Protocol of the Session on March 31, 2022

Wir haben gemeinsam mit den Hochschulen vereinbart, dass wir die Anzahl der im Bereich des wissenschaftlich-künstlerischen Personals dauerhaft Beschäftigten insgesamt um 30 % im Vergleich zum Jahr 2018 steigern wollen. Das ist eine Riesenanstrengung vonseiten der Hochschulen. Das war auch nicht einfach zu verhandeln.

Frau Kollegin Kula, ein Aspekt war natürlich ganz besonders wichtig, nämlich, dass diejenigen, die sich schon in den vergangenen Jahren extrem angestrengt haben, nicht dafür bestraft werden, dass sie das schon im Vorgriff gemacht haben, sondern dass wir ein faires System haben, sodass sich am Ende alle in Richtung einer 30-prozentigen Steigerung bewegen können. Ich bin den Hochschulen sehr dankbar, dass wir solche Zahlen miteinander stemmen wollen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine weitere Herausforderung ist die Verbesserung der Betreuungsrelation. Wir wollen es mit den Hochschulen schaffen, von 72 Studierenden pro Professur im Jahr 2017 auf 61 Studierende pro Professur im Jahr 2025 zu gelangen, weil es dann mehr Zeit für individuelle Bedürfnisse gibt, weil es dann am Ende mehr Erfolgserlebnisse für Studierende gibt.

Frau Kollegin Deißler, ich habe eine hohe Wertschätzung für Frau Kollegin Ruth Wagner, die wirklich vieles hier im Land vorangebracht hat. Aber eines gab es zu dieser Zeit noch nicht. Da gab es noch nicht diesen Studierendenaufwuchs, und der war übrigens in NRW und in Hessen besonders hoch. Deswegen sind wir in diesem bundesweiten Vergleich auch so weit hinten. Damit sind wir nicht zufrieden, sondern wir arbeiten daran. Aber ich möchte schon einmal deutlich machen: Wenn die Herausforderungen völlig andere sind, dann kann man schwerlich Äpfel mit Birnen vergleichen. Das funktioniert so nicht.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rolf Kahnt (fraktionslos))

Wir helfen ganz konkret mit den 300 W-Stellen beim Ausbau des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Da müssen Sie mir einmal sagen, in welchen anderen Bundesländern so viele W-Stellen zur Verfügung gestellt werden.

Am Ende ist beim Wettbewerb um die klügsten Köpfe ein Punkt ganz besonders wichtig: Das ist die Bildungsgerechtigkeit. Da geht es um die jungen Menschen, deren Eltern nicht studiert haben, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die nicht aus der Schule kommen mit einem Abitur, sondern aus einem Beruf. All diese Potenziale brauchen wir. – Übrigens werden auch die Studierenden aus der Ukraine davon profitieren, dass wir so stark auf Bildungsgerechtigkeit setzen. Wir haben ganz konkrete Projekte mit den Hochschulen vereinbart, mit denen wir mehr Durchlässigkeit erreichen wollen.

Deswegen können wir hier wirklich sagen: Mit diesen Zielvereinbarungen schaffen wir es, dass wir da, wo noch Bildungssackgassen waren, diese sukzessive durch neue Wege ersetzen. Das ist ein ganz besonders wichtiger Punkt im Hochschulpakt, den wir hier begründet haben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu kommt die gemeinsame Verpflichtung auf die hessischen Klimaschutzziele. Auch hier resultieren allein 10 % aus betrieblich-organisatorischen Maßnahmen – das entspricht einer CO2-Reduktion von mindestens 10.000 t. Jede Hochschule bringt eine Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg, damit wirklich alle Bereiche umfasst werden.

Und auch das ist uns sehr wichtig: Nicht alle Hochschulen sind gleich. Im Gegenteil, alle sollen Mut zum eigenen Profil haben. Deswegen gibt es ganz eigene, individuelle Hochschulziele.

Ich nenne einmal Beispiele. Die Technische Hochschule Mittelhessen setzt jetzt auf Gründungsförderung, weil es so wichtig ist, Innovationen zu fördern, sodass man es bestenfalls direkt nach dem Studium ins Start-up schaffen kann.

