Ja, Außenminister Walter Steinmeier protestiert gegen die Verschärfung des Demonstrationsrechtes und der Demonstrationsgesetze. Nun ist es selbstverständlich zu begrüßen, wenn sich ein Sozialdemokrat gegen ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen starkmacht. Allerdings sind solche Initiativen offenbar auf die Ukraine beschränkt und finden keinen Niederschlag in der deutschen Innenpolitik.
Wir dürfen nicht darum herumreden und dürfen die Menschen nicht wieder vertrösten. Der Wunsch, ungehindert in andere – auch westeuropäische – Länder reisen zu können, ist überall manifest. Warum fangen wir nicht damit an, ihnen das zu ermöglichen?
Wäre es nicht eine große Geste der Bundesregierung, die Beschränkungen zurückzunehmen, sodass die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine visafrei nach Deutschland kommen könnten? Dies ist auch eine Forderung, die die Regierungen von Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik gestellt haben. Das verstehe ich unter einer Politik des Nichtzündelns: auf die Menschen eingehen und über Werte diskutieren.
Ich möchte aber auch in aller Deutlichkeit sagen, ich benutze nicht für alle Demonstranten den Begriff „Freiheitskämpfer“. Ein Teil – manche meinen, der Kern – der Demonstranten in der Ukraine ist rechtsradikal, nationalistisch und traditionell faschistisch organisiert. Mit denen will ich mich nicht solidarisieren, sondern gegen sie wird DIE LINKE in der Ukraine, aber auch in Frankreich, in Griechenland und natürlich in diesem Land demonstrieren.
Ich halte überhaupt nichts von der Androhung oder Verhängung von Sanktionen. Das wird nichts lösen, sondern die Situation noch zuspitzen. Diese Politik ist schon in Griechenland, in Portugal und in Spanien gescheitert. Die Menschen müssen das Recht haben, zu demonstrieren. Sie haben ein Recht auf umfassende Öffentlichkeit und darauf, nicht eingesperrt oder gar gefoltert zu werden. Die Ukrainerinnen und Ukrainer wollen demokratische Verhältnisse, Gerechtigkeit und eine auskömmliche soziale Perspektive. Keine Korruption, mehr Chancengleichheit und mehr Rechtsstaatlichkeit sind legitime Anliegen der Demonstranten. Es ist ein Fehler, wenn die EU nur auf die eigenen wirtschaftlichen Vorteile bedacht ist und der Verbesserung der sozialen Situation in der Ukraine nur ein geringes Augenmerk schenkt.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Wir müssen auch einen anderen Umgang mit Russland finden. Ich möchte eine neue Ostpolitik der Bundesregierung, in der nicht mit Russland über die Ukraine verhandelt wird, sondern in der die Kooperation gesucht wird und gemeinsame Interessen berücksichtigt werden.
Wir werden nie gute stabile europäische Lösungen erreichen, wenn sie gegen Russland gerichtet sind und die Ukraine als Bollwerk gegen Russland instrumentalisiert wird. Hier möchte ich an die Erfahrung der Überwindung des Kalten Krieges und an die Funktion erinnern, die die KSZE im Jahr 1975 dabei hatte. Deshalb warne ich vor den Versuchen, den Kalten Krieg wiederzubeleben. Meines Erachtens ist die OSZE die einzige Institution, die der Region unabhängig und deutlich vermittelnd zur Seite stehen kann. – Vielen Dank.
Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte …
Diesen Satz finden wir in Art. I-2 der europäischen Verfassung. Deswegen unterstützen wir heute Morgen die Forderung der CDU nach mehr „Demokratie und Menschenrechten in einem gemeinsamen Europa“, wie Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, um den Bezug zu Hessen zu finden, muss man allerdings einigermaßen fantasiebegabt sein.
Aber wir haben vorgestern an dieser Stelle auch gelernt, dass Tiere Lebewesen sind. Das passt also zusammen.
