Protocol of the Session on September 11, 2018

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die niedrigste Schulabbrecherquote bundesweit; das ist für die einzelnen Menschen gar nicht hoch genug einzuschätzen. Wir haben im Ländervergleich den zweithöchsten Anteil an Hochschulausgaben am Gesamthaushalt in der ganzen Republik.

Meine Damen und Herren, das sind Beispiele, aber das sind eindrucksvolle und nachweisbare Erfolge unserer Arbeit, und die können sich sehen lassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen deshalb an diesem Weg festhalten; denn jede Investition in die Bildung ist eine gute Investition in die Zukunft unseres Landes.

Aber es geht nicht nur um die Bildung. Wir haben Rekordinvestitionen in den Straßenbau, den Schienenverkehr und den öffentlichen Personennahverkehr vorgenommen. Wir haben den Flughafen gestärkt. Wir arbeiten mit aller Gewalt und mit großer Intensität daran, dass die Belastungen der Anrainer gesenkt werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Mit aller Gewalt?)

Wir denken global und handeln lokal. Vielleicht ist es nicht jedem aufgefallen: Noch nie wurden in Hessen so viele klimaschonende Verkehrsmittel gefördert und noch nie wurde in diesem Bereich so viel investiert wie in den letzten Jahren.

Ein Beispiel steht dabei für viele. Unsere Entscheidung, Schülern und Auszubildenden in diesem Land für 1 € am Tag die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs im ganzen Land zu ermöglichen, ist wirklich herausragend. Sie nützt vielen Familien finanziell sehr deutlich und ist ein Beitrag zum Klimaschutz. Dies ist eine modellhafte erfolgreiche Politik.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben früher als andere auch daran gedacht, nicht nur die Ballungszentren, sondern auch den ländlichen Raum zu

stärken. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Hessen muss immer unser Ziel sein. Deshalb unterstützen wir mit einer Vielzahl von höchst erfolgreichen Maßnahmen und Investitionen im Rahmen unserer Offensive „Land hat Zukunft – Heimat Hessen“ bewusst den ländlichen Raum. Wir wollen nicht nur die Metropolen oder den ländlichen Raum; beides macht Hessen und seine Unverwechselbarkeit aus. Indem wir uns um beides kümmern, machen wir dieses Land lebenswert und halten die Gesellschaft zusammen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Niemand wird sich aber in einem Land wohlfühlen, das nicht sicher ist. Dort sinkt die Lebensqualität. Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist gefährdet, wenn die Kriminalität hoch ist und der Staat den Bürger nicht schützen kann. Um diesem Sicherheitsanspruch der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden, genießt die innere Sicherheit in unserer Politik eine besondere Priorität. Und, meine Damen und Herren, diese Politik ist erfolgreich.

Gerade wenn viele Menschen Zweifel haben: Sprechen wir darüber. Hessen ist eines der sichersten Länder der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben so viele Polizistinnen und Polizisten wie noch nie. Die Kriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren. Die Aufklärungsquote befindet sich auf Rekordniveau. Das sind gute Botschaften für die Menschen, auch und gerade für diejenigen, die zweifeln. Denen sagen wir: Die Fakten sprechen für ein lebenswertes Hessen und ein Land, in dem man gut – nicht nur heute, sondern auch in Zukunft – leben kann.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Erfolge gründen sich natürlich auf der Ausstattung und der Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten, der Offensive für die Justiz, aber auch auf der Verstärkung für den Verfassungsschutz.

Besonders wichtig war und ist es uns – ich glaube, das können wir alle gemeinsam nur unterstreichen –, dass Kriminalität, Extremismus- und Terrorismusgefahren schon im Ansatz intensiv bekämpft werden. Deshalb sind die vielfältigen Programme und Anstrengungen zur Prävention nicht etwas, was sozusagen nebenbei geschieht, sondern sie sind ein Kernstück unserer Sicherheitspolitik. Mit diesen Präventionsanstrengungen ist Hessen heute in Deutschland führend.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind wichtige Punkte und wichtige Beispiele, warum die Menschen gerne in Hessen leben.

