Protocol of the Session on May 25, 2023

Damit es sich jeder merken kann: 20 Jahre, 20 Jahre ist die Zahl, um die es geht. Wir haben 20 Jahre Zeit, unsere Häuser umzubauen. Das muss nicht am 1. Januar 2024 passieren. Das muss auch nicht am 1. Januar 2025 passieren, sondern man hat jetzt 20 Jahre Zeit, sich zu überlegen, wie man sinnvoll in Zukunft sein Haus heizt.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Keine Heizung ist illegal!)

20 Jahre ist ganz schön viel Zeit – außer für Leute, die im letzten Jahrtausend leben und den Schuss noch nicht gehört haben. – Vielen Dank.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Verkehrsund Wirtschaftsminister Al-Wazir das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir – –

(Wortmeldung Andreas Lichert (AfD))

Ich finde das übrigens spannend, Herr Lichert. Sie setzen immer so sehr darauf, dass Regeln eingehalten werden. In der Geschäftsordnung des Landtags steht, dass sich die Abgeordneten nach dem Minister melden dürfen, um auf Ausführungen der Landesregierung zu reagieren. Ich habe bisher gesagt: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! – Darauf wollen Sie schon reagieren? Aber gut, geschenkt.

(Beifall Frank Diefenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie nehmen das nicht so genau, ist okay. – Heute Morgen habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass wir im letzten Winter große Sorgen hatten, was die Versorgungssicherheit angeht. Es gab im letzten Winter aber auch weitere große Sorgen, die es übrigens auch bis heute gibt, nämlich die Sorgen der Menschen, wenn sie ihren Briefkasten aufgemacht haben und die Rechnung des Energieversorgers kam. Ich darf Ihnen an dieser Stelle noch einmal sagen: Vielleicht haben Sie es schon vergessen, aber es gibt eine Strompreisbremse, es gibt eine Gaspreisbremse, weil wir eine solche Explosion der Kosten fossiler Energien hatten. Es gab durch die Bundesregierung im Dezember eine Übernahme des Dezember-Abschlags für alle,

(Dr. Frank Grobe (AfD): Durch den Steuerzahler!)

die eine Gas- oder Fernwärmeversorgung haben. Weil diejenigen, die sogenannte nicht leitungsgebundene Energieträger haben – also meistens Ölheizungen –, davon nicht profitieren konnten, gab es ein weiteres Hilfsprogramm für genau diese Personengruppe. Die Länder administrieren das. Wir haben das vor drei Wochen freigeschaltet. Stand heute Morgen 7:35 Uhr waren aus Hessen 13.793 Anträge auf Hilfe eingegangen. Das sind nur Menschen, bei denen sich die Kosten im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben. Nur wenn sie sich mehr als verdoppelt haben, hat man überhaupt einen Anspruch auf 80 % der Summe, die darüber liegt. Warum erzähle ich Ihnen das? Weil es vielleicht zeigt, dass man nicht mehr so weitermachen kann, wie man bisher geheizt hat,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil das nämlich am Ende für die Menschen zu teuer wird, weil wir wegen unserer Abhängigkeit von Russland Energiepreisexplosionen erlebt haben und weil wir uns übrigens gemeinsam darauf verständigt haben, dass wir, um diesen Wechsel zu befördern, auch dafür sorgen werden – Stichwort: CO2-Preis –, dass genau diese langfristig endlichen Stoffe, die zusätzlich zum Klimawandel beitragen, nicht mehr den wesentlichen Teil unserer Heizungen stellen dürfen.

Das war eigentlich Konsens unter allen, die daran – – Ich kann gar nicht sagen, dass es diejenigen waren, die daran glauben. Vielmehr war das Konsens unter denjenigen, die die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass wir einen Klimawandel haben, der am Ende für große Probleme sorgen wird, und dass wir bis 2045 klimaneutral werden müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Herr Lichert, Sie haben gesagt, das stimme alles nicht. Früher hat es auch Leute gegeben, die ernsthaft überzeugt waren, dass die Erde eine Scheibe ist, und die Leonardo da Vinci auf den Scheiterhaufen werfen wollten. Bitte sehr.

