Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne diese besondere Sitzung des Hessischen Landtags anlässlich des 70. Jahrestages der Geburtsstunde unseres Bundeslandes Hessen. Ich begrüße Sie ganz herzlich und freue mich sehr, dass wir uns heute hier treffen können.
Es ist eine normale und doch nicht normale Landtagssitzung. Der Normalität geschuldet ist es aber mit Sicherheit, dass wir auch heute einem gratulieren, der Geburtstag hat. – Sie müssen es erleiden, Herr Minister. Lieber Herr Minister Prof. Dr. Lorz, herzlichen Glückwunsch zum heutigen Geburtstag.
Mein erster Gruß gilt Herrn Ministerpräsidenten Volker Bouffier und seiner Landesregierung. Lieber Herr Ministerpräsident, herzlich willkommen im Hessischen Landtag.
Ein kleiner Teil der Opposition hat dem zugestimmt. Es passiert ihm nicht jeden Tag, dass er so herzlich begrüßt wird. Das muss ich zugeben.
Ich begrüße auch die dritte Gewalt, den Präsidenten des Staatsgerichtshofes, Herrn Dr. Paul. Lieber Herr Dr. Paul, liebe Frau Dr. Sacksofsky, herzlich willkommen hier im Hohen Hause.
In guter Nachbarschaft zu der Landeshauptstadt darf ich Frau Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel herzlich begrüßen. Herzlich willkommen hier bei uns im Landtag.
Meine Damen und Herren, Hessen ist eine internationale Region Deutschlands. Ich begrüße herzlich die Doyenne des Konsularischen Korps in Hessen, Frau Generalkonsulin Alexandra Dordevic. Herzlich willkommen.
An einem Geburtstag feiern viele Gäste mit, zumal an einem Geburtstag eines Landes. Insbesondere diejenigen, die ihre Fußspuren hier hinterlassen haben, noch im alten Haus, aber auch schon im neuen Haus, sind wichtige Partner für uns, auch nach ihrer aktiven Zeit. Für alle ehemaligen Abgeordneten, die hier sind, darf ich Herrn Landtagspräsidenten und Staatsminister – das Kürzel „a. D.“ lassen wir weg – Karl Starzacher herzlich begrüßen.
Ich begrüße die ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Eichel und Roland Koch und alle ehemaligen Mitglieder von Landeskabinetten. Auch Ihnen einen wunderschönen guten Tag.
und ich begrüße unseren Datenschutzbeauftragten, Herrn Prof. Ronellenfitsch. Auch Ihnen beiden ein herzliches Willkommen.
Meine Damen und Herren, der vorpolitische Raum, das Umfeld um ein Parlament, ist für uns in Hessen von großer Wichtigkeit. Lassen Sie mich als Vertreter der Bundeswehr Herrn Brigadegeneral Klink herzlich begrüßen.
Den Vertretern und Repräsentanten der Kommunalen Spitzenverbände, der christlichen Kirchen und den Vertreter der Presse, die sozusagen Bestandteil dieses Hauses sind, allen ein herzliches Willkommen und danke, dass Sie uns hier besuchen.
Schließlich möchte ich ein ehemaliges Mitglied des Hauses und langjähriges Mitglied des Bundesverfassungsgerichts besonders begrüßen. Herr Prof. Jentsch, Ihnen ein herzliches Willkommen.
Meine Damen und Herren, das Innehalten und Reflektieren gründet auf Tradition und Erinnerung. Die Erinnerung erdet, wenn man feststellt, dass viele Dinge, Lebensumstände und Situationen nicht neu sind, sondern schon einmal da waren. Das schafft Rückhalt und Sicherheit sowie die Einsicht, dass Sachverhalte lösbar sind. Erinnerungen haben unterschiedliche Facetten. Sie besitzen aber die Grundbotschaft, dass man aus ihnen lernen kann. Das ist im historisch-politischen Zusammenhang ein wichtiges Angebot an alle Menschen, auch für uns in der Politik, welches wir in der alltäglichen Arbeit als Abgeordnete, also auf Zeit gewählte Vertreter des Volkes, vor Augen haben müssen.
Dem folgend, möchte ich einen kurzen Blick in die Parlamentsgeschichte dieses Hauses werfen. Mir schien das am besten zu gelingen mit einem Blick auf Aussagen meiner Vorgänger – es sind dies neun an der Zahl – bei deren ersten Reden als neu bzw. wiedergewählte Landtagspräsidenten dieses Hauses.
