Protocol of the Session on September 12, 2018

(Günter Rudolph (SPD): Haben Sie aber nicht!)

Weil die Anträge nicht da waren, das ist ja der Punkt. Vielleicht gab es keine Wünsche, oder die Möglichkeiten waren vor Ort nicht da. Es lag aber nicht an uns; das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Es lag nur an den anderen! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU): Sie sollten mehr genehmigen, als beantragt worden ist!)

Ja, ich gebe zu, das war bisher nicht Bestandteil der Politik, die wir gemacht haben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf den Punkt kommen, der eigentlich im Fokus des Antrags der SPD steht. Wir können uns gerne hinter dem Grundsatz versammeln, dass wir einen weiteren Ausbau der Ganztagsangebote im Einklang mit dem gesellschaftlichen Bedarf befürworten und voranbringen wollen. Wir begrüßen auch die Bemühungen der Bundesregierung, Kommunen und Länder bei der Entwicklung eines solchen bedarfsorientierten Bildungs- und Betreuungsangebots für Kinder im Grundschulalter zu unterstützen. Dazu gehört ausdrücklich die Schaffung und Umsetzung des Rechtsanspruchs. – Ich muss das auch begrüßen, ich habe das selbst mitverhandelt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber – da kommen wir wieder zu den Unterschieden – die Politik, die wir in den letzten fünf Jahren betrieben haben, ebnet doch gerade den Weg dafür, dass wir diesen Rechtsanspruch im Jahr 2025 werden verwirklichen können.

Wir haben den zusätzlichen jährlichen Ressourceneinsatz für den Ausbau der Ganztagsangebote erst verdoppelt und dann verdreifacht. Wir haben heute fast 3.000 Lehrerstellen nur dafür im Einsatz, 42 % davon sind an den Grundschulen. Der Anteil der ganztägig arbeitenden Grundschulen ist in den letzten fünf Jahren von 38 % auf 58 % gestiegen, also um 20 Prozentpunkte. Jetzt können Sie einfach hochrechnen: Wenn wir nur in diesem Tempo weitermachen würden, dann wären wir 2025 rechnerisch schon fast am Ziel.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es geht ja, das unterstreiche ich ausdrücklich, nicht nur um die Quantität. Auch in der Qualität spielt auf diesem Weg unser Pakt für den Nachmittag eine wesentliche Rolle. Durch ihn sind wir in Hessen ein gutes Stück weiter als andere Bundesländer, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie auf etwas hinweisen, was, so glaube ich, draußen etwas weniger bekannt ist. Das Bundesfamilienministerium hat – unter sozialdemokratischer Führung, das ist ja schon ziemlich lange – schon in der letzten Legislaturperiode ein Gutachten bei der Technischen Universität Berlin in Auftrag gegeben, um prüfen zu lassen, wie ein Rechtsanspruch für Grundschulkinder geschaffen und ausgestaltet werden könnte. Im Juni 2017 hat der Kollege Prof. Münder sein Gutachten mit dem Titel „Bedarfsdeckende Förderung und Betreuung für Grundschulkinder durch Schaffung eines Rechtsanspruchs“ vorgelegt. Und was schlägt er darin vor? – An den fünf Schultagen könnte für alle Kinder eine Betreuungs- und Förderungszeit von insgesamt drei Stunden inklusive einer Stunde Betreuung über Mittag einschließlich eines Mittagessens vorgesehen werden, ergänzend zur Unterrichtszeit. Bei Bedarf sei außerdem für einen Teil der Kinder eine darüber hinausgehende Förderung im Umfang von weiteren drei Stunden rechtlich vorzusehen. – Meine Damen und Herren, das ist ziemlich genau das, was wir hier in Hessen mit dem Pakt für den Nachmittag bereits umsetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch dort gibt es in aller Regel ein kurzes und ein langes zeitliches Modul. Es gibt eine Ferienbetreuung. Das wird auch alles von Eltern für ihre Kinder sehr gut angenommen. Im Übrigen schlägt dieser Gutachter, das will ich nur nebenbei bemerken, entsprechend der in den Kitas gängigen Praxis vor, bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs eine pauschalierte Kostenbeteiligung nach dem hier wohl bekannten und schon mehrfach zitierten SGB VIII vorzunehmen. – So viel zum Thema Gebührenpflicht, meine Damen und Herren.