Ich bin sehr froh, dass wir mit Frank-Walter Steinmeier wieder einen Außenminister haben, der diesem Amt Gewicht und Stimme in der Welt verleiht. Steinmeier hat vor einem Bieterwettbewerb um die Ukraine gewarnt. Ich finde, damit hat er recht. Wir brauchen keinen Wettbewerb, wer am meisten zahlt. Die EU verhandelt momentan mit den USA darüber, ein Paket zu schnüren, das der Ukraine in der Übergangsphase helfen soll. Russland hat bereits Finanzhilfen in Höhe von 15 Milliarden € zugesagt. Das wiederum ruht im Moment.
Die Menschen in der Ukraine aber brauchen eine Deeskalation in dieser aktuellen Krise, und sie brauchen vor allen Dingen eine langfristige Perspektive. Es ist für uns Sozialdemokraten nicht hinnehmbar, dass die Regierung der Ukraine mit Schlagstöcken gegen die eigene Bevölkerung vorgeht sowie Demonstranten inhaftiert und foltert.
Die Menschen auf dem Maidan setzen sich schließlich für etwas ein, was ursprünglich auch die Regierung als politisches Ziel verfolgte, nämlich für eine engere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und für die Unterzeichnung eines Assoziierungs- und Freihandelsabkommens.
Herr Kollege Utter, im Gegensatz zu Ihnen stehe ich der EU in dem Fall nicht ganz unkritisch gegenüber. Wir finden nämlich, man muss auch anmerken, dass die EU in dem Bereich sehr zögerlich gehandelt hat. Über das Freihandelsabkommen wird schon seit 2008 verhandelt; seit zwei Jahren liegt es auf Eis.
Aus Gewalt wird kein Dialog entstehen. Deswegen muss es unser erstes Ziel sein, alle Beteiligten – die Ukraine, Russland und Europa – an einen Tisch zu holen, um eine politische Lösung zu finden, so, wie es die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament vorgeschlagen haben.
Diese Lösung muss dem Mehrheitswillen des Volkes ebenso entsprechen wie den demokratischen Regeln, die in der EU und im Europarat gelten. Die Beteiligten müssen sich auf gemeinsame Ziele einigen, und sie müssen eine gemeinsame Verantwortung für unsere Werte übernehmen: Sicherheit, Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in der europäischen Nachbarschaft.
Diese Verantwortung gegenüber dem gemeinsamen Nachbarstaat Ukraine hat bis heute weder die EU noch Russland übernommen. Dieser langfristige Ansatz ist etwas ganz anderes als der Wettbewerb darum, wer der Ukraine mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Da hat Frank-Walter Steinmeier sicherlich recht.
Die Europäische Union ist ein einzigartiges Friedensprojekt in der Menschheitsgeschichte. Damit das so bleibt, ist es wichtig, eine langfristige Lösung für die Ukraine zu finden. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir die EU bei der Erarbeitung der Lösungswege unterstützen.
Die SPD tritt seit ihrer Gründung für ein gemeinsames Europa ein. Sie hat schon damals eine Vision formuliert, wie man miteinander leben kann. Wir haben einen gemeinsamen Wertekanon.
Ich habe Ihnen vorhin Art. I-2 der europäischen Verfassung vorgelesen. Darin ist das verankert, wohinter sich alle versammeln können. Ein Europa der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie und der Wahrung der Menschenrechte – das sind die Werte, hinter denen sich alle 28 Mitgliedstaaten versammeln und die selbstverständlich auch für die Staaten gelten müssen, die enger mit der EU zusammenarbeiten wollen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Von einer Besuchergruppe wurde ich gefragt, was Europa auszeichne. Ich denke, meine Antwort wird von allen Abgeordneten des Hessischen Landtags geteilt: Wir alle sind zu Recht davon überzeugt, dass uns die europäische Einigung Frieden, Freiheit und Demokratie gebracht hat.
