Protocol of the Session on December 9, 2020

Durch die Pandemie hat sich die Situation für viele Mieterinnen und Mieter natürlich verschärft; denn wer seine Miete vorher kaum zahlen konnte, der kann sie mit Kurzarbeitergeld erst recht nicht bezahlen. Deswegen häufen sich die Mietschulden, und im schlimmsten Fall drohen Zwangsräumungen und Wohnungsverlust. Da stellt sich die Frage: Was tut denn die Landesregierung in dieser Situation? Sie tut nichts, was darauf hindeuten würde, dass sie den Ernst der Lage erkannt hätte.

Weder kümmern Sie sich um das Problem der Mietschulden durch Corona – da wäre die Frage, ob man einen landesweiten Mietschuldenfonds macht, um zu verhindern, dass Menschen ihre Wohnung verlieren –, noch nehmen Sie eine grundlegende Veränderung in der Wohnungspolitik in Angriff.

Beim Mieterschutz wird der Geltungsbereich der Mietpreisbremse und anderer Regelungen ausgeweitet, aber Städte wie Hanau, Gießen, Kassel oder Oberursel sind weiterhin oder nicht mehr bei der Mietpreisebremse dabei. Das verstehen nicht einmal Ihre Parteikolleginnen und -kollegen vor Ort.

An wirklich schärfere wirksame Maßnahmen, ein echtes Wohnraumzweckentfremdungsverbot, einen sofortigen Mietenstopp, die Einführung eines echten Mietendeckels nach Berliner Vorbild – an all diese Maßnahmen gehen Sie nicht ran. Auch zu dem Thema von eben, dem Mietschuldenfonds, habe ich zumindest keinen Vorschlag von Ihnen gehört, Herr Minister.

Dasselbe gilt beim Thema soziale Wohnraumförderung: Es ist noch immer nicht gelungen, den massiven Abbau von Sozialwohnungen zu stoppen, geschweige denn, ihn wirklich umzukehren. Mittlerweile haben wir nicht einmal mehr 80.000 Sozialwohnungen in Hessen. Bis 2024 werden noch einmal 9.000 aus der Bindung fallen. Die Landesregierung aber freut sich, wenn die Zahl der Sozialwohnungen am Ende des Jahres gerade einmal um ein paar Hundert, und nicht um ein paar Tausend, fällt.

Letztes Jahr wurden in Hessen gerade einmal 618 sozial geförderte Wohnungen fertiggestellt – 618 in einem Jahr. Das ist doch wirklich ein Armutszeugnis. Da passiert viel zu wenig in diesem Bereich, so werden Sie die Wohnungs

krise nicht lösen, Herr Minister. Hier wäre dringend ein Politikwechsel erforderlich.

(Beifall DIE LINKE)

Beim Thema Energiewende geht nichts voran. Die viel zitierten vier Windräder, die im letzten Jahr in Betrieb gegangen sind, sind viel zu wenig. Ich gebe zu, da sind die Bundespolitik und die Änderung am EEG nicht hilfreich. Aber es gibt eine ganze Menge Dinge, die Sie auch in Landesverantwortung ändern können. Beispielsweise könnten Sie, um nur eines zu nennen, die Mindestwindgeschwindigkeiten, die die FDP einmal in den Entwicklungsplan geschrieben hat, seit Langem geändert haben. Das ist eine bürokratische Hürde. Das erschwert den Ausbau der Windenergie. Das könnte man z. B. korrigieren. Wenn man die Abstandsregelungen und noch die Windgeschwindigkeiten hat, hat man eben Probleme, auf 2 % der Landesfläche zu kommen, was eigentlich einmal das Ziel war.

Zusammengefasst: Es ist notwendig, die sozialen Folgen der Krise abzufedern, bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, bei den Azubis, bei den Mieterinnen und Mietern. Es ist notwendig, um diese Krise für einen sozialökologischen Umbau zu nutzen, also nicht veraltete Technologien zu zementieren und nicht an verfehlten und veralteten Verkehrskonzepten festzuhalten, sondern die Verkehrs- und die Energiewende zu gestalten. Davon ist in diesem Haushalt viel zu wenig zu spüren. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abg. Wissler. – Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Al-Wazir das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein wenig überrascht über die Wortbeiträge der Oppositionsfraktionen in diesem Hause; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Manchmal habe ich mich gefragt, in welchem Land Sie eigentlich leben – Hessen kann es nicht sein.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin daran gewöhnt, dass die SPD manchmal zu spät dran ist. Aber dass Frau Löber hier unter dem Einzelplan 07 die Rede zum Digitalministerium hält, hat selbst mich überrascht. Ich darf einmal darauf hinweisen – ich bin nicht im Ältestenrat, ich habe die Tagesordnung nicht festgelegt –: Dass eine Generaldebatte um 19:30 Uhr beginnt, war nicht meine Entscheidung. Aber gestern wäre der richtige Zeitpunkt dafür gewesen. Deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Ich verstehe manchmal nicht, was Sie hier für ein Bild zeichnen; denn ich glaube, dass es der Lage, in der wir uns befinden, wirklich nicht gerecht wird.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich schon dabei bin: Lieber Herr Kollege Eckert, Sie haben gesagt, meine schärfste Waffe wäre Staatssekretär Philipp Nimmermann. Also, ich will Ihnen einmal sagen: Die SPD wäre froh, wenn sie so eine scharfe Waffe hätte.

