Protocol of the Session on May 25, 2023

Aus der Praxis kommen vielfältige Verbesserungsvorschläge, beginnend bei der Ausbildung. Die Vertreterinnen und Vertreter der Fachschulen für Sozialwesen haben übereinstimmend erklärt, dass sie gerne mehr Ausbildungsplätze schaffen würden, wenn es nur genügend Lehrkräfte gäbe. Hessen bildet aber an keiner einzigen Hochschule im Lehramt Sozialpädagogik aus. Auch erfahrene Erzieherinnen und Erzieher, die nicht mehr im Kinderdienst arbeiten wollen oder können, treffen auf enorme Hürden, wenn sie als Lehrkraft ihr Erfahrungswissen an die nächste Generation weitergeben möchten. Kultusminister Lorz hält aber keine Veränderung für notwendig. Sie graben den beruflichen Schulen das Wasser ab und wundern sich dann über das Fehlen pädagogischer Fachkräfte. So geht es nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wichtigste sind aber bessere Arbeitsbedingungen an den Kitas. Dabei geht es z. B. um die Frage des Gesundheitsschutzes, etwa vor Lärm. Wer schon einmal einen Nachmittag lang einen Kindergeburtstag ausgerichtet hat, kann sich zumindest grob vorstellen, was Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas fünf Tage in der Woche aushalten müssen. Was da helfen könnte, sind z. B. schallschluckende Decken, wie sie in vielen neuen Kitas eingebaut sind, die aber in Bestandsgebäuden weiterhin fehlen und von vielen Trägern auch nicht nachgerüstet werden können, weil das Geld dafür fehlt. Ein Landesinvestitionsprogramm für den Lärmschutz in Kitas wäre wirklich eine zukunftsweisende politische Entscheidung.

(Beifall DIE LINKE)

Ein zweites Beispiel. Warum fördert das Land nicht für jede Kita mindestens eine Hauswirtschaftskraft und eine Verwaltungskraft zur Entlastung des Fachpersonals von nicht pädagogischen Aufgaben? Um das klarzustellen: natürlich zusätzlich und nicht, wie bei Ihnen leider zu erwarten war, als Teil des Fachkräfteschlüssels. Das fordern die Träger schon seit Jahren, und die Landesregierung macht nichts.

Drittens gilt für die meisten Erzieherinnen und Erzieher: einmal Erzieherin bzw. Erzieher, immer Erzieherin bzw. Erzieher. Neben der Übernahme der Kita-Leitung gibt es nur sehr wenige Karrieremöglichkeiten. Wenn bei den Kolleginnen und Kollegen im Alter von 50 Jahren aufwärts der Rücken schmerzt und sie nicht mehr den ganzen Tag auf Spielteppichen sitzen können oder wollen, ziehen die meisten von ihnen die Reißleine und verlassen die Einrichtungen. Damit geht nicht nur Personal, sondern auch ganz viel Wissen verloren.

Das Deutsche Jugendinstitut schlägt deshalb vor, dass wir in den Kitas Fachkarrieren einführen. Es empfiehlt beispielsweise, Fachkräfte für sprachliche Bildung, Fachkräfte für Inklusion, Fachkräfte für Kinder in Armutslagen sowie Fachkräfte für die Praxisanleitung einzuführen. Auch das wären zukunftsweisende Schritte, um die Attraktivität des Berufsfeldes zu steigern.

(Beifall DIE LINKE)

Mit Blick auf die Uhr will ich es bei diesen Beispielen belassen. In unserem Antrag finden Sie zahlreiche weitere konkrete Punkte, über die wir im Sozialausschuss weiter diskutieren können.

Aber um es auch an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, wobei ich in Richtung CDU schaue: Die Art und Weise, wie Sie – insbesondere der Generalsekretär der Hessen-CDU, Herr Pentz, der jetzt leider nicht anwesend ist;

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Manfred ist heute Morgen umworben!)

so sehr interessiert er sich für Kitas – sich vor zwei Wochen in den sozialen Netzwerken gegenüber einer hessischen Kita geäußert haben, ist, wie man leider so deutlich sagen muss, an Niedertracht kaum zu überbieten.

