Bei allen Rechenschiebereien des Ministers will ich noch einmal deutlich machen – denn wir haben heute einfach Zeit, über solche Mobilitätsfragen zu diskutieren –: Es ist und bleibt eine Tatsache, dass das Bundesland Hessen für die dauerhafte und verlässliche Finanzierung der Verbünde lediglich 3 % originäre Landesmittel zur Verfügung stellt. Alles andere stammt von uns, außer, Herr Minister, die Landesmittel immer wieder umzuetikettieren, obwohl sie den Kommunen sowieso zur Verfügung stehen, weil sie im KFA stehen. Die Corona-Hilfen sind von uns, und die Investitionen sind von uns.
Nein, worum es mir geht, ist eine verlässliche, eine dauerhafte Finanzierung des Angebots in der Fläche. Wenn Sie mit den Verbünden, den Nahverkehrsorganisationen, den Leistungserbringern reden, dann erzählen Ihnen alle, dass das vorne und hinten nicht ausreiche. Deswegen schlage ich mich mit Ihnen auch nicht darum, ob es nachher 3 oder 4 % sind; denn der Anteil ist – selbst bei einer wohlwollenden Betrachtung; es ist zumindest ein Kompromiss – zu gering. Mit dem bestehenden Landesanteil an originären Mitteln für den ÖPNV ist keine Kostendeckung des Bestandsangebots möglich, und von einer Erweiterung kann keine Rede sein. Meine Damen und Herren, ich glaube, es kann keiner daran Zweifel haben, dass dies in Hessen die Realität ist.
Wenn Sie nicht mir bzw. der Opposition glauben wollen, dann schauen Sie sich z. B. die Umfrage des VDV vom April oder Mai 2022 an, der die Verbünde, die Nahverkehrsorganisationen in Ost- und Westdeutschland, jeweils separat, gefragt hat: Wie sieht es eigentlich mit der Finanzierung aus? – Wenn über genau diese Studie z. B. die „FAZ“ titelt: „Hessen bei westdeutschen Flächenländern unterdurchschnittlich“, und sich auf die Finanzierung des ÖPNV bezieht, dann ist das vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass unsere Berechnungen, unsere Beschreibung der Realität in Hessen etwas näher an dem dran sind als das, was Sie uns in dieser Woche immer wieder deutlich machen wollten, meine sehr verehrten Damen und Herren der Regierungskoalition.
Ich freue mich auch, dass wir, durch das 9-€-Ticket angetrieben, jetzt zu einer Struktur der Flatrate-Tickets kommen, wie wir sie hier immer wieder angemerkt haben, dass wir nämlich von verschiedenen Jahrestickets für verschiede Bevölkerungsgruppen wegkommen. Herr Minister,
Sie haben eben gesagt: „Na ja, das sind 31 €.“ Nein, es kostet entweder das ganz Jahr über oder gar nichts; denn Sie können bisher nicht zu einem monatsweisen Erwerb wechseln. Daher haben wir gesagt, es braucht eine klare Zielvorstellung. Denn wie soll am Ende des Tages ein Bürgerticket für alle aussehen, damit der ÖPNV auch für alle Bevölkerungsgruppen nutzbar ist? – Wenn uns der Bund bei dieser Diskussion auf die Sprünge hilft, damit wir dies in Hessen über eine gemeinsame Finanzierung hinbekommen, ist das richtig. Deswegen: Wenn die Freien Demokraten schreiben: „Ja zur Flatrate“, dann ist es nur richtig, dass wir dies künftig gemeinsam machen.
