Protocol of the Session on September 11, 2018

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Banzer hat recht: Wir haben heute schon streitiger diskutiert. Wir werden das wahrscheinlich auch in den nächsten Tagen tun. Trotzdem fängt das Problem des Gesetzentwurfs schon bei der Überschrift an: „Gesetz zur Neuregelung von Sondervermögen zur Sicherung der Versorgungsleistungen“. Wenn man sich den Gesetzentwurf genauer anschaut, wird man feststellen, dass wir nur einen geringen Teil der Versorgungsleistungen, die jährlich anfallen und die als Versorgungsrückstellungen bilanziert werden, tatsächlich aus diesem Sondervermögen leisten können.

Der Rechnungshof hat errechnet – das kann man sogar zitieren –: Bei einem Kapitalstock, der bis 2030 auf 9,2 Milliarden € ansteigen soll, wären jährliche Erträge von maximal 230 bis 350 Millionen € zu erwarten. Diesen stünden Versorgungsbezüge in einer für 2030 prognostizierten Größenordnung von beinahe 4 Milliarden € gegenüber. Wir können also ausschütten.

(Widerspruch des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Kollege Kaufmann schüttelt den Kopf. – Ich habe den Rechnungshof zitiert. Wir haben nach diesen Berechnungen gefragt. Sie sehen eine Schwankungsbreite vor. Die mögliche Rendite am Ende bewegt sich innerhalb dieser Schwankungsbreite der jährliche Erträge in Höhe von 230 bis 350 Millionen €. Auf diese Erträge soll die jährliche Ausschüttung begrenzt werden.

Dann ist prognostiziert worden: 4 Milliarden € ist die Größenordnung der Versorgungsbezüge im Jahr 2030; ich glaube, dass sie unstrittig ist. Dann werden diese Erträge gegenübergestellt. Also kommen wir zu gerade einmal 5 % bis 9 %. Prof. Maurer hat für einen späteren Zeitpunkt sogar 15 % angegeben. Das ist die Höchstquote, die genannt worden ist. Er hat ausgerechnet, dass wir 15 % der jährlichen Versorgungsausgaben ab dem Jahr 2030 aus diesem Fonds leisten können.

Auch wir halten den Fonds für sinnvoll. Am Donnerstag kommen wir zu der entsprechenden Debatte. Man sollte keine zu großen Versprechungen machen – weder in Überschriften noch in öffentlichen Erklärungen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man Geld in eine Rücklage einstellt, um Vorsorge zu treffen, auch künftig Mittel ausschütten zu können, sind Chancen und Risiken – das betone ich hier – nah beisammen.

Ich will nur zwei Punkte nennen. Im Mai gab es eine Stellungnahme: „BaFin warnt vor Schieflage der Pensionskassen“.

(Torsten Warnecke (SPD): Was?)

Etwa ein Drittel der 137 Pensionskassen befinde sich bereits unter strenger Beobachtung. Frank Grund – das ist der Aufseher bei der BaFin – nannte eine konkrete Zahl. Etwa ein Drittel der 137 Pensionskassen in Deutschland befinde sich unter verschärfter Beobachtung, wird der Chefaufseher von der Presseagentur zitiert. – Grund nennt das „Manndeckung“; es gibt also „Manndeckung“ für ein Drittel der Versorgungskassen. Damit will ich sagen: Sie sind privat organisierte Versicherungen; das ist völlig klar.

Ich will damit auch sagen: Chancen und Risiken liegen, wie in anderen Bereichen auch, nah beisammen. Wir kennen die internationale Entwicklung, etwa in den USA, wo Pensionskassen 25 % verloren haben, wo Städte, die sich Pensionskassen angeschlossen haben, erhebliche Probleme haben. Es gibt die Einschätzung, dass 150 bis 200 Pensionskassen in den USA in den nächsten Jahren erhebliche Probleme haben werden.

