizministerium? Frau Kühne-Hörmann, das ist die Konsequenz, wenn man meint, Politik im Schlafwagen betreiben zu können. Wachen Sie endlich auf, und übernehmen Sie in Ihrem Ministerium das Steuer.

Kolleginnen und Kollegen, der Grundpfeiler eines funktionierenden und glaubwürdigen Rechtsstaats ist eine starke, unabhängige und gut funktionierende Justiz. Das ist es, was wir wollen. Das ist es, was die Mitglieder der SPDFraktion wollen. Damit will ich die an uns gerichtete Frage der Ministerin im Rechtspolitischen Ausschuss, nämlich die: „Was wollen Sie eigentlich?“, noch einmal klar und deutlich beantworten. Wir wollen einen gut ausgestatteten

und gut funktionierenden Justizapparat in unserem Land Hessen. Das ist es, was die Mitglieder der SPD-Fraktion wollen. – Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall SPD)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Wissenbach das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit haben ihren Preis. Das gilt im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach zwei Jahren Oppositionsarbeit werden wir mit unseren Änderungsanträgen zum Haushaltsplan sichtbar machen, wie wichtig uns die Justiz und die Mitarbeiter der Justiz sind. Dies sind die Mitarbeiter, die tagtäglich hervorragende Arbeit leisten. Dabei haben sie insbesondere jetzt besondere Herausforderungen zu stemmen.

Seit mehreren Jahren bereiten dem Richterbund Hessen vor allem die Nachwuchsgewinnung und die personelle Ausstattung der hessischen Justiz Sorgen. Auch bei der Gewinnung des Gerichtsvollziehernachwuchses klemmt es.

Auf die Justiz rollt eine große Ruhestandswelle zu. Wir betrachten bei den Gerichten, den Staatsanwaltschaften, im Justizvollzug und bei den Gerichtsvollziehern die demografische Entwicklung mit Sorge. In den nächsten Jahren werden in allen Sparten viele ausscheiden. Sie gehen in den Ruhestand. Es beginnt der Ruhestandseintritt für die geburtenstarken Jahrgänge.

Beim Verwaltungsgericht Frankfurt liegt der Altersdurchschnitt bei über 57 Jahren. Bei den anderen Gerichten sieht es nicht anders aus. Bis zum Jahr 2030 werden etwa 40 % aller heute noch aktiven Staatsanwälte und Richter in Rente gehen. Um die Stellen nachzubesetzen, fordern wir als AfD im Hessischen Landtag 300 zusätzliche Anwärterstellen für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften sowie eine wesentliche Erhöhung der Bezüge für die Anwärter auf die Gerichtsvollzieherstellen auf A 9.

(Beifall AfD)

Nur mit einer ausreichenden Anzahl gut ausgebildeter, qualifizierter und adäquat bezahlter Mitarbeiter können die hohen Erwartungen, die an unsere hessische Justiz gestellt werden, auch in Zukunft erfolgreich erfüllt werden. Das muss in allen Bereichen der Justiz und im Justizvollzug gewährleistet werden.

Unsere Forderung nach 300 zusätzlichen Stellen im Haushaltsplan für Richter und Staatsanwälte sowie die Umstellung und Erhöhung der Bezüge für die Gerichtsvollzieherausbildung ist dringend notwendig. In der Zivilgerichtsbarkeit fehlt es an Richtern. Das zeigt die immer noch andauernde Klagewelle aus dem VW-Abgaskomplex. Insolvenzverfahren werden kommen. Subventionsbetrugsverfahren werden kommen.

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit fehlt es an Richtern. Dort wird immer noch mit der Bearbeitung der Asylverfahren aus dem Jahr 2015 gekämpft. Auch in der Strafgerichtsbarkeit kommt es bei der Bearbeitung der Strafverfahren zu massiven Engpässen. Wichtige Fristen können

dort oft nur mit äußerster Anstrengung eingehalten werden, damit keine Untersuchungshäftlinge vorzeitig auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Das derzeitig geltende Gerichtsvollzieherausbildungssystem ist unmodern und unattraktiv ausgestaltet, weswegen der potenzielle Nachwuchs lieber attraktivere und modernere Berufe wählt.

