Protocol of the Session on February 1, 2018

Der Abstand der Kontrollen in den Jahren 2012 bis 2016 könnte nur aus Einzelauswertungen jeder einzelnen überwachten Betriebsstätte ermittelt werden. Dieser Aufwand ist nicht leistbar.

Herr Minister, es ist ja auch nicht meine Absicht, Ihr gesamtes Haus lahmzulegen. Aber was bedeutet das denn? Heißt das, dass man keinen Überblick über die Kontrollabstände hat, weil dazu das notwendige Instrumentarium fehlt? Oder sieht man keine Notwendigkeit, so schnell greifbare Aufzeichnungen zu bekommen? Das ist auch eine Frage der Wirksamkeit von Kontrollen und der ergriffenen Maßnahmen.

Auffällig für uns war auch Ihre Antwort auf einen anderen Fragenkomplex. Wir hatten unter anderem danach gefragt, wie hoch die absolute Zahl und der prozentuale Anteil der Betriebe gemessen an der Gesamtzahl der Betriebe in der Branche ist, die gegen Regeln verstoßen. Sie haben darauf geantwortet

Aus der Anzahl der insgesamt gefundenen Beanstandungen kann weder auf die absolute Zahl der Betriebe mit Beanstandungen noch auf deren Anteil an der Gesamtzahl der Betriebe geschlossen werden.

Des Weiteren hatten wir danach gefragt, welche Betriebe auch jeweils in den einzelnen Brachen in den letzten fünf Jahren auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes kontrolliert wurden. Sie haben geantwortet:

Die Differenzierung nach Rechtsgebieten (hier Ar- beitszeitgesetz) erfolgt im Jahresbericht ohne eine weitere Gliederung nach „Betriebsgrößen“ und nach „Branchen“. Deshalb kann die angefragte Differenzierung nicht vorgenommen werden.

Welchen Schluss sollen wir denn jetzt daraus ziehen, meine Damen und Herren? Dass es keinen genauen Überblick darüber gibt, welche Betriebe im Verhältnis zu anderen besonders auffällig sind? Dass es keinen Überblick darüber gibt, welche Branchen in Hessen bei bestimmten Rechtsverstößen besonders auffällig sind?

Ich will noch ein weiteres Beispiel herausgreifen, das nur unzureichend Aufschluss gibt. Wir haben gefragt:

Wie ist sichergestellt, dass die Vorgaben der Verordnung nunmehr eingehalten werden?

Sie haben geantwortet:

In der Regel werden seitens der Aufsichtsbehörden vom Arbeitgeber schriftliche Bestätigungen der umgesetzten Maßnahmen eingefordert. Ergeben sich weitere Anlässe, werden kostenpflichtige Nachrevisionen durchgeführt.

Heißt das, dass dann noch einmal nachkontrolliert wird, oder gilt das Vertrauen darauf, dass der Betrieb das schon regeln wird? Wie müssen wir uns das in der Praxis vorstellen? – Herr Minister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns das nachher kurz erläutern.

Aus alldem entsteht unter dem Strich der Eindruck, dass zwar im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten überprüft und auch geahndet wird und man sich auch Gedanken macht, wie man dies alles möglichst gut und effizient durchführen kann, dass aber letztlich der genaue Überblick fehlt, was in Hessen in welcher Branche an verschiedenen Verstößen begangen wird. Das ist eher unbefriedigend.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das gilt im Übrigen auch für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Die Zahlen haben Sie uns freundlicherweise ebenfalls übermittelt.

Das alles wundert mich insofern umso mehr, als dass es von Zeit zu Zeit immer wieder aktuelle Studien gibt, die ziemlich genau darlegen, wie hoch die Zahl derer ist, denen weniger als der Mindestlohn gezahlt wird, und zwar in welchen Branchen und ab welcher Betriebsgröße dieser Rechtsverstoß am stärksten vorkommt. Da frage ich mich, warum die das können, das Land das aber nicht kann. Wie machen die das? Woher bekommen sie die Zahlen? Die Zahlen können doch eigentlich nur aus den Ländern kommen. Das ist ein kleines Rätsel für mich. Sie als Fachmann werden uns das nachher sicherlich noch erläutern können.

Apropos Studie: Es gibt eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts. ARD und „Süddeutsche“ haben zu Beginn dieser Woche darüber berichtet. Ich darf die ARD-Nachricht zitieren:

Millionen arbeiten ohne Mindestlohn. Laut einer Studie unterschreiten viele Unternehmen den Mindestlohn. Demnach sind 2,7 Millionen Menschen oder jeder zehnte Arbeitnehmer betroffen. Vor allem Firmen ohne Arbeitnehmervertretung stehen in der Kritik.