Eine außergewöhnliche Herausforderung war für uns in Hessen wie für andere die nicht vorhersehbare Flüchtlingskrise. Es ging dabei nicht nur um die Unterbringung, Erfassung und Versorgung der Flüchtlinge. Das haben wir gut gemeistert, nicht zuletzt deshalb, weil sich viele Ehrenamtliche in diesem Land großartig eingebracht haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es ging von Anfang an um mehr. Es ging darum und muss darum gehen, den Zusammenhalt in diesem Land nicht zu gefährden. Wir haben von

Beginn an im Blick gehabt, dass die Gesellschaft beieinanderbleiben muss. Deshalb haben wir – man kann es nicht oft genug betonen – bereits im November 2015 unseren Aktionsplan und alle folgenden Pläne mit einer wegweisenden Überschrift versehen. Diese Überschrift lautete: Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Meine Damen und Herren, diese Funktion, diese klare Beschreibung dessen, dass beides zusammengehört, das hat es so nur bei uns in Hessen gegeben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir darauf geachtet, dass die Änderungen und Investitionen, die wir bisher für die Bewältigung dieser Herausforderungen vorgenommen haben, möglichst vielen Bürgerinnen und Bürger zugutekommen. Unser Ziel war und ist es, die Integration der Flüchtlinge zu fördern, damit sie durch Sprache, Schule und Ausbildung möglichst schnell ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können. Zugleich galt es sicherzustellen, dass diese Anstrengungen nicht zulasten all der Menschen gehen, die schon immer in diesem Land gelebt haben.

Wir können nun nach den ersten Jahren und intensiven Anstrengungen feststellen, dass uns vieles gelungen ist. Tausende Flüchtlinge haben inzwischen Deutsch gelernt, absolvieren eine Ausbildung und wurden in den Arbeitsmarkt vermittelt. Wenn die Bundesagentur für Arbeit jüngst feststellt, dass es uns in Hessen gelungen ist, rund ein Drittel der Arbeit suchenden Flüchtlinge und Migranten in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln, ist dies ein großer Erfolg, der uns anspornt, diesen Weg weiterzugehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht minder wichtig ist der Umstand, dass wir trotz all dieser Anstrengungen, die wir für die Flüchtlinge und Migranten unternommen haben, die Leistungen für die einheimische Bevölkerung nicht nur auf hohem Niveau gehalten, sondern in einer ganzen Reihe von Fällen sogar noch gesteigert haben. Wir wissen sehr genau, dass es noch erheblicher Anstrengungen von uns, aber auch der Zugewanderten bedarf. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber wir suchen nicht Probleme, sondern Lösungen, und wir sind dabei erfolgreich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein nüchterner Blick auf die Herausforderungen, entschlossenes Handeln und konsequente Arbeit an der Lösung der Probleme kennzeichnen die Arbeit dieser schwarz-grünen Landesregierung. Wir überwinden dabei Gräben und arbeiten gesellschaftlich zusammen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch heute den Sozialdemokraten im Hessischen Landtag für ihre konstruktive Unterstützung bei der Bewältigung dieser Arbeit danken. Bei allem politischen Meinungsstreit sind wir so in der Lage, auch große und größte Herausforderungen Stück für Stück zu bewältigen und vor allem die Gesellschaft zusammenzuhalten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Hessen ist also ein erfolgreiches und starkes Land, und dies lässt sich mit Fakten belegen. Diese unbestreitbaren Erfolge dürfen uns aber nicht blind machen dafür, dass sich bei vielen Bürgern eine deutliche Verunsicherung ausbreitet. Verlustängste, Ängste um die eigene Zukunft, Sorge um die kulturelle Identität unseres Landes, Zweifel am Funktionieren des Rechtsstaates bis hin zur offenen Ablehnung unserer demokratischen Grundwerte nehmen zu. Die Anforderungen im Beruf werden immer höher. Der technische Wandel wird immer rapider. Der Zwang zu immer größerer Flexibilität und Mobilität nimmt zu. Das Gefühl der Überforderung wächst. Die gesellschaftlichen Milieus lösen sich zunehmend auf. Die Bindungskräfte von Parteien, Kirchen und Gewerkschaften schwinden. Nicht wenige Menschen fühlen sich angesichts dieses Wandels überfordert und gelegentlich auch heimatlos. Viele Menschen suchen deshalb nach Neuorientierung und Halt. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, diese Orientierung können und müssen wir geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zunächst einmal, indem wir den Menschen zuhören, die Probleme nicht ausblenden oder verniedlichen und indem wir den Menschen auch zeigen, wie wir die Probleme lösen können. Meine Erfahrung ist, dass die Bürger durchaus verstehen, dass vieles nicht einfach ist und manches nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Aber der Kompass muss stimmen.

