Protocol of the Session on September 22, 2022

und verschreibt ihr schwache Schmerzmittel, die natürlich nicht helfen: Sie fällt zwar nicht mehr in Ohnmacht, aber sie liegt immer noch fünf Tage schweißgebadet im Bett, sie kann nicht zur Schule gehen, sie kann kaum etwas essen, sie kann nicht am Basketballtraining teilnehmen, und sie verliert an Gewicht.

Mit 14 Jahren versucht es die Mutter wieder. Sie gehen zu einem anderen Gynäkologen. Er will ihr mit 14 die Pille verschreiben. Laras Mutter hält das für zu früh, und ihr Leiden geht weiter.

Mit 16 bekommt sie nach starkem Insistieren der Eltern endlich eine Bauchspiegelung, und tatsächlich: Es werden Endometrioseherde festgestellt, und sie werden entfernt. Lara ist sehr glücklich; denn jetzt hat sie endlich schwarz auf weiß, dass sie sich diese Schmerzen nicht nur einbildet, sondern dass diese Schmerzen existieren. Die Schmerzen sind nach der Entfernung tatsächlich erst einmal weg. Aber nur wenige Monate später sind die Herde wieder da, und die Schmerzen sind wieder da.

Später nimmt sie doch die Pille, zehn Jahre lang. Dann möchte sie Kinder bekommen, aber es klappt und klappt nicht. Die Ärztinnen und Ärzte sind völlig ratlos: Sie hat einen Eisprung, beim Partner ist alles in Ordnung, keiner weiß, woran es liegt. Später hat sie eine Kinderwunschbehandlung, das Resultat sind zwei Fehlgeburten. Außerdem ist sie inzwischen abhängig von sehr hohen Dosen starker Schmerzmittel, jeden Monat.

Es gibt Frauen, die Endometriose haben und die keine Schmerzen haben. Aber auch dort ist es dramatisch; denn sie haben große Herde, und die können die Organe verdrängen. Wenn dann nichts unternommen wird, kann es sogar lebensgefährlich werden.

Man geht davon aus, dass jede zehnte Frau, also zwischen 6 % und 15 %, Endometriose hat, 40.000 Neuinfektionen pro Jahr. Wenn man diese Spanne von 6 % bis 15 % sieht, erkennt man schon, dass die Forschung eigentlich nichts weiß – da ist eine dermaßen große Spanne, und niemand kümmert sich wirklich darum.

Mir ist noch wichtig, zu sagen, dass Endometriose auch auftritt bei einer Hysterektomie, bei transgender- und nicht binären Menschen.

Wir haben auch einen Antrag zur Endometriose gestellt. Er wurde letzte Woche abschließend im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst behandelt. Darin haben wir gefordert, dass Hessen eine Vorreiterrolle übernimmt – ähnlich, wie Sie es fordern – und ein Förderprogramm für ein Sonderforschungsprojekt Endometriose auflegt. Aber leider möchte das Land Hessen kein Vorreiter auf diesem Gebiet sein.

Endometriose ist nämlich ein typischer Fall eines GenderData-Gaps, weswegen es in unserem Antrag auch um den Mangel an Daten zu weiblichen Patienten in der medizinischen Forschung ging. Dieser Mangel besteht, weil zu wenige Daten zu weiblichen Patienten erhoben werden. Wir wollten, dass Hessen zur Schließung dieser Lücke beiträgt. Die Ampelkoalition auf Bundesebene hat sich das vorgenommen, aber natürlich müssen auch die Länder mit ihrer Wissenschaftspolitik dazu beitragen.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Ich möchte an dieser Stelle den Mädchen und Frauen da draußen, vielleicht auch auf der Tribüne, zurufen: Es ist

nicht normal, dass ihr jeden Monat schwere Schmerzen habt. Das ist nicht normal. Es liegt daran, dass sich zu wenige Menschen für eure Probleme interessieren, weil ihr Mädchen, weil ihr Frauen seid, weil eure Hormone ihnen zu kompliziert und ihre Auswirkungen zu teuer für die Forschung sind. Das ist institutionelle Diskriminierung von Mädchen und Frauen, der Hälfte unserer Gesellschaft.

Nennen wir es beim Namen: Es ist ein Skandal, wie fahrlässig wir mit dem Leben von Frauen umgehen, und es wird Zeit, dass wir daran etwas ändern. Die SPD ist dazu bereit.

(Anhaltender Beifall SPD – Vereinzelter Beifall Freie Demokraten)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gersberg. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Böhm, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Herzlichen Dank an die FDP-Fraktion, dass sie die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf die häufigste Krankheit, die Frauen betrifft, aufmerksam machen. Das ist, Sie haben es gehört, eine tatsächlich jahrelang unerkannte Krankheit, die allerdings ungeheure Schmerzen verursacht und Frauen unfruchtbar machen kann. Ich gehe davon aus, dass der Aufklärungswille der Aktuellen Stunde das Ziel hat, Frauen, Menschen mit Gebärmutter sowie Ärztinnen und Ärzte auf diese Krankheit hinzuweisen – das ist sicher ehrenhaft.

