Protocol of the Session on September 12, 2018

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Berichterstatter ist unser Kollege Norbert Schmitt. Bitte sehr, du hast das Wort zur Berichterstattung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Landesschuldenausschuss hat in seiner 63. Sitzung am 21. August 2018 die Verwaltung der Schulden des Landes Hessen und die Führung des Landesschuldbuches im Haushaltsjahr 2016 geprüft.

Seinen Erörterungen lag der Bericht des Vorsitzenden an den Ausschuss vom 4. Juli 2018, der 66. Schuldenbericht, über die Prüfung des Schuldenstandes zum 31. Dezember des Jahres 2016 sowie der Verwaltung der Landesschuld im Haushaltsjahr 2016 zugrunde.

Das Ergebnis seiner Prüfung für das Haushaltsjahr 2016 fasst der Landesschuldenausschuss wie folgt zusammen:

Die Prüfung der Führung des Landesschuldbuches ergab keine Beanstandungen.

Tilgungen und Zinszahlungen wurden zeitgerecht und vollständig geleistet.

Sämtliche Grenzen für die Kreditaufnahmen, Kassenkredite, die Übernahmen von Eventualverbindlichkeiten sowie der Rahmen für Derivatvereinbarungen wurden eingehalten.

Es wird empfohlen, das Meldeverfahren zur Schuldenstatistik des Statistischen Bundesamtes im Zusammenwirken mit dem Bund, den Ländern sowie den Statistikbehörden kritisch zu überprüfen.

Die Pro-Kopf-Verschuldung sank 2016 zwar von 6.955 € auf 6.824 € je Einwohner. In der Rangfolge der Pro-KopfVerschuldung der Flächenländer fiel Hessen jedoch im zweiten Jahr in Folge weiter zurück, und zwar vom sechsten auf den siebten Rang.

Der Landesschuldenausschuss berichtet über dieses Ergebnis dem Landtag nach § 8 Abs. 3 des Gesetzes über die Aufnahme und Verwaltung von Schulden des Landes Hessen vom 27. Juni 2012 und beantragt: Der Landtag möge von diesem Bericht Kenntnis nehmen. – So weit mein Bericht.

Ich darf anschließend – ich glaube, im Namen aller Fraktionen – den Dank an den Rechnungshof aussprechen, an Dr. Wallmann, Herrn Müller und allen an dem Landesschuldenbericht aus dem Rechnungshof Mitwirkenden.

Herzlichen Dank. Das ist wichtige Arbeit, die Sie für den Hessischen Landtag leisten.

(Allgemeiner Beifall)

Das war der Bericht. – Jetzt hat Norbert Schmitt für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Rede in zwei Teile gliedern. Der erste Teil betrifft die Schuldensituation Hessens, der zweite Teil die Diskussion um den Derivateeinsatz in Hessen.

Zur Schuldensituation. Der 66. Bericht über die Schulden des Landes weist zum Jahresende 2016 Haushaltsschulden von 43,366 Milliarden € aus. Hinzu kommen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der WIBank in Höhe von 2,5 Milliarden €. Ich habe das genannt. Damit liegt Hessen mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 6.824 € fast 1.000 € über dem Durchschnitt der Flächenländer. Das stellt der Bericht auf Seite 63 fest. Damit steht auch fest: Die CDU hat in ihrer Amtszeit die Schulden in Hessen nahezu verdoppelt. Ende 1998 betrug der Schuldenstand in Hessen 23,7 Milliarden €. Jetzt ist er, wie gesagt, fast verdoppelt worden.

Hinzu kommen Verpflichtungen gegenüber der WIBank. Darüber hinaus wurden in diesem Zeitraum auch Landesimmobilien in Höhe von 2,1 Milliarden € verkauft, um Haushaltslöcher zu stopfen. Die traurige Bilanz der CDU in einem eigentlich wirtschaftsstarken Land lautet damit: Schulden verdoppelt, Vermögen verschleudert und Schulden pro Einwohner deutlich über dem Durchschnitt der Flächenländer.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jan Schalauske (DIE LINKE))

Herr Minister Dr. Schäfer, das ist leider Ihre Abschlussbilanz.

