Protocol of the Session on March 5, 2015

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Entsorgung von Abfällen aus der Kaliindustrie: Arbeitsplätze und Umwelt sichernde Entsorgung erarbeiten – Ver

senkung von Salzabwässern sofort beenden – Drucks. 19/1628 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 60 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Versenkerlaubnis durch zuständige Genehmigungsbehörde für Salzabwässer nur bei ausreichendem Trinkund Grundwasserschutz – Drucks. 19/1689 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Schott gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bekanntwerden der Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie sowie einiger Schriftstücke aus dem RP Kassel haben deutlich gemacht, dass die hessische Umweltministerin die Öffentlichkeit in unerträglicher Weise hinters Licht geführt hat.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Es ist bizarr, dass das Umweltministerium, die GRÜNEN und die CDU immer noch behaupten, dass der mit K+S ausgehandelte Vier-Phasen-Plan Ökologie und Ökonomie zusammenbringe und eine nachhaltige Lösung für die Salzabwasserentsorgung sei. Der Vier-Phasen-Plan ist in erster Linie eines: gesetzeswidrig.

(Beifall bei der LINKEN)

In § 48 des Wasserhaushaltsgesetzes heißt es zur Reinhaltung des Grundwassers:

Eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser darf nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist.

Spätestens seit der Stellungnahme des HLUG vom Juli 2014 wissen wir, dass eine nachteilige Veränderung des Grundwassers schon lange eingetreten ist und der Grund dafür in der Versenkung von Salzabwässern durch K+S liegt.

(Allgemeine Unruhe)

Augenblick, Frau Schott. – Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Raum, auch auf den Regierungsbänken bitte.

(René Rock (FDP): Es ist ja gar keiner da! – Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Danke, Herr Präsident. – In der Stellungnahme auf Seite 2 führt das HLUG aus, dass jede Salzabwasserversenkung in den Plattendolomit-Grundwasserleiter unweigerlich nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit in den zur Trinkwassergewinnung genutzten Buntsandstein-Grundwasserleitern nach sich zieht und den dort bestehenden Grundwasserschaden weiter vergrößert.

Auf Seite 8 heißt es, dass mehrfach Veränderungen der Beschaffenheit des zur Wassergewinnung genutzten Grundwassers festzustellen sind, die offensichtlich im Zusam

menhang mit der Salzabwasserversenkung stehen. Eine durch nachströmendes und hoch konzentriertes Salzwasser auch kurzfristig eintretende Gefährdung der Trinkwasserversorgung kann nicht für alle Gewinnungsanlagen ausgeschlossen werden.

Es ist also festzustellen: Das HLUG hat zweifelsfrei eine Besorgnis festgestellt. Seit dem 11. Juli 2014 ist das Umweltministerium im Besitz dieses Wissens. Spätestens mit dieser Kenntnis wäre es die Pflicht des Regierungspräsidiums Kassel gewesen, die aktuelle Versenkerlaubnis aus dem Jahr 2011 zu widerrufen. Das RP gibt aber nur weitere Messungen an einem Trinkwasserbrunnen in Auftrag. Was macht das Umweltministerium? Über zwei Monate später verkündet die hessische Umweltministerin mit der HLUGStellungnahme in der Schublade den mit K+S ausgehandelten Vier-Phasen-Plan mit der Option für die Fortsetzung der Versenkung bis 2021. Das nenne ich Täuschung der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, Sie verhalten sich nicht wie die Chefin der obersten hessischen Umweltbehörde, Sie verhalten sich wie eine Marionette von K+S.

(Zurufe von der CDU: Hey, hey, hey!)

Fast alle im Vier-Phasen-Plan vorgeschlagenen Entsorgungswege verstoßen gegen die Wasserrahmenrichtlinie und werden bei Beurteilung der Europäischen Kommission durchfallen. Das bringt dem Konzern Zeit für ohnehin geplante Produktionsverlagerungen nach Kanada,

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

und das beschert den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Strafzahlungen durch das Mahnverfahren der EU. Frau Ministerin, Sie machen sich damit zur Erfüllungsgehilfin bei der gesetzeswidrigen Entsorgung von Kaliabfällen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Das wird das Ergebnis Ihres 60-Jahres-Plans sein. Das Einzige, was daran nachhaltig ist, sind die Umweltverschmutzung, der politische Schaden und die Gewinne für K+S. Arbeitsplätze sichert das nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Leider ist das noch nicht alles an Versäumnissen und Fehlverhalten des hessischen Umweltministeriums. Dass die Salzwasserversenkung Trinkwasserbrunnen gefährdet, ist seit spätestens Mitte der 1960er-Jahre bekannt. Nachdem mehrere Trinkwasserbrunnen ausgefallen waren, wurde 1968 der größte Teil der Versenkung in Thüringen beendet. Im Jahr 2000 stellte die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie nochmals fest – ich zitiere aus einer Publikation „90 Jahre Wassergütestelle an der Werra“:

