Protocol of the Session on June 22, 2016

Frau Kollegin Feldmayer, deshalb ist das mit der Mottenkiste wie folgt. Wir als SPD-Fraktion im Lande Hessen haben uns immer dafür eingesetzt – wir haben das damals nicht als „Griff in die Mottenkiste“ apostrophiert –, dass es einen neuen Förderweg gibt, um die Bezieher mittlerer Einkommen zu fördern. Das war ein tiefer Griff in die Mottenkiste, denn das war nichts anderes als der alte zweite Förderweg im sozialen Wohnungsbau. Ich bin dankbar dafür, dass die Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich getraut hat, den Griff in die Mottenkiste zu tun, um den Förderweg für mittlere Einkommen wieder aufleben zu lassen, weil es notwendig ist, dass auch diese Personengruppe eine Chance hat, eine geförderte und damit günstigere Wohnung zu bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Dritte Bemerkung. Uns wird vorgeworfen, wir forderten immer mehr und zu viel. Ich verrate Ihnen jetzt einmal ein Geheimnis aus der SPD-Fraktion.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Mit wem – meinen Sie – diskutiere ich in der SPD-Fraktion am meisten, am kontroversesten und am intensivsten über den Bereich Wohnungsbau?

(Michael Boddenberg (CDU): Streit in der SPDFraktion?)

Mit unserem finanzpolitischen Sprecher.

(Heiterkeit bei der SPD)

Er bestätigt das. – Das ist deshalb so, weil wir zu dem Thema solide und finanzierbare Vorschläge machen, die durchfinanziert sind. Das war in allen Haushaltsberatungen der letzten Zeit der Fall. Deshalb kann ich dem Vorwurf, wir machten unsolide Vorschläge, nicht folgen.

Zu den Themen Eigenheimzulage und Senkung der Grunderwerbsteuer. Bitte lesen Sie doch wenigstens unsere Anträge; ich fordere ja gar nicht, dass Sie sie auch verstehen. Ich verstehe den Vorwurf, unser Antrag sei ein Griff in die Mottenkiste, vor dem Hintergrund nicht, dass wir bitten, eine Diskussion darüber zu führen, unter welchen Bedingungen und für welche Zielgruppen wir das machen wollen. Frau Hinz, Sie haben recht, zu fragen: Was wurden damals für Fehler gemacht? Wieso ist es zu Mitnahmeeffekten gekommen? Ich hoffe doch, dass alle Minister auf der Bank hinter mir bei allen Förderprogrammen versuchen, Mitnahmeeffekte zu verhindern. Unsere Anregung ist, dass wir uns die Förderung durch die Eigenheimzulage noch einmal genau anschauen. Zum jetzigen Zeitpunkt halten wir es nämlich für zielführend, darüber nachzudenken, wie wir zukünftig fördern.

(Zuruf der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das KIP ist übrigens kein reines Landesprogramm, sondern eine Kofinanzierung anderenorts herkommender Geldmittel durch das Land.

(Widerspruch der Ministerin Priska Hinz)

Wir reden nachher weiter darüber.

Herr Kollege Siebel, achten Sie bitte allmählich auf die Redezeit.

An Herrn Caspar gerichtet, zum Mietspiegel: Herr Caspar, da haben Sie vielleicht etwas nicht verstanden. Der Zweck eines Mietspiegels ist, den Mietpreis zu dämpfen, nicht, den Mietpreis anzutreiben.

(Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

In allen Kommunen, in denen es einen Mietspiegel gibt, hat er diesen Zweck. Insofern kann ich zu dem Gesetzentwurf von Heiko Maas nur sagen – das ist ein alter Spruch von Peter Struck –: Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag so, wie er ihn erreicht hat.

