Protocol of the Session on May 25, 2023

Als Erste hat die Abg. Kinkel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Was die Wirtschaft wachsen lässt, verbessert nicht immer auch das Leben der Menschen. Zum Beispiel ein Autounfall ist ein schreckliches Ereignis, aber er steigert die Wirtschaftsleistung und damit auch das Bruttoinlandsprodukt. Genauso hat die Flutkatastrophe im Ahrtal das BIP gesteigert, und auch weitere Naturkatastrophen werden dazu führen, dass das BIP steigt.

Ich glaube, wir sind uns aber alle einig, dass dies Ereignisse sind, die nicht dazu beitragen, dass es den Menschen in Hessen und Deutschland besser geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Hingegen sind die Fragen, wie viele Menschen sich ehrenamtlich engagieren, wie groß die Schere zwischen Arm und Reich ist, wie gut die Luftqualität ist oder dass die Treibhausgasemissionen zurückgehen, nicht im Bruttoinlandsprodukt abgebildet. Das macht ziemlich deutlich: Das BIP kann zwar Hinweise darauf geben, wie sich unsere Wirtschaft entwickelt, sagt aber nichts über die Lebensqualität und die Wohlfahrt einer Gesellschaft aus. Deshalb ist das BIP als alleiniger – das sage ich ganz deutlich: alleiniger – Indikator für den Wohlstand eines Landes untauglich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Deshalb ist es gut, dass in Hessen jetzt ein Regionaler Wohlfahrtsindex erhoben wird, um ein möglichst umfassendes Bild von der Entwicklung des Landes zu erhalten. Ich will gleich zu Anfang darauf hinweisen, dass dieser Wohlfahrtsindex von einem unabhängigen Institut erhoben worden ist. Er ist nach wissenschaftlichen Grundlagen erhoben worden, und er beruht auf den gleichen Grundlagen wie der Nationale Wohlfahrtsindex. Denn das ist der Sinn des Ganzen, damit man vergleichen kann, wie sich Lebensqualität und Wohlfahrt in verschiedenen Regionen oder im Zeitverlauf in Hessen im Vergleich zum Bund entwickeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Da zeigt der Regionale Wohlfahrtsindex ein sehr deutliches Bild. In den vergangenen zehn Jahren – das ist ziemlich genau der Zeitraum, seit wir GRÜNE in der Landesregierung sind – ist der Index stetig gestiegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Daher können wir ganz klar sagen: Die Lebensqualität in Hessen hat sich in den letzten zehn Jahren verbessert, und zwar mehr als im Rest von Deutschland, wo dies auch erhoben wird. Nicht nur in der Rückschau ist dieser Index sehr spannend, sondern auch für Szenarien für die Zukunft. Wir arbeiten in Hessen an der sozial-ökologischen Transformation, und da geht es darum, dass wir die Wirtschaftskraft erhalten, dass wir die Lebensqualität verbessern und dass wir auf unsere ökologischen Grundlagen achten. Genau dafür ist der Index auch sehr spannend.

Es kann modelliert werden, wie sich Veränderungen der Luftqualität oder der Einkommensungleichheit auswirken. Deshalb ist der Regionale Wohlfahrtsindex auch ein sehr hilfreiches Instrument für die Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation, die vor uns liegt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Eines will ich auch ganz deutlich sagen, was gar nicht geht: Nur, weil Ihnen als Oppositionsfraktionen diese Zahlen nicht passen, kritisieren Sie die wissenschaftliche Methodik und das Institut, das diese Erhebung durchgeführt hat. Herr Eckert, Sie sprechen von einem „auf die Bedürfnisse der Landesregierung maßgeschneiderten Index“, was schlicht unwahr ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Es ist so unwahr, dass sich die Autorinnen und Autoren der Studie dazu gedrängt sahen, in einer öffentlichen Stellungnahme darauf hinzuweisen, dass es keinerlei politische Einflussnahme gibt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Arbeit eines renommierten Forschungsinstitutes – die SPD arbeitet auch mit ihm zusammen – so infrage zu stellen, lässt nur zwei Rückschlüsse zu. Entweder bei der Opposition herrscht eine sehr fragwürdige Ignoranz gegenüber der Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, was ich nicht glaube,

(Tobias Eckert (SPD): Es geht um Ihre politische Setzung!)

oder es besteht außer dem fundamentalen Beißreflex einer Opposition überhaupt keine Bereitschaft mehr, sich mit der Sache an sich auseinanderzusetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Beides, finde ich, steht Fraktionen, die anbieten, Verantwortung in Hessen zu übernehmen, sehr schlecht zu Gesicht.

Wir verlieren in Hessen weder das Bruttoinlandsprodukt aus den Augen, noch basteln wir einen eigenen Indikator, noch soll der Landessozialbericht ersetzt werden, was ich auch schon gehört habe.

Der Regionale Wohlfahrtsindex weitet den Blick. Das ist aufschlussreich, und das hilft uns, auch in Zukunft zielgerichtete Politik zu machen und die sozial-ökologische Transformation in Hessen voranzubringen. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Vielen Dank, Frau Abg. Kinkel. – Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abg. Enners das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, Kollegin Kinkel, Ihre sozial-ökologische Transformation – das kann man heute nachlesen – ist deutlich fehlgeschlagen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Rezession.

(Beifall AfD)

Im Grundsatz geht es bei dem Regionalen Wohlfahrtsindex, kurz: RWI, darum, dass ein Plädoyer dafür gehalten werden soll, dass das Bruttoinlandsprodukt als der Maßstab für Wirtschaftskraft und für den Wohlstand eines Landes ausgedient habe. Letzten Endes prallen hier zwei Weltbilder aufeinander: auf der einen Seite das der GRÜNEN

mit einer rein ökologischen Politik, auf der anderen Seite das der realpolitisch orientierten Wirtschaftswissenschaft.