Ein halber Nimmermann wäre immer noch ein doppelter Günter Rudolph; da bin ich mir ganz sicher.

(Heiterkeit und Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Marius Weiß (SPD))

Ich frage mich bei manchen Debatten wirklich, an was Sie sich festhalten und mit welchen Punkten Sie sich beschäftigen, wie z. B. mit Rezepten für Grüne Soße, Herr Dr. Naas.

(Zuruf Abg. Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Sie wird übrigens nicht gekocht, sondern höchstens die Kartoffeln dazu. Offensichtlich haben Sie das Rezept dringend nötig.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten) hält einen Ausdruck hoch.)

Ich bin wirklich überrascht. – Frau Kollegin Wissler, Stichwort: Frauen im Wirtschaftsministerium. Ich denke, wir müssen da die Öffentlichkeitsarbeit noch weiter verstärken.

(Zuruf Stephan Grüger (SPD))

Schauen Sie einfach einmal auf das Organigramm, und richten Sie Ihren Blick länger darauf; dann werden Sie schlauer.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe SPD und DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl wir hier über den Einzelplan 07 und das Jahr 2021 reden, will ich doch noch einmal, weil es der Lage angemessen ist, auf das Jahr 2020 zurückschauen. Es ist das Jahr der Corona-Pandemie mit wirklich schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen. Wir haben uns in den letzten acht Monaten Tag und Nacht damit beschäftigt, diese Folgen in irgendeiner Form zu managen und – soweit es irgendwie möglich und gesundheitlich verantwortbar ist – auch zu minimieren.

Wir haben im März die Soforthilfen innerhalb von 17 Tagen auf den Weg gebracht – von der Ankündigung der Bundesregierung am 13. März bis zur ersten Auszahlung am 30. März. Das will ich an dieser Stelle einmal betonen. Wenn man das mit den Novemberhilfen vergleicht, die der Bund organisiert – dazu ist schon etwas gesagt worden –, dann stellt man fest, dass die Landesverwaltung in Hessen wirklich gezeigt hat, was sie kann.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war ein großer Kraftakt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Regierungspräsidium Kassel, jetzt bei den Überbrückungshilfen war es ein Kraftakt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Regierungspräsidium Gießen, und auch der mithelfenden jeweils anderen Regierungspräsidien, der Finanzverwaltung, der beteiligten Ressorts Finanzen, Inneres, Wirtschaft, die immer dabei helfen. Ich will das an dieser Stelle auch einmal sagen: Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir so engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die seit Mitte März teilweise Tag und Nacht und an den Wochenenden arbeiten. Ich hoffe, dass viele von ihnen diese Debatte hier nicht gesehen haben, weil sie ihrer Arbeit und auch der Krise nicht gerecht wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das Sondervermögen auf den Weg gebracht und im Bereich des Wirtschaftsministeriums den Neuen Hes

senplan für Hessens Wirtschaft. Ich will auch das einmal sagen: Der Hessenfonds, die Notfallkasse, die Mikroliquidität von der WIBank haben und werden 1.000-fach dafür sorgen, dass Arbeitsplätze gesichert werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeden Tag arbeiten Menschen auch bei der Förderbank daran, Firmen dabei zu unterstützen, Arbeitsplätze in dieser Krise zu erhalten und zu sichern.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben den öffentlichen Personennahverkehr mit Millionenbeträgen unterstützt, damit trotz wegbrechender Fahrgeldeinnahmen das Angebot weiter aufrechterhalten werden kann. Auch das ist übrigens eine große Unterstützungsleistung des Landes für die Kommunen; denn sie sind Aufgabenträger in Hessen. Aber wir machen das gerne, weil wir sicher sind, dass das gut angelegtes und dringend benötigtes Geld ist, und weil ich sicher bin, dass der ÖPNV, wenn die Krise vorbei ist, an diesen Aufwärtstrend, den er in den letzten Jahren genommen hat, wieder anschließen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Haushalt 2021 die Neuaufstellung von Hessen Mobil. Am 1. Januar 2021 wird es eine Zäsur geben, nämlich den Übergang der Auftragsverwaltung für die Autobahnen auf die Autobahn GmbH des Bundes. Die Auftragsverwaltung erfolgte seit den Fünfzigerjahren durch das Land Hessen. Natürlich wird es dann eine Neuaufstellung von Hessen Mobil geben. Wir wollen das mit einer verbesserten Personalausstattung verbinden: 105 Stellen beginnend im nächsten Haushalt, damit die Sanierungsoffensive im Landesstraßenbau fortgesetzt werden kann, damit das Radwegeprogramm fortgesetzt werden kann. – Herr Dr. Naas, von 14 Neubeginnen bei Radwegen hätten Sie in Ihrer Zeit, als Sie im Ministerium waren, sicher geträumt.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden an dieser Stelle auch neue Aufgaben bekommen. Sie werden sehen – da bin ich mir sicher –, dass nach diesem Jahr des Übergangs Hessen Mobil für die verbleibenden Aufgaben noch stärker aufgestellt sein wird.

