Protocol of the Session on September 14, 2016

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Hier entsteht mittlerweile offenbar eine Mentalität, wonach Investitionen vor allem dafür da sind, den Haushaltsabschluss besonders positiv darzustellen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist aber nicht sparsames Wirtschaften, sondern eine gefährliche Knauserei.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Da nützt es auch nichts, wenn sich das Land für ein Kommunalinvestitionsprogramm feiern lässt; denn wir wissen alle ganz genau, dass die Ausgaben dieses Programms noch nicht einmal ausreichen würden, um in den Städten

Frankfurt und Wiesbaden die notwendigen Investitionen in die Schulen zu decken.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir wissen aber leider nicht, wie hoch der Investitionsbedarf in Hessen insgesamt ist. Trotz doppischen Haushalts wissen wir schlicht nicht, wie hoch der Investitionsbedarf ist, und wir haben auch keine annähernde Schätzung. Klar ist nur, die Investitionen der vergangenen Jahre haben nicht ausgereicht, um auch nur die Substanz öffentlicher Infrastruktur im Land und in den Kommunen zu erhalten. Wenn jetzt auch noch die Investitionsquote weiter sinkt, dann ist das nicht nur eine Frage politischer Präferenzen, sondern es stellt sich auch die Frage, wie lange das noch gut gehen kann.

Nicht alles ist rosarot – so das Finanzministerium –, damit haben Sie recht. Vor allem ist es für die Beamtinnen und Beamten des Landes nicht rosarot; diese werden nämlich – Schwarz-Grün sei Dank – von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt. Da nützt es auch wenig, wenn Hessen jetzt endlich damit beginnt, die Arbeitszeiten seiner Beamtinnen und Beamten wieder an den bundesdeutschen Standard anzunähern. Von Gleichstellung wird so schnell keine Rede sein können.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

Ganz im Gegenteil rühmt sich das Finanzministerium auch noch dafür, dass die strukturelle und vorsätzliche Schlechterstellung der Beamtinnen und Beamten in Hessen eine dauerhafte Entlastung des Landeshaushalts von 240 Millionen € bedeutet.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Die haben sie denen weggenommen!)

Jedes Jahr enthält das Land Hessen seinen Beamtinnen und Beamten also rund 250 Millionen € vor. Da braucht man sich nicht wundern, wenn es in Hessen immer schwieriger wird, gutes Personal in den öffentlichen Dienst dauerhaft einzugliedern.

Wir reden hier nicht nur darüber, dass die Menschen es sich nicht mehr leisten können, ein Haus zu bauen und zweimal im Jahr in den Urlaub zu fahren; wir reden hier über Fachbereiche, in denen es faktisch nicht mehr möglich ist, von den Bezügen zu leben – etwa im Forstbereich, in dem das Personal zusehends überaltert. Da finden Sie im Rhein-Main-Gebiet niemanden mehr, schlicht weil sich die Leute keine Wohnungen mehr leisten können. Von Urlaubnehmen und von Familiengründung kann dann auch gar keine Rede sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Gleichzeitig feiert sich diese Landesregierung dafür, zusätzliche Stellen in verschiedenen Bereichen zu schaffen. Das Problem dabei ist nur, dass die Kosten dafür bei 135 Millionen € liegen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das haben sie selbst finanziert!)

Wenn also so getan wird, als sei der Verzicht auf die Besoldungsanpassung die Bedingung für die zusätzlichen Stellen, muss ich feststellen, dass die Landesregierung die Beschäftigten bei diesem Geschäft um 105 Millionen € prellt.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das Geld, das Sie den Beschäftigten vorenthalten, geht eben nicht vollständig in zusätzliche neue Stellen, etwa um die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten endlich zu normalisieren. Das Geld wird auch nicht dazu verwendet, um die Personalausstattung bei der Polizei oder im Bildungsbereich zu verbessern. Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten wird nicht angehoben, weil die Landesregierung nicht willens und nicht in der Lage ist, ihrer Einnahmeverantwortung nachzukommen.

