Protocol of the Session on March 23, 2023

Wir haben alle drei Monate einen Bildungsgipfel, der trägt den Namen „Kultusministerkonferenz“.

(Zurufe Freie Demokraten)

Zu diesem hat die Bundesministerin eine ständige Einladung – die sie übrigens auch annimmt; das rechne ich ihr hoch an. Sie hat sich am Donnerstag letzter Woche, also zwei Tage nach der verunglückten Veranstaltung des BMBF, zu uns in die Kultusministerkonferenz gesetzt – das halte ich nicht für selbstverständlich, das fand ich gut –, und wir hatten ein wirklich gutes und konstruktives Gespräch und wollen jetzt genau in den Prozess eintreten, dessen Fehlen ich im Vorfeld der Veranstaltung vom 14.03. kritisiert habe. Und wenn der Bund am Ende wirklich 100 Milliarden € auf den Tisch legt, dann fahre ich dafür sogar noch extra nach Berlin, liebe Frau Kollegin Heidt-Sommer.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe)

Sie denken an die Redezeit?

Vielen Dank für den Hinweis, Herr Präsident. – Ich habe mit einem Bild aus dem Fußball begonnen, lassen Sie mich mit einem Bild aus dem Tennissport schließen: Dort gibt es aus gutem Grund zwei Aufschläge. Wir haben jetzt den ersten ins Netz gehen sehen, aber das gibt ja noch keine Punkte, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Das Spiel geht mit dem zweiten Aufschlag weiter, und dafür sind wir jetzt alle in freudiger Erwartung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Grüger (SPD): Der zweite Aufschlag wird ein Ass!)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist der Tagesordnungspunkt 81 besprochen und erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 82 auf:

Antrag Aktuelle Stunde Fraktion der CDU Hessische Zukunftsagenda KI umgesetzt: Eröffnung des bundesweit ersten KI-Innovationslabors – Drucks. 20/10799 –

Der CDU-Kollege Honka eröffnet. Bitte schön.

Hochverehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wissenschaft und Forschung sind uns so wichtig, dass wir nach unserem Setzpunkt gestern heute noch einmal darüber sprechen wollen, und zwar mit einem ganz speziellen Aspekt auf das Thema KI-Forschung, das heißt künstliche Intelligenz auf Spitzenniveau bei uns in Hessen.

Wir haben uns eine Digitalstrategie gegeben, und innerhalb dieser Digitalstrategie gibt es auch einen eigenen Bereich, der sich mit der Forschung und der Förderung im Bereich von künstlicher Intelligenz – KI made in Hessen, wie wir es nennen – beschäftigt.

Diese KI-Zukunftsagenda hat fünf Aspekte bzw. Handlungsfelder. Auf eines davon, die Recheninfrastruktur, wollen wir heute Morgen ganz besonders das Scheinwerferlicht richten.

Das Erste ist allerdings, Interesse an KI zu wecken und KIKompetenz zu stärken, eine Grundlage, möchte ich einmal sagen.

Das zweite Handlungsfeld ist, die KI in der smarten Verwaltung zu entwickeln – definitiv etwas, dem niemand etwas entgegenstellen kann.

Drittens. KI-Innovation und KI-Anwendung fördern. Auch darüber haben wir hier schon breiter gesprochen, z. B. über unser Förderprogramm Distr@l, das ja breit aufgestellt ist, gerade um Innovation zu fördern, aber auch, um sie in die Wirtschaft zu transferieren.

Als viertes Handlungsfeld gilt es, KI-Forschung und -Lehre zu stärken. Hier sind zwei Begriffe, die auch gestern schon einmal gefallen sind, von zentraler Bedeutung: hessian.AI und ZEVEDI. Das eine ist das Hessische Zentrum für Künstliche Intelligenz, und das andere ist das Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung – breit aufgestellt, ich komme gleich noch darauf zurück.