Wir sind bei der Digitalisierung, und zwar im Bereich des Einzelplans 07, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es gibt mehr Geld für die kleinen und mittleren Unternehmen in der Abfolge Digi-Check, Digi-Beratung, Digi-Zuschuss – fast 5 Millionen € mehr für kleine und mittlere Unternehmen, um sie bei der Digitalisierung zu unterstützen.

Wir werden den Tourismusbereich mit Millionen Euro digitalisieren; wir werden dort die digitale Präsentation der Destinationen stärken. Wir werden dort nicht nur Marketinganalysen finanzieren, sondern auch das Marketing insgesamt verbessern und digitalisieren. Das ist ein Bereich, der gerade schwer zu kämpfen hat, weil alle sagen: Minimiert eure Kontakte, verreist nicht. – Aber ich bin mir auch sicher, dass es einen großen Wunsch der Menschen geben wird, zu verreisen, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist. Dann wollen wir bereitstehen, um am Ende die Strukturen zu stärken und zu unterstützen. Ich bin mir sicher, dass das Geld dafür im nächsten Jahr sehr gut angelegt ist.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß überhaupt nicht, warum Sie sich so über die Fashion Week lustig machen – ich weiß es wirklich nicht.

(Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich auch nicht!)

Sie wollen sicher nicht wissen, wie meine Kollegin aus Berlin mich an dem Tag angerufen hat und freundlich beschimpft hat, um zu sagen, was uns da gelungen ist. Wir haben es geschafft, etwas nach Frankfurt zu bringen, was über Jahre mit Berlin verbunden war und – Entschuldigung – globale, nicht nur deutschland- oder europaweite Aufmerksamkeit hat. Wenn wir das gut machen und die Fashion Week nicht nur in der Messe hinbekommen, sondern wenn es uns auch gelingt, die Kreativwirtschaft in der Region einzubinden, dann kann das eine Chance sein, die lange nachwirken wird – wenn wir sie gut nutzen. Wir können froh sein, wenn uns das im Jahr 2021 gelingen wird.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fördern Start-ups; wir verdoppeln die Start-up-Förderung. – Ich will das an dieser Stelle einmal sagen, weil es hier auch angesprochen wurde: Wir reden hier über einen Einzelplan; offensichtlich hat da kaum einer hineingeschaut.

Wir werden die Ausbildungsplatzförderung, die jetzt schon auf einem sehr hohen Niveau ist – Stichwort: Hauptschülerprogramm und Ähnliches, wo wir auch in diesem Jahr immer noch einmal nachgelegt haben; Stichwort: Wirtschaft integriert, mit allem, was dazugehört –, noch einmal im Kernhaushalt verstärken. Zusätzlich werden wir noch etwas obendrauf legen aus dem Hessenplan, aus dem Sondervermögen für die Förderung der Verbundausbildung, weil keine Generation Corona entstehen darf. Bitte schauen Sie doch einmal in die Einzelpläne, wenn wir schon eine Einzelplanberatung machen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Janine Wissler (DIE LINKE))

Die Kollegin Wissler meine ich nicht, andere schon. – Wir wollen den Bereich ausdrücklich stärken, weil wir sicher sind, dass im nächsten Jahr die Wirtschaftsleistung hoffentlich wieder anziehen wird, aber manche Probleme – Stichwort: Insolvenzen und Ähnliches – erst kommen werden. Dass eine Firma, die sozusagen ein schweres Jahr hinter sich hatte, erst einmal anfängt, zu warten, ob sie noch einmal einen neuen Ausbildungsplatz schafft, ist doch völlig klar. Genau an dieser Stelle wollen wir im Jahr 2021 unterstützen, damit möglichst viele Ausbildungsplätze angeboten werden und möglichst viele junge Leute eine Ausbildung beginnen können.