Protocol of the Session on April 25, 2018

wir das Grundrecht auf Datenschutz nicht nur durch Rechtsprechung in unsere Entscheidungsfindung mit einfließen lassen wollen, sondern dass wir es in unserer Hessischen Verfassung im Jahr 2018 kodifizieren wollen.

Wenn ich auf die Anhörung zurückkommen darf: Die Anhörung hat wichtige Ergebnisse für uns gebracht. Sie hat nämlich gezeigt, dass die 15 Gesetzentwürfe keine substanziellen, handwerklichen Fehler aufweisen. Das ist auch der sehr guten Vorarbeit und Beratung durch Rechtsexperten geschuldet, die alle Fraktionen als Unterstützung gestellt bekommen haben. Wenn ich an die Schlussabstimmungen der Gesetzentwürfe denke, möchte ich an dieser Stelle auch ausdrücklich den Rechtsexperten aus der Staatskanzlei danken, die uns da intensiv begleitet haben und in den Obleuterunden noch die letzten Hinweise zur Gesetzestechnik gegeben haben.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Daher mein Zwischenfazit: Die 15 Änderungen, die wir hier gemeinsam tragen, sind gute Änderungsvorschläge. Sie werden eine Mehrheit finden, und sie werden unsere Verfassung verbessern, sofern die Bürger sie am Ende annehmen. Mein Dank geht deshalb an alle Beteiligten, die daran mitgewirkt haben – einmal quer durch den Raum an alle Fraktionen. Wir haben es hier geschafft, wie Herr Kollege Dr. Hahn es schon gesagt hat, zusammenzubleiben; denn die Verfassung ist zu wichtig, als dass man sich hier über sie im parteipolitischen Klein-Klein verhaken oder öffentlich darüber entzweien sollte. Ich glaube, das würde auch zu einem Verlust von Akzeptanz bei der anstehenden Volksabstimmung führen.

Zum Ausblick: Wir kommen zur Beratung dieser Frage in vier Wochen erneut zusammen. Wir haben am vergangenen Montag gemeinsam den Abschlussbericht in der letzten Sitzung der Enquetekommission beraten und einstimmig ohne Sondervoten – das gibt es selten in diesen Gremien – verabschiedet. Das zeigt, in welchem guten Geist wir in diesen zwei Jahren zusammengewirkt haben.

Am Montag haben wir die Grundlage dafür gelegt, dass wir in vier Wochen gemeinsam mit der dritten Lesung auch den Abschlussbericht beraten können. Dabei wird Gelegenheit sein, allen im Detail zu danken, die hieran mitgewirkt haben. Dass wir es heute geschafft haben, im Zeitplan zu bleiben, daran hat unsere Berichterstatterin und Vorsitzende des Hauptausschusses Karin Wolff mitgewirkt, die den Prozess von Anfang an so engagiert begleitet hat, dass wir den ehrgeizigen Zeitplan, den wir uns vor zwei Jahren vorgenommen haben, weiterhin einhalten und wirklich auf die Zielgerade einfahren.

Um bei dem Zug zu bleiben, den ich eingangs erwähnte, merke ich an: Die Lokomotive fährt mit voller Kraft weiter. Der Landtag ist dabei, für sich den Zielbahnhof zu erreichen. Das ist aber letztlich nur der Umsteigepunkt auf dem Weg zur Volksabstimmung am 28. Oktober. Wenn wir unsere Arbeit in vier Wochen gemacht haben werden, haben ein halbes Jahr später die Bürger die Wahl. Unsere Aufgabe wird es sein, dann dafür zu werben, dass sich auch die Hessen über das einig werden, dessen wir uns einig sind, und dass alles eine breite Mehrheit erhält.

Wir sind auf einem guten Weg. Der Zeitplan stimmt. Der Inhalt der 15 Gesetzentwürfe, die wir gemeinsam tragen, stimmt. Wenn in vier Wochen alle zustimmen, können wir sagen: Das haben wir in dieser 19. Wahlperiode des Land

tags gemeinsam gut gemacht. Wir haben die Hessische Verfassung ein Stück weit verbessert und modernisiert; die weitere Zeit wird zeigen, wie die praktischen Auswirkungen mit Blick auf Gesetzgeber, Verwaltung und Rechtsprechung sein werden. Wir haben aber unseren Beitrag dazu geleistet.

Es hat mir bisher Freude gemacht, daran mitzuwirken. Ich danke allen Kollegen und den Obleuten. Heute wird ein kleiner weiterer Schritt getan – alles Weitere dann in vier Wochen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist im Hessischen Landtag eigentlich üblich – das sage ich vorab –, Differenzen herauszuarbeiten. Auch bei der Verfassungsreform gab und gibt es Differenzen. Herr Hahn hat eine solche Differenz angesprochen.