Ich will dies benennen; denn diese Diskussion werden Sie, wie gesagt, am Donnerstag bei der Debatte um die Derivate führen, da das sehr nah beisammen liegt. Wir als SPD sagen – auch das können Sie zitieren, Herr Minister –: Wir tragen dies mit, weil wir in der Tat die Chance ergreifen wollen, den Haushalt in künftigen Jahren um 5 %, 10 % oder vielleicht bis zu 15 % der Pensionsverpflichtungen zu entlasten. Da sehen wir eine Chance. Es muss, wie gesagt, nicht so kommen.

Am Ende – das ist mein letzter Satz – werden immer nur der Staat, die wirtschaftliche Entwicklung und der wirtschaftliche Wohlstand dafür garantieren, dass diese geleistet werden können. Dasselbe gilt für die Renten und die Pensionsverpflichtungen. Das gehört zu einer solchen Diskussion dazu.

Wir brauchen wirtschaftliche Entwicklung. Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund der mangelhaften Investitionen, ob diese in Hessen gewährleistet ist. Das ist eine andere Frage, die man an anderer Stelle auch diskutieren kann. Aber der zentrale Punkt ist die Frage, wie der Wohlstand erwirtschaftet wird und wie er dauerhaft gesichert ist. Nur eine dauerhafte positive wirtschaftliche Entwicklung, die unter humanen und nachhaltigen Bedingungen erfolgt, wird am Ende sowohl Renten- als auch Pensionskassen und Sondervermögen sichern. – Ich bedanke mich für Ihr Zuhören zu diesem späten Zeitpunkt.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Schmitt. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Müller zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Banzer, Sie haben recht: Es geht in die richtige Richtung. – Deswegen haben wir im Ausschuss dem Gesetzentwurf zugestimmt. Aber es gibt trotz allem einige Kritikpunkte, die man in dieser Debatte durchaus zur Sprache bringen kann.

Wir haben eben gehört, dass von der wirtschaftlichen Entwicklung abhänge, wie das funktioniere. Wir können sagen, dass wir in den fünf bzw. viereinhalb Jahren eine ganz ausgezeichnete Entwicklung bei den Einnahmen im Land Hessen zu verzeichnen haben. Sie planen im Jahr 2019 mit 5 Milliarden € mehr, als Sie noch 2013 zur Verfügung hatten.

Was haben Sie mit dem Geld gemacht? – Sie haben insbesondere zusätzliche Personalstellen geschaffen; dafür rühmen Sie sich. In manchen Kontexten war das richtig, aber das schafft eben auch wieder zusätzliche Belastungen. Das muss man sich auch vor Augen führen.

Jetzt, kurz vor der Landtagswahl, wenn die Jahre, in denen man viel Geld hätte ansparen können, verstrichen sind, bringen Sie einen Gesetzentwurf ein, in dem Sie für die Zukunft festlegen, dass entsprechende Rücklagen angesammelt bzw. verpflichtend zugeführt werden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Anhörung hat gezeigt, dass es nicht reichen wird, wenn wir diese 167 Millionen € in die Rücklage einstellen, weil wir dann die angestrebten 10 % nicht erreichen werden. Das ist aus meiner Sicht deutlich und auch von Herrn Schmitt eben ausgeführt worden. Deswegen hatten wir einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf eingebracht, um dieses Ziel zu erreichen, das wir für richtig halten, da es mit Blick auf die zukünftig höheren Belastungen des Haushalts Vorsorge bedeutet.

