Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach so viel Qualm im Raum jetzt wieder zu ganz konkreter Arbeit zu kommen, ist ein bisschen schwierig.
Frau Schott, einen Augenblick, bitte. Es ist im Raum gerade etwas unruhig. Ich bitte, der Rednerin zuzuhören.
Danke, Herr Präsident. – In den hessischen Kommunen wird die Grundsteuer kräftig angehoben. Inzwischen beträgt sie schon bis zu 800 Prozentpunkte. Die Straßen- und Anliegerbeiträge werden erhöht. Trinkwasser, Müll und Abwasser werden teurer, die Hundesteuer steigt, nicht zu vergessen die allgemeinen Verwaltungsgebühren, die erhoben werden.
Dies sind nur die kommunalen Belastungen. Von der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Familien und vielem mehr will ich heute hier gar nicht sprechen.
Die Kommunen-Studie von Ernst & Young 2015 ergab, dass 83 % der Kommunen in Hessen im letzten oder in diesem Jahr ihre Steuern und Gebühren erhöht haben oder erhöhen werden. Dies waren insbesondere die Grundsteuer und die Gebühren für Kitas und Ganztagsschulbetreuung in 39 % der Kommunen. Im Vorjahr haben bereits 23 % der Kommunen eine solche Erhöhung vorgenommen. Gleichzeitig plant fast die Hälfte der Kommunen in Hessen, in den Jahren 2015 und 2016 ihre Leistungen zu reduzieren, und das insbesondere im Bereich der Jugend- und Seniorenarbeit.
Eltern haben all diese Erhöhungen und Einschränkungen ebenso zu tragen wie alle anderen Menschen, aber sie haben eben zusätzlich mit der massiven Erhöhung der Gebühren der Kitas zu kämpfen. Dabei sind 30 % von einem aufs andere Jahr keine Übertreibung, und 130 % bis zum Jahr 2030 sind nicht nur eine Drohung, leider.
Dies führt in vielen Familien dazu, dass mit dem Rotstift gerechnet wird – rentiert es sich noch, arbeiten zu gehen? –, und das meist für die Mutter: Lohnt es sich, oder ist das wirtschaftlich nicht mehr tragbar? Können wir die Kinder noch in die Betreuung geben, oder ist es vielleicht doch einfacher oder besser, die Oma oder den Opa zu fragen? Reduzieren wir die Stunden, oder melden wir vom Mittagessen ab? – Solche Erwägungen werden dann angeführt, auch bei Familien, die die Betreuung für pädagogisch sinnvoll halten.
Für viele ist es eben doch ein Luxus, wenn sie denn für zwei Kinder bis zu 1.000 € für Kinderbetreuung bezahlen müssen. Ich spreche hier von einer mittleren Einkommensgruppe, nicht von unteren Einkommen, denn dort trägt es häufig wieder die Kommune.
Der „Integrationsmonitor“ hat festgestellt, dass Kinder ohne Migrationshintergrund heute seltener die Kindertagesbetreuung nutzen als im Jahr 2009. Und raten Sie einmal, was die Kommunen als Grund dafür sehen. – Die sehr hohen Gebühren.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich unterstellen wir den Kommunen nicht, eine Politik auf dem Rücken der Eltern und Kinder zu machen. Dies unterstellen wir aber der Landesregierung, die für eine nicht auskömmliche Finanzierung der Kommunen verantwortlich ist. Seit dem
Jahr 2011 wurden den Kommunen 433 Millionen € pro Jahr entzogen, gleichzeitig aber wurden die Anforderungen und die Erwartungen an die Kommunen erhöht.
Allein in der Kinderbetreuung ist der kommunale Aufwand enorm gestiegen. So positiv es auch ist, dass die frühkindliche Bildung in Deutschland ausgebaut wird und sich der Staat zunehmend dafür verantwortlich zeigt, so unverantwortlich ist es, den Kommunen diese Bürde aufzuerlegen – denselben Kommunen, die chronisch unterfinanziert sind, die aber für alles zuständig sind, was personalintensiv ist und Geld kostet.
Diese Entwicklung, die sich gerade in den letzten Wochen zulasten der Eltern darstellt, hat uns dazu bewegt, nicht die Evaluation des KiföG abzuwarten, sondern zu einer besseren Finanzierung bereits jetzt tätig zu werden.