(Zurufe AfD)

Es gibt auch Leute, die glauben, dass Bill Gates ein Echsenmensch ist. Glauben Sie, was Sie wollen. Ich jedenfalls setze mich nur mit ernsthaften Argumenten auseinander.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir wissen, dass wir ungefähr ein Drittel der Energie im Gebäudebereich für die Heizwärme verbrauchen, dann ist klar, dass wir da ranmüssen, dies übrigens im Interesse der Menschen, insbesondere im Interesse der Menschen, die in den schlecht gedämmten Häusern mit den alten Heizungen wohnen und die mit diesen hohen Ölkosten konfrontiert sind. Wir müssen da also etwas tun.

Jetzt stellt sich die Frage, was wir tun müssen. Dementsprechend ist das meines Erachtens klar. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass wir uns am Ende in Richtung Klimaneutralität 2045 bewegen müssen. Es ist bereits angesprochen worden, dass es Heizungen gibt, die bis zu 30 Jahre lang laufen.

Jetzt eine einfache Rechnung: 2045 Klimaneutralität. Aktuell haben wir 2023. Wenn ich heute eine Heizung einbaue, die 30 Jahre lang läuft, dann bin ich über dieses Datum hinweg. Auch da wäre es ökonomisch nicht richtig, etwas einzubauen, was man vor Ende seiner technischen Lebensdauer wieder herausreißen muss. Das ist übrigens auch so ein Punkt, über den man einmal nachdenken sollte.

Ein weiterer Punkt kommt hinzu. Wer jetzt in dieser Situation – vielleicht auch aus Panik – eine Erdgas- oder gar Erdölheizung neu einbaut, der wird höchstwahrscheinlich in ein paar Jahren kräftig draufzahlen. Die Investitionssumme mag jetzt noch etwas niedriger sein, aber über die Lebensdauer und die Betriebskosten gerechnet, ist es völlig klar, dass das am Ende teurer sein wird, als wenn man jetzt in Richtung der modernen Lösungen geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist aus meiner Sicht klar, dass wir dafür sorgen müssen, dass es dort zu einer Veränderung kommt.

Außerdem möchte ich daran erinnern, dass das auch etwas mit unserer Sicherheit und Unabhängigkeit zu tun hat. Wenn man wie Ihr Parteivorsitzender, Herr Chrupalla, in die russische Botschaft geht, um dort gemeinsam mit den Angreifern und übrigens auch gemeinsam mit Klaus Ernst von der Linkspartei und Gerhard Schröder von Gazprom den 9. Mai zu feiern,

(Robert Lambrou (AfD): Von der SPD!)

dann sieht man das vielleicht anders. Ich kann Ihnen aber nur sagen: Wenn man langfristig denkt, ist eigentlich klar, dass wir Lösungen brauchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU – Zurufe AfD)

Wir brauchen natürlich aber auch die Akzeptanz in der Gesellschaft. Dementsprechend ist es logisch, dass wir ein Gebäudeenergiegesetz auf den Weg bringen müssen, das möglichst breit getragen wird, bei dem wir uns möglichst mit der Sache beschäftigen, sodass wir uns letztlich auf einen klugen Weg hinbewegen werden.

(Robert Lambrou (AfD): Alles im Moment nicht der Fall!)

Wer möchte, dass die Verunsicherung der Menschen, die durchaus da ist, endet, der muss dafür sorgen, dass bald ein Gebäudeenergiegesetz beschlossen wird.

(Robert Lambrou (AfD): Aber nicht dieses!)

