Protocol of the Session on March 30, 2022

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir befinden uns mitten in der Pandemie, und dann kommt vom Bund, vom Bundestag diese unsinnige, nicht anwendbare Regelung.

Das Infektionsschutzgesetz ist uneindeutig und nicht rechtssicher. Ich glaube, da sind wir uns einig, Herr Klose – bis zu diesem Punkt. Aber warum hat die Landesregierung im Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt?

(Holger Bellino (CDU): Das hat er doch erläutert!)

Warum haben die GRÜNEN – es sind schon eine Menge Personen mit grünen Parteibüchern genannt worden – nicht ihr Veto zu diesem Gesetz eingelegt? Warum wurde nicht der Vermittlungsausschuss angerufen? Wenn das alles so klar ist, dass dieses Gesetz so schrecklich, nicht anwendbar und nicht rechtssicher ist, dann müsste man doch hier eine klare Kante zeigen. Aber das haben Sie nicht gemacht.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Holger Bellino (CDU) – Unruhe)

Es müsste ein bisschen ruhiger werden. Bitte hören Sie Frau Böhm zu.

Ich meine, es wäre etwas weniger Weinerlichkeit und etwas mehr Engagement angebracht vonseiten der Regierungsfraktionen, die sich hier darüber beschwert haben.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn ich ein paar Beispiele nennen darf: die Regelung zur Maskenpflicht. Da sollen jetzt vulnerable Gruppen an bestimmten Orten geschützt werden: in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Ja, super. Dürfen die sich jetzt nicht mehr woanders aufhalten? Was heißt das für die vulnerablen Gruppen? Ist das ein neuerlicher Hausarrest für diese Personen, weil alle anderen sich nicht an diese tolle Empfehlung halten, eine Maske zu tragen?

Das ist Freiheit, die die Freien Demokraten meinen. Das ist Eigenverantwortung. Ja, super. Das bedeutet, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen und ältere Menschen gar nicht mehr vor die Tür, nicht mehr ins Geschäft gehen können, weil sie befürchten müssen, dass sie sich mit Corona infizieren.

Ich erwarte vonseiten dieser Landesregierung mehr Unterstützung für die Menschen mit Behinderungen, mit Beeinträchtigungen, mehr Unterstützung für ältere Menschen und auch mehr Unterstützung von Kindern, die davon auch schwer betroffen sind.

(Beifall DIE LINKE)

Ich weiß, Sie heulen gerade auf den Bänken der Landesregierung. Aber vielleicht können Sie leiser heulen. Denn

mit Heulen allein werden wir dieses Problem nicht lösen – weniger Weinerlichkeit, mehr Engagement.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe – Glockenzeichen)

Ein weiteres Beispiel ist die Hotspot-Regelung, die Krankenhäuser nicht überlasten soll. Wie ist das nachweisbar? Wird man nicht irgendwo ein Krankenhaus finden, das vielleicht noch ein Bett frei hat? Die Überlastung des Pflegepersonals ist schon lange erreicht. Sie ist schon mehr als erreicht. Logische Konsequenz wäre, dass in den Krankenhäusern Betten geschlossen werden, weil die Belastungsgrenze der Beschäftigten übererfüllt ist. Hier erwarte ich vonseiten der Landesregierung mehr Schutz für die Beschäftigten gerade in der Pflege.

(Beifall DIE LINKE)

Die Hotspot-Regelung ist eine ganz besonders perfide Sache. Die Frage ist: Wann ist eine „hohe Anzahl von Neuinfektionen“ überhaupt erreicht? Wann ist eine Virusvariante mit einer „signifikant höheren Pathogenität“ vorhanden?

(Stephan Grüger (SPD): Das kann man definieren!)

Wie will man das wissen? Wenn weniger getestet wird und wenn weniger sequenziert wird, dann ist überhaupt nicht bekannt, ob diese Tatsachen eintreffen.

(Stephan Grüger (SPD): RKI!)

Das ist weder handfest noch anwendungssicher – und so etwas beschließen SPD, GRÜNE und FDP im Bundestag.

Heute haben wir in Hessen 18.192 Fälle. Die Inzidenz liegt bei 1.542. Bei der Impfquote liegen wir in Hessen höchstens im Mittelfeld. Das ist wirklich eine bittere Bilanz.

Wie will die Landesregierung einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen verhindern? Wie will sie die Zahl schwerer Erkrankungen und Todesfälle minimieren? Wie will sie das Gesundheitswesen vor Überlastung schützen und die Langzeitfolgen vermeiden?