Ich komme nun zum zweiten Teil meiner Rede, nämlich der Frage des Derivateeinsatzes. Die Zeitung „Welt am Sonntag“ hat Ende August berichtet, dass Hessen durch Derivate Millionen verzockt habe. Sie berichtete von nicht mehr rückholbaren Mehrkosten in Höhe von 375 Millionen € durch Derivate, die im Jahre 2013 starteten. Sie verwies auf Buchverluste in der Bilanz des Landes Hessen durch den Derivateeinsatz in Höhe von 3,2 bzw. 4,5 Milliarden €.

Dieser Bericht in der „Welt am Sonntag“ führte zu drei Berichtsanträgen im Haushaltsausschuss mit über 100 Fragen, um den Sachverhalt aufzuklären. Lassen Sie mich nach der ausführlichen Diskussion und den detaillierten Antworten, die der Minister gegeben hat, meine Position wie folgt in zehn Punkten zusammenfassen.

Erstens. Um niedrige Zinsen im Vergleich zu der bisherigen Zinsbelastung zu sichern, kann der Einsatz von Derivaten ein sinnvolles Mittel sein.

Zweitens. Allerdings gibt es bei dem Einsatz von Derivaten sehr unterschiedliche Stellschrauben und Spielarten. Dies betrifft die Laufzeit, aber auch die vertragliche Ausgestaltung von Derivaten.

Drittens. Derivatelaufzeiten von 40 Jahren binden den Haushaltsgesetzgeber und die Regierungen über einen so langen Zeitraum, dass der wirtschaftliche Erfolg oder der wirtschaftliche Misserfolg und die politische Verantwortung dafür so weit in die Ferne gerückt werden, dass eine entsprechende Kontrolle eigentlich nicht mehr möglich ist.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gabriele Faul- haber und Jan Schalauske (DIE LINKE))

Herr Minister, gerade Ihr Verweis auf den Einsatz von Derivaten in rot-grünen Zeiten mit einer damaligen Laufzeit von 28 Jahren, als es am Ende ein Verlustgeschäft gab, hätte bei den jetzt erheblich längeren Laufzeiten von Derivaten eigentlich zur Vorsicht führen müssen.

Viertens. Zahlreiche Derivatverträge sehen eine Kündigungsmöglichkeit der Banken – der Gläubiger – nach zehn Jahren vor. Damit wird das Risiko steigender Zinsen einseitig verlagert, nämlich auf das Land. Gewinner dieser Optionsgeschäfte können eigentlich nur die Banken sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gabriele Faul- haber und Jan Schalauske (DIE LINKE))

Fünftens. Die Behauptung des Ministers, ein solcher Derivateeinsatz sei vergleichbar mit Versicherungen, ist einfach ein falscher Vergleich und eine Irreführung der Öffentlichkeit. Die vom Land eingesetzten Derivate beinhalten Chancen, aber eben auch Risiken. Dass ein anderer Eindruck vermittelt wurde, führte genau zu solchen Veröffentlichungen wie in der „Welt am Sonntag“. Man hat den Eindruck erweckt, es seien null Risiken damit verbunden. Man muss aber auch über die Risiken sprechen.

Sechstens. Es ist schlichtweg falsch, wenn die Landesregierung behauptet, sie habe eine reine Absicherung verfolgt. Bei der Befragung hat sich herausgestellt, dass das Land Hessen auch Optionen – sogenannte Swaptions – ver- und nicht gekauft hat. Es hat damit Stillhalterisiken übernommen. Das hat mit einer reinen Zinssicherung nichts zu tun.

Siebtens. Um eine reine, echte Absicherung gegenüber steigenden Zinsen treffen zu können, hätte es alternative Arten des Derivateeinsatzes gegeben, nämlich sogenannte Caps. Dies wäre ebenfalls mit Kosten verbunden gewesen, aber mit einem Anspruch der Absicherung. Meine Damen und Herren, zudem ist fraglich, ob diese Absicherung Kosten in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags verursacht hätte – über den reden wir ja.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist doch nur eine Momentaufnahme!)

Ich komme noch genau zu dem Punkt unter Neuntens.