(Beifall DIE LINKE)

Statt den rechten Kulturkampf wegen Muttertagsbasteleien zu befeuern, haben Sie sich als CDU in Hessen darum zu kümmern, dass sich die Bedingungen in den Kitas endlich verbessern. Sie regieren seit über 20 Jahren in Hessen und tragen eine Verantwortung für den Notstand in unseren Bildungseinrichtungen. Sie haben den Erzieherinnen und Erziehern, die jeden Tag alles geben, um Ihre politischen Versäumnisse aufzufangen, keine pädagogischen Tipps vom rechten Rand zu geben. Übernehmen Sie die Verantwortung, stellen Sie sich der Situation in den Kitas, und unterstützen Sie vor allem endlich die Erzieherinnen und Erzieher.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abg. Kula. – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Abg. Stang das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher! Dies ist mein erster Redebeitrag im Hessischen Landtag. Ich war zwar 18 Jahre lang Bürgermeisterin, Sozialdezernentin und Kämmerin, aber ich muss zugeben, dieser Landtag macht mich etwas ratlos: ratlos im Hinblick darauf, wie die Fraktionen miteinander umgehen und wie diejenigen, die auf der Regierungsbank sitzen, mit dem Parlament umgehen. Bei einigen Rednerinnen und Rednern habe ich auch den Eindruck, dass sie weit weg von den Realitäten in hessischen Rathäusern und Landratsämtern sind.

(Beifall SPD – Holger Bellino (CDU): Etwas weniger Arroganz, bitte!)

Auch wenn ich vor vier Jahren aufgehört habe, weiß ich noch sehr gut – ich habe mich außerdem rückversichert –, es hat sich nichts geändert an der Art und Weise und auch an der Höhe der Zuwendungen für die Betreuung in Kitas. Eigentlich hat sich die Situation im Zuge der multiplen Krisen und aufgrund des Fachkräftemangels eher verschärft.

Die Höhe der Landesförderung für die Kitas und die Art und Weise der Förderung werden in keiner Weise den Realitäten in den Einrichtungen, bei den Trägern und in den Kommunen gerecht. Dabei sind die Förderbescheide, die

so gern verteilt werden und über die wir auch gestern so wunderbar geredet haben, nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

(Beifall SPD)

Anstatt dass die Kommunen eine auskömmliche Finanzierung haben, müssen sie Verwaltungsmitarbeiter daran setzen, sich zu informieren, welche Förderbedingungen es gibt, damit Anträge gestellt und beschieden werden können, und die heiß geliebten Verwendungsnachweise zu formulieren. Oftmals passen Förderanträge, Haushaltsrecht und Vergaberecht überhaupt nicht zueinander. Wenn man dies einmal anmerkt, bekommt man ein Schulterzucken als Antwort, und es wird gesagt: Ihr müsst ja keinen Antrag stellen.

Das sogenannte Kinderförderungsgesetz ist ein klassisches Beispiel dafür, wie das Land Hessen mit seinen Kommunen umgeht: Standards setzen und dann nicht finanzieren. Die einzigen Kategorien, die es bei dieser Landesregierung gibt, sind: Pflichtaufgabe und freiwillige Aufgabe. Das Land finanziert die Grundversorgung, wobei allen klar ist, dass mit dieser Grundversorgung keine einzige Kita gut geführt werden kann.

Die Qualität, als freiwillige Leistung, ist Sache der Kommunen. Damit ist sie abhängig von der Kassenlage der jeweiligen Kommune, oder sie ist, was fast noch perfider ist, davon abhängig, wie aktiv die Eltern sind, um Fördervereine zu gründen und auf diesem Weg die Qualität in den Kitas zu verbessern.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Im Grundgesetz ist der Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Hessen verankert; so können wir ihn für die Menschen in diesem Land aber nicht sichern. Bei der Qualität geht es um die angemessene Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern, die Beitragsfreiheit oder auch um die Arbeitsbedingungen in den Kitas: Wie viel Vor- und Nachbereitung gibt es? Wie viel Zeit bleibt für Elternarbeit? Wie viel Zeit bleibt für Fortbildung etc.?

Hier liegt der Schlüssel dafür, ob eine Stadt Erzieherinnen und Erzieher für ihre Einrichtungen gewinnen und, vor allem, halten kann. Meine Vorrednerin hat es gesagt: Wir verlieren so viele wunderbare Erzieherinnen und Erzieher auf dem Weg. Ich selbst habe es leider nicht geschafft, viele in ihrem eigentlichen Beruf in den wohlverdienten Ruhestand zu entlassen. Das ist eine Schande, und dagegen müssen wir etwas tun.

(Beifall SPD und die DIE LINKE)

Es geht nämlich auch anders. Wir sehen in Baden-Württemberg – das ist wirklich der Beweis dafür –, dass dort eine kommunale Selbstverwaltung ernst genommen wird, indem auskömmlich finanziert wird. Baden-Württemberg bezahlt 80 % der Betriebskosten. Eine solche Finanzierung ist wirklich ein Beitrag zur frühkindlichen Erziehung. Bitte legen Sie keine weiteren Förderprogramme auf, nur damit schnelle Überschriften produziert werden, wobei man sich später beklagt, dass nicht genug Kommunen und, wie ich gestern gehört habe, „verschlafene Käffer“ die Mittel erreichen. Das ist eine Schande.