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Ja. – Es wäre einfacher. Die Landesregierung könnte auch, ohne auf das Infektionsschutzgesetz zurückzugreifen, handeln. Sie könnte FFP2-Masken massenhaft kostenfrei zur Verfügung stellen, flächendeckend Luftfilter in die Kitas und Schulen einbauen, die Kapazitäten bei PCR-Tests öffentlich ausbauen und die Impfkampagne niedrigschwellig weiterführen. Das wäre eine Sache, worum sich die Landesregierung tatsächlich ernsthaft kümmern müsste. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Böhm. – Es hat sich jetzt direkt der Herr Ministerpräsident gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Klose hat für die Landesregierung Stellung genommen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Aber Frau Abg. Böhm hat gerade gefragt: Warum habt ihr im Bundesrat zugestimmt? Warum habt ihr nicht den Vermittlungsausschuss angerufen? – Ich bin mir nicht sicher, ob Sie die Verfahren, die Geschäftsordnung und die Rechtslage kennen. Deshalb will ich, damit wir in der weiteren Debatte nicht darüber streiten müssen, einfach sagen, wie der Sachverhalt ist.

Es handelt sich um ein Einspruchsgesetz. Bei einem Einspruchsgesetz gibt es keine Zustimmung des Bundesrates. Das ist anders als bei Zustimmungsgesetzen. Dort wird abgefragt, wer zustimmt. Bei Einspruchsgesetzen geht es ausschließlich um die Frage, ob der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft.

(Christiane Böhm (DIE LINKE): Ja, das habe ich doch gesagt!)

Deshalb ist die erste Feststellung – ich wäre dankbar, wenn Sie es zukünftig berücksichtigten –: Die Landesregierung hat dem Gesetz zu keiner Zeit zugestimmt, wie übrigens keines der 16 Länder. Das sollten Sie in Zukunft berücksichtigen.

Zweite Bemerkung. Frau Kollegin, dieses Gesetz ist in zweiter Lesung vom Deutschen Bundestag am Freitagmorgen behandelt worden. Am Nachmittag gab es die Sondersitzung des Bundesrates. Am nächsten Tag wäre das Gesetz außer Kraft getreten. Wenn Sie jetzt auf die Idee kommen, ein Vermittlungsausschussverfahren anzustrengen, wäre es selbst unter größter Mühe nicht möglich. Der Vermittlungsausschuss besteht aus 16 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 16 Repräsentanten der Länder. Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses müssen in einer Sitzung des Deutschen Bundestages gewählt werden. Das ist alles an einem Tag nicht möglich.

Das würde bedeuten, würde man Ihrer Anregung folgen, dass ein Vermittlungsausschuss zusammentritt zu einem Vermittlungsverfahren zu einem Gesetz, das es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gibt. Das ist schlichtweg nur Unsinn. Deshalb wäre es gut, wenn wir zumindest bei dieser Frage über den Sachverhalt und die Rechtslage nicht auseinanderkommen.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Nächste Rednerin ist jetzt die Kollegin Dr. Sommer für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Allgemeine Schutzmaßnahmen in dem Bereich, wo vulnerable Personen betreut oder versorgt werden, also in medizinisch-pflegerischen Einrichtungen, können von der Regierung verordnet werden. Das machen Sie auch mit der neuen Verordnung. Das kann auch im ÖPNV so verordnet werden. Das machen Sie in Ihrer Verordnung leider nicht. Dabei wissen Sie, 99,9 % aller Infektionen finden in Innenräumen statt. Deswegen finden wir es sehr schade, dass das

nur eine Empfehlung in der Verordnung ist. Die greift nicht weit genug.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, daran sehen Sie auch schon, dass wir uns, so wie es Herr Minister Klose beschrieben hat, eigentlich andere Regelungen gewünscht hätten. Aber dass das Land nichts machen könnte, ist schlichtweg falsch. Da hilft ein Blick ins Gesetz.

(Beifall SPD)

Gemäß § 28a Abs. 8 können Sie „das Vorliegen der konkreten Gefahr“ feststellen. Dann greifen Tragen der Masken, Tests, Hygienekonzepte, Abstandsgebot.

(Stephan Grüger (SPD): So ist es!)

Nur, diesmal kann die Landesregierung nicht mehr so wie bislang am Parlament vorbei agieren, sondern muss uns einbinden.

(Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Grüger (SPD): Das ist ja das Problem!)

Schutzmaßnahmen, die über den Basisschutz hinausgehen, also nur noch mit Parlamentsvorbehalt erlassen werden können, sind ein großer Mehrwert. Dass das für Sie lästig ist, ist uns natürlich klar.

(Beifall SPD und Freie Demokraten – Stephan Grü- ger (SPD): Deshalb das Jammern hier! – Fortgesetzte Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe)

Frau Kollegin Dr. Sommer, warten Sie bitte einen Moment. – Es muss wirklich bedeutend ruhiger im Plenarsaal werden.

Es gibt folgende Szenarien einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage. Das sind „die Ausbreitung einer Virusvariante …, die eine signifikant höhere Pathogenität aufweist,“ oder „eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten“. Sie haben also die Möglichkeit, auf steigende Infektionszahlen und die Hospitalisierungsrate zu reagieren.

(Stephan Grüger (SPD): Das ist klar definiert!)