Protocol of the Session on March 4, 2015

mand ausgedacht. Kein Mensch weiß, wie er das gemacht hat.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Die Dickmacher, die enthalten sind, werden dann schlank gerechnet. Fett- und Zuckergehalt werden einfach abgeschmolzen.

(Holger Bellino (CDU): Im Sozialismus gibt es das nicht!)

Die vorsätzliche Verbrauchertäuschung ist Gift für eine ausgewogene Ernährung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. DIE LINKE fordert deswegen die Einführung einer Nährwertampel, die dem Verbraucher und der Verbraucherin ermöglicht, sich auf einen Blick und ohne Lupe zu orientieren.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das hat nichts mit Sozialismus zu tun! – Holger Bellino (CDU): Das hat es alles in der DDR nicht gegeben! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Bellino, ich finde es immer noch spannend, dass Sie sich nach wie vor einen Kopf darüber machen, wie bestimmte Dinge in der DDR geregelt worden sind. Machen Sie sich doch lieber einen Kopf darüber, wie man bestimmte Dinge hier und heute sinnvoll regeln kann. Das wäre angebracht. Alles andere ist Zeitvergeudung, weil rückwärtsgewandt – genau wie Sie und die gesamte CDU in diesem Land.

(Holger Bellino (CDU): Wer ist rückwärtsgewandt? – Unruhe bei der CDU)

Das Kriterium der Zusätzlichkeit, das die Landesregierung anführt, sollte sie doch nicht davon abbringen, eine solche sinnvolle zusätzliche Regelung herbeizuführen. Stattdessen kommt eine lange Liste der Wenn und Aber, letztlich nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern der Industrie. Natürlich muss man sich Gedanken darüber machen, wer darüber entscheidet, ob etwas rot, gelb oder grün ist. Natürlich ist das ein schwieriger Prozess, und man muss dafür die entsprechenden Fachleute haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Man muss alles auf Rot setzen!)

Man kann nicht ein Rot auf eine Ölflasche kleben, weil sie sehr viel Fett enthält. Sie besteht eben daraus, dabei handelt es sich um ein Fettprodukt.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Boddenberg, das mit dem Zuhören ist doch ernsthaft schwierig.

Meine Damen und Herren, bei allen Hungergefühlen, Frau Kollegin Schott hat das Wort.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Herr Boddenberg hat offensichtlich kein Interesse am Thema!)

Das heißt, die Wenn und Aber wären erledigt, wenn man mit der Nährwertampel den Gehalt von Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz auf der Vorderseite der Verpackung angeben und mit einem farblichen Punkt versieht,

grün für gering, gelb für mittel und rot für hoch. Damit alle Produkte miteinander vergleichbar sind, müssen die Angaben sich natürlich einheitlich auf 100 g oder 100 ml beziehen. So können Verbraucherinnen und Verbraucher auf den ersten Blick erkennen, was darin steckt, und Schummelwerbung umgehen.

Der Landesregierung ist es auch zu kompliziert, Regelungen zu fordern, die verhindern, dass die Information in 1,2 mm Größe in hellblau auf mittelblau oder in rot auf grün gedruckt werden dürfen. Es liegt dann also beim Verbraucher, Klagen gegen solche Etiketten zu führen; denn die Regelung besagt, die Information solle deutlich lesbar sein. Wer jetzt definiert, was deutlich lesbar sein soll, finde ich ebenso kompliziert wie den Hinweis der Landesregierung auf die übergroße Vielzahl von möglichen Farb- und Kontrastinformation. Eindeutigkeit würde zur Klarheit führen.

Es wird sich wohl kaum etwas daran ändern, dass die Lebensmittelindustrie alles tut, um ihre Dickmacher und Geschmackszusätze weiterhin kleinzurechnen und in bunter Werbung zu verstecken. Ein Kindermilchdrink, der mehr Zucker enthält als die gleiche Menge Cola, Vitalmüsli, das zu großen Teilen aus Zucker und Fett besteht, Fertiggerichte mit mehr Salz als täglich empfohlen bleiben in den Lebensmittelregalen und werden auch nicht als das identifiziert, was sie sind: ungesund. – Die Werbung auf den Produkten vermittelt etwas ganz anderes.

Es geht doch nicht darum, irgendjemandem vorzuschreiben, was er kaufen soll und was er nicht kaufen soll. Es kann doch jeder nach wie vor das Ding mit dem roten Punkt kaufen. Es ist doch einem jeden Kunden überlassen, ob er dazu neigt, heute zu sagen: Ich will das essen, ob es meiner Gesundheit zuträglich ist oder nicht. – Hören Sie von daher bitte mit DDR-Geschwätz auf. Es passt einfach in keiner Weise. Der mündige Bürger ist auch in der Lage, zu entscheiden, ob er sich heute ein Stück Sahnetorte gönnt, auch wenn er es lieber nicht tun sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit unserer Landesregierung ist das an dieser Stelle genauso wie mit vielen anderen Punkten: Sie sieht einfach keinen Handlungsbedarf. Abwarten, evaluieren, aussitzen.

Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Europa ist übergewichtig. Jedes fünfte Schulkind ist zu dick. Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen können die Folge sein. Wir sollten also wissen, was wir essen, ohne dass der Einkauf zur Wissenschaft wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Frau Abg. Feldmayer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Alles nur wegen des roten Punkts!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir GRÜNE wollen gesunde, bezahlbare und vor allen Dingen gut schmeckende Lebensmittel für die Menschen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dass Essen in erster Linie gut schmecken sollte, das kommt mir bei diesen Diskussionen immer etwas zu kurz. Deswegen möchte ich das so kurz vor der Mittagspause auch noch einmal betonen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Michael Boddenberg (CDU): Das ist lebensnotwendig!)

Wir haben in Hessen bereits grundlegende Initiativen auf den Weg gebracht, um das, was wir in Hessen an Lebensmitteln herstellen, auch gut voranzutreiben. Ich erinnere an den Ökoaktionsplan der Landesregierung, für den Ministerin Hinz sich sehr starkgemacht hat. Ebenso erinnere ich an den Beitritt Hessens zu den gentechnikfreien Regionen. Und ich möchte an das von Hessen eingebrachte Programm Agrarumwelt- und Landschaftspflegemaßnahmen mit dem schönen Namen HALM erinnern. In Hessen legen wir wirklich gute Grundlagen für gute Lebensmittel. Damit sind wir hervorragend aufgestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Natürlich muss auch bei dem, was in Geschäften an Nahrung zur Auswahl steht, ob es nun in Hessen hergestellt ist, in einem anderen Bundesland oder sonst wo in der EU, erkennbar sein, dass eine Kaufentscheidung der Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe mit dem Hersteller erfolgen kann.

Dafür schafft die neue Lebensmittelinformationsverordnung immerhin eine gute Verbesserung. Das ist in unseren Augen nicht unbedingt an allen Stellen das Nonplusultra, aber das zeigt auch die Antwort der Landesregierung, bei der ich mich an dieser Stelle für die ausführliche Beantwortung bedanken möchte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Florian Rentsch (FDP): So steht es auch auf dem Zettel!)

Was sich Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen, beantwortet eine Studie der Deutschen LandwirtschaftsGesellschaft zur Lebensmittelkennzeichnung sehr gut, wie ich finde. Diese Studie zeigt, dass sich Konsumenten vor allem eine transparente Kennzeichnung auf Lebensmitteln und auch geschulte Verkäuferinnen und Verkäufer wünschen – in dieser Debatte wurde noch nicht erwähnt, dass es auch gut geschultes Verkaufspersonal gibt, an das man sich wenden kann. Am schlechtesten fühlen sie sich über Allergene informiert. Verbraucher befürchten, dass bei der Kennzeichnung getäuscht wird, und begrüßen daher auch die EU-weit einheitlichen Vorschriften.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie im Überblick. Die Verpackung ist die wichtigste Informationsquelle für ungefähr zwei Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie halten es für nützlich, dass die Verpackung hierzu transparent Auskunft gibt. Knapp die Hälfte der Befragten, ungefähr 48 %, glaubt aber, dass bei der Lebensmittelkennzeichnung getäuscht wird. Über das Mindesthaltbarkeitsdatum und die Marke fühlen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Verpackungsangaben am besten informiert, über Allergene und Geschmack, wie schon gesagt, am schlechtesten. – So viel zu der Studie.

Wenn enthaltene Zutaten auf der Verpackung nur mit der Lupe zu lesen sind, ist die von den Menschen gewünschte Transparenz eben nicht gegeben. Wenn Menschen mit Allergien zu allergieauslösenden Substanzen keine oder nur unzureichend kenntlich gemachte Hinweise auf der Verpackung finden, ist dies nicht der Fall. Wenn Mogelschinken – es wurde schon angesprochen – oder gar Analogkäse den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit unzureichenden Informationen untergejubelt wird, so ist dies eine Irreführung, bei der von staatlicher Seite aus eingegriffen werden muss.

Wir GRÜNE begrüßen es daher, dass die seit Dezember 2014 geltende Lebensmittelinformationsverordnung eine Verbesserung für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist, wenngleich noch nicht zu unserer gänzlichen Zufriedenheit. Aber es sind doch einige Schritte gemacht.