Also, soweit man es aus heutiger Sicht beurteilen kann, sind wir selbst nach Ansicht des sozialdemokratisch geführten Bundesfamilienministeriums mit unserer Politik des Ganztagsausbaus auf einem sehr guten Weg.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Mehr kann man zu dieser Umsetzung aber auch noch nicht vernünftig sagen. Die Prozesse laufen: Wir haben das im Juni in der Kultusministerkonferenz mit der Bundesbildungsministerin erörtert, die Jugend- und Familienministerkonferenz hatte es im Mai zum Thema, und am 25. September 2018, in etwa zwei Wochen, wird zum ersten Mal die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu ganztägigen Bildungsund Betreuungsangeboten für Kinder im Grundschulalter zusammentreten.

Aber da gibt es noch eine ganze Reihe von Fragen: Wofür genau werden die Investitionen des Bundes zur Verfügung stehen? Wie werden sie abgewickelt? Wer nimmt die Verteilung vor? Orientiert man sich an dem ehemaligen Bundesprogramm von 2004 bis 2009? Und vieles mehr. – Natürlich ist die politische Grundsatzentscheidung das Primäre. Aber auch über die Technik muss man einmal reden, bevor man in die Umsetzung einsteigen kann. Es macht keinen Sinn, dass wir jetzt irgendwelche konkreten Planungen im luftleeren Raum machen, und nachher wird in den anderen 15 Ländern, die auch noch mitzureden haben, und mit dem Bund möglicherweise etwas ganz anderes verabredet.

Außerdem, das will ich nur ganz nebenbei bemerken, brauchen wir dafür auch noch eine Grundgesetzänderung, aber nicht eine Abschaffung des gar nicht existierenden Kooperationsverbots, wie es dieser Antrag fordert, sondern einfach nur die, die im Koalitionsvertrag in Berlin verabredet ist. Das wird auch noch schwer genug, aber das wird nicht an Hessen scheitern.

Mit Blick auf die Zeit spare ich mir die Hinweise auf unsere diversen Kommunalinvestitionsprogramme, mit denen wir die Schulträger schon in dieser Legislaturperiode in nie gesehener Weise unterstützt haben und die, das kann man überall sehen, mittlerweile ihre Früchte tragen; denn da versteht es sich ja von selbst, dass die Opposition nach dem bewährten Muster verfährt: „Darf es noch ein bisschen mehr sein?“

Ich stelle daher nur abschließend fest: Wir sind im Grundsatz gar nicht so weit auseinander, aber wir haben eben auch schon viel getan. Wir sind auf einem guten Weg schon gut vorangekommen, und wir wollen und werden ihn weitergehen. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Wahl: Vertrauen sie denen, die in der Vergangenheit gezeigt haben, wie man auf einem solchen Weg gut vorankommt, oder glauben sie irgendwelchen vagen Versprechungen, nach denen alles noch viel besser sein könnte? Der 28. Oktober wird es zeigen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat der Abg. Christoph Degen, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kultusminister, ich wüsste nicht, warum die Menschen in Hessen, wenn es in 19 Jahren CDU-Regierung nicht geklappt hat, jetzt darauf vertrauen sollten, dass Sie endlich mit echten Ganztagsschulen in Hessen vorankommen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich kann verstehen, dass die schwarz-grüne Mehrheit angesichts ihres drohenden Machtverlusts versucht, die Sozialdemokratie, vor deren Wiedererstarken der Ministerpräsident ja warnt, zu vereinnahmen und als Kronzeugen für ihre falsche Politik zu missbrauchen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Aber Sie machen zwei entscheidende Fehler. Der erste ist: Mea culpa, ich gebe zu, unser Ziel, das kann ich hier richtigstellen, sind 50 echte Ganztagsschulen pro Jahr. Vor fünf Jahren waren es noch 100, das gebe ich zu. Wir haben unser Ziel reduziert, und ich sage Ihnen auch, weshalb: Weil Sie, die schwarz-grüne Mehrheit und Regierung, es versäumt haben, ausreichend Lehrkräfte für unsere Schulen auszubilden, und weil der Lehrermangel so massiv ist, dass wir in unseren Ambitionen gar nicht so vorankommen, wie wir wollen. – Das ist das eine.