Es ist wirklich bedenklich, dass diese Erkrankung, die 2 Millionen Menschen in Deutschland betrifft, so wenig Aufmerksamkeit erfährt. Jetzt gibt es in Großbritannien erste Erkenntnisse zu den Ursachen. Als Nächstes ist es aber notwendig, über konkrete Diagnosen und Behandlungen zu forschen. Es ist wirklich beschämend, wenn das stimmt, dass nur 20.000 € pro Jahr in Deutschland für die Forschung eingesetzt werden.

Es gibt augenscheinlich kein Interesse der Pharmaindustrie, zu dieser Erkrankung und ihrer Behandlung zu forschen. Das scheint keinen Profit zu versprechen, also lässt man lieber die Finger davon. Solange die Frauen aber mangels Alternativen mehr und mehr Schmerzmittel nehmen müssen, verdient die Pharmaindustrie sogar noch daran.

Das zeigt doch sehr deutlich, wie schädlich es für die Gesundheit von Menschen und besonders von Frauen ist, wenn Forschung und Produktion von Arzneimitteln privatwirtschaftlich organisiert wird. Kolleginnen und Kollegen von der FDP, der Medizinproduktemarkt regelt offensichtlich nicht alles, wenn die Mehrheit der Bevölkerung dort weitgehend ausgeblendet wird.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist besonders erschreckend, weil es sich hier um eine Erkrankung von Frauen bzw. Menschen mit Gebärmutter handelt und den oftmals jungen Frauen gesagt wird: „Mach nicht so viel Aufhebens um deine Menstruationsschmerzen.“ Ich denke, alle Frauen, junge und ältere, haben es schon einmal gehört, dass man das einfach so hinnehmen müsse; wenn man einmal Kinder bekommen wolle, müsse man einfach auch Schmerzen ertragen können. Das aber ist

das Perfide in dieser Diskussion, dass Frauen diese Rolle zugeschoben wird und dass ihre Befürchtungen und Bedenken, ihre Schmerzen überhaupt nicht ernst genommen werden. Das ist wirklich der Skandal dabei. Daran sieht man, wie wenig dieses Gesundheitssystem auf Frauen und Menschen mit Gebärmutter eingerichtet ist, dass es immer noch männerdominiert ist und dass wir dringend eine gendergerechte Medizin brauchen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir brauchen eine gendergerechte Medizin, die die Bedürfnisse von Frauen und anderen Gruppen tatsächlich in den Blick nimmt und sich nicht nur an den Männern orientiert. Nicht umsonst gibt es hierzu Petitionen mit Hunderttausenden Unterschriften, die eine nationale Endometriosestrategie fordern.

Die FDP fordert eine hessische Strategie. Sie haben im März dieses Jahres einen Antrag gestellt, der von der Tagesordnung abgesetzt und bislang im Ausschuss auch nicht behandelt wurde. Da frage ich mich wirklich: Warum haben Sie heute die Aktuelle Stunde nicht genutzt, um über Ihren Antrag zu diskutieren?

(Zuruf Wiebke Knell (Freie Demokraten))

Ist es wegen des Jahrestags, oder was ist der Grund? Das habe ich noch nicht verstanden, aber vielleicht können Sie uns dazu noch etwas sagen.

Sie haben ein paar Vorschläge gemacht, was in Hessen passieren soll. Eine Aufklärungskampagne ist auch in Ihrem Antrag drin. Ich sehe es tatsächlich als notwendig an, hier eine nationale Strategie zu fahren; aber das sollten Sie bitte auch Ihrer Bundestagsfraktion mitteilen, damit sie sich auf den Weg macht und den Gesundheitsminister dafür begeistert. Hessen kann sicher etwas dazu beitragen; aber in vielen Dingen ist es notwendig, dass es auch auf Bundesebene passiert, wenn ich daran denke, das Thema auch in der Ausbildung und in der Hochschule stärker zu verankern.

Es gibt sicher noch ein paar andere Themen. Ich fände es gut, wenn wir im Landtag öfter über Frauengesundheit reden würden. Da gibt es die Forderung nach kostenfreien Menstruationsprodukten in allen öffentlichen Einrichtungen, Verhütungsmitteln als Kassenleistung, flächendeckender Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen, der Abschaffung von § 218 StGB usw. Ich denke, das sind alles wichtige Themen. Ich freue mich auf weitere Diskussionen zu dieser Angelegenheit. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Kollegin Böhm. – Jetzt hat die Abg. Claudia Ravensburg, CDU-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! An Endometriose zu erkranken bedeutet für die betroffenen Frauen oft ein schlimmes und fürchterliches Leiden. Noch immer wird die Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut oft viel zu spät erkannt. Meine Vorrednerinnen haben es erwähnt, und dem stimme ich völlig zu.