Wir wussten schon länger, dass die CDU eine Vermögensteuer ablehnt. Auch bei den hessischen GRÜNEN kann man sich getrost darauf verlassen, dass sie in Zukunft alles mittragen werden, was eine wirksame Umverteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft verhindert.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ach Willi, komm! So ein Quatsch! Willi, lass die Tassen im Schrank! – Clemens Reif (CDU): Blödsinn! – Glockenzeichen der Präsidentin)

Du bist dir da treu, lieber Frank, ich weiß das. – Richtig heikel wird es aber im aktuellen Landeshaushalt, wenn man für eine wesentliche Steuerart schlicht keine Rechtsgrundlage hat. Nicht weniger als 536 Millionen € Aufkommen aus der Erbschaftsteuer hat der hessische Finanzminister in diesem Haushalt eingeplant. Allein, das im Moment angewendete Erbschaftsteuergesetz ist verfassungswidrig, und – mit Verlaub – das Gesetz, das der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD beschließen wollte, ist es mit aller Wahrscheinlichkeit auch.

Fakt ist aber, dass es Bund und Länder versäumt haben, eine verfassungskonforme Erbschaft- und Schenkungsteuer auf den Weg zu bringen. Seit dem 30. Juni ist die Rechtsgrundlage – so das Urteil der Verfassungsrichter – nicht mehr anwendbar. Man darf gespannt sein, ob sich das die Karlsruher Richter noch lange ansehen werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, das stimmt!)

Ich jedenfalls hoffe, dass die geplanten Steuergeschenke für Milliardärskinder ausbleiben, die auch von fast allen SPD-Bundestagsabgeordneten – leider waren nur fünf SPD-Abgeordnete dagegen – mitgetragen wurden. Das ermöglicht im Grunde genommen eine Besteuerung von Vermögen und eben auch von Betriebsvermögen.

(Norbert Schmitt (SPD): Wenn man erpresst wird, dann ist es halt so! – Janine Wissler (DIE LINKE): Die arme SPD wird immer erpresst!)

Wie gesagt: Es kann doch nicht angehen, dass die QuandtErben mit Steuerzahlungen davonkommen, die sie aus der Dividende für ein einziges Jahr bestreiten können. Wer hier eine verfassungsgemäße Erbschaftsteuer mit dem Kampfbegriff der „Familienunternehmen“ verhindert, der verschleiert bewusst, dass wir in Deutschland Dynastien von Superreichen haben. Damit werden auch nicht die kleinen Familienbetriebe geschützt, sondern Superreiche von angemessener Besteuerung verschont.

(Beifall bei der LINKEN)

Nichtsdestotrotz steht diese Steuer nun mit dem genannten Betrag von 536 Millionen € im Haushaltsentwurf. Herr Dr. Schäfer, ich gehe doch davon aus, dass Sie eine Vorstellung davon haben, auf welcher Rechtsgrundlage dieser Betrag zustande kommt. Ich verlange, dass Sie hier einmal er

läutern, wie sich die Hessische Landesregierung eigentlich die Weiterentwicklung der Erbschaftsteuer vorstellt.

Dazu kommen noch weitere Fragen, die auf Bundesebene zu stellen sind. So etwa wundert man sich zunehmend, wie es sein kann, dass sich die Bundesländer beim Länderfinanzausgleich nun mittlerweile einig wurden, während Bundesfinanzminister Schäuble offenbar weiter mauert. Gleichzeitig erklärt der Bundesfinanzminister schon einmal, dass er nach 2017 Steuergeschenke für Reiche in zweistelliger Milliardenhöhe verteilen will.

(Norbert Schmitt (SPD): Da hat der Minister heute widersprochen!)

Ich würde doch erwarten, dass die Hessische Landesregierung einmal erklärt, dass dieses Geld nicht für Steuergeschenke zur Verfügung stehen darf, sondern dringend in den Ländern zur Deckung des Investitionsbedarfs gebraucht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Gebraucht werden natürlich auch Einnahmen – das sieht selbst diese Koalition der Schuldenbremse mittlerweile ein – für zusätzliches Personal. Wir haben gestern in der Debatte zur Regierungserklärung schon viel dazu gehört, wofür sich diese Landesregierung feiert und warum es richtig ist, zusätzliche Lehrerstellen zu schaffen. Ich nehme das zunächst einmal zur Kenntnis; denn substanzielle Verbesserungen im Schulbereich wird es wohl auch im nächsten Jahr nicht geben. Gerade im Schulbereich haben wir in den letzten Jahren immer wieder gefordert, deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Immer wurde diese Forderung abgelehnt, weil durch sinkende Schülerzahlen eine demografische Rendite entstehen würde – weil sich also bei gleichbleibenden Stellenzahlen für Lehrerinnen und Lehrer das Betreuungsverhältnis verbessern würde. Nur ist es eben so, dass die Schülerzahlen weiter steigen. Die versprochene und schon mehrfach verteilte demografische Rendite gibt es nicht und hat es nie gegeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie ist der plumpe Versuch, auf Kosten junger Menschen an der Bildung zu sparen.