Nach zwei Weltkriegen ist der Frieden der Normalzustand in Europa. Die Europäische Union ist die erfolgreiche Antwort auf einen engstirnigen Nationalismus. Europa ist aber weit mehr als ein gemeinsamer Markt; das wissen Sie auch. Europa steht für Rechtstaatlichkeit und Solidarität. Die Europäische Union ist Vorreiter bei der Gleichberechtigung. Wir können Bürgerrechte und Menschenrechte in Europa einklagen. Europa steht für eine Werteunion. Europa ist längst Teil unserer Identität geworden.
Bei aller Kritik, die wir GRÜNE an Europa haben, glauben wir, dass die europäische Einigung wirklich eine beispiellose Erfolgsgeschichte darstellt.
Diese beispiellose Erfolgsgeschichte sehen auch die Menschen in anderen Ländern. Dazu zählen auch die Menschen in der Ukraine, die genauso einen Prozess erleben wollen, wie er in der Europäischen Union stattgefunden hat.
Deshalb nehmen wir mit großer Sorge Berichte aus der Ukraine zur Kenntnis, die von erheblichen Verletzungen der Bürgerrechte und des Rechtsstaatsprinzips handeln. Die Berichte von Gewalt gegen Demonstranten und Oppositionelle durch staatliche Sicherheitskräfte, von Wahlfälschungen und von dem merkwürdigen Prozess gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko sind unerträglich.
Seit dem November letzten Jahres ist der Maidan in Kiew ein Ort für den Kampf um die Freiheit. An den Namen Maidan angelehnt entwickelte sich der Begriff „Euromaidan“. So werden auch die Proteste in Kiew genannt. Die Europafahnen sind dort nicht zu übersehen. Tausende von Menschen demonstrieren auf diesem Platz für Demokratie und für die Einhaltung von Menschenrechten. Für diese Menschen ist Europa ein Synonym für die Befreiung von Willkür, für Demokratie und für die Achtung von Menschenrechten.
Anlass für die Proteste auf dem Euromaidan war die Haltung des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch und seiner Regierung im November letzten Jahres. Janukowitsch hat sich geweigert, seine Unterschrift unter ein seit Langem fertig verhandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU zu setzen. Die Ablehnung dieses Partnerschaftsabkommens mit der EU erfolgte leider auf massiven Druck aus dem Kreml.
Die friedlich begonnenen Demonstrationen entwickeln sich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Mitte Januar wurden demokratische Freiheitsrechte per Gesetz eingeschränkt. Es kam zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizisten. Zahlreiche Tote und Hunderte Verletzte sind die traurige Bilanz. Es wird auch von Folter berichtet. Ein Oppositioneller wurde mit Folterspuren tot aufgefunden.
Es ist jedoch auch erkennbar, dass die Menschen in der Ukraine nicht geschlossen hinter den proeuropäischen Regierungsgegnern stehen, sondern dass die Bevölkerung hier geteilter Meinung ist. Viele Menschen – vor allem im Osten der Ukraine; das dürfen wir nicht verkennen – stehen nach wie vor hinter Präsident Janukowitsch.
Es ist daher notwendig, dass die Menschen in der Ukraine nicht alleine gelassen werden. Das Angebot des Präsidenten der EU-Kommission, Barroso, an die Ukraine ist also absolut positiv zu bewerten. Finanzelle Hilfen sollen Bewegung in die politische Krise bringen.
Gerade wir Europäer können nicht neutral bleiben; denn dort wird auch für unsere Werte gestritten. Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass die schwer angeschlagene Ukraine Hilfe braucht. Dies sollten wir alle politisch unterstützen. Vor allem müssen wir als Demokraten die Europäische Union darin unterstützen, sich dafür einzusetzen, dass es zu einem für beide Seiten tragfähigen Kompromiss kommt. Es ist notwendig, darauf zu dringen, dass die Verantwortlichen in der Ukraine die Menschenrechte achten. Ich sage ganz deutlich: Nur so können die Zunahme von Gewalt und schlimmstenfalls sogar ein Bürgerkrieg verhindert werden.