Protocol of the Session on September 22, 2022

Ich möchte bitten, das zu respektieren.

(Zurufe AfD)

Als nächste Rednerin bitte ich nun Frau Heidt-Sommer von der SPD ans Rednerpult.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): Der erste Schritt für die Gesundheit der Kinder ist, dass Herr Scholz nun im Landtag sitzt und keine Kinder mehr unterrichtet!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der AfD,

(Marius Weiß (SPD): Das sind nur Herren!)

ich habe mir angewöhnt, Ihre Anträge kopfschüttelnd zu lesen. Sie haben auch eben wieder eindrücklich gezeigt, dass Sie zu Recht ein Verdachtsfall für den hessischen Verfassungsschutz sind.

(Beifall SPD – Lachen AfD – Andreas Lichert (AfD): Der Schutz der Familie muss vom Verfassungsschutz bekämpft werden! – Weitere Zurufe AfD)

Ich habe Ihnen zugehört, und Sie hören jetzt mir zu. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Sie müssen hier nicht sitzen. Wenn Sie mir nicht zuhören wollen, steht es Ihnen frei, den Saal zu verlassen.

(Zurufe AfD – Unruhe – Glockenzeichen)

Das Ziel Ihrer Anträge ist die Spaltung der Gesellschaft.

(Beifall SPD – Lachen AfD – Dr. Frank Grobe (AfD): Sie spalten doch!)

Mit diesem Antrag wärmen Sie eine Debatte aus dem Jahr 2016 auf. Eine überwältigende Mehrheit der Gesellschaft und dieses Hauses war und ist sich einig, die Akzeptanz sexueller Vielfalt, die Akzeptanz gleichberechtigter Modelle der Liebe und der Verantwortungsübernahme als Ziel des Unterrichts an hessischen Schulen zu definieren, und daran hat sich auch nichts geändert.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Kultusministerium ist bei der Veränderung der Regulierung des Sexualunterrichts standhaft geblieben. Gegen Widerstände – so wie auch heute – einer kleinen, aber lauten Gruppe wurde eine Position eingenommen, die junge Menschen unterstützt, die unseren Schülerinnen und Schülern an hessischen Schulen Kraft gibt.

(Zuruf Dr. Frank Grobe (AfD))

Das war und ist ein gutes Signal, und dieses Signal geben wir heute als Demokratinnen und Demokraten noch einmal gerne gemeinsam: Liebt und lebt in Gleichberechtigung und Verantwortung.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und DIE LINKE – Zurufe AfD)

Wir von der SPD wünschen uns, dass Akzeptanz als Prozess gesehen wird, und auch von Ihnen, Herr Staatsminister Lorz, aktiv vorangetrieben wird. Schulen müssen das Leben in Liebe und Verantwortung gleichwertig darstellen und ein offenes Bewusstsein schaffen. Meine Damen und Herren, wer gleichberechtigt Verantwortung für Kinder übernimmt: Da ist Familie.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – Zuruf)

Schulbücher müssen so verändert werden, dass Kinder und Jugendliche unterstützt werden, ihre Lebensrealität und ihren Weg sexueller Orientierung gut zu finden. Da hakt es noch. Da erwarten wir von der Landesregierung weitere Impulse, besonders bezogen auf die Auswahl und die Vorgaben an Schulbüchern.

Zu dem, was Sie vorhin vorgetragen haben, einige Fakten: Worum geht es eigentlich beim Sexualkundeunterricht? Es geht darum, dass sich junge Menschen ihres eigenen Selbst und ihrer Orientierung bewusst werden. Es geht darum, Fragen zu klären, dass es möglich ist, beim Sex „Nein“ und „Stopp“ zu sagen. Es geht darum, die Information an junge Menschen zu bringen, dass sexuelle Übergriffe stattfinden, dass das niemals in Ordnung ist und dass diese angezeigt gehören.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE – Dr. Frank Grobe (AfD): Das Wichtigste vergessen Sie aber!)

Noch einige Fakten zu den Familienmodellen, die Sie allenfalls tolerieren und nur behutsam behandelt wissen wollen. Es geht Kindern in Regenbogenfamilien nicht schlechter. Es geht Kindern in Pflegefamilien nicht schlechter. Homosexuell zu sein und eigene Kinder zu haben, wird in hessischen Schulen als Weg, Kinder zu erziehen, akzeptiert und als Lebensmodell positiv dargestellt. Ob Eltern in gleichberechtigter Verantwortung in einer hetero- oder homosexuellen Beziehung stehen, ist für das Wohl von Kindern nicht relevant.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Elisabeth Kula (DIE LINKE))

Ob Menschen, die Verantwortung für Kinder übernehmen, ihr zugeschriebenes Geschlecht beibehalten oder diese Zuschreibung nicht fühlen und ihre sexuelle Identität anders bestimmen, spielt in der Bewertung, ob Menschen gute Eltern sind, keine Rolle. Das sind Fakten. Das ist durch zahlreiche internationale und nationale Studien bewiesen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und Elisabeth Kula (DIE LINKE) – Dr. Frank Grobe (AfD): Das sind Kinder!)