Dann gibt es noch den Punkt vom Montag, das KI-Innovationslabor. Als zweiter Punkt im Bereich Recheninfrastruktur: das Zentrum für Angewandtes Quantencomputing. Das sind zwei Bereiche, die sich mit Hightech für die Zukunft beschäftigen, und darüber wollen wir heute Morgen miteinander sprechen.

Wir haben am Montag erlebt, dass das KI-Innovationslabor in Darmstadt eingeweiht worden ist. Auf der einen Seite sind das, wie ich in der Zeitung gelesen habe, 6 t Technik, aber es sind auch ganz viele Menschen, die damit beschäftigt sind. Das Ganze kostet ungefähr 10 Millionen €, und es ist entstanden im Green IT Cube beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, zusam

men mit hessian.AI. Da sieht man wieder, was Forschungsförderung bei uns bedeutet: zusammenarbeiten, leistungsfähige Infrastruktur aufbauen und Kompetenz bei uns in Hessen aufbauen.

Das KI-Innovationslabor ist ein Rechner, der in die Liga der Top 300 der weltweiten KI-Supercomputer einsteigt und damit beste Voraussetzungen schafft, gerade im Bereich z. B. der medizinischen Forschung, um etwa bei der Entwicklung neuer Medikamente sehr hilfreich zu sein. Wenn neue Medikamente schneller und besser bei uns entwickelt werden können, hilft das am Ende hoffentlich sehr vielen Menschen.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe es bereits eben gesagt: Der Computer steht im Green IT Cube in Darmstadt, aber dieses Zentrum entwickelt sich erst zusammen mit hessian.AI. hessian.AI ist auch eine große Leuchtturmveranstaltung, die wir in dieser Wahlperiode geschaffen haben.

hessian.AI ist auch wiederum ein übergreifendes Projekt. Das ist nicht nur ein Projekt des Digitalministeriums – federführend und aufgesetzt –, sondern zusammen mit dem Wissenschaftsministerium, mit dem Wirtschaftsministerium vereint es 13 Hochschulen des unterschiedlichsten Typs in unserem Bundesland, die zusammenarbeiten, die ihre persönlichen Expertisen einbringen und damit die Chance eröffnen, die Forschung in diesem Bereich besser zu machen, als sie schon ist. Wir haben uns vorgenommen – und sind schon mitten in der Umsetzung –, 20 weitere KI-Professuren in diesem Bereich zu schaffen. Wir haben gestern bereits über die Zahlen diskutiert.

hessian.AI hat einen ganz großen Forschungsschwerpunkt: Das ist die sogenannte dritte Welle der künstlichen Intelligenz, d. h. KI-Systeme, die menschenähnliche Kommunikations- und Denkfähigkeiten haben. Wer in den letzten Monaten aufmerksam die Zeitung gelesen hat, der liest sehr häufig von Programmen wie ChatGPT und von Programmen, die Microsoft Bing und wer auch immer in die Welt gesetzt haben. In diesem Bereich sind unsere Forscherinnen und Forscher federführend mit dabei, solche Programme bei uns zu entwickeln und anzuwenden.

Dass sich das Geld, das wir als Land in diesen Bereich investieren, lohnt, sehen wir auch daran, dass auch der Bund – insofern könnten wir einen kleinen Dank an den Bund richten – unsere Kompetenz erkennt und seine Fördermittel hier nach Hessen lenkt. So hat hessian.AI für diesen Bereich vom BMBF rund 17 Millionen € für das KI-Innovationslabor bekommen. Damit stärken wir die Zukunft der Forschung, aber auch der Wirtschaft in Hessen, weil der Transfer für uns immer ganz wichtig ist.

In diesem Sinne, Herr Präsident, bevor Sie mich rügen, danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit und empfehle die aufmerksame Lektüre all der guten Berichte, die im Nachgang der montäglichen Veranstaltung dazu entstanden sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geschickt, Herr Kollege Honka. – Herr Felstehausen ist der Nächste. Ich wollte nur sagen: Das klappt jetzt nur bei Hartmut Honka. Bei den Nächsten klappt das nicht.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie uns über KI sprechen. KI gehört seit Jahren zu den wichtigsten Treibern von Digitalisierung, und immer öfter übernimmt künstliche Intelligenz menschliche Tätigkeiten. Künstliche Intelligenz revolutioniert heute unsere Gesellschaft wie vor 100 Jahren die Dampfmaschine oder vor 30 Jahren die Gentechnik.

