Wir müssen sicherheitspolitisch verlässlich sein und bleiben. Alles andere wäre gegen unsere sicherheitspolitischen Interessen in der Welt. Die AfD entpuppt sich dabei als Gefahr für Deutschland.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir mussten es heute Morgen erneut erleben, dass die AfD ein hochgradig sensibles und komplexes Thema in einer furchtbaren Art und Weise missbraucht, indem sie nämlich angeblich – Zitat – die Menschen nicht verurteilt, aber im Gegenteil Hass und Hetze gegenüber den Menschen auskübelt, die Schutz und Zuflucht in unserem Land suchen. Das ist schäbig.
(Beifall SPD, Freie Demokraten, DIE LINKE, ver- einzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Thomas Hering (CDU))
Sie kippen hier alle möglichen Einzelaspekte in einen großen Topf, rühren einmal um und legen Behauptungen auf den Tisch, die jeglicher Faktenlage widersprechen, z. B. Ihre Behauptung, der Zustrom werde überhaupt nicht geregelt, es werde Tür und Tor geöffnet.
(Robert Lambrou (AfD): Die Deutsche Polizeigewerkschaft sagt, es kommen in den nächsten Monaten noch wesentlich mehr Menschen! – Glockenzeichen)
Ich kann Ihnen nur sagen, dass hier ein Maßnahmenbündel erforderlich ist, und zwar insbesondere auf der europäischen Ebene, wo auch gehandelt wird, wo geschaut wird, wie Ursachen für Migration und Flucht bekämpft werden können, wo die Drittstaatenregelung eingehalten wird, wo auch geschaut wird, wie man Außengrenzen schützen kann, wo aber auch – das ist ganz wichtig – Menschen, die aus gutem Grund Zuflucht in unserem Land suchen – das ist auch durch Art. 16a Grundgesetz geschützt –, wenn sie z. B. politisch verfolgt werden,
(Zuruf Robert Lambrou (AfD) – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Können Sie mal aufhören?)
Das ist auch Urgedanke unseres demokratischen Gemeinwesens. Das ist auch gut so. Deswegen ist es unanständig, wenn Sie dieses Thema für Ihre Zwecke und für populistischen Wahlkampf nutzen. Schämen Sie sich.
(Beifall SPD, DIE LINKE, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fortgesetzte Zurufe – Glockenzeichen)
Gerade bei dem Thema „afghanische schutzbedürftige Flüchtlinge, die zu uns kommen“ sage ich Ihnen ganz deutlich: Seit über 40 Jahren leben Menschen in Afghanistan in Angst und Schrecken. Krieg, Armut und Hunger beherrschen dieses Land und diese Menschen.
Am 30. Juni 2021, an meinem Geburtstag, sind die letzten deutschen Truppen aus Afghanistan zurückgekehrt. Dann begann in der Folge das Taliban-Regime offiziell wieder aufzublühen – sozusagen. Ein Ende des Kampfes für die internationalen Truppen bedeutete für die Zivilbevölkerung kein Ende des Schreckens, sondern, im Gegenteil, den Anfang eines erneuten Schreckens. Wenn Sie sich ansehen, wie die Menschen in diesem Land darben – Armut, Hunger, Unterdrückung gerade für die Frauen, die aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden, die noch nicht einmal Sport machen dürfen –, wie die Menschen in diesem Land geschunden werden, wie sie leiden, und wenn Sie dann sagen, dass Hessen seinen Anteil an einem Programm – einem „Progrämmchen“ sozusagen – leiste, mit dem Menschen in einer begrenzten Anzahl
von 1.000 Personen zu ihren Familien können, sei überbordend und zu viel, dann sage ich Ihnen: Das ist inhuman, was Sie hier vortragen.
(Beifall SPD – Robert Lambrou (AfD): Wo ziehen Sie die Grenze? Die Kommunen sagen, sie können nicht mehr! Brandbriefe an den Ministerpräsidenten! – Glockenzeichen)
Ich sage Ihnen deutlich, dass wir dieses Programm seit Langem fordern. Wir und die Menschen warten dringendst darauf. Hier leben ganz viele Afghanen. Ich selbst bin in meinem Wahlkreis von einem Mitbürger angesprochen worden, der gar nicht mehr schlafen kann, der voller Trauer, voller Angst um seine Familienangehörigen ist, der seit Monaten seine Frau hierher holen will, der gar nicht mehr weiß, was er machen soll. Diese begrenzte Anzahl ist doch nur ein minimales Zeichen der Hoffnung, das wir hier setzen wollen.
(Robert Lambrou (AfD): Es sind weitere Pullfaktoren, Frau Kollegin! Es sind seit 2015 Millionen Menschen gekommen! – Glockenzeichen)
Das wollen Sie diesen Menschen auch versagen. Das ist wirklich inhuman. Dafür haben wir keinerlei Verständnis.
