Protocol of the Session on September 14, 2016

dann haben Sie jedes Recht verwirkt, in Ihren Antrag zu schreiben: zur Sicherung der Arbeitsplätze für die Menschen vor Ort.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das hat die CDU selbst gesagt!)

Wer Ihre Position vertritt, der betreibt sehenden Auges den Untergang dieses Unternehmens und den Verlust der Arbeitsplätze.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Nein, das tun Sie, Herr Ministerpräsident!)

Das gibt es mit uns nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Haben das nicht die GRÜNEN gefordert?)

Die amtierende Koalition hat ein besonderes Markenzeichen. Heute wurde sehr viel darüber gesprochen, dass man Arbeit und Umwelt nicht gegeneinander ausspielen darf. Bei aller Zurückhaltung: Die Debatte in den letzten zweieinhalb Stunden ist diesem Anspruch nicht immer gerecht geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Das stimmt!)

Diese Koalition nimmt für sich in Anspruch, dass ein wesentlicher Punkt, der uns gemeinsam trägt, die Auflösung dieses Widerspruchs ist. Es gibt Zielkonflikte. Die gibt es im Leben oft. Die spannende Frage ist: Wie geht man damit um? Die, die sagen: „Aus, es gibt nichts mehr“, handeln genauso unverantwortlich wie die, die erklären: „Wenn da nur einmal ein Vernünftiger käme, könnte man innerhalb von vier Wochen wieder voll produzieren.“ Wir hingegen unterziehen uns der Mühe, im Rahmen rechtsstaatlicher Gegebenheiten Umwelt und Arbeit, also Ökologie und Ökonomie, so zusammenzuführen, dass aus einem Gegensatz eine gelingende Zukunft wird. Genau das ist die Grundmelodie dieser Koalition. Genau so gehen wir vor – auch beim Thema K+S.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit auch das klar ist: Seit mehreren Jahren vergeht fast keine Woche, in der ich mich nicht mit K+S beschäftige. Es gibt keine einzige Maßnahme, die nicht mit K+S in offener und transparenter Form besprochen und in aller Regel – ich kann mich an keinen Sachverhalt erinnern, wo

K+S widersprochen hätte – gemeinsam mit dem Unternehmen auf den Weg gebracht wird. Ich kenne keinen einzigen Fall, dass diese Regierung etwas gemacht hat, was im Gegensatz zu dem stand, was wir mit dem Unternehmen erörtert hatten. Das wissen alle Beteiligten. Die Unternehmensführung ist permanent mit uns im Kontakt, auch mit mir persönlich. Vertreter der Gewerkschaften, von Herrn Vassiliadis bis zum Betriebsratsvorsitzenden, die Damen und Herren Bürgermeister sowie Mitglieder der kommunalen Vertretungen vor Ort waren regelmäßig bei mir. Alle wissen das; es gibt überhaupt keinen Grund, darüber nicht zu sprechen. Warum erwähnen Sie das nicht? Wir tun dies gemeinsam, und das unterscheidet uns. Deshalb kann ich nicht akzeptieren, wenn hier die Rechnung aufgemacht wird, auf der einen Seite seien wir Knechte der Kaliindustrie, auf der anderen Seite Vernichter von Arbeitsplätzen. Die SPD-Fraktion argumentiert irgendwo dazwischen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau wie Sie! – Heiterkeit bei der SPD)

Ich halte hier fest: Seit mittlerweile 25 Jahren bin ich in unterschiedlichster Weise mit diesem Thema befasst.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich weiß, Sie kennen alles!)

Ich habe Ihnen zugehört. Es würde die Debatte erleichtern, wenn auch Sie erst einmal zuhörten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Zweitens. Gelegentlich hat man den Eindruck, man sei hier im falschen Film. Die SPD-Fraktion erklärt, früher habe man an der Stelle geschlampt. Die Partei, mit der ich die vorherige Regierung gut geführt habe, mit der ich genau diese Fragen gemeinsam und so wie heute erörtert habe, erklärt uns plötzlich, der Regierungschef sei sozusagen grün benebelt. Ich erlebe, dass Kollegin Hinz von Niedersachsen beschimpft wird, vorzugsweise von dem grünen Bundestagsabgeordneten Trittin, weil sie sich z. B. für eine Leitung an die Oberweser einsetzt, weil sie sich in der Flussgebietsgemeinschaft für diese Lösung eingesetzt hat, für die außer uns eigentlich keiner war. Dafür wird sie von ihren eigenen Leuten angemacht. Ich erlebe, dass sie hier vorgehalten bekommt, sie sei nicht sensibel, sie mache mit ihrer Blockadehaltung, ideologisch verbohrt, wichtige Interessen des Standortes und des Unternehmens kaputt. Meine Damen und Herren, das ist doch ein Stück aus dem Tollhaus. Die Ministerin verdient unsere volle Unterstützung. Das, was sie gemacht hat, war hervorragend. So weit waren wir noch nie.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit auch das einmal geklärt ist – es sind ja noch einige hier, die sich an die Einrichtung des runden Tischs erinnern –: Zur Zeit der CDU/FDP-Regierung wurde einvernehmlich ein runder Tisch eingerichtet. Was war die zentrale Forderung des runden Tischs? Die Entsorgung der Abwässer durch eine Pipeline an die Nordsee. So lautete der zentrale gemeinsame Beschluss.