Die Technische Universität Darmstadt setzt auf die Internationalität ihres Studienangebots und bietet weitaus mehr englischsprachige Veranstaltungen an. Auch dieses Thema wird mit Blick auf die Ukraine sehr wichtig.

Frau Ministerin Dorn, ich darf Sie kurz auf die verabredete Redezeit hinweisen.

Sehr gern. – Sie sehen: Wir haben einen weiteren Baustein der hessischen Hochschulstrategie nun geschaffen. Es wird sich lohnen – da sind wir uns ganz sicher –; denn hier liegt tatsächlich der Schlüssel für die Zukunft. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Dorn. – Damit ist die Aktuelle Stunde der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 20/8176, abgehalten. Über den Dringlichen Entschließungsantrag von CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Drucks. 20/8196, wird heute Abend abgestimmt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 82:

Antrag Aktuelle Stunde Fraktion der CDU Fünf Jahre Strukturreform in der hessischen Steuerverwaltung – wir bringen die Arbeit zu den Menschen – Drucks. 20/8177 –

Als Erstem darf ich dem Abg. Ruhl das Wort geben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist jetzt fünf Jahre her, dass der damalige Finanzminister Thomas Schäfer die Strukturreform in der Steuerverwaltung vorgestellt hat. Er kam seinerzeit auf die aus damaliger Sicht völlig merkwürdige Idee, bei Zentralisierungen nicht den Behördenstandort in der kleineren Kommune zu schließen und zugunsten der größeren Stadt aufzugeben, sondern ganz gezielt Zentralisierungen in der Fläche vor

zunehmen, Standorte im ländlichen Raum zu stärken und Arbeitsplätze zu den Menschen zu bringen.

Die Vorteile liegen eigentlich auf der Hand. Viele, die bislang in die Ballungsräume gependelt sind, sparen sich nun weite Pendelwege. Das ist nicht nur ein Gewinn für die Umwelt; das ist vor allen Dingen eine Zeitersparnis für die Beschäftigten und damit mehr Lebensqualität für sie und ihre Familien.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig wird der Ballungsraum entlastet und der ländliche Raum aufgewertet. Ich will ein Beispiel geben: Ich selbst hatte eine Fahrgemeinschaft mit mehreren Finanzbeamten aus dem Vogelsberg nach Frankfurt. Wir sind jeden Morgen um kurz nach 5 Uhr losgefahren, um vor dem Stau reinzukommen. Wir waren abends gegen 18 Uhr zu Hause. Das schlaucht auf Dauer.

Fast alle Fahrgemeinschaftskollegen sitzen heute im neuen Finanzamt in Lauterbach. Statt eineinhalb bis zwei Stunden am Tag für die einfache Strecke brauchen die Kollegen jetzt noch 15 bis 20 Minuten. Viele Mitarbeiter haben die Gelegenheit genutzt, um sich in ihre Heimat versetzen zu lassen. Zudem finden wir im ländlichen Raum einfacher qualifiziertes Personal, als dies wegen der Konkurrenzsituation im Ballungsraum möglich wäre.

Außerdem ist auch Büroraum auf dem Land in der Regel einfacher als im Ballungsraum zu finden. Kurzum: eine runde Sache und eine Win-win-Situation für alle.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist nun in den vergangenen fünf Jahren passiert? Ich fange mit der zentralen Grunderwerbsteuerstelle in Lauterbach an, auf die wir in der Region tatsächlich sehr stolz sind. Es war der erste Finanzamtsneubau in Hessen seit über zehn Jahren. Insgesamt entstehen dort 115 Arbeitsplätze, die die Grunderwerbsteuer für ganz Hessen bearbeiten. Wenn man das zusammennimmt – das ist natürlich eine Sondersituation –, ist Lauterbach mittlerweile das Finanzamt in Hessen mit dem höchsten Steueraufkommen; das kann man auch einmal erwähnen.