Auch bei der Polizei soll es nun zusätzliche Stellen geben. Allein, die Frage, ob das ausreichen wird, die offenbar strukturell anfallenden Überstunden dauerhaft abzubauen, bleibt abzuwarten. Auch das wird, wenn überhaupt, also höchstens ein kleiner Schritt sein, um die Arbeitssituation der hessischen Polizei wieder auf ein Normalmaß zu führen.

Insgesamt nehmen wir zur Kenntnis, dass mit mehr Personal geplant wird. Immerhin gesteht die Landesregierung damit ein, dass es einen erheblichen Personalmehrbedarf gibt. Dass aber gleichzeitig die im Koalitionsvertrag vereinbarten Stellenabbauprogramme weiter verfolgt werden, ist schlicht ein Schildbürgerstreich.

Auf der einen Seite zusätzliche Stellen zu schaffen und auf der anderen von Stellenabbau zu reden, ist ein schlechter Witz. Uns allen ist klar, dass es nächstes Jahr mehr Personal im Landesdienst geben muss – hier von einem Stellenabbauprogramm zu reden, ist schlicht Unsinn. Dabei gäbe es ja durchaus Stellen, die man, so sagen wir, sinnvoller einsetzen könnte. Statt aber nur Stellen zu schaffen, die sinnvolle Aufgaben erledigen, macht sich die Landesregie

rung auch in diesem Jahr wieder daran, zusätzlich Zitronenfalter einzustellen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Natürlich falten die keine Zitronen, aber die Verfassung schützen sie sicher auch nicht. Die Rede ist von den hessischen Geheimdienstlern, die bisher jeglichen Nachweis schuldig geblieben sind, dass ihre Arbeit dem Lande nützt. Dennoch will die Landesregierung hier zusätzliche Stellen schaffen. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe schon immer gesagt: Alles Geld, das zusätzlich in den Ausbau von Repression und Überwachungsstaat gesteckt wird, signalisiert mir, was ich schon als Kriegsdienstverweigerer immer gesagt habe: zu viele Panzer – zu wenig Hirn.

Auch an anderer Stelle wundere ich mich sehr, wofür die schwarz-grüne Landesregierung Geld ausgibt. Wenn es auch in der Sommerpause am Flughafen Kassel-Calden ruhig geblieben ist, und das ist wörtlich zu verstehen, muss man darüber reden. Die schwarz-grüne Landesregierung hat eigentlich vereinbart, dass der Flughafen sein Ergebnis jedes Jahr um 10 % verbessert. Nun sollte man meinen, dass sich das auch im Landeshaushalt bemerkbar macht. Tatsächlich plant der Finanzminister aber nicht weniger Geld für Kassel-Calden ein, sondern sogar noch ein bisschen mehr. Sie planen dort für das Jahr 2017 im Vergleich zum abgelaufenen Jahr 2015 271.000 € mehr ein. Sie rechnen also überhaupt nicht damit, dass sich der Flughafen im nächsten Jahr positiv entwickeln wird. Weil das so ist, sollten Sie auch so ehrlich sein und endlich die Reißleine ziehen. Stufen Sie den Flughafen ab, und geben Sie ihm eine realistische Perspektive als öffentliche Infrastruktur.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade von den GRÜNEN würde man hier ja etwas mehr Druck erwarten, aber offensichtlich haben sie sich schon damit abgefunden, dass sie beim Thema Calden an ihren Koalitionspartner gefesselt sind. Ich kann Ihnen nur raten: Halten Sie hier nicht still; gerade auch in den Haushaltsberatungen muss hierzu mehr herauskommen als ein dünner Hinweis im Haushaltsplan, in dem es heißt:

Die Flughafen GmbH Kassel-Calden hat den Auftrag erhalten, das Geschäftsmodell dahin gehend anzupassen, dass der von der Landesregierung vorgesehene Abbaupfad im Hinblick auf die Gesamtbelastung eingehalten wird.