Insofern bin ich sehr erfreut und gespannt auf die Diskussion,

Kollege Siebel, auch ich bin sehr erfreut, aber was die Redezeit angeht, müssten Sie allmählich zum Ende kommen.

die wir im Ausschuss führen werden. Weiterhin alles Gute.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Es ist vorgeschlagen, die Anträge unter den Tagesordnungspunkten 32 und 70 an den Fachausschuss zu überweisen. – Einvernehmlich so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 43 auf:

Bericht des Untersuchungsausschusses 19/1 und Abweichender Bericht der Mitglieder der Fraktionen der SPD und DIE LINKE zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses 19/1 und Abweichender Bericht der Mitglieder der Fraktion der FDP zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses 19/1 – Drucks. 19/3429 zu Drucks. 19/193 –

Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Kollege Frank-Peter Kaufmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lege Ihnen heute mit der schon erwähnten Drucks. 19/3429, die insgesamt vier Teile umfasst, den Bericht des Untersuchungsausschusses 19/1, wie er von der Ausschussmehrheit am 20. April 2016 beschlossen wurde, einschließlich zweier abweichender Berichte, einerseits der Mitglieder der Fraktionen der SPD und DIE LINKE, andererseits des Mitglieds der Fraktion der FDP, vor.

Mit dieser Vorlage und der anschließenden Debatte im Plenum endet üblicherweise die Arbeit eines Untersuchungsausschusses. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Mitgliedern des Ausschusses sowie allen, die uns in der Kanzlei und in den Fraktionen zugearbeitet haben, einen herzlichen Dank für ihr Engagement zu sagen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir haben – dies gilt es hervorzuheben, weil das keineswegs selbstverständlich ist – in weitestgehend einvernehmlichen Verfahren unsere Aufgaben erledigt und konnten uns stets über den Fortgang der Untersuchung verständigen. Dass dies möglich war, bedurfte konstruktiver Beiträge aller Beteiligten, wobei uns die besonnene und ausgleichende Sitzungsleitung des Vorsitzenden dabei sehr unterstützt hat. Ich möchte nicht vergessen, auch hierfür Danke zu sagen.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, mein Auftrag besteht darin, Ihnen den beschlossenen Bericht des Ausschusses nahezubringen. Die abweichenden Berichte verantworten die jeweiligen Fraktionen selbst. Auf diese Berichte werde ich als Berichterstatter nicht weiter eingehen.

Allein der Bericht des Ausschusses umfasst schon 333 Druckseiten. Es ist daher völlig klar, dass ich ihn hier nicht in Gänze vortragen kann, sondern mich auf wenige Punkte beschränken muss.

Nicht nur weil in dem Bericht viel Arbeit steckt, sondern auch weil etliches durchaus spannend zu lesen ist, empfehle ich ihn ihnen als Lektüre. Sie können z. B. einen Krimi weniger in den Urlaub mitnehmen und stattdessen die Drucks. 19/3429 einpacken. Nehmen Sie es, wenn Sie so wollen, als meinen Literaturtipp für den Sommer.

(Timon Gremmels (SPD): Das ist eher eine Schmonzette geworden!)

Meine Damen und Herren, der Ablauf des Ausschusses in Stichworten: Der Untersuchungsausschuss wurde am 13. März 2014 eingesetzt und hat sich am 2. April 2014 konstituiert.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Namen der Mitglieder und der Funktionsträger entnehmen Sie bitte der Drucksache. Es gab insgesamt 19 Sitzungen; 8 davon enthielten öffentliche Teile. Wir haben insgesamt 55 Aktenordner mit Material bearbeitet. Alles in allem wurden 20 Zeuginnen und Zeugen vernommen. Ein besonderer Termin war sicherlich die letzte Zeugenbefragung im Bundeskanzleramt in Berlin am 6. November 2015. Am 16. Dezember 2015 schlossen wir die Beweisaufnahme einvernehmlich ab, und am 11. März 2016 – exakt am 5. Jahrestag der Fukushima-Katastrophe – konnte ich als Berichterstatter des Untersuchungsausschusses den Obleuten den Entwurf für den Bericht vorlegen.

Ich erlaube mir, an dieser Stelle eine Anmerkung zu meiner Rolle als Berichterstatter zu machen, nicht zuletzt, weil ich für einige Aussagen in dem Bericht durchaus heftig kritisiert wurde. Nichts gegen Kritik, aber ich bitte, nicht – wie sprichwörtlich geläufig – den Boten wegen schlechter Nachrichten zu steinigen. Der Berichterstatter kann nicht mehr berichten als das, was durch die Untersuchung an Fakten und Zusammenhängen herausgekommen ist. Vermutungen, Spekulationen und Verdachtsmomente dürfen von jedem geäußert werden, nur nicht vom Berichterstatter in seinem Bericht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dieser muss sich ausschließlich an das halten, was ermittelt wurde.