Versenkrückläufe aus dem Plattendolomit, bestehend aus verdrängtem Formationswasser, gemischt mit Salzabwasser ließen mehrere Trinkwassergewinnungsanlagen unbrauchbar werden.

Explizit werden dafür auch Rückläufe aus der in Hessen fortgesetzten Versenkung verantwortlich gemacht. Zu dieser Zeit war Frau Ministerin Hinz übrigens Mitglied des Hessischen Landtags.

(Günter Rudolph (SPD): Oh, das muss schon länger her sein!)

Seit 2007 mahnt das HLUG, die grundwassergefährdende Versenkung so schnell wie möglich zu beenden. Selbst K+S dokumentiert in seinem Bericht zur Eigenüberwachung 2013 für mehrere Messstellen eine Beeinflussung des Grundwassers durch versenktes Salzabwasser.

Nach der Veröffentlichung des „Spiegel“-Artikels vor zwei Wochen verkündet das Umweltministerium in einem Statement am 16.02.:

In der Gesamtbewertung aller vorliegenden Daten und Fakten hatte der zuständige RP zu dem Zeitpunkt entschieden, dass von einer Versenkung derzeit keine Gefährdung von Trink- und Grundwasser ausgeht.

Welches Herren Magd sind Sie, dass Sie Ihre Behörde nach dieser Vorgeschichte ein solches Statement herausgeben lassen? Frau Ministerin, da hätten Sie einschreiten müssen.

(Zurufe von der CDU)

Aber es geht noch weiter. In der letzten Woche hat Frau Staatssekretärin Tappeser im Rahmen des Fachgesprächs zur Werra-Weser-Versalzung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages behauptet, dass das Grundwasser durch die Versenkung nicht gefährdet sei. Auf dem Treffen der Obleute des hessischen Umweltausschusses hat sie behauptet, dass die Versenkerlaubnis aus dem Jahr 2011 nicht hätte widerrufen werden müssen, weil das nur eine Nebenbestimmung sei. Wie aus den zu diesem Zeitpunkt bereits öffentlich gewordenen Unterlagen des RP hervorgeht, ist auch das nicht wahr.

Während dieser ganzen Zeit bedienen GRÜNE, CDU und das Umweltministerium die Presse mit der Behauptung, der Schutz des Grund- und Trinkwassers habe für sie höchste Priorität. Frau Ministerin, ich halte das für eine Lüge.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Entschuldigen Sie sich! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wofür?

(Holger Bellino (CDU): Für den Begriff „Lüge“!)

Sie behaupten, dass Sie die Öffentlichkeit immer vollumfänglich informiert haben.

Meine Damen und Herren, bitte etwas mehr Ruhe. Wir haben hier oben den Begriff Lüge nicht gehört. Wenn er gefallen ist, muss ich das rügen.

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

Herr Bellino, entschuldigen Sie bitte. Wenn Sie Kritik am Präsidenten haben, äußern Sie das im Ältestenrat, nicht hier im Plenarsaal.

(Allgemeine Unruhe)

Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren. Ich bitte Sie, hier jetzt wieder Ruhe einkehren zu lassen. Herr Bellino, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich etwas nicht gehört habe, dann sage ich das hier als Präsident. Ich bitte Sie, wenn

Sie damit nicht einverstanden sind, den Ältestenrat einzuberufen. Jetzt bitte ich darum, wieder der Rednerin zu lauschen.

(Zurufe von der CDU)

Frau Ministerin, Sie behaupten, dass Sie die Öffentlichkeit immer vollumfänglich informiert haben. Auch das ist die Unwahrheit. Bis heute ist weder die betroffene Gemeinde noch der Umweltausschuss über die Stellungnahme des HLUG vom Juli letzten Jahres vollumfänglich informiert worden. Unsere Kleine Anfrage vom Dezember blieb bis heute unbeantwortet. Das Ministerium verteidigt sich, dass die Stellungnahme des HLUG aufgrund einer Klage von K+S nicht herausgegeben werden könne. Auch das ist so nicht richtig.