Damit möchte ich meinen letzten Redebeitrag zum Thema Mobilität in dieser Woche beenden. Es ist tatsächlich wichtig, dass wir das Angebot nicht um unseretwillen machen, oder weil es irgendjemand einfach gut findet, mit dem Auto, mit dem Bus oder mit der Bahn zu fahren, sondern es geht bei der Mobilität am Ende darum: Wie organisieren wir Teilhabe für alle Menschen in dieser Gesellschaft, dass sie eben nicht abgehängt werden, egal, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen? Deshalb müssen wir ihnen ein Angebot machen, und zwar zu einem bezahlbaren Preis, jenseits des Autos, das sie im Zweifelsfall zwangsweise brauchen, weil es kein Alternativangebot gibt. Dies wird am Ende die Triebfeder sein; und daher ist für mich, für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Frage so wichtig: Wie geht es mit dem ÖPNV weiter? Der Bund hat dafür den Anstoß gegeben; und ich freue mich, wenn wir da, genauso wie bei den vorherigen Tagesordnungspunkten, weitergehen. Ich glaube, der ÖPNV kann es gebrauchen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern daran anschließen, wo ich vorhin aufgehört habe und darauf hinweisen, Herr Kollege Dr. Naas – Stichwort: Digitalisierung –, dass wir das in Hessen in weiten Teilen bereits gelöst haben. Wissen Sie, was der Türöffner war? Es war das Schülerticket. Wir haben das Ende 2016 gemacht. Das war ziemlich sportlich. Damals ging es darum, dass man in NVV-Bussen und NVV-Bahnen Lesegeräte anbringen musste, die es möglich machten, dass man das Schülerticket Hessen nunmehr hessenweit nutzen kann. Seitdem gibt es das Schülerticket Hessen in jedem Bus und in jeder Bahn, die in Hessen unterwegs sind, über ein Gerät, mit dem Sie das E-Ticket Hessen nutzen und lesbar machen können. Das heißt, wir haben in Hessen bereits etwas, was es in anderen Bundesländern in dieser Form nicht gibt. Darüber kann man sich freuen.
Ich will einen zweiten Punkt in Richtung der Linksfraktion ansprechen – Stichwort: alles umsonst –: Es gibt zwei Länder in Europa, wo es den kostenlosen Nahverkehr gibt. Eines ist Tallinn in Estland. Dazu gibt es übrigens einen spannenden Artikel in der „Berliner Zeitung“. Ich kann Ihnen empfehlen, diesen einmal zu googeln. Die haben den
kostenlosen ÖPNV bereits seit ein paar Jahren. Dort gibt es inzwischen eine Bewegung, die dafür plädiert, wieder Fahrgeld zu nehmen, um damit das Angebot besser zu machen; denn das Problem des kostenlosen ÖPNV in Tallinn ist, dass er über die Jahre immer schlechter geworden ist, weshalb ihn jeder, der es sich leisten kann, nicht nutzt.
Dementsprechend kann ich Ihnen nur sagen: Vorsicht an der Bahnsteigkante. Schauen Sie sich das einmal an.
Das zweite Beispiel ist Luxemburg mit einem sehr netten grünen Verkehrsminister, Kollegen Bausch, den ich gut kenne. Jetzt müssen Sie wissen, dass Luxemburg mehr Geld hat als andere; und ich glaube, insbesondere mit der Linksfraktion könnten wir uns darin einig sein, dass wir deren Geschäftsmodell nicht unbedingt übernehmen wollen. Insofern ist klar, dass wir immer schauen müssen, was in anderen Ländern passiert und wie dort die Finanzlage ist.
In manchen Bereichen sind die Tickets zu teuer; das war auch der Grund, warum wir die hessischen Flatrate-Tickets eingeführt haben. Das hat ganz offensichtlich zu mehr Kundinnen und Kunden geführt, wenn man sich beispielsweise die Verkaufszahlen der Schülertickets anschaut. Ein Ticket für umsonst hat am Ende Konsequenzen für das Angebot; denn dann können sie es nicht mehr so finanzieren und ausbauen, wie es eigentlich nötig wäre. Das heißt, man muss die Balance halten.