Das Erste war die Sitzung der ersten frei gewählten Volksvertretung in Hessen am 19. Dezember 1946. Ich will beginnen mit einer nicht präsidialen, aber wichtigen Ausnahme, weil der Alterspräsident zu Beginn einer Legislaturperiode immer das erste Wort hat. Der damalige Alterspräsident Herr Abg. Husch sagte im Dezember 1946 Folgendes:
Wir wissen, große Aufgaben harren unser. Wir haben eine große Verpflichtung zu erfüllen. Deshalb wollen wir heute zunächst geloben, alles zu tun, um ein Wiederaufstehen jener Kräfte und jener Geister zu verhindern, die uns alle in dieses Dunkel geführt haben. Kräfte, die dem Nationalismus und dem Militarismus dienen, haben keinen Platz in unserer … Gemeinschaft. Alle diejenigen aber, die guten Willens sind, gehören zu uns, gleichgültig, welche religiöse, politische oder sonstige Meinung von dem Einzelnen vertreten wird. Denn nur diese Voraussetzung eines guten Willens wird gefordert von jenen, denen die Weihnachtsbotschaft den Frieden verheißen hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, der erste Präsident des Hessischen Landtags 1946 war Otto Witte, ein Sozialdemokrat. Er machte die Hoffnung der beginnenden Demokratie vor dem Hintergrund der Schmach des brutalen Regimes der Nationalsozialisten und zugleich das Ziel eines neuen Deutschlands deutlich, wie es schon der deutsche Widerstand um die Mitglieder des Kreisauer Kreises formuliert hatte:
Wir wollen Gerechtigkeit, und wir wollen mit allen Völkern der Erde in Frieden und Freundschaft leben.
Wir müssen danach streben, den Weg frei zu machen für ein freies, einheitliches Deutschland, das wir brauchen, um der Not zu steuern, um unsere Wirtschaft zu beleben und die gesamten Verhältnisse in Deutschland so zu gestalten, dass für jeden Einzelnen das Leben wieder lebenswert wird.
Vier Jahre später, zu Beginn der 2. Wahlperiode des Hessischen Landtags, sagte der gleiche, wiedergewählte Landtagspräsident Otto Witte:
Sosehr wir alles Verständnis haben für die derzeitige schwierige Wirtschaftslage, mit allem, was sich daraus für den einzelnen Menschen ergibt, so wissen wir auch, dass wir, die wir berufen sind, hier in der gesetzgebenden Versammlung zu arbeiten, alles von einer höheren Warte aus betrachten müssen, geleitet vom sozialen Verständnis und getragen von dem festen Willen, das allgemeine Wohl zu fördern, demgegenüber das Wohl des Einzelnen zurücktreten muss.
Auch ich möchte dem Wunsche Ausdruck geben..., dass wir es recht bald erleben mögen, dass ganz Deutschland wieder zusammengeschlossen ist und dass wir dann in den großen Kreis der Völkerfamilie einbezogen werden können, um mit ihr zusammen in Frieden, Wohlfahrt und Freiheit zu leben.
Meine Damen und Herren, der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit und nach der Einheit des deutschen Volkes prägte auch die Geisteshaltung der Landespolitik in damaliger Zeit bereits sehr intensiv und letztendlich, wie wir wissen, erfolgreich. Schon zu Beginn der 3. Wahlperiode, 1954, erfährt man aus Äußerungen der Politiker, dass aus den anfänglichen Hoffnungen und vorsichtigen Wünschen konkrete Erfolge erwachsen sind. Heinrich Zinnkann, der 1954 Präsident des Landtags wurde, sagte:
Am Anfang war das Nichts, das unübersehbare Trümmermeer, das Chaos, waren Verzweiflung, Hunger, Not, Elend, dumpfe Resignation und graue Hoffnungslosigkeit. Wer von uns, der diese Ereignisse handelnd oder meinethalben auch als neben dem Wagen hergehender Zeitgenosse erlebt hat, hätte es für möglich gehalten, dass wir nach einem knappen Jahrzehnt wieder von einer blühenden Wirtschaft reden können, dass die in das geschändete Antlitz unserer Städte und Gemeinden mit Flammenschrift eingegrabenen Runen weitgehend geglättet sind und dass sich unsere Städte und Gemeinden wieder in neuem Glanz und in neuer Schönheit präsentieren?
Immer wieder wird der Wunsch nach einem wiedervereinigten Deutschland ausgesprochen. Heinrich Zinnkann hat
Wenn wir also in der Frage der Wiedervereinigung noch lange nicht über den Berg sind, so dürfen wir die Hoffnung doch nicht aufgeben, dass der Tag der Erfüllung einst kommen wird.
Zu Beginn der 5. Wahlperiode erlebten wir durch den Präsidenten Fuchs einen Blick auf die Weltpolitik, die uns im Landtag bereits damals – mittelbar – beschäftigte. Fuchs sagte damals:
Wenn sich auch die Unwetterwolken am außenpolitischen Himmel anscheinend etwas verzogen haben, sollten doch die vergangenen gefahrvollen Wochen uns allen, gleichgültig welchen Parteien wir angehören, stets vor Augen halten, dass ein Land Gefahren von außen und selbstverständlich auch von innen nur dann standhalten kann, wenn es gewillt ist, alles zur Sicherung seiner Freiheit zu tun.
Meine Damen und Herren, eine besondere historische Reminiszenz war die Rede von Präsident Georg Buch – damals zudem Oberbürgermeister unserer Landeshauptstadt – zu Beginn der 6. Wahlperiode 1966, die ich zitiere:
Unser heutiger Sitzungstag fällt auf einen Tag von ganz besonderer Bedeutung. Heute vor 20 Jahren fand die erste Landtagswahl statt,... Das Mittagessen, das den Mitgliedern der Versammlung gereicht werden konnte, war eine Erbsensuppe. Das war damals eine Kostbarkeit, und an solche Kostbarkeiten sollte man sich erinnern. Sie können heute noch kostbar sein.