Protocol of the Session on May 25, 2023

Vielen Dank, Frau Abg. Ravensburg. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Abg. Martin das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die frühkindliche Bildung ist ein ganz wichtiger Schlüssel für die persönliche Entwicklung von Kindern in unserem Land. Deshalb unterstützen wir sie auf vielfältige Art und Weise. Deshalb arbeiten wir auch energisch an Lösungen für bestehende Herausforderungen. Mit unserer Fachkräfteoffensive haben wir in drei Jahrgängen bereits 1.800 angehende Erzieherinnen und Erzieher in die praxisintegrierte vergütete Ausbildung gebracht. In diesem Jahr fördern wir 1.000 Plätze für diese Ausbildung. Da ist Hessen Spitzenreiter. Das macht sonst kein anderes Bundesland.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf Elisabeth Kula (DIE LINKE))

Ich glaube, wir sollten hier nicht so tun, als würde in diesem Bereich nichts passieren. Früher war es tatsächlich so, dass man ganz viel Geld in die Ausbildung mitbringen musste. Es gab überhaupt keine Vergütung. Inzwischen gibt es bei praxisintegrierter Ausbildung von Anfang an eine Ausbildungsvergütung, die sich um die 1.000 € im ersten Lehrjahr bewegt. Ich finde, das ist schon ganz ordentlich. Diejenigen, die die schulische Ausbildung machen, haben Anspruch auf ein Aufstiegs-BAföG, das sie nicht zurückzahlen müssen, wie das klassische Studierenden-BAföG. Das ist eine deutliche Verbesserung. Ich glaube, das sollten wir auch nicht schlechter reden, als es ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf Lisa Gnadl (SPD))

Hessen investiert Rekordsummen in die frühkindliche Bildung. In diesem Jahr stehen dafür 1,2 Milliarden € bereit. Einmal zum Vergleich: 2014 waren es 470 Millionen €; jetzt sind es 1,2 Milliarden €. Es hat sich also innerhalb weniger Jahre weit mehr als verdoppelt, was Hessen für diesen Bereich zur Verfügung stellt, und das, obwohl das Land Hessen keine einzige Kita selbst betreibt. Diesen Hinweis habe ich eben an einigen Stellen ein bisschen vermisst.

Die frühkindliche Bildung ist erst einmal die Aufgabe der Städte und Gemeinden. Wir unterstützen sie dabei umfangreich mit Investitionsmitteln und mit der Schaffung von mehr Kita-Plätzen. Wir fördern die Betriebskosten. Wir sorgen für mehr Auszubildende. Wir investieren in Qualität, in längere Öffnungszeiten, in Freistellungen für KitaLeitungen und in höhere Grundpauschalen. Wir entlasten Kita-Eltern von Beiträgen; denn frühkindliche Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und dieser widmet sich Hessen äußerst engagiert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Liebe Frau Stang, zunächst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede hier im Parlament. Sie haben kritisiert,

dass Vorgaben vom Land kommen und das Land die dann nicht finanziert. Soweit ich mich erinnere, kam der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz vom Bund, von einer SPDBundesministerin, ohne dass sie den Kommunen die Mittel zur Verfügung gestellt hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Sie hat erst genau das gemacht, was Sie kritisiert haben. Sie hat nämlich gesagt: Stellt doch einmal Förderanträge für Investitionsmittel. – Die haben dann aber hinten und vorne nicht ausgereicht. Das Land hat diese Mittel noch einmal mehr als verdoppelt. Es hat trotzdem nicht ausgereicht, weil der Bund die Kommunen an der Stelle im Regen hat stehen lassen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf Lisa Gnadl (SPD) – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die sind ausgelaufen!)

Selbstverständlich gibt es auch noch Herausforderungen in unseren Kitas – sogar sehr große Herausforderungen. Es gibt einen massiven Mangel an Fachkräften. Unsere Fachkräfteoffensive wirkt zwar, reicht aber als Lösung alleine nicht aus. Deshalb haben wir vorgestern einen Gesetzentwurf eingebracht, der kurzfristig mehr Personal in die Kitas bringt. Es gibt schon jetzt multiprofessionelle Teams, in denen eine Erzieherin die Gruppe leitet und eine andere Person, mit einer anderen Qualifikation, dort mitarbeitet. Das funktioniert in vielen Kommunen schon sehr gut. Deshalb wollen wir das nun auch ausweiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir tun diejenigen Ergotherapeutinnen und -therapeuten, Logopäden und andere Berufsgruppen leid, denen vorgestern von diesem Rednerpult aus mehr oder weniger jegliche Kompetenz abgesprochen wurde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Natürlich ist eine Ergotherapeutin keine Erzieherin. Das hat auch nie irgendjemand behauptet. Aber so zu tun, als hätten diese Menschen noch nie mit Kindern gearbeitet, ist schlicht eine Herabwürdigung ihrer Kompetenzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Heute hat die Fraktion DIE LINKE eigene Vorschläge vorgelegt. Ich muss sagen: Einige dieser Ideen sind der lebendige Beweis dafür, dass Sie die Realität ignorieren und den Bezug zur Realität verloren haben. Ich will das auch gerne an konkreten Beispielen erläutern.

Erst schreiben Sie, der Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung sei gefährlich. Da gehe ich durchaus noch mit. Aber später fordern Sie kleinere Gruppen in der Kita,

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Aber nicht sofort!)

mehr Erzieherinnen und Erzieher pro Kind sowie mehr Stunden für die Praxisanleitung und Vorbereitung.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Ja!)

Wenn es ganz viele arbeitslose Erzieherinnen und Erzieher gäbe, dann würde ich all diese Forderungen unterstützen.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Es gibt viele Erzieherinnen und Erzieher! Die gehen nur nicht in die Kitas!)