Natürlich sind auch in diesem Untersuchungsausschuss Fragen offengeblieben, manches war nicht einwandfrei zu klären, und Verdachtsmomente konnten nicht vollständig ausgeräumt werden. Doch dies ist ein Problem der Ausschussarbeit insgesamt. Keine Frage wurde abgewürgt, alles konnte hinterfragt werden, insbesondere wenn keineswegs alle Antworten schlüssig waren. Wenn von keiner Seite mehr nachgefragt wurde, war die Wahrheitsfindung an diesem Punkt zu Ende. Dann kann auch in dem Bericht nicht mehr darüber stehen.

Meine Damen und Herren, leider wurde mein ausdrückliches Angebot an alle Fraktionen, im Vorfeld der Ausschussberatung, also zwischen dem 11. März und dem 20. April, durch Vorschläge oder Hinweise an der Abfassung des Berichts mitzuwirken, von der Opposition nicht angenommen. Trotz abweichender Berichte scheinen mir die auf die ermittelten Ergebnisse des Untersuchungsausschusses gestützten Aussagen keine unüberbrückbaren Widersprüche aufzuweisen. Aber genau darüber diskutieren wir jetzt.

Der Untersuchungsauftrag des Ausschusses lautete:

Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag, umfassend aufzuklären, wer für die rechtswidrigen Anordnungen zur vorläufigen Stilllegung der beiden Atomkraftwerksblöcke in Biblis verantwortlich ist und welche Umstände zur rechtswidrigen Stilllegungsverfügung vom 18. März 2011 geführt haben. Es ist ebenfalls aufzuklären, ob die Landesregierung das Parlament und die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß und vollständig über diese Vorgänge informiert hat.

Die neun Unterpunkte des Einsetzungsbeschlusses finden Sie auf Seite 9 des Berichts im Detail. Ich gebe sie im Folgenden nur stichwortartig wieder. Nach dem jeweiligen Stichwort werde ich Ihnen den Kern der Aussage des Berichts zur Kenntnis geben.

Erstens: Verzicht auf die Anhörung von RWE. Die Entscheidung, wie in allen anderen Ländern auf die Anhörung zu verzichten, wurde von Frau Ministerin Puttrich getroffen. Sie erfolgte nach der Beratung durch die Fachabteilung, die sich ihrerseits mit dem Rechtsanwalt abstimmte, der das Land in atomrechtlichen Fragen beriet.

Konkret bat Ministerin Puttrich die Fachabteilung um Prüfung und übernahm dann einen entsprechenden Formulierungsvorschlag. Alle Zeugen haben ausgesagt, dass man im Ministerium übereinstimmend davon ausging, dass der Verzicht auf die Anhörung und die Begründung tragfähig seien.

Zweitens: materiell-rechtliche Begründung. Die Grundentscheidung, eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen und daher die jüngst beschlossene Laufzeitverlängerung auszusetzen, wurde von der Bundesregierung bereits am 14. März verkündet, also bevor am 15. März der konkrete Umfang des Moratoriums und seine Begründung den Ministerpräsidenten vorgetragen und mit ihnen besprochen wurden. Diese erhoben im Ergebnis keine Einwände dagegen.

Am Nachmittag des 15. März wurde vom Bundesumweltminister zugesagt, den Ländern eine Vorlage für die Stilllegungsverfügung zukommen zu lassen, da der Bund einen einheitlichen Vollzug sicherstellen wollte. Diese Vorlage traf am 16. März ein und wurde inhaltlich unverändert in den Stilllegungsbescheid übernommen. In der Fachabteilung des Umweltministeriums gab es erhebliche inhaltliche Bedenken dagegen. Zugleich waren sich aber alle Beteiligten einig, dass es sich um eine verbindliche Vorgabe des Bundes handelte, die umzusetzen sei.