Achtens. Unrichtig ist auch die Behauptung der Landesregierung, dass die Derivategeschäfte zum Zeitpunkt des Abschlusses bei null starten. Wer das sagt, lässt außer Betracht, dass es eine Marge zugunsten der Bank gibt, die dazu führt, dass das Land Hessen bei jedem Geschäft erst einmal im Minus startet. Es muss erst einmal Gebühren, die sogenannten Bankgebühren – Sie kennen die aus dem Monopoly –, bezahlen.

(Stefan Grüttner (CDU): Aber nur, wenn man über Los geht!)

Das muss auch dargestellt werden.

Neuntens. Jetzt komme ich zu dem Zwischenruf vom Kollegen Dr. Arnold, dass es eine Augenblicksbetrachtung sei, ob diese 375 Millionen € jetzt verloren sind oder nicht. Auf der Folie 35, wo der Minister erläutert, was auch der Rechnungshof dargestellt hat, sind Ungenauigkeiten oder auch Irreführungen enthalten, die nicht korrekt sind.

Die Landesregierung behauptet, dass sich das Ergebnis dieser Betrachtung vom Rechnungshof noch verbessern könnte. Verglichen wurden aber die Konditionen bei Abschluss und die möglichen Konditionen bei Laufzeitbeginn. Bei beiden Zahlen handelt es sich aber um historische Angaben. Diese sind im Nachhinein nicht veränderlich, meine Damen und Herren. Diese Mehrkosten sind an der Stelle nicht mehr ausräumbar, auch wenn ein anderer Eindruck erweckt wird. An dieser Stelle hat die „Welt am Sonntag“ recht – sie hat nicht an allen Stellen recht, das haben wir diskutiert.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gabriele Faul- haber und Jan Schalauske (DIE LINKE))

Zehntens. Der Versuch des Ministers, dem Landesschuldenausschuss den Schwarzen Peter zuzuschieben, war unredlich.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Na, ja, das hat er nicht gemacht!)

Aber dieser Versuch konnte ja durch die Stellungnahme des Rechnungshofs und die Stellungnahmen von Kollegen aller Fraktionen gemeinsam zurückgewiesen werden. Bei keinem einzigen Derivat war der Landesschuldenausschuss im Vorhinein einbezogen. Der Abschluss und auch die näheren Umstände – Optionen, Laufzeiten, Zinshöhe – waren und sind Sache des Ministeriums.

Mein Fazit lautet deshalb: Wer Chancen und Risiken richtig einschätzt und die Öffentlichkeit auch ordentlich darüber aufklärt, ist vor spektakulärer Berichterstattung geschützt. Bei einer spektakulären Berichterstattung und dem Vorwurf, dass hier spekuliert werde, hilft nur eines: über Chancen und Risiken auch die Öffentlichkeit korrekt und sauber aufzuklären.

(Beifall bei der SPD)

Der Grundsatz der Zinssicherung ist akzeptabel und gerechtfertigt. Das habe ich persönlich auch immer mitgetragen. Das Handling, die Ausführung, die Ausgestaltung durch Minister Dr. Schäfer bleiben aber weiterhin Gegenstand beachtlicher Kritik.

(Beifall bei der SPD)

Für diese Ausgestaltung trägt allein Minister Dr. Schäfer die Verantwortung. Wenn man ganz korrekt, ganz genau und möglichst sauber abwägt, was wir lange und ausführlich erörtert haben, und wenn man sich die Antworten des Ministers genau anschaut, dann gilt es nüchtern festzustellen: Das bleibt, Herr Minister. Die Verantwortung dafür, dass lange Laufzeiten abgeschlossen worden sind, dass Verträge mit Banken gemacht worden sind, die sich am Ende einen schlanken Fuß machen können, diese Ausgestaltung, dieses Risiko und diese Verantwortung bleiben bei Ihnen. Das wird Ihnen auch niemand anderes nehmen. Es bleiben am Ende Chancen und Risiken. Die Zinssicherung ist okay; aber mit der öffentlichen Kritik müssen Sie leben. Das gehört auch dazu.

Ich kann künftigen Landesregierungen nur raten: kürzere Laufzeiten und, wie gesagt, bei Vereinbarungen mit den

Banken immer eine gewisse Vorsicht walten lassen. Denn die Banken wollen vor allem verdienen, vor allem auch am Land. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)