Leider ist das abgelehnt worden. In der Konsequenz daraus könnte man auch den Gesetzentwurf ablehnen. Da das aber der richtige Ansatz ist und in die richtige Richtung geht, wäre das sicherlich das falsche Zeichen. Wir müssen Rücklagen aufbauen. Das werden wir mit diesem Weg zumindest im Ansatz tun. Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf heute zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Allerdings wäre es schön gewesen, wenn man bereits in den vergangenen Jahren etwas mehr dafür getan hätte, zumal genug Geld da war. Schließlich haben Sie auch Geld in andere Rücklagen gesteckt. Das ist unstreitig. Insofern hätte man da auch durchaus vorbauen können. Diese fünf Jahre wurden verpasst. Das ist schade. Es wäre schön gewesen, wenn es besser gelaufen wäre. Für die Zukunft müssen wir das aber angehen, und zwar noch intensiver. Das haben wir mit unserem Änderungsantrag deutlich gemacht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Müller. – Für DIE LINKE spricht nun Herr Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In welcher Form das Land Hessen als öffentliches Gemeinwesen, als öffentliche Rechtskörperschaft mit Steuergeld an den Finanzmärkten agiert, welche Rolle das Finanzministerium dabei spielt, das ist in diesen Tagen Gegenstand der öffentlichen Debatte gewesen. Ich finde, das war zu Recht der Fall. Darüber werden wir auch noch im Laufe der Plenarwoche zu reden haben.

Heute geht es nicht um Zinsen. Es geht auch nicht um Zinssicherungsgeschäfte. Vielmehr geht es heute um die Frage, ob das Land Hessen Steuergelder renditeorientiert am Kapitalmarkt anlegen sollte. Schon auf den ersten Blick wird ein Stück weit deutlich, wie kurios dieses Unterfangen ist. Auf der einen Seite hat das Land Hessen Schulden. Auf der anderen Seite nehmen wir Steuergelder, um diese für die Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten am Kapitalmarkt anzulegen.

Jetzt gibt es aber eine Schwierigkeit. Sie verfolgen mit diesem Gesetzentwurf nämlich mehrere Ziele, die sich aus unserer Sicht widersprechen. Sie wollen einerseits sichere und vor allem gewinnbringende Geldanlagen in Millionenund Milliardenhöhe. Andererseits wollen Sie gleichzeitig das Etikett „nachhaltig“ darauf kleben.

Zu diesem Thema – wir haben das auch in der Anhörung und an anderen Stellen diskutiert – ist mir eine Episode aus einem Buch eingefallen, von der ich hier berichten möchte. Ich möchte eine Episode aus dem Buch „Das Känguru-Manifest“ des Autors Marc-Uwe Kling beisteuern.

Der Hauptcharakter, ein Känguru, ein ziemlich subversives, aufmüpfiges Kerlchen, geht in eine Bank und möchte 1 Million anlegen. Das Känguru hat natürlich verstanden, dass Geld nicht arbeitet, sondern am Ende immer noch Menschen arbeiten. So erklärt es dem Bankberater kühl: Ich möchte mein Portfolio, meine Finanzanlagen so haben wie mein Steak. – Der Bankberater sagt verdutzt: Ach so, well done. – Dann sagt das Känguru: Nein, nicht well done. Ich möchte es blutig. – So erklärt das Känguru dem völlig verdatterten Bankberater: je größer die Ausbeutung, umso größer die Rendite.

An dieser Stelle sind wir beim Kernproblem von angeblich nachhaltigen Finanzprodukten. Wirklich nachhaltige Finanzprodukte gibt es nämlich nicht. Das gilt leider auch für die Frage der Versorgungsrücklage. Im Finanzmarktkapitalismus ist und bleibt das Streben nach Profit das oberste

Prinzip. Um den Renditeinteressen von großen und mächtigen Finanzinvestoren gerecht zu werden, werden Unternehmen aufgekauft und zulasten der Beschäftigten restrukturiert, Immobilien aufgekauft, entmietet und in hochpreisige Eigentumswohnungen umgewandelt. Das Ganze nennen die Fachleute dann „Betongold“.

Ich will jetzt gar nicht viel über das zehnte Jahr der Pleite der Lehman-Bank berichten und uns daran erinnern, welche zerstörerische Dynamik diesem Wirtschaftssystem innewohnt.