(Beifall bei der SPD – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das andere ist: Herr Kollege Wagner, wenn wir von echten Ganztagsschulen reden – echte Ganztagsschulen heißt gebunden oder teilgebunden, weil nur in dieser teilgebundenen Form echte Chancengleichheit gewährt werden kann, weil nur dort durch die Rhythmisierung neue Möglichkeiten bestehen, Schule einfach gut zu machen, eine neue Lernkultur zu verankern –, wollen wir, dass diese Schulen, gerade auch Grundschulen, bis 14:30 Uhr gebunden und teilgebunden arbeiten können, um diese neuen pädagogischen Möglichkeiten zu nutzen. Was Sie gemacht haben, ist, Betreuung anzubieten, weil Ihr Koalitionspartner sich weigert, irgendetwas voranzubringen, was in Richtung teilgebunden oder gebunden geht. Ich weiß, Sie sehen das persönlich anders, Herr Wagner, aber wir wollen – das haben wir schon deutlich gemacht – sieben Zeitstunden am Tag gebunden und teilgebunden ermöglichen, und dann kommen wir da auch voran.

Ein letzter Punkt zu den Anträgen. Es werden doch deswegen keine Anträge gestellt und auch die Schulträger können gar nicht alle Anträge von Schulen weitergeben, weil die baulichen Voraussetzungen fehlen. Da müssen wir doch feststellen: Wenn wir als Land sagen, mit der Ganztagsbeschulung vorangehen zu wollen, müssen wir doch auch als Land die Kommunen und die Schulträger unterstützen, hier die baulichen Voraussetzungen zu haben. So, wie es Gerhard Schröder schon mit seinem Ganztagsprogramm im Bund gemacht hat, müssen wir hier weiter vorangehen. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Wagner, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was man schwarz auf weiß hat, darüber muss man nicht streiten. Ich habe mir den „Hessenplan +“ von Thorsten Schäfer-Gümbel, Landes- und Fraktionsvorsitzender der hessischen SPD und Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl, aufgerufen.

(Günter Rudolph (SPD): Stimmt alles!)

Dort heißt es auf Seite 13:

Wir bauen echte Ganztagsschulen massiv aus. 50 neue Ganztagsschulen in den nächsten fünf Jahren.

Das ist eindeutig, Herr Kollege Degen – 50 Schulen in fünf Jahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

50 Schulen in fünf Jahren, und nicht 50 Schulen pro Jahr – hier steht es schwarz auf weiß drin.

(Zurufe)

An dem „Hessenplan +“ wurde lange und intensiv gearbeitet, es hat auch lange gedauert, bis er veröffentlicht wurde.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Deshalb ist es mit Sicherheit kein redaktioneller Fehler, sondern Sie meinen es genau so, wie es Ihr Spitzenkandidat in seinem „Hessenplan +“ niedergelegt hat, Herr Kollege Degen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ihr zweiter Redebeitrag hat es nicht besser gemacht. Sie wollten mit diesem Antrag rechtzeitig vor der Wahl die vollmundigen Versprechen aus den letzten fünf Jahren korrigieren. Sie hatten die Hoffnung, es merkt keiner – aber wir haben es gemerkt, Herr Kollege Degen, wir haben es gemerkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie haben wenige Tage vor der Wahl entdeckt, dass die Forderungen der Sozialdemokratie, die sich auf mittlerweile – über alle Themenbereiche – fast 4 Milliarden € summiert haben,

(Zuruf von der SPD: Jetzt geht das schon wieder los!)

nicht finanzierbar sind. Deshalb wollten Sie kurz vor der Wahl etwas Schriftliches hinterlegen, dass Sie es gar nicht so meinen. Das haben wir aber gemerkt, Herr Kollege Degen: Sie meinen es nicht so mit dem, was Sie die letzten fünf Jahre zum Thema gebundene Ganztagsschulen erzählt haben. Da sollen es jetzt 50 in fünf Jahren sein, und da hat der Kultusminister völlig zu Recht darauf hingewiesen, das

sei völlig unambitioniert angesichts des Ausbautempos, das diese Koalition bislang vorgegeben hat.

Sie wollten, weil Ihnen das an Kurskorrektur nicht reicht, gleich noch mit korrigieren, was Sie für die Grundschulen vorhaben. Sie haben über fünf Jahre das Konzept dieser Koalition für den Pakt für den Nachmittag kritisiert, um jetzt, wenige Tage vor der Wahl, zu erklären, Sie wollten es so machen wie im Bund. Sie hatten die Hoffnung, wenn Sie auf den Bund verweisen, schaut keiner so genau hin, was der Bund eigentlich machen will.