Die grundsätzliche Frage, die sich aus beiden Ansichten ergibt und somit tatsächlich im Raum steht, ist, ob man überhaupt einen neuen Indikator zur Messung der Wohlfahrt eines Landes benötigt. Die Diskussion darüber ist nicht neu; denn schon in den 1970er-Jahren hat man wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich über das BIP, über die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung debattiert. Grund dafür waren damals der Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums und der erhebliche Anstieg der Weltmarktpreise für Öl und andere Rohstoffe 1973.

Aktuell sieht es ähnlich aus; denn heutzutage haben die Ökologie und der Klimawandel Einzug in die politische Debatte gehalten. Unter anderem führen diese beiden Themen zu der momentanen Debatte über veränderte Indikatoren zur Wohlfahrtsmessung.

Aus Sicht der AfD ist hier positiv zu bemerken, dass das Bruttoinlandsprodukt die damalige Diskussion überstanden hat, was Anlass zur Hoffnung gibt, dass es auch diese aktuelle und grünlastige Debatte übersteht.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, Voraussetzung für die Bewertung der Systeme ist, dass eine Diskussion über die Indikatoren wissenschaftlich und sachlich geführt wird und nicht mit Aussagen belastet wird wie: „fragwürdige Ignoranz gegenüber der Arbeit von Wissenschaftler…n“ oder Bezeichnungen als „fundamentaloppositioneller Beißreflex“, wie sie von Herrn Frömmrich in seiner Pressemitteilung gegenüber aufkommender Kritik getätigt wurden.

Es liegt auf der Hand, dass solche abwertenden Aussagen eine vernunftorientierte und wissenschaftlich basierte Debatte im Keim ersticken und Kritik unmöglich machen sollen.

Meine Damen und Herren, im Allgemeinen ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts als weltweit wichtigstes Maß für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes anerkannt. Es steht auch außer Frage, dass die Aussagekraft des BIP nicht allumfassend ist. Aber dies wurde auch nie bestritten. Selbstverständlich ist es sinnvoll, bei spezifischen Fragestellungen weitere Indikatoren hinzuzuziehen. Es wäre jedoch nicht richtig, das BIP vollständig durch einen anderen Wohlfahrtsindikator zu ersetzen.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das will doch keiner!)

Die GRÜNEN, die hier den Regionalen Wohlfahrtsindex als das höchste Maß der Dinge ansetzen wollen, wollen damit wissenschaftlich unterlegen, wie sich ihr politisches Handeln im Lande auswirkt. Dabei bleibt natürlich unerwähnt, dass der Indikator durchgängig mit grün lackierten Faktoren gespickt ist.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, die Arbeit der Wissenschaftler, die hinter dem RWI stehen, ist sicherlich nicht falsch. Aber es ist vielmehr eine moderne und angepasste Berechnung, während das BIP zeiten- und epochenüberdauernd ist und sich eben nicht auf momentane Politiktrends einlässt. Das BIP wurde im Laufe der Jahrzehnte stets weiterentwickelt, Schwächen wurden erkannt und auch behoben. Aber die Diskussion darüber, ob der RWI ein Maß zur Wohlfahrts

messung oder nur ein Nebenindikator ist, würde ich jetzt zuerst der Wissenschaft überlassen. Wir bleiben dabei, dass das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts als weltweit wichtigstes Maß für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes anerkannt ist, auch wenn es einzelne Schwächen aufweist, die aber, wie bereits gesagt, durch realwissenschaftliche Weiterentwicklung beseitigt werden können.

So ist diese Aktuelle Stunde für uns lediglich ein nettes Wahlkampfgimmick, aber von einer fundierten sachlichen Diskussion, gerade nach den Aussagen von Herrn Frömmrich, weit entfernt. – Vielen Dank.

(Beifall AfD – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Ich habe doch gar nichts gesagt! – Gegenrufe AfD: Stehen Sie doch zu Ihrer Presseerklärung!)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abg. Eckert das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Regionaler Wohlfahrtsindex ist das Thema, das die GRÜNEN hier gesetzt haben, oder, wie ich häufiger darüber rede: in der Tat eher Al-Wazirs Wohlfühlindex.

Es ist nämlich die Frage, ob ich über die Messung rede, wie es wirklich in diesem Land aussieht, um wahrzunehmen, was jenseits von wirtschaftlicher Entwicklung nach dem BIP in diesem Land los ist, oder ob ich vorher Maßgaben setze, damit das Ergebnis, das hinterher wissenschaftlich fundiert dargestellt wird, meinen eigenen Wünschen entspricht. Genau das ist doch der große Streit.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Du weißt aber schon, dass der Bund das auch erhebt, oder?)

Deswegen ist es wichtig – das will ich für unsere Fraktion sagen –, Alternativen zum BIP diskutieren. Aber hätten Sie vor drei Jahren eine Debatte angefangen, dass Sie da in Hessen etwas machen wollen, dann hätte ich mit Ihnen um eine gute Flasche Wein gewettet, dass genau das dabei herauskommt: Seit Al-Wazir mit an der Regierung ist, geht es den Menschen in diesem Land besser. – Das ist gewünscht, das ist bestellt, und das haben Sie bekommen. Von daher ist das keine große Überraschung.

(Beifall SPD und Freie Demokraten – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt doch auch! – Weitere Zurufe)

Es hat aber mit der Wirklichkeit nur bedingt zu tun.