Dennoch will ich in den Mittelpunkt meiner Rede die im Konsens erzielten Ergebnisse stellen. Immerhin – das ist betont worden – gibt es 15 Änderungen, die in einem sehr großen Konsens zur Abstimmung stehen. Es war nicht immer einfach, diesen Konsens über die 15 Punkte zu erreichen. Aber entscheidend ist, dass der Konsens gelungen ist. Nunmehr kann die größte Verfassungsänderung in Hessen seit 72 Jahren auf den Weg gebracht werden.

Mit den Änderungen wird sichergestellt – das ist mir und uns besonders wichtig –, dass die Hessische Verfassung für heutige und zukünftige Herausforderungen gewappnet ist. Es lohnt sich, dafür selbstbewusst in der Bevölkerung zu werben, damit den einzelnen Artikeln auch bei der Volksabstimmung, die zusammen mit der Landtagswahl stattfindet, zugestimmt wird.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abge- ordneten der CDU)

In der Enquetekommission herrschte sowohl zwischen den Fraktionen als auch bei der Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Gruppen eine vorbildliche Debattenkultur, die Maßstäbe für demokratisches Ringen um wichtige Inhalte gesetzt hat.

Meine Damen und Herren, Entscheidungen über Verfassungen und damit auch über Verfassungsänderungen sollten nach Ansicht der SPD nie mit knappen Mehrheiten, sondern immer in möglichst großem Konsens getroffen werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese Haltung der SPD zieht sich übrigens seit 1946 durch alle Beratungen über Verfassungsänderungen. Insbesondere 1946 wurde lange gerungen. Am Ende war es der SPD wichtig, dass sie nicht von ihrer Mehrheit mit der KPD Gebrauch gemacht hat, sondern dass sie die CDU eingebun

den hat. Das war ein hartes Ringen, und das waren am Ende harte Verhandlungen, aber es hat sich gelohnt. Man ist zu einem fairen Kompromiss gekommen.

Natürlich atmet die Hessische Verfassung – das will ich allerdings nicht bestreiten – die damaligen Mehrheitsverhältnisse und gibt diese wieder. Sie ist sicherlich sozialdemokratischer orientiert, als sie konservativ geprägt war. Wir sind froh darüber, dass an diesen grundsätzlichen Festlegungen im Wirtschafts- und Sozialteil der Hessischen Verfassung nicht gerüttelt wird.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Hahn, ich muss auf einen Widerspruch in Ihrer Rede zu sprechen kommen. Sie haben so getan, als sei die Verfassung nur ein historisches Dokument. Für uns stellt die Wirtschafts- und Sozialverfassung auch im Lichte des Grundgesetzes weiterhin einen Gestaltungs- und Verfassungsauftrag dar, den Parlament und Regierung zu verwirklichen haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Aber von den die Regierung tragenden Fraktionen – das muss man wirklich sagen – wurde diese gute hessische Tradition, in großem Konsens zu agieren, wieder aufgegriffen. Ich habe dazu in der ersten Lesung schon Stellung genommen und den Akteuren, den Obleuten von CDU und GRÜNEN sowie dem Vorsitzenden der Enquetekommission gedankt. Ich muss das auch in der zweiten Lesung nicht zurücknehmen. Ich hoffe sehr, dass wir bei den letzten Schritten auf dem Weg zur dritten Lesung auch zusammenbleiben. Ich gehe davon aus und bin mir fast sicher.

Meine Damen und Herren, ich will auch etwas zur Willensbildung in der SPD sagen, da mir das wichtig ist. Wir haben uns sehr intensiv vorbereitet, nachdem klar war, dass die Verfassungsreform kommen wird. Im Landesverband wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die natürlich vor allem durch die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen geprägt und getragen wurde. Zahlreiche Änderungsvorschläge, nämlich 24, wurden von uns formuliert. Diese haben wir in die Arbeit der Enquetekommission eingebracht, nachdem sie ausführlich in den Gremien der Partei beraten und von diesen beschlossen wurden.

Aber wir haben uns nicht nur mit unseren eigenen Vorschlägen befasst. Wir haben in einer Klausurtagung mit der Fraktions- und Parteispitze die 248 Änderungsvorschläge der gesellschaftlichen Gruppen wirklich einzeln durchgearbeitet und bewertet; das muss man auch erwähnen. Sie sehen daran, wie sorgfältig wir die Verfassungsänderungen beraten haben. Sie sehen daran auch, wie wichtig Verfassung und Verfassungsänderungen für die SPD in Hessen sind.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung, die Verankerung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie die Einrichtung eines Datenschutzgrundrechtes sind sehr positiv zu werten. Eigentlich ist es ein Skandal, dass wir 72 Jahre nach Inkrafttreten der Hessischen Verfassung und fast 69 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes immer noch um die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau ringen müssen. Wir wollen deshalb mit der Verfassungsänderung noch einmal klarstellen, dass endlich die tatsächliche Gleichstellung

von Frau und Mann im täglichen Leben, in Bildung und Ausbildung, in der Wirtschaft und in der Politik erreicht werden muss. Dieser Gestaltungsauftrag gilt übrigens für uns alle.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der SPD-Fraktion lag außerdem die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung sehr am Herzen. Wir nehmen damit in Hessen eine Vorreiterrolle ein. Darauf können wir sehr stolz sein. Wir wurden deswegen auch von gesellschaftlichen Gruppen, von Betroffenengruppen gelobt, dass wir diesen Weg gehen. Das ist aus meiner Sicht sehr positiv zu bewerten.