Aufgaben, die ortsungebunden erledigt werden können, wurden im ländlichen Raum angesiedelt, z. B. die Bearbeitung von Steuererklärungen in Korbach-Frankenberg, Limburg-Weilburg und Hersfeld-Rotenburg sowie die Verlagerung der Bearbeitung der Körperschaftsteuer von Darmstadt nach Bensheim – auch dort wird das Finanzamt baulich erweitert. Die landwirtschaftliche Betriebsprüfung wurde aus Großstädten wie Wiesbaden oder Darmstadt nach Fritzlar, Nidda oder Michelstadt verlegt. Die Bearbeitung der Grundsteuer wird künftig an sieben Standorten zentralisiert, z. B. in Dillenburg, Eschwege oder Fulda.

Insgesamt wurden bereits 500 Arbeitsplätze in den ländlichen Raum verlagert. Weitere 200 sind angestoßen. Künftig sollen über 1.200 Menschen heimatnah arbeiten. Es freut mich, dass das Beispiel der Finanzverwaltung Schule macht und dass auch andere Ministerien diesem Beispiel folgen.

Ein weiteres Beispiel aus dem Vogelsberg: Wir freuen uns auch auf den Neubau der Lehrkräfteakademie in Alsfeld.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor fünf Jahren wurden die Pläne zur Strukturreform vorgestellt. Die bisherigen Ergebnisse heute können sich auf

jeden Fall sehen lassen. Der Ausblick auf die Zukunft ist ebenfalls gut. – Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Minister Michael Boddenberg)

Vielen Dank, Herr Abg. Ruhl. – Als Nächster hat sich der Abg. Heidkamp für die AfD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Kula, Ihre Idee des Landtages als Therapiezentrum für die Folgen unglücklicher Entscheidungen beim Studium finde ich sehr interessant.

(Beifall AfD)

Da unser Finanzminister, der sehr geehrte Herr Boddenberg, sich immer wieder echauffiert, weil er glaubt, sich dauernd über die in seinen Augen miesepetrige und menschenfeindliche AfD ärgern zu müssen,

(Heiterkeit AfD – Tobias Eckert (SPD): Mit dieser Betrachtung ist der Finanzminister dann aber nicht allein! – Zurufe CDU)

habe ich mich bemüht, den positiven Hintergrund der Ankündigung dieser Aktuellen Stunde zu ergründen. Für eine seit 2018, also seit fast fünf Jahren, in Pressemitteilungen der Regierung angekündigte tiefgründige Strukturreform der hessischen Steuerverwaltung lässt die immerhin eine Aktuelle Stunde begründende Ankündigung, dass die Regierung die Arbeit jetzt zu den Menschen bringen will, natürlich aufhorchen. Dazu passt eine Pressemitteilung des Finanzministers Boddenberg von heute, der nach fünf Jahren Strukturreform der hessischen Steuerverwaltung folgende Bilanz zieht:

„Wir bringen Arbeit zu den Menschen und in die Heimat: Wir sorgen bereits 500-mal für weniger Stau und Umweltbelastung, aber für mehr Zeit und Zufriedenheit der Beschäftigten. …“

Das ist Taxonomie pur.

(Beifall AfD)

Das hätte ich eher von einem grünen Umweltminister als von einem Finanzminister der CDU erwartet.

Das vorrangige Ziel jeglicher Reform der Verwaltung sollten bürokratieärmere, kostengünstigere und kompetentere Strukturen für die gesamte Landesverwaltung sein, und zwar aus Sicht der Bürger, der Unternehmer und der Steuerzahler.

(Beifall AfD)

Warum diese Aufgabe generell besser aus über das Land verstreuten Einheiten, die im Titel der Aktuellen Stunde angedeutet werden, geleistet werden kann, dazu fehlen hier die Informationen. Wenn man sich die einzelnen Maßnahmen nämlich ansieht, wird deutlich, dass der Titel eher eine politische Bedeutung und Intention hat. In einigen Fällen, z. B. bei der Bearbeitung der Grunderwerbsteuer sowie bei der Prüfung von Größtbetrieben – ein neues Wort – und

Konzernen, kommt es sogar zur sinnvollen Konzentration der Arbeiten an wenigen ausgesuchten Standorten.