Wir können darüber reden, wann am Ende die einzelnen Maßnahmen in Kraft treten. Aus meiner Sicht muss das nicht der 1. Januar 2024 sein. An einem halben Jahr mehr oder weniger wird sich die globale Klimakrise nicht entscheiden. Wenn wir aber wollen, dass Planungssicherheit herrscht, dann brauchen die Bürgerinnen und Bürger, die Heizungsindustrie sowie das Handwerk Planungssicherheit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen bitte ich alle, die wirklich ein Interesse an der Sache haben, dafür zu sorgen, dass dieses Gesetz so bald wie möglich beschlossen wird, auch mit längeren Übergangsfristen, damit die Menschen wissen, woran sie sind.

Herr Naas, eine Sache möchte ich dann doch noch sagen. Sie haben hier sehr laut und aufgeregt geredet. Das hat vielleicht mehr mit dem Zustand der FDP als mit dem Zustand von Heizungen zu tun.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Das hat mit dem Frömmrich zu tun!)

Ich muss das jetzt einmal sagen, weil Herr Staatsekretär Nimmermann heute seinen letzten Tag hier im Plenum verbringt. Heiße Luft ist übrigens eine ineffiziente Art des

Heizens, Herr Kollege Naas. Sie haben gesagt, Philipp Nimmermann sei eine „graue Maus“. Das ist so etwas von falsch, das glauben Sie gar nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Selbst wenn es stimmen würde: lieber eine graue Maus als ein Heißluftgebläse.

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will Ihnen an dieser Stelle einfach nur sagen: Wir müssen effizienter werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Planungssicherheit herrscht. Wir müssen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die am Ende die Kosten noch tragen können müssen, dafür sorgen, dass wir sie unterstützen, und zwar aus meiner Sicht sozial gestaffelt unterstützen bei der notwendigen Umrüstung der Heizungen. Das ist aus meiner Sicht notwendig.

Das ist wirklich keine bahnbrechende Erkenntnis. Die GRÜNEN im Bundestag haben das schon vor Monaten gefordert. Sie wissen, woran es hakt. Es hakt daran, dass Christian Lindner gesagt hat, es soll für alle gleich viel geben. Das ist aber auch einer der Punkte, die im parlamentarischen Verfahren noch geändert werden können. Dazu muss man es aber halt beginnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt, der mir noch wichtig ist. Ja, Technologieoffenheit ist im Prinzip immer richtig. Solange man noch nicht weiß, welche Technik am besten funktioniert, muss man technologieoffen sein. Wenn allerdings das Wort Technologieoffenheit eine Entschuldigung dafür ist, dass man sich nicht entscheiden will, obwohl man es eigentlich weiß, dann ist das falsch. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin für Technologieoffenheit, wenn es wirklich darum geht, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Wenn man aber eigentlich schon weiß, was man tun muss und dann „Technologieoffenheit“ nur noch sagt, um es nicht machen zu müssen, dann ist das falsch. Genau diese Unterscheidung müssen wir gemeinsam treffen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt viele Debatten darüber, wie man zu diesem Ziel kommt. Oftmals wird an dieser Stelle auf den Emissionshandel verwiesen. Das höre ich oft von der FDP. Ich rate Ihnen, das einmal genau zu betrachten. Schauen Sie sich einmal an, was das am Ende in der reinen Lehre bedeuten würde, wenn man die Obergrenzen des europäischen Emissionshandels ausschöpft und dann im Gegenzug wieder Geld verteilt, wobei man das auch nur bis zu bestimmten Grenzen darf. Das würde bedeuten, dass man bis zu 25 Cent je Kilowattstunde Erdgas hätte. Zur Erinnerung: Momentan sind wir angesichts der Gaspreisbremse bei 12 Cent. Das würde bis zu 2 € pro Liter Heizöl bedeuten und bis zu 3 € pro Liter Diesel bzw. Benzin.

Denken Sie das einmal zu Ende. Wenn Sie sagen, dass wir gar keine Maßgaben brauchen, dass wir keine Wärmeschutzverordnung, keine Vorgaben für moderne Heizungen usw. brauchen, weil das alles über den Markt laufen soll, dann frage ich Sie: Tragen Sie 3 € pro Liter Diesel mit? Tragen Sie 25 Cent je Kilowattstunde Gas mit?