Ich bin auch dankbar für die Beispiele. Denn die Therapie darf eben nicht viel zu spät anfangen. Die betroffenen Frauen haben ein Leben voller Schmerzen, verbunden mit hoher psychischer Belastung, auch in der Partnerschaft, aber leider auch oft mit unerfülltem Kinderwunsch vor sich. Verbunden ist die Krankheit auch mit psychischer Belastung in der Öffentlichkeit, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Denn man redet nicht darüber. Das ist ein Thema, das tabu ist.

Nicht Betroffene kennen deshalb die Erkrankung auch gar nicht. Die Dunkelziffer ist hoch. Allein in Deutschland gibt es etwa 40.000 neue Fälle pro Jahr. Erst im vergangenen April fand ein intensiver Austausch auch meiner Fraktion mit der Endometriose-Vereinigung Deutschland zu diesem Thema statt.

Die gesellschaftliche Aufklärung über Endometriose muss nämlich deshalb erhöht werden. Wir sind der Meinung, dass das Wissen über das Krankheitsbild frühzeitig, sogar bereits in der Schule, vermittelt werden sollte. Den Gedanken, das im Lehrplan Sexualerziehung aufzunehmen, finde ich eine gute Anregung. Wir sollten dieses Mittel nutzen, um gleich in der Schule dafür zu sensibilisieren.

Junge Frauen müssen wissen, warum sie so starke Menstruationsbeschwerden haben. Die Mitschüler sollten wissen, was so eine Erkrankung für die jungen Mädchen bedeutet. Auch Lehrer müssen die Krankheit kennen, damit sie damit richtig umgehen können.

In Ihrem Antrag, liebe Kollegen von der FDP, haben Sie die Intensivierung der Forschungsförderung angesprochen. Hierzu haben Sie aber auch schon eine Kleine Anfrage gestellt und eine ausführliche Antwort über die erheblichen Forschungsaktivitäten im Bereich Endometriose an hessischen Universitäten von unserer Staatsministerin Angela Dorn erhalten.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Antwort gibt auch eine genaue Information über die Berücksichtigung der Endometriose in der Lehre und eine Information über die 48 Fachzentren in Hessen.

Über eines sind wir uns sicherlich einig: Endometriose benötigt größte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Denn die Betroffenen leiden oft auch gerade an der mangelnden Akzeptanz ihrer unwissenden Umgebung, die das als eine kleine Erkrankung wie eine Erkältung abtut.

Dennoch gehört dieses Thema auch auf die Bundesebene. Das ist kein hessisches Thema allein, sondern das ist ein bundesweites Thema. So war es auch zu Zeiten der Großen Koalition mit einem Bundesgesundheitsminister von der CDU.

Unsere CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat deshalb eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, um herauszufinden, was die Bundesregierung denn plant. Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich leider keine besondere Erwähnung. Wir brauchen nämlich eine bundesweite Strategie wie in Frankreich oder auch in Australien, um Diagnosen zu beschleunigen und die Versorgung zu verbessern. Schließlich macht diese Erkrankung eben vor Bundesländergrenzen nicht halt. Wir brauchen eine Strategie, die Bundesgesundheitsminister Lauterbach dringend zur Chefsache machen sollte. Und da haben Sie doch Einfluss, liebe Kollegen von der FDP. Oder etwa nicht?

(Zuruf SPD – Glockenzeichen)

Hessen wird eine solche Strategie sicherlich engagiert begleiten und wird bis dahin mit den hessischen Hochschulen weiter durch Aufklärung in der medizinischen Ausbildung informieren und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Förderung von Forschungsvorhaben an den Universitäten unterstützen.

Die Ampelregierung in Berlin muss Verantwortung übernehmen und Endometriose als lebenseinschränkende Krankheit anerkennen, anstatt mit dem Finger auf die Länder zu zeigen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden uns wünschen, liebe Kollegen von der FDP, wenn Sie der eigenen Regierungsverantwortung hier gerecht würden und sich auf Bundesebene dafür einsetzen. Das wird den jungen Frauen sehr viel helfen. Unsere Unterstützung haben Sie. – Danke.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf SPD: 16 Jahre an der Regierung und dann eine Kleine Anfrage gestellt!)

Vielen Dank, Kollegin Claudia Ravensburg. – Jetzt kommt Frau Abg. Kathrin Anders für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte Ihnen gern eine langjährige Endometriose-Leidensgeschichte erzählen, die exemplarisch für viele Frauen steht, die das in Europa und weltweit erleben müssen.

Seit dem 15. Geburtstag sind monatliche Schmerzen und auch Menstruationsschmerzen ständiger Begleiter. Krämpfe, Magen-Darm-Infekte, Migräneattacken pünktlich zum Eisprung, Rückenschmerzen und ein geschwächtes Immunsystem sind Symptome der chronischen Schmerzerkrankung der Gebärmutter.