Zum nächsten Punkt, den ich ansprechen möchte: die Infrastruktur. Wir müssen natürlich auch die Infrastruktur ausbauen. Das hat das 9-€-Ticket gezeigt. Herr Gerntke, Sie können im Ausschuss schöne Fragen stellen, nach dem Motto: „Was machen Sie dafür, dass mehr Angebot vorhanden ist?“ Das kann ich Ihnen sagen: An manchen Stellen können Sie überhaupt nicht mehr Angebot bereitstellen. Der RMV würde gern auf der Riedbahn mehr S 7 bereitstellen. Leider passt auf die Riedbahn kein einziger zusätzlicher Zug mehr, weil es die Infrastruktur nicht hergibt. Das Gleiche gilt für andere Bereiche in Hessen. Deswegen arbeite ich seit achteinhalb Jahren daran, mit der Bahn, mit den Kommunen und mit den Verkehrsverbünden, dass wir den Infrastrukturausbau wieder nach vorne bringen; denn, wenn Sie auf der Schiene ein besseres Angebot machen wollen, dann brauchen Sie schlicht mehr Schiene. Das ist eine schlichte Wahrheit.
Wir haben die vier großen Fernverkehrsprojekte: Frankfurt–Mannheim, Frankfurter Fernbahntunnel, Hanau–Fulda und Fulda–Gerstungen. Zu all diesen Bereichen haben in den letzten acht Jahren Dialogverfahren stattgefunden, und die Trassenfindungen sind erfolgt. Teilweise sind die Finanzierungsverträge auf dem Weg. Es ist teilweise bereits in die Raumordnung, teilweise in die Planfeststellung gegangen worden.
Das hilft übrigens auch dem Nahverkehr, weil es auf den Schienen Kapazität freimacht, siehe S 7, siehe Riedbahn. In dem Moment, in dem Frankfurt–Mannheim fertig wäre, könnte man natürlich auf der Riedbahn auch mehr Regionalverkehrszüge fahren lassen. Das eine und das andere hängen zusammen.
Auch das Projekt Wallauer Spange ist ein Bundesprojekt. Es würde natürlich dem Regionalverkehr extrem helfen,
wenn Sie von Wiesbaden Hauptbahnhof bis zum Flughafen nicht mehr 30 Minuten, sondern 13 Minuten brauchen würden. Auch da, sehen Sie, haben wir gemeinsam mit der Bahn, gemeinsam mit vielen anderen, etliches auf den Weg gebracht.
Die Regionalprojekte gehören natürlich dazu: S-Bahn-Anschluss Gateway Gardens; S 6 Frankfurt–Friedberg, die im Bau ist; Nordmainische S-Bahn, da sind die ersten Vorabmaßnahmen im Bau; Bahnübergang Frankfurter Landstraße in Hanau; die Regionaltangente West – ein Projekt, über das 30 Jahre lang diskutiert wurde. Wir haben den ersten Spatenstich gemacht, sie ist im Bau. Das hätte man vor einigen Jahren noch für unmöglich gehalten. Das hat etwas damit zu tun, dass wir uns wirklich in vielen Bereichen sehr eingebracht haben, obwohl wir formal in den meisten Bereichen gar nicht zuständig sind. Sie sehen also: Wir haben ein Gesamtinteresse daran, dass es läuft. Deswegen sind wir beispielsweise in der Planungsgesellschaft der RTW dabei. Das gilt auch für kommunale Infrastruktur; die Straßenbahnprojekte Lichtwiesenbahn und Co. habe ich gestern schon genannt.
Das führt auch dazu, dass wir mehr Geld ausgeben. In der Antwort auf die segensreiche Anfrage der Abg. Weiß und Eckert wurden auch die Investitionsmittel aufgezählt. Das kann ich Ihnen zur Erinnerung nur noch einmal empfehlen, Drucks. 20/8858.
2014 gab es insgesamt Fördermittel, die in hessische Projekte gegangen sind, aus dem Bundes-GVFG, vom Land oder aus dem KFA, investiv, nicht konsumtiv, von 49 Millionen €. Letztes Jahr waren wir bei 196,3 Millionen € Zuschuss für Investitionen für Bauprojekte.
Da ist beispielsweise die Stadtbahn in Frankfurt enthalten, Europaviertel, die S 6 und diese ganzen Projekte. Es wird also in Hessen nicht nur darüber geredet, was man bräuchte, es wird gebaut, meine sehr verehrten Damen und Herren, was man am Abfluss dieser Investitionsmittel sieht.