Wir möchten, dass in diesem Jahr beraten wird, damit in Vorbereitung auf das nächste Jahr die vollständige Freistellung der Eltern von den Beiträgen und die Vereinfachung der Pauschalen erreicht werden.
Selbstverständlich gibt es am KiföG noch mehr zu ändern – ob das die Finanzierung pro Kind ist oder die FachkraftKind-Relation, die beschämend niedrig ist, in der Realität aber Gott sei Dank meistens noch übertroffen wird, und vieles mehr.
Auch die GRÜNEN wollten im Jahr 2013 das KiföG noch zurückziehen und einen Betreuungsgipfel einrichten. Bekanntlich wurde es nicht zurückgezogen, und aus dem Gipfel wurde nicht einmal ein Gipfelchen, sondern ein runder Tisch, der zweimal getagt hat, und das war es.
Erstens. Eltern von Kindern, die eine Kindertagesbetreuung nutzen, sollen von den Beiträgen vollständig entlastet werden. Dafür werden ab dem Jahr 2017 die Beiträge vom Land übernommen.
Zweitens. Kindertagesstätten, Träger und Kommunen sowie nicht zuletzt das Land sollen von der komplizierten Berechnung der Pauschalen entlastet werden. Derzeit gibt es 28 verschiedene Pauschalen – künftig werden es nur noch zwei sein.
Es ist ein Gesetz zu einer radikalen Verwaltungsvereinfachung. Alle, die jemals das Wort „Entbürokratisierung“ nur in den Mund genommen haben, müssen diesem Gesetzentwurf zustimmen. Diese Entbürokratisierung sorgt auf allen Ebenen für mehr Ressourcen, die anderweitig genutzt werden können. Erzieherinnen und Kitaleitung müssen nicht mehr ausrechnen, wie sie ihr Personal einsetzen können; Träger können die Refinanzierung unproblematisch kalkulieren; die Träger sparen das Geld für das Ausrechnen und Eintreiben der Elternbeiträge; die Kommunen zahlen die Zuschüsse für private Einrichtungen unkomplizierter und berechnen die Kosten der eigenen Einrichtung mit geringerem Aufwand. Der Kreis und die kreisfreien Kommunen brauchen keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr, keine finanziellen Mittel, um die Kostenübernahme der Elternbeiträge für Familien mit niedrigem Einkommen zu organisieren. Hier werden Millionenbeträge und Mitarbeiterkapazitäten frei, die in der Qualitätsentwicklung der frühkindlichen Bildung sinnvoll genutzt werden können.
Drittens schließlich ist dieser Gesetzentwurf ein Schritt in die vollständige Kostenübernahme der Kindertagesbetreuung durch das Land. Die sollte schrittweise erfolgen, obwohl die finanziellen Anstrengungen auch von uns nicht unterschätzt werden.
Ein weiterer Effekt ist der Tatsache geschuldet, dass die Pauschale für Kinder mit Behinderungen in die allgemeine Pauschale eingerechnet wurde. Damit werden sämtliche Einrichtungen in die Lage versetzt, Kinder mit Benachteiligungen aufzunehmen und die Kindertageseinrichtung inklusiv auszurichten.
Im Gegensatz zu dem Gesetzentwurf der SPD ist unser Gesetzentwurf allerdings wirklich ein Umsteuern und eine andere Politik. Dies wäre eine neue Herangehensweise, mit der Eltern und Kommunen gleichermaßen entlastet werden. Eltern mit mittlerem und niedrigem Einkommen brauchen dies in erster Linie. Spitzenverdiener werden damit auch entlastet. Sie sollen ihren Beitrag, bitte schön, für das soziale Gemeinwesen über die Wiedereinführung der Vermögensteuer leisten. Wenn Steuern tatsächlich eingenommen werden – gerade beim Steuervollzug gibt es noch eine Menge Spielraum, auch in Hessen –,
könnten die gewählten Institutionen tatsächlich umsteuern, und die Belastung der mittleren und kleinen Einkommen hätte tatsächlich ein Ende.
Die Haushaltsüberschüsse in Höhe von 700 Millionen € des letzten Jahres zeigen, dass dieses Gesetz auch kurzfristig finanzierbar wäre. Immerhin wurden bei den Kommunen seit dem Jahr 2011 jährlich 344 Millionen € eingespart.