Weiter heißt es:

Verstöße vor allem in Kleinbetrieben und bei Minijobs. Verstöße gegen das Mindestlohngesetz kamen der Studie zufolge in Branchen mit vielen Kleinbetrieben und Minijobs besonders häufig vor. So hätten rund 43 % der Beschäftigten in privaten Haushalten weniger als den Mindestlohn bekommen …

Wenn man sich die Studie einmal genauer anschaut, dann stellt man fest, dass die Studie noch viel mehr in die Tiefe geht.

Weil es in den Kontext passt, möchte ich eine weitere Meldung anführen, die von gestern früh stammt. In NordrheinWestfalen hat es eine Großrazzia gegeben. Diese richtete sich gegen ein Netzwerk der Baumafia, das jahrelang in einem Geflecht von 14 Scheinfirmen fingierte Rechnungen ausgestellt hat, um damit die Beschäftigung von Schwarzarbeitern im großen Stil zu verdecken. Im Übrigen ist vor zwei Jahren in Hessen ein Ring von Schwarzarbeitsfirmen aufgeflogen, der jahrelang Steuern und Sozialabgaben in Millionenhöhe hinterzogen haben soll.

Meine Damen und Herren, die Zahlen kennen Sie alle. Der gesamte volkswirtschaftliche Schaden infolge von Schwarzarbeit geht inzwischen in die Milliarden. Ganz zu schweigen davon, was das für die Beschäftigten bedeutet, nämlich prekäre Beschäftigung. Da müssen bei uns in Hessen doch endlich alle Alarmsignale laut ertönen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist für uns völlig klar, dass wir zukünftig ein noch viel stärkeres Augenmerk auf die Einhaltung der Schutzvorschriften und deren Kontrolle richten müssen. Es wird nicht nur Zeit, dass die von der SPD im Bund durchgesetzte Verstärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit endlich kommt. Wir wollen auch von der Landesregierung wissen, ob sie willens ist, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Durchsetzung dieser Vorschriften zu verstärken.

Dabei habe ich auch das Vergabe- und Tariftreuegesetz im Blick. Darauf möchte ich jetzt aber nicht vertieft eingehen; denn diesbezüglich wird unsere Kollegin Elke Barth sicherlich demnächst wieder auf Sie zukommen.

Auch nach dieser Debatte dürfen wir in diesem Bereich nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern hier muss gehandelt werden, und dabei ist auch die Landesregierung in der Pflicht. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abg. BächleScholz für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind uns einig: Schwarzarbeit schadet uns allen. Dabei rede ich nicht nur von dem Schaden, der dem Staat durch entgangene Steuereinnahmen und den Sozialversicherungen durch entgangene Beiträge entsteht. Geschädigte sind auch ganz konkret diejenigen, die schwarzarbeiten. Netto verbleibt ihnen nicht mehr in der Tasche, als wenn sie weiß arbeiten würden; denn ihre Ersparnis an Steuern und Sozialabgaben geben sie meist durch einen niedrigeren Preis an den Auftraggeber weiter. Bei ihnen verbleibt aber aufgrund der nicht gezahlten Sozialabgaben der Mangel an Sozialversicherungsleistungen, wenn es darauf ankommt. Sie erhalten kein Arbeitslosengeld. Sie sind bei einem Unfall nicht versichert. Vor allen Dingen erwerben sie keine Rentenansprüche.

Ähnlich ist es beim Mindestlohn. Seit der Einführung des Mindestlohns steht jedem Beschäftigten in Hessen eine

Bruttoarbeitsvergütung von mindestens 8,50 € pro Stunde zu. Seit Januar 2017 gilt ein Mindestlohn von 8,84 €.

Wir mögen vielleicht darüber streiten, ob es sinnvoll ist, dass ein einheitlicher Mindestlohn in ganz Deutschland angestrebt wird oder ob eventuell Unterschiede in Fläche und in Branchen bestehen müssen. Wir mögen darüber diskutieren, ob es richtig ist, den Mindestlohn durch eine Mindestlohnkommission festsetzen zu lassen, oder ob es nicht besser wäre, dies den Tarifpartnern zu überlassen. Einigkeit besteht aber bei allen Fraktionen des Hauses darin, dass das geltende Gesetz einzuhalten ist.