Ich möchte noch einmal auf die Forderung von Frau Löber reagieren, die die Landesregierung aufgefordert hat, hier aktiv zu werden. Hier möchte ich vielleicht noch einmal dezent darauf hinweisen, dass es eine EU-Verordnung ist. Dazu braucht es also Durchführungsverordnungen auf Bundesebene. Die Landesregierung hat gesagt, wo sie aktiv werden will. Wir können von Hessen aus nicht alles regeln, was Sie oder auch wir national oder auf EU-Ebene gern hätten. Wir versuchen es, und Frau Ministerin Hinz arbeitet hart daran, dies alles umzusetzen. Aber bitte haben Sie Verständnis, dass wir in Hessen sind und eine solche EU-Verordnung nur bedingt beeinflussen können.

Ich möchte noch kurz auf das eingehen, was Frau Kollegin Schott zur Ampelkennzeichnung gesagt hat. Hier muss ich sagen: Lesen fördert die vertiefte Sachkenntnis. Wenn Sie die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung gelesen hätten, hätten Sie vielleicht auch bemerkt, dass die Landesregierung einer Ampelkennzeichnung sehr positiv gegenübersteht. Daher habe ich überhaupt nicht verstanden, was Sie hier kritisieren wollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Angelika Löber (SPD) – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Nicht ausreichend im Sinne der betroffenen Menschen finde ich, dass bei der Kennzeichnung von Allergenen bei loser bzw. unverpackter Ware im Sinne der Vorgaben der Bundesregierung nur eine mündliche Auskunft verpflichtend sein soll und bei Bedarf, auf Anfrage der Menschen, ein Zettel aus der Schublade geholt wird, auf dem steht, welche Allergene in den Produkten enthalten sind. Das ist nicht schön, und Frau Ministerin Hinz erläutert es auch sehr gut in ihrer Antwort, dass Menschen, die sowieso schon durch Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten gesundheitlich eingeschränkt sind, sich quasi im halben Laden durch Nachfragen outen müssen, welche Allergene möglicherweise in dem Produkt enthalten sind. Hier haben wir also noch einen Kritikpunkt. Ich hoffe, dass dies irgendwann noch im Sinne der betroffenen Menschen gelöst werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Noch ein weiterer Punkt. Die Lebensmittelinformationsverordnung ist für uns GRÜNE noch nicht ausreichend gut im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher geregelt; denn eine wachsende Anzahl von Menschen möchte sich, wie wir wissen, pflanzlich oder überwiegend pflanzlich ernähren – sei es aus ethischen, religiösen oder gesundheitli

chen Gründen. Der Vegetarierbund Deutschland schätzt, dass etwa 8 % bis 9 % der Menschen in Deutschland Vegetarier sind. Ein kleinerer Teil ernährt sich komplett vegan. Dazu gibt die neue Verordnung im Moment leider noch nichts her. Veganer und Vegetarier müssen weiterhin mühsam Informationen zusammensuchen, wenn sie den Verzehr von Stoffen vermeiden wollen, die vom Tier stammen. Das bedauern wir.

Wie ich bei meinen Recherchen sehen konnte, ist es auch nicht so einfach, als Vegetarier zu leben: In Käse und anderen Produkte findet sich Gelatine – das würde man wohl nicht unbedingt vermuten –, in einer Gemüsebrühe befindet sich Huhn bzw. Hühnereiweiß. Ich finde, hier gibt es noch etwas Verbesserungsbedarf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich freue mich, dass die Landesregierung dort, wo es noch Verbesserungen geben sollte, auch aktiv wird. Dies geht sehr deutlich aus der Antwort von Frau Ministerin Hinz hervor. Trotzdem möchte ich noch einmal wie zu Beginn meiner Rede sagen: Kennzeichnung und Transparenz sind nicht alles. Es muss kontrolliert werden, und das können und müssen wir in Hessen sehr gut tun, das ist unsere Aufgabe, dass die Verordnung eingehalten wird. Die Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen auch eine entsprechende Beratung und Aufklärung, z. B. hinsichtlich der Frage, was die neue Lebensmittelinformationsverordnung bedeutet, wo man sich informieren kann und welche Rechte man hat. Daher möchte ich an dieser Stelle noch einmal die Neukonzeption der Landesregierung für die Verbraucherberatung lobend erwähnen, die Frau Ministerin Hinz auf den Weg gebracht hat: Das ist genau die Unterstützung, die die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Sache auch brauchen.

Gutes Essen ist natürlich eine Frage des Geschmacks. Aber es kann nicht sein, dass man vor dem Kochen zunächst einen ellenlangen Beipackzettel lesen muss, um die Risiken und Nebenwirkungen des Essens zu erkennen. Wir GRÜNE wollen, dass sich die Menschen auf das verlassen können, was auf den Verpackungen steht, und ihr Essen bedenkenlos und lustvoll genießen können. – In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gleich einen guten Appetit. Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)