Fondsmanager wollen uns erklären, man könnte im Rahmen eines solchen Systems sehr gewinnbringend und ganz ohne schlechtes Gewissen anlegen. – Nein, meine Damen und Herren, da sollten wir uns nichts vormachen. Die Strategie, die Sie vorschlagen, ist nicht nachhaltig, sondern das ist Greenwashing und sonst gar nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Das will ich auch belegen. Unsere Fraktion hat vor einiger Zeit die Landesregierung befragt. Die Regierung musste daraufhin einräumen: Hessen ist an Banken beteiligt, die auch an der Finanzierung der sogenannten Dakota-Pipeline mitgewirkt haben. Diese Pipeline gefährdet das Trinkwasser in den USA. Dennoch gelten die beteiligten Banken als nachhaltig. Immerhin flog VW aufgrund des Dieselskandals aus dem Nachhaltigkeitsindex, allerdings nur mit dem unangenehmen Nebeneffekt von Verlusten. Daran soll an dieser Stelle erinnert werden.

In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zu der angeblich so nachhaltigen Investmentstrategie der Versorgungsrücklage heißt es:

Eine „absolut“ weiße Weste wird nicht gefordert, da dies in der Praxis zwangsläufig zum Ausschluss ganzer Wirtschaftszweige führen müsste. Die Unternehmen, in die das Sondervermögen investiert, sind aber im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur gegenüber anderen Akteuren ihrer Branche mindestens überdurchschnittlich aufgestellt.

Aha, „mindestens überdurchschnittlich“. Meine Damen und Herren, ein bisschen blutig ist aber immer noch blutig.

(Beifall bei der LINKEN)

Entweder schraubt man die Kriterien so herauf, dass man mit Steuergeldern an den Finanzmärkten agiert und eine weiße Weste hat, oder aber man hat damit zwangsläufig eine niedrigere Rendite und lässt es besser.

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Geschäfte sogar noch ausgeweitet und zukünftig noch mehr Steuergeld in Aktien und Immobilien gesteckt werden. Für die Fraktion DIE LINKE bleibt es dabei: Uns fehlt das Verständnis dafür. Steuergeld ist nach unserer Auffassung am besten in öffentlichen Investitionen angelegt, aber nicht am Kapitalmarkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist und bleibt nicht zu begreifen, warum in Hessen Schulen marode sind, Lehrerstellen fehlen, die Energiewende ausbleibt und der öffentliche Wohnungsbau seiner Aufgabe nicht gerecht wird, wir aber gleichzeitig mit Millionen- und perspektivisch mit Milliardenbeträgen an den Kapitalmarkt gehen. Ich finde, wir sollten die Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten auf solide Füße stellen. In Deutschland haben wir dafür ein sehr gutes, sinnvolles

und stabiles System, nämlich die gesetzliche Rente. Ich weiß, Schwarz-Grün möchte lieber in die Richtung einer kapitalgedeckten Rentenversicherung. Davon halte ich aber nichts.

Eines der großen Probleme unserer gesetzlichen Rentenversicherung ist, dass leider einige Gruppen ausgenommen sind, darunter auch die Beamtinnen und Beamten. Ich finde, statt die Pensionen der Beamtinnen und Beamten dem Risiko der Kapitalmärkte auszusetzen – das haben die nämlich gar nicht verdient –, sollten wir alle Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Das wird sicherlich nicht von heute auf morgen gehen. Für viele braucht es eine Übergangsregelung. Natürlich darf niemand schlechter gestellt werden. Langfristig profitieren aber alle davon.

Ebenso würden alle davon profitieren, wenn wir öffentliches Geld in öffentliche Investitionen und nicht in den Kapitalmarkt stecken würden.

Eines ist am Ende klar: Die Beamtinnen und Beamten leisten tagtäglich für das Land eine wichtige, eine hervorragende Arbeit. Das Land ist verpflichtet, die Pensionen der Beamtinnen und Beamten zu bezahlen. Das sind Leistungen, die sie sich erworben haben. Um dieses Ziel zu erreichen, bringt der Gang an die Kapitalmärkte nichts; darauf haben die Kollegen von SPD und FDP hingewiesen. Im Gegenteil, ich halte diesen Weg für falsch. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.