(Beifall SPD, Freie Demokraten und DIE LINKE)

Das Land muss endlich Betriebskosten übernehmen, und zwar richtig. Zu diesem Zweck hat die SPD-Fraktion bereits zahlreiche Haushaltsanträge in den Hessischen Land

tag eingebracht. Viele Erzieherinnen und Erzieher sind Überzeugungstäter. Aber in Hessen müssen sie sogar noch Geld mitbringen, um sich überhaupt ausbilden lassen zu können. Da sind andere Länder schon deutlich weiter.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht! – Weitere Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abg. Stang, Sie haben fünf Minuten Redezeit. Sie müssten jetzt zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende meiner Rede. – Jetzt zu dem Antrag der LINKEN. Viele Dinge sind angesprochen worden. Wir sagen, es muss eine auskömmliche Finanzierung geben. Wenn zwei Drittel der Betriebskosten gefördert werden, ist das auskömmlich. Wir brauchen einen echten Neuanfang in der frühkindlichen Bildung.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen, bei den Trägern und in den Einrichtungen sagen. Die machen einen tollen Job, damit unsere Kinder einen guten Start haben und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf echt umgesetzt wird. – Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abg. Stang. – Das war die erste Rede in diesem Haus. Dazu herzlichen Glückwunsch von allen.

(Allgemeiner Beifall)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abg. Richter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat mit der Aktuellen Stunde ein Thema aufgegriffen, über das wir bereits am Dienstag im Zusammenhang mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches diskutiert haben. In der Tat hat es die Hessische Landesregierung zu verantworten, dass in unseren Kindertagesstätten ein beklagenswerter Notstand festzustellen ist. Die Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag versucht nun, den Erziehern und den Familien zu suggerieren, dass es, wenn sie für die Politik Verantwortung tragen würde, einen solchen Notstand nicht gäbe. Richtig ist, dass die Absenkung des Fachkräfteschlüssels durch die Hessische Landesregierung zu erheblichen Problemen führt, über welche wir am Dienstag auskömmlich diskutiert haben.

Richtig ist aber auch, dass die Ursache für die jetzige Situation in dem Vorherrschen einer politischen Richtung liegt, welche auch DIE LINKE massiv mit zu vertreten hat. Somit spricht auch Frau Kula nicht über die wahren Ursachen vieler Probleme, die heute zu beklagen sind. Diese Ursachen liegen eindeutig in einer Überforderung unserer Gesellschaft:

(Beifall AfD)

eine Überforderung durch die Veränderung der gesamten Gesellschaftsstruktur durch LINKE, GRÜNE, CDU, SPD und FDP. Wir haben das übrigens im Plenum sehr oft von Ihnen allen hören dürfen. Von Plenarwoche zu Plenarwoche sind Sie nämlich immer deutlicher geworden, indem Sie ganz klar von einer Transformation unserer Gesellschaft gesprochen haben. Diese Transformation als Ursache unserer Probleme entfaltet ihre Wirkung natürlich in allen Bereichen des täglichen Lebens, so auch bei pädagogischen Fachkräften.

(Beifall AfD)

Ein Industrieland, welches ein funktionierendes Geschäftsmodell aufweist und als leuchtendes Beispiel für die soziale Marktwirtschaft weltweit gegolten hat, wird Stück für Stück ökonomisch und auch ökologisch von Ihnen – obwohl man natürlich das Gegenteil davon öffentlich behauptet – auf das Niveau eines Drittweltlandes zurückgeführt.

Wir schreiten in diesem Prozess durch die Ampelregierung in Berlin und in Hessen, unterstützt durch alle Parteien außer der AfD, in einer solchen Geschwindigkeit voran, dass es auf Landes- und kommunaler Ebene keine Möglichkeiten mehr gibt, die damit entstehenden Problematiken abzufedern.

(Beifall AfD – Zuruf Elisabeth Kula (DIE LINKE))

Frau Kula, das hat sehr viel mit den Kitas zu tun. – Es hat auch etwas mit Krankenhäusern zu tun. Das hat etwas mit dem gesamten öffentlichen Leben zu tun, was Sie hier in der großen Politik betreiben. Die Realität wird nämlich auch von den LINKEN gern negiert, was wir ja gerade sehen, indem Sie Probleme benennen, die natürlich als Wirkung vorhanden sind. Da widersprechen wir nicht. Selbstverständlich hat Frau Kula insofern völlig recht, dass die Hessische Landesregierung ebenfalls keine vorzeigbaren Lösungen aufbietet. An diesem Punkt beginnt der Verteilungskampf um das Geld der Bürger unseres Landes.

(Beifall AfD)