Was sie nicht verstehen und was sie auch nicht akzeptieren mögen, ist, wenn sie mit ihren Sorgen nicht ernst genommen werden oder wenn sie alle unterschiedslos, z. B. wenn sie die Flüchtlingspolitik für falsch halten, in der Öffentlichkeit zu Rechtsextremisten abgestempelt werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer macht das denn?)

Wie in einem Brennglas sind diese Entwicklungen nach dem schrecklichen Verbrechen in Chemnitz deutlich geworden. In Chemnitz, aber auch an anderen Orten, drücken Menschen Sorgen und Nöte aus, die wir nicht ignorieren dürfen. Das mag nicht immer rational sein, das mag nicht immer gerechtfertigt sein, und es mag auch nicht jedem passen, was da artikuliert wird. Manchmal ist es sogar nur schwer zu ertragen. Umgekehrt gilt aber auch: Nicht jeder, der seinen Unmut kundtut, ist ein Rechtsextremer. Nicht jeder, der Kritik, Ängste und Sorgen zum Ausdruck bringt, ist ein Nazi. Es braucht deshalb eine klare Trennung zwischen denen, die auf Krawall, Hass und Gewalt aus sind, und jenen, die ihre Sorgen und Anliegen friedlich auch auf der Straße deutlich machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch in Chemnitz sind viele auf die Straße gegangen, die ein selbstverständliches Recht der freiheitlichen Demokratie in Anspruch nehmen, nämlich das Demonstrationsrecht. Wer diese Bürgerinnen und Bürger pauschal verunglimpft, verhält sich nicht besser als jene, die pauschal alle Andersdenkenden oder Migranten in diesem Land verurteilen. Das Mindeste, was die Menschen von uns, gerade von uns, erwarten können und auch erwarten müssen, ist, dass wir differenziert auf ihre Lebenssituationen blicken.

Es geht aber nicht nur um Chemnitz. Meine Damen und Herren, Extremismus, Antisemitismus, Menschenverach

tung, das gibt es auch anderswo. Das gibt es auch bei uns. Ein Blick in die sozialen Medien genügt, um zu erkennen, dass die Hemmschwellen zunehmend gefallen sind und der gesellschaftliche Zusammenhalt bedroht ist.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Deshalb braucht es Orientierung und klare Antworten. Es braucht eine klare Grenzziehung zwischen engagiertem Protest, deutlichem politischen Meinungsstreit auf der einen Seite und Ausgrenzung, Aufstachelung zum Hass und der bewusste Vermischung und dem Verwischen der Grenzen zum Extremismus auf der anderen Seite. Diese Grenzziehung ist entscheidend.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt in alle Richtungen. In diesen Tagen muss dies besonders in Richtung einer Partei gelten, die genau diese Grenzziehung immer wieder bewusst missachtet. Sie nennt sich die Alternative für Deutschland. Ich nenne sie nach meiner festen Überzeugung: Gefahr für Deutschland.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Rechtspopulisten und Rechtsradikale leben von der Provokation. Das Internet ist ein idealer Wirt zur Verbreitung dieses rechten Bazillus. Wenn wir über jedes Stöckchen springen, das uns hingehalten wird, machen wir manchmal durch unsere Empörung erst das stark, was wir eigentlich bekämpfen wollen. Aber genau darauf zielen doch die dauerhaften Tabubrüche ab, und zwar ein Höchstmaß an Empörung zu generieren und dabei immer knapp unterhalb der Grenze der Strafbarkeit zu bleiben.

Das ist das Muster. Es ist immer das gleiche Muster. Wenn deutlich wird, was im Namen der AfD alles geschieht, kann man dieses Muster sehr klar erkennen. Wenn z. B. in einem Facebook-Eintrag der AfD-Kreistagsfraktion im Hochtaunus, also in unserem Land, zu lesen war – ich zitiere –:

Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt. Darüber sollten die Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt, ist es zu spät!