Und so ist es tatsächlich längst überfällig, dass die Landesregierung aufgewacht ist und dieses Forschungsfeld endlich auf ihre Agenda gesetzt hat. Aber wer meint, hier nur auf schnellen Profit schielen zu können, und wer meint, die Förderung solle vor allem dafür dienen, möglichst schnell Produkte zur Marktreife zu bringen, der irrt. Natürlich ist es auch eine technische Herausforderung, und viele Länder haben dort einen gewaltigen Vorsprung. Aber es gilt auch hier: Wer meint, mit „Digitalisierung first. Bedenken second“ einen Plan zu haben, der irrt. Und womöglich wird er in einer sehr dystopischen Welt aufwachen. Es darf bei KI eben nicht nur um Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile gehen.

Meine Damen und Herren, wir müssen insbesondere bei KI über Verantwortung sprechen. Politik hat im Bereich der KI die Aufgabe der Leitplankenbildung; denn nicht alles, was geht, ist auch wirklich gut.

Wenn Sie mich fragen, wie ich das meine, möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: Gentechnik und Klontechnik – die Sprungtechnologie der Neunzigerjahre. Sie erinnern sich an das Klonschaf Dolly und die Diskussionen, die dieses Forschungsergebnis ausgelöst hat. Vieles klang vielversprechend, aber wir als Gesellschaft haben uns darauf geeinigt, dass es Grenzen geben soll. Während die Chancen des therapeutischen Klonens zur Heilung von Krankheiten beigetragen haben, gibt es den Konsens, dass das reproduktive Klonen, also das Klonen mit Menschen, ausgeschlossen sein soll. Diese Entscheidung ist gut, und sie ist wichtig. Denn wir wollen keine optimierten Humanoide haben, die wir beliebig geänderten Bedingungen und Anforderungen anpassen können. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Also muss doch auch immer Ziel der Forschung im KIBereich sein, Chancen und Risiken zu beschreiben, zu begreifen und abzuwägen. Wir LINKE fordern daher, dass die KI-Zukunftsagenda nicht nur das technisch Mögliche, sondern eben auch das gesellschaftlich Verantwortliche beschreibt.

(Beifall DIE LINKE)

Hierzu hören wir von der Landesregierung kaum etwas. Der Kollege Hartmut Honka hat auch die Chance versäumt, hierzu etwas zu sagen. Aber genau das wäre die originäre Aufgabe der Regierung und der Politik. Wir brauchen neben Grundlagenforschung, der Bereitstellung von Forschungsräumen und Wissenschaftstransfer auch die Diskussion über das Verantwortbare und die Grenzen dieser Technik. Wir können nicht mit jeder Anwendung, wie mit Hessendata, nach Karlsruhe gehen, um dort der Regierung die Grenzen aufzuzeigen.

(Beifall DIE LINKE)

Ja, meine Damen und Herren, wir müssen grundsätzliche Fragen klären, und ich möchte einmal drei Fragen aufwerfen. Darüber sollten wir uns tatsächlich vielleicht gemeinsam Gedanken machen.

Wer soll denn eigentlich zukünftig im Zusammenhang mit KI Recht sprechen? Wollen wir dies einer vermeintlich neutralen KI-Instanz übertragen, und gewinnt dann möglicherweise derjenige einen Prozess, der die besseren Algorithmen hat? Wie schützen wir uns eigentlich vor Meinungsmanipulation und einer immer gläserner werdenden Gesellschaft? Soll in Zukunft der Meta-Konzern wirklich Wahlen entscheiden oder sogar Wahlen ersetzen? Ich meine, der eine oder andere in Berlin wäre vielleicht froh darüber, wenn es auf diesem Wege geht. Aber ich glaube, da wären wir wirklich auf dem verkehrten Weg.