Mit unserer Forderung der Schaffung von 300 Stellen für die Justiz und einer Erhöhung der Bezüge für die Gerichtsvollzieheranwärter wollen wir die Effektivität der hessischen Gerichte und Staatsanwaltschaften und die Attraktivität der Ausbildung zum Gerichtsvollzieher steigern. Wir wollen ein personell sowohl qualitativ als auch quantitativ gut besetztes Gerichts- und Justizvollzugswesen, das auch mit Sachmitteln modern und gut ausgestattet ist.

Zuletzt will ich noch ein paar Worte zu unserem Antrag zur größeren Unterstützung der Rechtsreferendare sagen. Am 10. November 2020 debattierten Vertreter der Studierenden, der Anwaltschaft sowie Repräsentanten der Universitäten und der Prüfungsämter über den Reformbedarf und die Verbesserungsmöglichkeiten beim Jurastudium, beim Referendariat und im Prüfungswesen auf dem digitalen DAV-Forum „Update für die Jurist*innenausbildung“. Der Deutsche Anwaltverein bot dem juristischen Nachwuchs Mittel und Wege, Kritik an der Ausbildung zu formulieren und in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Forderung der jungen Juristen lautete: Bereitet uns auf die Berufswelt vor.

Hessen hinkt mit der digitalen Ausstattung seiner Rechtsreferendare anderen Bundesländern hinterher. Mangels Ausbildungsfortschritts wegen fehlendem Internetzugang oder wegen mangelnder Bereitstellung der Software müssen sogar Staatsexamensprüfungen verschoben werden oder fallen manchmal ganz aus. Dies geht mit den Ausfällen durch die aktuelle Corona-Krise einher.

Die Ausstattung der Rechtsreferendare mit einem Notebook und der dazugehörigen Bürosoftware auf Basis des Hessen PC 3.0 mit Zugang zu Hessen Connect inklusive einer Telefonflatrate ist unbestreitbar notwendig. Die Rechtsreferendare können nur so Zugang zu den Verfahrensakten und den Verfahrensinhalten wie die Mitarbeiter der Justiz selbst erhalten und können dann aktiv zusammen mit den Richtern und Staatsanwälten arbeiten. Nur so können sie von ihnen lernen.

Fazit: In allem können wir dem Haushaltsentwurf der Landesregierung nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall AfD)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun Frau Förster-Heldmann das Wort. – Danke für die Desinfektion. So können wir einigermaßen sicher tagen. Vielen Dank dafür.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die hessische Justiz verwirklicht das Rechtsstaatsprinzip und schafft Rechtssicherheit. Das ist die Prämisse, unter der der Haushalt aufgestellt worden ist. Ja, dafür stehen wir, und auch das Justizaufbauprogramm wird weitergeführt.

Kolleginnen und Kollegen, die Anforderungen an die Justiz während der Corona-Krise sind nicht gesunken. Danke an alle Richterinnen und Richter, an die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, dass sie ihren Aufgaben während dieser Krise immer vollumfänglich gerecht geworden sind und es auch in nächster Zukunft werden.

Ich will noch einmal an das Sondervermögen erinnern, weil sich auch daran ablesen lässt, wie wichtig es ist, weil es nämlich auch für die Reinigung – schauen Sie sich die Summe an, ich glaube, es ist über 1 Million €, nämlich 1,2 Millionen €, aber lesen können Sie selbst – und für die Anmietung von Räumlichkeiten, um Gerichte unter CoronaBedingungen tagen lassen zu können, wichtig und notwendig ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Handlungsfähigkeit zu unterstützen und auszubauen, ist auch weiterhin die Aufgabe dieses Haushalts. Da kann man über 50 Stellen lamentieren, aber dann schauen Sie sich die Stellen bitte auch einmal an. Dann werden Sie nämlich sehen, dass die Stellen nicht wahllos einfach irgendwie veranschlagt werden, sondern dass explizit bestimmte Bereiche eine Erweiterung erfahren.

Zu diesen 50 Stellen kommen auch noch befristete Stellen, die weitergeführt werden – mir fehlt gerade der Fachausdruck –, ich glaube, etwa 40, und Umstrukturierungen in den Tarifbereichen dazu. Das sollte nicht vergessen werden.

Es sollte auch nicht vergessen werden, dass im Justizvollzug – –

Frau Förster-Heldmann, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich habe doch nur so wenig Zeit, deswegen rede ich schon so schnell.

