Protocol of the Session on April 30, 2015

Die starke Honorierung ökologischer Leistungen ist der richtige Weg und wurde und wird von uns immer unterstützt. Klimaschutz, Biodiversitätsschutz, die Erhaltung und Verbesserung der Böden und des Grundwassers müssen honoriert werden; denn es ist eine Leistung. Aber ohne die Kopplung an soziale Leistungen wird es keine entscheidende Verbesserung für die Menschen im ländlichen Raum geben. Hier hätte die Hessische Landesregierung nachsteuern können – hat sie aber nicht. Das ist das große Minus am Entwicklungsplan für die ländlichen Räume.

In ländlichen Räumen ist die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern mit durchschnittlich 33 % noch größer als in Ballungszentren. Das gefährdet den sozialen Frieden, aber auch die Einkommenssicherheit von Familien. Außerdem demotiviert es die Frauen, in ihren Dörfern zu bleiben: Wer will schon für ein Taschengeld arbeiten? Zumal sich aus der aktuellen Lohnlücke perspektivisch im Alter eine Sicherheitslücke ergibt, und zwar von bis zu 68 %. Wer jetzt weniger verdient, hat später natürlich auch weniger Rente.

Obwohl in der Landwirtschaft 38 % aller Arbeitskräfte weiblich sind, werden nur 6 % der Agrarbetriebe von Frauen geleitet.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Die Bewilligung von Projekten auch in Hessen muss an wirksame Effekte zur Gleichstellung gebunden werden. Außer der juristischen Formel, dass die Gleichstellung gefördert werden soll, gibt es dazu im hessischen Entwicklungsplan keine konkreten Vorschläge. – Und Ihre Zwischenrufe zeigen, auch da haben Sie den Knall noch nicht gehört.

(Zuruf von der CDU)

Die Einhaltung bestehender Tarifverträge und ein gesetzlicher Mindestlohn als Lohnuntergrenze müssen als Fördervoraussetzung festgeschrieben werden. So kann man dann vielleicht strukturell etwas verändern.

In kaum einem anderen Bundesland ist die bäuerliche Landschaft so strukturbestimmt wie in Hessen. Der Kleinbetrieb in der Rhön, im Spessart, im Vogelsberg, Odenwald, Taunus oder in der Wetterau – ich hoffe, keinen vergessen zu haben – kann kein Global Player werden. Exemplarisch für die Situation sind die kleinen und mittelgroßen Milcherzeuger in Hessen. Sie leiden unter dem Konkurrenzdruck in immer größer werdenden Märkten. Deshalb unterstützen wir Ansätze, die zu einer stärkeren Regionalisierung der Wertschöpfungsketten führen. Die Familien,

die ihre Höfe zum Teil im Nebenerwerb betreiben, können und wollen nicht mit Landwirtschaft in anderen europäischen Regionen in den Wettbewerb treten. Das ist ökonomisch und ökologisch Unfug.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Ich weiß auch nicht, in was für engen Kategorien Sie denken, aber es geht nicht darum, Grenzen zu schließen, sondern das zu fördern, was vorhanden ist, nämlich eine lokale Ökonomie, die dazu führt, das dass, was dort produziert wird, auch dort vermarktet wird. Der Druck muss von den Unternehmen weg, in einen solchen weltweiten Konkurrenzkampf eintreten zu müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das ist der Punkt, darauf zu schauen, was man in Zukunft zulässt, was man haben will und was man nicht haben will. Wenn wir diese Betrieben nämlich erhalten wollen, dann gibt es eines, was wir nicht haben dürfen – und das ist genau das, was die Landwirtschaft und die kleinen Betriebe in unserer Regionen gefährdet, nämlich TTIP und CETA. Das ist nämlich unvereinbar mit dem, was wir in Hessen haben.

(Zuruf von der CDU: Reine Angstmache! Das ist großer Quatsch!)