Es ist kein Geheimnis, wir werden vielleicht dieses Jahr sogar noch einmal über die Summe des letzten Jahres hinauskommen, weil jetzt die realen Baumaßnahmen stattfinden, die dann in den nächsten Jahren dazu führen werden, dass ein besseres Angebot technisch überhaupt möglich ist, siehe S 6 in Richtung Bad Vilbel. Ich setze darauf, dass wir Ende nächsten Jahres dort eröffnen können. Dann fährt die S 6 schneller, sie fährt pünktlicher, und es gibt auch die Möglichkeit, mehr fahren zu lassen.
Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Schritt für Schritt machen wir da weiter. Aber das müssen wir eben auch finanzieren, nicht nur den Betrieb, nicht nur attraktive Tickets, sondern auch die Investitionen. – Vielen Dank.
Erste Lesung Gesetzentwurf Landesregierung Gesetz über das Nationale Naturmonument „Grünes Band Hessen“ – Drucks. 20/9132 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hessen wird mit dem Gesetz zum Grünen Band, das heute in erster Lesung beraten wird, Teil des größten europäischen Naturschutzprojekts.
Damit schützen wir die Artenvielfalt, die sich im Schatten des Eisernen Vorhangs ungestört entwickeln konnte. Die Wälder, Hecken, die blühenden Wiesen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze sind ein lebendiges Denkmal, das uns an den Schrecken der Teilung und die Freude der Wiedervereinigung erinnert. Diese Kombination ist einzigartig, deswegen wollen wir sie als Nationales Naturmonument für die Nachwelt sichern.
Meine Damen und Herren, es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben, über dieses Vorhaben zu sprechen, als jetzt unmittelbar vor dem Tag der Deutschen Einheit. Das Grüne Band ist ein Zeichen für Hoffnung und steht für die Versöhnung zwischen feindlichen Systemen ebenso wie für die Versöhnung mit der Natur. Deswegen ist heute, während ein furchtbarer Angriffskrieg Europa erschüttert, der genau richtige Zeitpunkt, dieses Vorhaben voranzutreiben.
Auf 260 km Länge wird das Grüne Band einige der wertvollsten hessischen Schutzgebiete wie den Rhäden von Obersuhl, das Rote Moor oder die Orchideen-Buchenwälder im Werra-Meißner-Kreis verbinden. Besucherinnen und Besucher können hier auf über 8.200 ha eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt erleben, z. B. den Schwarzstorch, den Wanderfalken, den schwarzen Apollofalter oder Arnika und Wollgras.
Neben den bestehenden Naturschutzgebieten und Naturwäldern in der Zone I des Nationalen Naturmonuments sind auch die grenznahen FFH- und Vogelschutzgebiete Teil des hessischen Grünen Bandes und bilden die Zone II mit. Dazwischen liegt ein schmales Band entlang der Grenze, die Zone III, in der wir alle Eigentümer und Bewirtschafter dazu einladen, unsere Förderangebote aufzugreifen und uns dabei zu helfen, hier einen einzigartigen Biotopverbund zu vervollständigen.
Ich will ausdrücklich sagen: In der Zone I des Nationalen Naturmonuments sind vorhandene Naturschutzgebiete und vorhandene Naturwälder. Auch die Kommunal- oder die Privatwaldbesitzenden haben bereits Bereiche in Natur
Wir haben in Hessen Erfahrungen mit großen Schutzgebieten gemacht, beim Nationalpark Kellerwald ebenso wie beim Biosphärenreservat Rhön. Dort erleben die Gemeinden – deswegen konnte der Nationalpark Kellerwald erweitert werden –, dass ein Schutzgebiet von nationaler Bedeutung ein Magnet für Besucherinnen und Besucher ist, dass es dienlich ist für sanften, nachhaltigen Tourismus und damit auch ein Impuls für die regionale Entwicklung.