Warum stellen Sie also heute diesen Antrag? Es geht Ihnen doch nicht um die Kinder oder um die Eltern, sondern es geht Ihnen um Ihre verquere Ideologie, um Ihr veraltetes Familienmodell,

(Zuruf AfD: Veraltetes Familienmodell?)

das eine Vergangenheit beschwört, die es so übrigens auch nie gab.

(Beifall SPD und Elisabeth Kula (DIE LINKE) – Dr. Frank Grobe (AfD): Die Familie ist der größte und beste Bestandteil! Die meisten Menschen lieben Familie! – Weitere Zurufe)

Wenn Sie behaupten, dass Frauen keine guten Eltern sein können, wenn sie Frauen lieben; wenn Sie behaupten, dass Männer keine guten Eltern sein können, wenn sie Männer lieben; wenn Sie behaupten, dass Menschen keine guten Eltern sein können, weil sie ihr zugeschriebenes Geschlecht nicht fühlen; wenn Sie behaupten – –

(Dr. Frank Grobe (AfD): Das sagt doch keiner! – Zuruf Andreas Lichert (AfD) – Gegenruf Tobias Eckert (SPD))

Doch, das behaupten Sie in Ihrem Antrag, wenn Sie sagen, dass diese Familienmodelle, wenn überhaupt, nur behutsam thematisiert werden dürfen. Wenn Sie behaupten, dass Menschen keine guten Eltern sein können, weil sie mit Kindern zusammenleben, die nicht ihre leiblichen Kinder sind, sagen Sie die Unwahrheit.

(Beifall SPD, Thomas Hering (CDU), Moritz Promny (Freie Demokraten) und Elisabeth Kula (DIE LINKE))

Wenn Sie das behaupten, verbreiten Sie Hass. Wenn Sie das immer wieder wiederholen, ist das ein Beleg dafür, dass Sie eine große Gruppe unserer Gesellschaft verachten.

(Beifall SPD und Elisabeth Kula (DIE LINKE) – Zuruf AfD: Umgekehrt ist es!)

Meine Damen und Herren von der AfD, unsere Gesellschaft ist bunt, divers und von Akzeptanz geprägt. Akzeptieren auch Sie das endlich.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und Elisabeth Kula (DIE LINKE))

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich nun Herrn Diefenbach ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dem Antrag der AfD liegen eine massive Abwertung von Menschen und eine Infragestellung von Menschenrechten zugrunde –

(Dr. Frank Grobe (AfD): Es geht um Schulbildung!)

von Menschen, die in ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität vom ausschließlich heterosexuellen Leitbild der AfD abweichen. Damit ist dieser Antrag auch ein Angriff auf alle Menschen, die sich für die vorbehaltlose Akzeptanz von Menschen einsetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und Freie Demokraten, Elisabeth Kula (DIE LINKE) und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Mit Ihrem Antrag suggerieren Sie, die Aufklärung über die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität wäre eine politische Haltung – im engeren Sinne des Wortes – und überrumpele und überfordere die Schülerinnen und Schüler in ihren Wertevorstellungen. Das ist einfach sachlich falsch;

(Dr. Frank Grobe (AfD): Nein!)

denn diese Aufklärung bietet die Möglichkeit zum Verstehen, zur Empathie, zum Nachvollziehen, dass alle Menschen, egal welche sexuelle Identität oder Orientierung sie haben, als Menschen akzeptiert werden müssen.

Damit ist die Behandlung dieses Themas im Unterricht vor dem Hintergrund des gültigen Lehrplans Sexualerziehung eben nicht vergleichbar mit der Vermittlung politischer Konfliktthemen wie etwa im Politikunterricht; sondern hier geht es um das Menschsein an sich und um die vorbehalt

lose Akzeptanz von Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und Freie Demokraten, Elisabeth Kula (DIE LINKE) und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Fragen der Sexualerziehung können mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Altersstufen sehr gut altersadäquat besprochen werden. Typische Themen dafür finden sich im Lehrplan selbst. Ich zitiere ein paar Stellen. Sechs bis zehn Jahre: „Kindliches Sexualverhalten – ich mag mich, ich mag dich“. Zehn bis zwölf Jahre: „Pubertät …, Körperhygiene“ und „unterschiedliche sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten“.