Das ist kein Quatsch. Eine Bevorzugung regionaler Erzeugung von Produkten, bei denen Hersteller besonderen Wert auf Erhaltung des Naturraums, ökologisches Gefüge oder unsere wichtigen Landschaften legen, ist mit einem Handelsabkommen mit verbrieften Interessen von Großkonzernen wie Lebensmittelmultis eben unvereinbar. Und das ist leider kein Quatsch.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Ich zitiere aus einem Bericht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft von April 2014:

Die Industrialisierung und Konzentration in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelweiterverarbeitung wird mit der derzeitigen Ausrichtung der Handelsgespräche weiter vorangetrieben. Bäuerliche Höfe sowohl in Deutschland (und EU-weit) als auch in den USA werden weiter unter Druck geraten und noch mehr dem „Wachsen oder Weichen“-Paradigma ausgesetzt.

Das sind nicht meine Worte, das sind die Worte Ihrer Kollegen.

Nutznießer sind die Lebensmittel- und die Agrarindustrie. Obwohl über 500 internationale Wissenschaftler im Weltagrarbericht zu dem Schluss kommen, „Weiter so“ sei keine Option, setzen sich in der Handelspolitik zurzeit weiter die Industrieinteressen gegenüber den bäuerlichen und sozialen Anliegen durch.

(Kurt Wiegel (CDU): Autoexporte abschaffen!)

Wir reden hier gerade über die bäuerliche Landwirtschaft. Ich weiß nicht, ob Sie den Unterschied kennen.

(Zurufe)

TTIP ist der Feind von Einkaufs- und Erzeugergenossenschaften sowie einer dezentralen Energieerzeugung in Bürgerhand. Die geplanten Handelsabkommen vernichten die Strukturen, die die Landesregierung hier vorgibt, erhalten und ausbauen zu wollen. Wenn Sie diese Strukturen ernst

haft stärken und unterstützen wollen, dann müssen Sie sich gegen TTIP wenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der große transatlantische Markt mit so wenigen Handelsbeschränkungen wie möglich, den die Akteure von CDU und SPD auf Bundesebene und im Europaparlament durchsetzen wollen, ist ein Markt für Großkonzerne. Sie werden mehr noch als bisher die Bedingungen verschärfen, unter denen Agrar-, Forst- und Ernährungswirtschaft in den ländlichen Räumen in Hessen betrieben werden. Die demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung und Durchsetzungschancen kleiner Betriebe und genossenschaftlicher Strukturen kommen dabei unter die Räder.

Landschaftspflege, der Schutz der regionalen Biodiversität oder spezifischer regionaler Produkte werden vor dem Hintergrund globaler Vermarktungsinteressen großer Konzerne zur folkloristischen Randerscheinung degradiert werden.

Dagegen muss sich die Hessische Landesregierung solidarisch mit den unterschiedlichsten Akteuren im ländlichen Raum zur Wehr setzen. Das ist mehr, und es braucht eine andere Politik als die Verwaltung von rund 1 Milliarde € Investitionssumme bis 2020.

Wo ist die Politik von Schwarz-Grün, die auf allen Ebenen entschieden Nein zur Entdemokratisierung, Nein zu CETA, TTIP & Co. sagt? Wenn Sie die Sicherung, gar die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen im ländlichen Raum wollen, müssen Sie sich gegen diese Freihandelsabkommen wehren. Die werden dem ländlichen Raum, ganz besonders in Hessen, der auf kleine Strukturen und auf regionale Vermarktung setzt, schaden und auf keinen Fall helfen. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Schott. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Lenders das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, es geht am Ende bei der Frage ländlicher Raum darum, ob die Menschen vor Ort leben und arbeiten können, ob sie vor Ort eine Schule finden, ob sie vor Ort einkaufen können, ob sie vor Ort einen Arbeitsplatz finden, ob sie vor Ort krank werden, alt werden und auch vor Ort noch sterben dürfen oder ob wir alles in die Ballungsräume abwandern lassen wollen.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Dass der Hessische Landtag mit diesem Antrag über den ländlichen Raum, der allerdings inhaltlich etwas anders positioniert ist, diese grundsätzliche Frage aufgeworfen hat, ist gut, ist richtig. Daran habe ich nichts zu kritisieren. Ich bin froh, dass wir heute darüber diskutieren können.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Meine Damen und Herren, bis auf den Kollegen Kurt Wiegel hatte ich bei den Kolleginnen und Kollegen ein bisschen den Eindruck, dass sie über alles geredet haben, nur nicht mehr über den Inhalt dieses Antrags.