Wir freuen uns auf Ihre konstruktiven Vorschläge, auf die Anregungen und Positionen in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf, um dies bei Bedarf auch weiter zu qualifizieren. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In unseren Kindern liegt nicht nur ihre eigene, sondern unserer aller Zukunft. Ihre Erziehung, Bildung und Betreuung sind uns aus beiden Gründen wichtig.
Daher ist es gut, dass wir heute – und wahrscheinlich morgen nochmals – über die Rahmenbedingungen hierfür beraten. Aber das ist auch schon alles, was ich Ihrem Gesetzentwurf, liebe Frau Schott, liebe Kollegen von der LINKEN, zur Änderung des KiföG abgewinnen kann.
Die CDU-Fraktion steht diesem Gesetzentwurf ablehnend gegenüber. Lassen Sie mich dafür fünf Gründe nennen und außerdem einen Hinweis geben:
Erstens. Sie wollen Geld ausgeben, das Hessen nicht hat. Es ist absurd, konkrete Verpflichtungen einzugehen, deren Gegenfinanzierung eine Luftbuchung ist. Ganz locker errechnen Sie einen Mehraufwand für das Land von ungefähr 520 Millionen €.
In Zeiten der Jahrhundertaufgabe „Asyl und Flüchtlinge“, für die wir allein im begonnenen Jahr über eine halbe Milliarde € zusätzlich mobilisieren, ist Ihr Vorschlag schlicht verantwortungslos. Auf dem schwierigen Weg zur Einhaltung der grundgesetzlich vorgeschriebenen Schuldenbremse werden wir uns sicher keinen derartigen Bremsklotz unter den Wagen schieben lassen.
Zweitens. Sie verschieben fahrlässig die Tektonik der Zuständigkeiten zwischen dem Land und den Kommunen. Ihr Gesetzentwurf ist eine Absage an die kommunale Selbstverwaltung in diesem Bereich, obwohl diese die Aufgabe der Kinderbetreuung schon heute gut meistert.
Die Kinderbetreuung in Hessen wird durch die dafür zuständigen Kommunen landesweit zuverlässig und in guter Qualität angeboten – mit signifikanter Unterstützung durch das Land. Ganz überwiegend werden maßvolle Elternbeiträge gefordert, in der Regel nach Einkommen und Geschwisterzahl gestaffelt, wie es das Gesetz anregt. Wo das anders ist, werden die örtlichen Gemeindevertreter ihre Gründe dafür haben. Dabei ist es eine pure Behauptung, dass sozial schwache hessische Eltern aus Kostengründen auf den Kitabesuch ihres Kindes verzichten oder ihre Berufstätigkeit einstellen müssten.
(Marjana Schott (DIE LINKE): Das habe ich auch nicht gesagt! – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)
Schauen wir einmal nach Rheinland-Pfalz, das, wie jeder weiß, mit dem Geld aus dem Länderfinanzausgleich eine kostenlose Kinderbetreuung finanziert.
Aber sonst könnte Rheinland-Pfalz das wahrscheinlich nicht kostenlos anbieten. – In Rheinland-Pfalz sind die U-3-Betreuungsquoten, wenn dies der Maßstab sein sollte, nicht signifikant höher als in Hessen.
Die Gebührenfreiheit ändert also offenbar nicht viel an der Inanspruchnahme der Kinderbetreuungsangebote. Es ist eben nicht primär eine Frage des finanziellen Aufwandes, sondern des Elternwillens, den wir grundsätzlich erst einmal respektieren sollten.
Drittens. Sie negieren unterschiedliche Bedarfslagen, verzichten auf Anreize und setzen die hessische Trägervielfalt aufs Spiel; denn Ihr Gesetzentwurf ist nicht qualitätsfördernd. Er ist das Gegenteil davon. Sie werfen mit Geld unterschiedslos auf Träger und Einrichtungen und stellen sich die Frage erst gar nicht, wo welcher Bedarf herrscht und wen man wie zu intensiverer Zuwendung, geschickterer Förderung oder einfach nur zu engagierterem Umgang mit einem fragilen Gut, der Kinderseele, animieren könnte. Ein Zukleistern dieser Versäumnisse mit immer mehr Geld durch nur noch eine Pauschale wird Ihnen dabei nichts nutzen.
Glauben Sie wirklich, dass die Qualität der Kinderbetreuung in Hessen vorankommt, wenn Sie alle Steuerungsin