Genau an diesem Punkt haben alle Landesregierungen gearbeitet – egal, wie sie ausgesehen haben. Der Wahrheit die Ehre: Nicht eine einzige andere Landesregierung hat uns dabei unterstützt, und zwar völlig egal, wer regiert hat.

Nordrhein-Westfalen hat uns nicht unterstützt. Am allerschlimmsten war Niedersachsen unter der Führung von CDU und FDP. Sie haben uns nicht einmal zum Gespräch empfangen. Noch schlimmer waren Rot und Grün, die jetzt in dieser Situation, in der wir darum ringen, Kurzarbeit zu vermeiden, doch helfen könnten. Sie könnten helfen, denn in Niedersachsen sind Kavernen, die man sofort belegen könnte. Das würde nämlich dazu führen, dass das Unternehmen produzieren kann. Das würde dazu führen, dass wir Kurzarbeit vermeiden können. Das würde dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Familien keine Kürzung ihres Einkommens hinnehmen müssen.

Was passiert? – Es gibt Wahlplakate: Wir sind doch nicht bereit, den hessischen Dreck aufzunehmen. – Dann kommt hintenrum noch: Wir haben Kommunalwahl, da könnt ihr von uns doch so etwas nicht erwarten. – Jetzt könnte ich es mir einfach machen und sagen, dass das alles Rot-Grün war. Schwarz-Gelb war keinen Deut besser. Was mich am allermeisten ärgert, ist, dass das alles Empfänger hessischer Steuertranchen sind, denen wir im Länderfinanzausgleich Milliarden zuschieben. Wenn sie uns einmal helfen sollen, dann zeigen sie uns die kalte Schulter.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sind viele Pharisäer unterwegs. Wir waren schon einmal weiter. Vor etwa eineinhalb Jahren haben wir noch gemeinsam dafür gekämpft, dass dieses Unternehmen nicht übernommen wurde. Ich hatte sie alle dazu eingeladen. Wir waren fast täglich im Kontakt. Auch da ist doch die Wahrheit: Außer Hessen war doch kein Land bereit, sich zu engagieren. Das ist unabhängig davon, ob das jetzt klug oder nicht klug gewesen wäre.

Spätestens seit diesem Zeitpunkt wissen alle in diesem Unternehmen – ich sage das noch einmal –, Betriebsrat, Aufsichtsrat, Gewerkschaftsführung, nationale Gewerkschaftsführung und alle Bürgermeister, was wir tun. Ich habe bis heute keinen einzigen Vorschlag gehört, was wir eigentlich anders machen sollen. Was sollen wir denn eigentlich anderes tun? Wenn mir jetzt einer einen Vorschlag machen kann nach dem Motto: „Bitte mach Folgendes“, dann bin ich gern bereit, darüber zu diskutieren.

Der Vier-Phasen-Plan ist gemeinsam mit dem Unternehmen entwickelt worden. Die Modifikationen hat die Ministerin gerade auf die Fragen von Ihnen erklärt. Wir sind häufig in der Situation, dass das Land Hessen, das als Genehmigungsbehörde auf Recht und Gesetz achten muss, gemeinsam mit dem Unternehmen gegen andere Länder oder andere Interessen steht. Wir marschieren also im Rahmen dessen, was das Recht erlaubt, gemeinsam. Wir wollen Arbeit und Umwelt nicht gegeneinander ausspielen.

Was erlebe ich denn? – Ich war dort oben und habe zu den Bergleuten gesprochen. Anschließend lese ich in der Zeitung: „Bouffier verrät die Bergleute“. Das kam von der SPD. Dann bin ich im Kreis Kassel und lese: „Die Regierung Bouffier ruiniert die Umwelt“. Die Kasseler SPD und alle, die da oben sind, können sich gar nicht einkriegen.

(Nancy Faeser (SPD): Die Kassler CDU meinen Sie!)

Sie werfen uns permanent vor, dass wir ohne Rücksicht auf Verluste ihre ganze Landschaft verseuchen. Das ist die gleiche SPD. Oben so und ein paar Meter weiter so.

(Nancy Faeser (SPD): Die gleiche CDU!)

Die CDU, Frau Kollegin Generalsekretärin, ist nicht glücklich im Landkreis Kassel. Ich bin als Landesvorsitzender auch nicht glücklich. Der Unterschied ist nur folgender, um einmal ganz offen darüber zu reden: Ich bin traurig darüber, dass wir zur Kommunalwahl erlebt haben, dass z. B. in Gemeindeverbänden CDU-Leute nicht mehr angetreten sind, weil sie mir vorgeworfen haben, ich ruiniere hier ihre Zukunft.