(Beifall der Abg. René Rock (FDP) und Stephan Grüger (SPD))

Ich beziehe mich auf Punkt 2 des Antrags und komme auch gleich dazu, weil es die Kollegen aufgegriffen haben. Ja, es gehört deutlich mehr zur Förderung des ländlichen Raums als nur Geld.

Was ich beim Antrag durchaus für richtig halte, ist das, was die Koalitionsfraktionen zu einem Monitoring und einem Begleitausschuss geschrieben haben, der überprüft, ob die eingesetzten Mittel vor Ort ihre Wirkung entfalten und ob gegebenenfalls die Programme angepasst werden müssen. Das ist relativ neu. Das hat es in der Konsequenz so nicht gegeben.

Meine Damen und Herren, das sind am Ende Steuergelder. Ob sie die richtige Wirkung entfalten – in welche Richtung die Wirkung gehen soll, darüber kann man politisch trefflich streiten –, das zu überprüfen ist richtig und wichtig.

In Punkt 4 wird die Kofinanzierung angesprochen. Da wäre ich allerdings vorsichtig. Unkritisch zu sagen, dass bei allem, was aus europäischen Mittel finanziert werden kann, immer gleichzeitig auch die Kofinanzierung bereitgestellt werden kann – das sollte man differenzierter betrachten und nicht so kategorisch in den Antrag hineinschreiben.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Lieber Kollege Kurt Wiegel, ich will nur sagen: Man muss genau aufpassen, was die dort fördern wollen.

Zu Punkt 5, der Ökolandwirtschaft. Frau Feldmayer, Sie haben es eben wieder gesagt: Es gibt keine Differenzierung zwischen der konventionellen Landwirtschaft und der ökologischen Landwirtschaft, da passt kein Blatt dazwischen. So kann man Sie übersetzen.

In Ihrem Antrag geht es aber gleich wieder um „die nachhaltige Entwicklung und Modernisierung der hessischen Landwirtschaft, die Förderung ökologisch arbeitender Landwirtschaftsbetriebe und die vielfältigen Agrarumweltmaßnahmen“, es geht um „eine besonders umweltschonende und gentechnikfreie Landwirtschaft“.

Frau Feldmayer, wenn Sie das wirklich meinen: Bis auf den Halbsatz „in benachteiligten Gebieten“ richten Sie sich ausschließlich an die ökologische Landwirtschaft. Wo findet bei Ihnen der konventionelle Landwirt überhaupt statt? In den Programmen, in dem, was Sie niederschreiben, mit Sicherheit nicht. Ich hätte mich darüber gefreut, wir hätten heute auch noch einmal über die Große Anfrage diskutieren können. Da wird es noch viel deutlicher.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Frau Feldmayer, ich will ausdrücklich sagen, dass wir die benachteiligten Gebiete, also das Bergbauernprogramm hineingenommen haben, halte ich für ausgesprochen wichtig, gerade für das Land Hessen, da wir hier sehr viele von diesen Gebieten haben und die Landwirte in diesen Regionen erhebliche Schwierigkeiten haben. Die zu fördern ist richtig und wichtig.

Meine Damen und Herren, zur Eiweißstrategie. Von wegen Rituale. Staatsminister Al-Wazir hat sich heute schon an einigen Stellen etwas vergaloppiert. Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Ich halte die Eiweißstrategie für richtig. Dass wir das machen, dass wir das anpacken, ist aller Ehren wert.