Und jetzt komme ich einmal zu jedem Einzelnen von uns: Wie lange werden wir als Abgeordnete eigentlich noch Entscheidungen treffen? Gemäß einer Studie des spanischen Center for the Governance of Change würde ein Viertel der Befragten in Spanien es bevorzugen, dass politische Entscheidung eher von einer KI als von Politikern aus Fleisch und Blut getroffen werden. Meine Damen und Herren, das stelle ich einfach einmal in den Raum. Diese Perspektive müssen wir doch auch einmal bedenken, und wir müssen auch schauen: Wo ist da unsere Verantwortung?

Ja, diese Welt mit KI wird eine andere sein als die, die wir bisher kannten. Wie diese aussehen wird, liegt aber an uns. Dort wird uns weder blinde Technikgläubigkeit noch Maschinenstürmerei weiterbringen. Lassen Sie uns daher die Verantwortung für die Zukunft übernehmen, solange wir es noch können. Die Marktgläubigkeit der Landesregierung bietet hierfür leider keine Gewähr. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank für diese Punktlandung. – Frau Deißler ist die nächste Rednerin.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Die künstliche Intelligenz: Spätestens seit ChatGPT kennen wir sie alle. Dabei begleitet sie uns im Alltag eigentlich schon die ganze Zeit. Denn wie entsperren wir unsere Smartphones? – Na ja, mit der Gesichtserkennung. Was dahinter steht, ist schlicht KI. Sie ist also in unserem Alltag schon vollständig angekommen. Auch da, wo wir sie nicht sehen und manchmal auch nicht verstehen, ist sie uns nützlich. Wir sind da eher vom Team Mut und vom Team Glauben an die Zukunft als vom Team Angst, auch wenn wir die Risiken sehen. Zum Beispiel zur Beschleunigung von MRT-Scans oder auch zur Erkennung von Melanomen wird heute schon KI eingesetzt. Das sind in unseren Augen Chancen. Wir glauben auch, dass KI zukünftig einen noch größeren Stellenwert haben und einen noch tieferen Einzug in unseren Alltag, in unser Leben halten wird.

(Beifall Freie Demokraten)

Das könnte z. B. das autonome Fahren sein. Aber da wären auch noch viele andere Dinge möglich. Ich glaube, das Potenzial von KI ist für uns heute noch gar nicht zu erfassen. Berufe, über die wir uns heute Gedanken machen, wird es vielleicht morgen schon gar nicht mehr geben. Beschäftigungsfelder werden sich in Gänze ändern. Sie

werden neu kreiert, reformiert; vielleicht werden manche auch abgeschafft. Das gehört dann dazu.

Da gilt es, die Forschung zu unterstützen – denn das ist ja ein Prozess; er ist gerade im Werden, und er wird noch lange weitergehen –, damit wir das Gute der KI für uns nutzen, Herausforderungen bewältigen können und ungeahnte Chancen nicht liegen lassen. Das Potenzial dieser Chancen haben schon viele erkannt. Sie preschen vor, so wie China. Aber das Problem von China ist, dass es nicht unser Verständnis von Datenschutz und Menschenrechten teilt. Aber auch die USA sind uns weit voraus. Um den Anschluss zu halten, ist Tempo notwendig. Wir benötigen eindeutig – das ist der dringendste Punkt für uns – Personal für herausragende Forschung und gute Rahmenbedingungen nach unseren Wertevorstellungen, um aus Forschungsergebnissen auch gewinnbringende Anwendungen zu generieren.

(Beifall Freie Demokraten)

Das Personal ist eines der drängendsten Probleme bei der künstlichen Intelligenz; denn die vorhandenen KI-Professuren sind nicht besetzt. Dafür, dass sich Hessen als Schwerpunkt der KI-Forschung sieht – das finden wir gut – und sich gerne als das Silicon Valley Europas bezeichnet – das begrüßen wir; denn das wäre auch unser Wunsch bzw. unser Traum –, befasst man sich etwas wenig mit den Professuren, die wir brauchen, weil dahinter Menschen stehen müssen.