(Beifall SPD und DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Sie betreiben Moralpolitik! Damit kommen Sie nicht weit!)
Dazu kommt noch, dass die Aufnahmen – das muss man bei aller Redlichkeit auch sagen – an Voraussetzungen geknüpft sind. Das wissen Sie doch auch ganz genau. Man muss eine Erklärung abgeben, in der man sich verpflichtet, dass der Unterhalt für die nächsten fünf Jahre gesichert wird. Das ist an Auflagen geknüpft. Es ist mitnichten so, dass hier nicht noch einmal genau geschaut wird, wer wirklich Schutz braucht, wen wir hier auch wirklich aufnehmen müssen und sollten.
Auch wenn Sie praktisch Ihre scharfzüngige Rhetorik weiter ausfahren, sage ich Ihnen deutlich: Unabhängig von den Beschränkungen Deutschlands oder anderer Aufnahmestaaten werden durch dieses Elend, dieses Leid leider weiter Menschen aus blanker Not zu uns kommen. Das werden auch Sie leider nicht verhindern können.
(Robert Lambrou (AfD): Das verurteilen wir nicht! Wir haben die Aufgabe, die Interessen der einheimischen Bevölkerung zu vertreten! – Glockenzeichen)
Ich sage Ihnen deutlich: Es ist eine Frage der Humanität, der Mitmenschlichkeit, dass wir zumindest im Rahmen solch eines Programmes handeln. Ich fordere die Landesregierung auf, Worten jetzt auch Taten folgen zu lassen. Dass dieses Programm endlich kommt, das ist eine Frage der Mitmenschlichkeit. Deshalb fordern wir, dass dieses zügig umgesetzt wird, meine Damen und Herren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Herren der AfD bleiben sich leider wie immer treu, wenn sie angesichts des Anscheins knapper werdender Ressourcen nach unten treten, anstatt zu schauen, warum wir diese Knappheit z. B. an Unterbringungsmöglichkeiten, an Wohnraum, an der Versorgung von Schutzsuchenden und, und, und haben. Meine Herren der AfD, die Fehler liegen ganz woanders – damit wir das einmal geklärt haben.
Jetzt haben Sie aber im aktuellen Fall ein denkbar schlechtes Beispiel ausgesucht, um gegen Schutz suchende Menschen zu wettern, meine Herren der AfD. Laut Ankündigung setzt das geplante Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan voraus, dass in Hessen lebende Afghanen eine Verpflichtungserklärung für ihre nachziehenden Verwandten unterschreiben sollen. Das wurde schon von Kollegin Hofmann gesagt. Gerade in diesem Zusammenhang dann von „unkontrollierter Massenmigration“ und Belastung der Kommunen zu sprechen,
(Robert Lambrou (AfD): Es schafft weitere Pullfaktoren! Die Menschen in Afghanistan bekommen das doch mit!)
(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Sie können nicht lesen! – Jan Schalauske (DIE LINKE): Ahnungslosigkeit!)
Sie haben sich mit dieser Sache nicht richtig auseinandergesetzt, oder Sie verbreiten hier die Unwahrheit. So einfach ist das.
(Beifall DIE LINKE und SPD – Robert Lambrou (AfD): Es ist kein Zwangsprogramm! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)
Ihre ideologische Verblendung zeigt einmal wieder Ihre Realitätsferne. Das müssen wir hier immer wieder feststellen, meine Damen und Herren.
(Robert Lambrou (AfD): Sprechen Sie einmal mit Bürgermeistern in Hessen! – Jan Schalauske (DIE LINKE): Ahnungslosigkeit, Herr Lambrou! – Glockenzeichen)
Das machen wir. Wir sprechen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Herr Lambrou. Das machen wir, und genau deshalb kann ich Ihnen sagen, dass dieser Fall jetzt nichts anderes ist als wieder ein Missbrauch von Schutz suchenden Menschen, Herr Lambrou. So einfach ist es.
(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Robert Lambrou (AfD): Das ist ein freiwilliges Aufnahmeprogramm!)
Eines steht fest. Eines steht jedoch fest, meine Herren der AfD. Diese billige fremdenfeindliche Propaganda trägt nicht zu einem friedlichen gemeinsamen Leben in diesem Land bei.
Die Zahl der Angriffe auf Gemeinschaftsunterkünfte ist im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 70 % angestiegen.
(Robert Lambrou (AfD): Das ist zu verurteilen, ganz klar! – Jan Schalauske (DIE LINKE): Brandstifter rufen die Feuerwehr!)
Im Schnitt wurden zudem täglich drei Asylantragssteller auf der Straße angegriffen. Ihre irreführenden Äußerungen in diesem Parlament werden mit Sicherheit nicht zu einer Abnahme der stark gestiegenen Zahl der Anschläge auf Flüchtlinge beitragen, meine Herren der AfD.