Herr Kummer, das müssen Sie sich schon anhören. Im Grunde genommen sind wir alle einer Meinung: Justiz bedarf einer ganz großen Anerkennung, und genau daran werden wir gemeinsam arbeiten. Die einen kritisieren, und die anderen sagen: Ja, weiter so. – Wir werden weiter unterstützen, das ist genau unsere Haltung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Auch die Juristenausbildung wird finanziell weiter unterstützt. Zu dem, was mein Vorredner dazu gesagt hat: Ich glaube, das Gespräch ist ein bisschen länger her gewesen, auf jeden Fall hat sich eine ganze Menge getan. Die Rechtsreferendare sind sehr wohl sehr zufrieden über die Verbeamtung, und bundesweit haben sie dadurch einen ganz anderen Stellenwert und eine andere Wertigkeit. Das sieht man im Übrigen auch an den Ergebnissen des Richterwahlausschusses, wo wir wirklich daran arbeiten, dass die schon beschriebene Verrentungswelle aktiv bekämpft wird. Auch an dieser Stelle gehört es dazu, finde ich, eine hohe Anerkennung auszusprechen. Für die IT-Ausbildung der Rechtsreferendare sind allein 1,6 Millionen € im Sondervermögen enthalten. Das können Sie alles nachlesen.

Die Digitalisierung haben wir eben schon angesprochen. Wenn ich daran erinnern darf: Im letzten Haushalt wurden 5 Millionen € dafür veranschlagt – nein, es war mehr –, und jetzt kommen fünf neue Stellen dazu. Also: Es werden nicht wahllos Stellen irgendwo hingesetzt, sondern es wird genau überlegt, was man macht.

Die besonderen Herausforderungen für die Justiz bestehen natürlich auch im Bereich der extremen Auswirkungen – ich will nicht „Extremisten“ sagen, das ist mir irgendwie zu platt – unserer modernen Gesellschaft. Damit muss sich auch die Justiz befassen. Aber sie tut es, und sie tut es gerne. Ich finde, das verdient hohe Anerkennung. Es ist überhaupt nicht so, dass das alles nicht berücksichtigt würde, sondern, wenn Sie sich die Veränderung der Justiz in den letzten Jahren anschauen, werden Sie sehen, mit welch aktiver Rolle die Justiz diesen Anforderungen gerecht wird. Das sollte wirklich unsere Anerkennung finden, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Dann haben wir die Möglichkeit, weiter aktiv für diesen Bereich – der von unserer Gesellschaft als so selbstverständlich, als so normal anerkannt wird, weil es vollkommen klar ist, dass Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte funktionieren wie kaum jemand anderes; das ist für uns alles selbstverständlich – daran zu arbeiten, dass die Justiz auch weiter stark ist.

Ich möchte noch ein paar Dinge sagen. Gerade eben habe ich ausgeführt, dass die Justiz durchaus auch für steigende Anforderungen die Antworten findet – ob es die Rechtsstaatsklassen sind, ob es das Haus des Jugendrechts ist, ob es die europäischen Staatsanwälte sind bzw. das jetzt einzurichtende Zentrum. Verschiedene Dinge sind deutlicher Beweis dafür, dass die Justiz praktisch an unserer Gesellschaft dran ist und sich gleichbedeutend damit weiterentwickelt.

Frau Förster-Heldmann, ich weise darauf hin, dass die von Ihrer Fraktion angemeldete Redezeit abgelaufen ist.

Okay. – Dann wollen wir noch einmal zur ZIT kommen, weil es so geschildert worden ist, als gäbe es dort einen Dornröschenschlaf. Das ist überhaupt nicht wahr. Schauen Sie doch einmal in den letzten Haushalt. Es nutzt auch nichts, wenn man nur einen Haushalt anschaut, Sie müssen auch ein bisschen schauen, was in der Vergangenheit passiert ist. Es ist überhaupt nicht so, dass es irgendeine Stelle ist, sondern es ist eine Stelle, die bundesweit angefragt wird.

Ganz wichtig ist mir noch einmal der Punkt mit Herrn Badle. Herr Kummer, Herr Badle hat nicht der Ministerin den Beweis erbracht, dass er besonders schlau ist, nein, er hat uns allen den Beweis erbracht. Er war nämlich so schlau, dass er vorher im Interview in einem Fachjournal klar aufgezeigt hat, wie man es machen würde, wenn man an dieser Stelle betrügen wollte.