(Nancy Faeser (SPD): Aha!)

Da sind auch einige hier, die im Kreistag große Reden halten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Ja! – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Langsam. – Ich habe ihnen gesagt: Passt auf, ich kann euch verstehen. Aber wer hier herumläuft und im Landkreis Kassel eine wirklich abenteuerliche Nummer ablässt und behauptet, dass jetzt sozusagen eine riesige Fläche vergiftet wird, der erzählt nicht nur Falsches, sondern er versündigt sich auch an den Menschen, weil dort Angst geschürt wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen deshalb dazu, auch wenn es manchmal wehtut. Was ich aber nicht akzeptieren kann, ist, dass der eine SPD-Abgeordnete in einer Zeitung schreibt, ich mache die Arbeitsplätze kaputt, und die andere SPD-Abgeordnete schreibt, ich vernichte ihr Grundwasser. Was gilt denn nun eigentlich, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der CDU)

Das ist doch eine verlogene Politik. Dann kommen Sie mir ja nicht mit dem Hinweis, die Landesregierung sei schuld. Ich kenne keinen einzigen anderen Vorschlag als eine große Pipeline. Dann haben wir gesagt: Wenn wir die große nicht hinkriegen, dann versuchen wir es eben mit der Oberweserpipeline. Das können wir doch selbst erledigen. – Wer klagt denn dagegen? Das sind doch nicht CDU-Leute. Es sind Ihre Parteifreunde, das ist Ihre Verantwortung vor Ort. Deshalb mache ich es mir nicht so einfach und erkläre, dass die SPD gegen die Arbeitsplätze ist. Aber wer sich hierhin stellt und erklärt, Arbeit und Umwelt dürfe man nicht gegeneinander ausspielen – ich bin sehr dafür –, von dem erwarte ich, dass er an der Oberweser genau so redet wie oben im Kalibergbaugebiet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweite Bemerkung: Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, wissen wir doch, dass diese Zielkonfliktlösung extrem schwierig ist, und das nicht erst seit gestern. Wir kennen doch alle diese fabelhaften Reden. Sie können jeden Saal zum Kochen bringen, wenn Sie einmal vorlesen, wie viele Vorschriften es in Deutschland für eine Radwegerstellung gibt oder vielleicht für so etwas Verrücktes wie eine Straße oder für noch etwas Abwegigeres wie eine Brücke über einen Fluss. Dann kommt einer und liest einmal vor, was in irgendeinem anderen Land dafür gilt. Der ganze Saal steht Kopf und erklärt, diese Bürokratie sei völlig verrückt. Auf dieser Ebene haben wir jetzt die FDP.

Ich habe Ihren Brief bekommen. Das ist Ganz nebenbei auch so eine Unart. Solche Briefe werden immer erst der

Presse übergeben, und ich bekomme sie dann zwei Tage später. Das Ganze riecht ja, und man weiß es auch. Sie schreiben da allen Ernstes hinein – ich kann Ihnen das nicht ersparen –: „Wir fordern Sie als Ministerpräsident des Landes Hessen dringend auf, endlich zu handeln, …“

Das zum Thema „endlich“. Das finde ich verrückt. Sie waren doch selbst in dieser Regierung dabei, und Sie wissen ganz genau, was wir alles gemacht haben.

(Florian Rentsch (FDP): Deswegen sage ich es ja!)

Jetzt kommt es: „ … damit binnen vier Wochen die Produktion wieder voll anlaufem kann.“

Sie haben eben in Ihrem letzten Beitrag versucht, Ihre Selbstversenkung in dieser Debatte zu retten, indem Sie gesagt haben: Das ist ja gut, in so einer Debatte lernt man auch etwas. – Und Sie haben sich dann an irgendeiner grünen Broschüre von vor drei Jahren festgeklammert.

(Florian Rentsch (FDP): Am Wahlprogramm, Herr Ministerpräsident! Ich weiß, das spielt keine Rolle!)

Gut, am Wahlprogramm, lieber Kollege Rentsch. Sie wollen es nicht anders haben. Nur zum Mitschreiben, damit es jeder weiß: Angetreten sind Sie mit dem Vorwurf, dieser Ministerpräsident lasse sich von den linken Spinnern daran hindern, etwas zu tun. Ich könnte Ihre Pressemeldung vorlesen. Das war Ihr Vorwurf. Dann haben Sie das öffentlich verkündet. Heute sind Sie zu drei Vierteln Ihrer Rede durch die Debatte geritten und haben von einer ideologischen Blockade gesprochen. Als Sie dann gemerkt haben, dass Punkt für Punkt all das, was Sie vorgetragen haben, zusammengefallen ist, sind Sie zum Schluss noch einmal hierhergekommen und haben gesagt: Darum geht es mir gar nicht, sondern ich möchte mich mit dem Wahlprogramm der GRÜNEN beschäftigen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))