(Beifall der Abg. Judith Lannert (CDU))

Kein Arbeitnehmer darf, mit welchen Tricks auch immer, um seinen Lohnanspruch gebracht werden. An dieser Tatsache, dass kein Arbeitnehmer um seinen Mindestlohn gebracht werden darf, ändert auch nichts die Diskussion darüber, wie viele Arbeitnehmer auf den Mindestlohn angewiesen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Hinblick auf die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit kann die Anzahl der Betroffenen auf ca. 133.000 Arbeitnehmer geschätzt werden. Dies sind ca. 5 % der Gesamtbeschäftigten. Insoweit kann man im Umkehrschluss deutlich sagen: Für 95 % der Beschäftigten ist der Mindestlohn kein Thema oder eines, das sie nicht direkt betrifft.

Ganz wichtig ist – der Kollege führte es aus –: Bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit und Verstößen gegen die Mindestlohnvorschriften ist sicherlich die Kontrolle der Arbeitsstätten von Bedeutung. Ganz wesentlich kommt es aber auch darauf an, dass die Arbeitnehmer ihre Rechte wahrnehmen. Sehr viele Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer können nur so lange vom Arbeitgeber umgangen werden, solange sich der Arbeitnehmer nicht gegen die Gesetzesverstöße wehrt. Insofern ist es sicherlich Aufgabe des Staates, der Politik und der Tarifpartner, noch stärker Arbeitnehmer zu ermutigen, sich gegen Verstöße zur Wehr zu setzen. Es kann und es darf nicht sein, dass Arbeitnehmer durch nicht bezahlte Überstunden und nicht eingehaltene Arbeitsvorschriften um ihr Einkommen gebracht werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass nicht nur der Arbeitnehmer, der Staat und die Sozialversicherungen geschädigt werden, sondern auch all die Unternehmen, die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Gerade weil sie die Bestimmungen einhalten, bekommen sie manch einen Auftrag vielleicht nicht oder können nicht den Gewinn erwirtschaften, der ihnen zustehen würde, wenn sich alle an die gesetzlichen Vorschriften halten würden.

Nun habe ich mich natürlich gefragt, welchen Fortschritt uns bei diesen Problemen die Große Anfrage der SPD bringen soll. Bei zahlreichen Fragen habe ich mich gewundert, dass sie gestellt worden sind. Sehr wahrscheinlich hätten die Fachkollegen Ihrer Fraktion oder Ihre Referenten Ihnen sofort, spätestens nach einem Blick in das Gesetzbuch oder die Verordnung sagen können, dass die Einhaltung der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes sowie aller weiteren Vorschriften des Arbeitsschutzes von den entsprechenden Dezernaten der Regierungspräsidien kontrolliert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch ein Blick ins Internet hätte ausgereicht. Hätten Sie im Vorfeld Ihrer Anfrage Ihre Referenten gefragt, hätten diese Sie vielleicht sogar darauf hingewiesen, dass für die Fragen der Schwarzarbeit und des Mindestlohns und der hiermit verbundenen Kontrollen die Zuständigkeit nicht in Hessen, sondern beim Bund liegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

So konnten die entsprechenden Fragen nicht vom hessischen Sozialministerium direkt, sondern nur mittels Amtshilfe seitens des Bundesministeriums der Finanzen beantwortet werden.

An der Stelle möchte ich natürlich nicht versäumen, mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesbzw. Bundesverwaltung zu bedanken, die durch ihre Arbeit die Einhaltung der Vorschriften sicherstellen.

Leider konnte ich Ihrer Anfrage aber nicht entnehmen, welchen innovativen Ideen Sie mit dieser Großen Anfrage Raum verschaffen oder auf welchen Missstand Sie in der Landesverwaltung gegebenenfalls hinweisen wollten.

(Zurufe von der LINKEN)

Auch heute konnte ich Ihrem Redebeitrag nichts Derartiges entnehmen. Selbstverständlich können Sie über Schwarzarbeit und Mindestlohn diskutieren und dabei außer Acht lassen, dass hierfür – ich wiederhole es – eine Zuständigkeit des Landes Hessen nicht gegeben ist. Das bringt allerdings wenig, denn es löst die Probleme nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es bleibt das Thema Arbeitsschutz. Selbstverständlich kann man mehr Kontrollen fordern. Aber auch hier gilt: Mehr Kontrolle bringt mehr Bürokratie. Diese kann mit entsprechender krimineller Energie umgangen werden. Wir müssen aber aufpassen, dass wir die anständig arbeitenden Unternehmen – das ist die große Mehrheit der Unternehmen – nicht durch noch mehr Bürokratie erdrücken.

(Zurufe von der SPD)