Wir knüpfen an die große hessische Tradition „Hessen vorn“ an – auch beim Artikel zur informationellen Selbstbestimmung. Hessen war das erste Land weltweit, das ein Datenschutzgesetz auf den Weg gebracht hat. Wir wissen heute: Die Nutzung von Informationstechnik – Stichwort: Digitalisierung – führt zu neuen Möglichkeiten, aber sie führt auch zu Gefährdungen der Persönlichkeitsrechte. Wir wollen durch die neuen Verfassungsartikel die Chancen nutzen, aber auch die Risiken begrenzen.

Der SPD lag weiterhin die Aufnahme von weiteren Staatszielen am Herzen. Bei der Anhörung im Hauptausschuss gab es eine paradoxe Situation. Einige Verfassungsrechtler fanden weitere Staatsziele nicht so gut und haben den Vorschlag kritisiert. Auf Nachfrage allerdings haben sie ihre Bedenken relativiert. Aber die gesellschaftlichen Gruppen haben uns sehr dafür gelobt, dass wir den Katalog der Staatsziele in der Hessischen Verfassung erweitern wollen. Wir sind uns sicher, dass wir die Bedenken von Staatsrechtlern ausräumen können. Wir sind uns sicher, dass wir mit den neuen Staatszielen den richtigen Weg gehen.

Für uns ist insbesondere sehr positiv, dass mit dem neuen Artikel die Förderung der Infrastruktur als Staatsziel vorgesehen ist. Die Errichtung und der Erhalt der technischen, digitalen und sozialen Infrastruktur und von angemessenem Wohnraum zu bezahlbaren Bedingungen sollen als Staatsauftrag künftig festgehalten werden. Ja, wir reden über infrastrukturelle Daseinsvorsorge, die nicht auf Private verlagert werden kann und darf, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Wir reden von einem Staatsauftrag, der die soziale und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes gewährleistet.

Nun zum Gesetzentwurf der LINKEN, der darauf abzielt, ein Grundrecht auf Wohnen in der Verfassung zu verankern. Dazu muss ich sagen, dass selbst der eigene Gutachter der LINKEN gesagt hat, dass dieser Vorschlag so nicht umgesetzt werden kann. Deswegen wird die SPD dem auch nicht zustimmen.

Kollege Hahn, wir können ihrem Vorschlag zu den Oppositionsrechten auch nicht zustimmen, weil Sie einen wichtigen Teil vergessen haben. Das kommt ja aus der bayerischen Verfassung. Diese Regelung in der bayerischen Verfassung hat aber nicht nur einen Abs. 1, sondern auch einen Abs. 2. Im zweiten Absatz wird bestimmt, dass die Oppositionsfraktionen das Recht auf eine ihrer Stellung entsprechende Mitwirkungsmöglichkeit im Parlament und in der Öffentlichkeit haben. Außerdem haben sie Anspruch

auf eine ihrer Aufgabenerfüllung angemessene Ausstattung.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Die Mehrheitsfraktionen wollen nicht, dass dieser Absatz aufgenommen wird. Deswegen glauben wir, dass das, was Sie hier liefern, nur weiße Salbe auf einem Holzbein ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen eine echte Stärkung der Opposition. Wir wollen kein Feigenblatt liefern.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu dem Teil, den die SPD streitig gestellt hat. Bei allem Konsens gibt es einen großen Wermutstropfen für die SPD. Unsere Vorstellungen zur kostenfreien Bildung von Anfang an sowie zum Verbot von Studiengebühren sind trotz Zustimmung betroffener gesellschaftlicher Gruppen leider nicht Teil des Konsenses. Gerade nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zu Studiengebühren müsste man doch heute klipp und klar sagen, dass man das Verbot von Studiengebühren in der Verfassung verankern muss. Wird das nicht in der Verfassung verankert, reicht eine einfache politische Mehrheit im Landtag, um Studiengebühren wieder einführen zu können. Genau das will die SPD nicht. Insofern wollen wir Vorsorge durch die Verfassung treffen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Die SPD will außerdem, dass Bildung von Anfang an, ab dem ersten Lebensjahr, endlich gebührenfrei ist. Es ist doch gar nicht nachvollziehbar, dass Schule gebührenfrei ist, für den Kindergarten aber bezahlt werden muss. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass für Meisterkurse bezahlt werden muss. Vielmehr müssen wir kostenfreie Bildung von Anfang an bis zum Studienabschluss bzw. bis zum Meisterabschluss erhalten.

Wer sagt, dass Bildung unsere einzige Ressource ist, der muss auch die entsprechenden Ressourcen bereitstellen.

(Beifall bei der SPD)