Aber Sie können doch nicht erst feststellen, dass wir kein Personal in den Kitas haben, und dann sagen, die Kommunen sollen noch mehr Stellen ausschreiben. Das passt doch nicht zusammen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

Sie fordern pro Kita eine Hauswirtschaftskraft, eine Verwaltungskraft. Ich finde es an sich auch erst einmal wichtig, Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten. Aber wir haben 4.200 Kitas. Das macht 8.400 Stellen. Wo sollen denn diese Leute herkommen, die diese Aufgaben wahrnehmen sollen? Wo wollen Sie die, bitte, hernehmen?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Rolf Kahnt (fraktionslos) – Elisabeth Kula (DIE LINKE): Man muss sie ausbilden!)

Herr Abg. Martin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das tue ich. – Der Antragstitel ist völlig richtig. Frühkindliche Bildung braucht gute Arbeits- und Rahmenbedingungen. Aber Ihr realitätsferner Antrag leistet dazu leider keinen Beitrag.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Ja, das haben die Erzieherinnen und Erzieher selbst erarbeitet!)

Wir arbeiten weiter engagiert daran, die Kita-Träger zu unterstützen – für mehr Fachkräfte, für bessere Arbeitsbedingungen. Gemeinsam bringen wir damit Stück für Stück eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung voran. – Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Vielen Dank, Herr Abg. Martin. – Für die Freien Demokraten hat jetzt der Fraktionsvorsitzende, der Abg. Rock, das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Martin, wenn es im Hessischen Landtag Realitätsverweigerung in der Frage der frühen Bildung gibt, dann findet die ausschließlich in dieser Regierung und in den sie tragenden Fraktionen statt.

(Beifall Freie Demokraten und DIE LINKE)

Bevor Sie – auch Frau Ravensburg – hier ans Rednerpult getreten sind, habe ich nur von „Fachkräften“ in der frühen Bildung gesprochen. Sie haben jetzt dazu beigetragen, dass man künftig von „pädagogischen Fachkräften“ sprechen muss, weil man unterscheiden muss: Ist man, wenn man in der Kita arbeitet, überhaupt Pädagoge oder nicht? Das ist Ihr Verdienst in der frühen Bildung.

Herr Kollege Martin, wenn man jetzt weiß, dass im Mindestbedarfsschlüssel für 25 Kinder 1,75 Erzieherinnen und Erzieher zur Förderung dieser Kinder vorgesehen sind,

sollte Ihnen klar sein, dass das ein absolutes Minimum ist, das zur Förderung unserer Kinder vorgesehen ist – im europäischen Schnitt auch völlig unterdurchschnittlich. Diese geringe Anzahl an pädagogischen Fachkräften in unseren Kitas werden Sie künftig um 25 % vermindern, Herr Kollege Martin.

(Zurufe Claudia Ravensburg (CDU) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Sie dann hier stehen und sagen, das hätte noch irgendetwas mit Wertschätzung für Erzieherinnen und Erzieher zu tun, kann ich nur sagen: Sie leben in einer fremden Welt.

(Beifall Freie Demokraten – Zuruf Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Lieber Kollege Martin, wenn ich drei Jahre eine theoretische Ausbildung an einer Erzieherinnen- und Erzieherschule mache und dann für mein praktisches Jahr in eine Kita gehe, in der ich angeleitet werde – nach drei Jahren theoretischer Ausbildung –, werde ich auf den Mindestbedarfsschlüssel, auf den Fachkraftschlüssel mit 50 % angerechnet. Habe ich irgendeine andere Ausbildung – und zwar nicht Logopäde – und gehe in eine hessische Kita, werde ich demnächst zu 100 % angerechnet, wenn ich mich verpflichte, die nächsten zwei Jahre eine Fortbildung im Umfang von 160 Stunden zu machen.

(Zuruf Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das hat doch nichts mehr mit pädagogischer Arbeit im Sinne der ursprünglichen Idee der frühen Bildung zu tun, lieber Kollege Martin.

(Beifall Freie Demokraten – Zurufe Max Schad (CDU) und Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Ich weiß auch nicht, welche Zahlen Sie hier immer vortragen. Die Kommunen geben in Hessen über 3 Milliarden € – – Das ist eine Zahl, die DIE LINKE bei Ihnen abgefragt hat; ich habe die Nummer der Kleinen Anfrage jetzt leider nicht im Kopf. 3,1 Milliarden € werden in unserem Land für die Kitas ausgegeben – jedes Jahr.

Der Beitrag des Landes Hessen aus eigenen Landesmitteln sind 600 Millionen €. Ihre Landesregierung hat das in einer Kleinen Anfrage beantwortet, das kann man nachlesen. Das sind 20 %, und das bewegt sich seit Jahren auf diesem Niveau. Sie regieren dieses Land seit zehn Jahren – Sie können daher auch nicht auf jemand anderen deuten –, doch in diesen zehn Jahren hat sich nichts getan. Daher sollten Sie, wenn Sie hier vorne stehen, einmal deutlich kleinere Brötchen backen, Herr Kollege Martin; denn es ist einfach beschämend.

(Beifall Freie Demokraten)

Der Klassiker: „Ich deute nach Berlin“, zieht nicht mehr; denn in Berlin regieren Sie mit, freudig mit uns, und Sie stellen die zuständige Ministerin. Sie können nicht anderswohin deuten; denn Sie tragen an dieser Stelle seit zehn Jahren Verantwortung – ich bin ein paar Tage länger hier –, und seit zehn Jahren diskutieren wir hier über den Fachkräftemangel.