Zweitens. Wir hatten eigentlich erwartet, dass der Entwurf, der jetzt vorliegt, ein Entwurf der Regierung sein würde. Aber nach den Nachbesserungen, über die heute gesprochen wurde, hat sich die Regierung sicherlich überlegt, dass das, was im Vorfeld erarbeitet wurde, besser den Fraktionen, die die Regierung tragen, zugeschoben wird; denn man darf anschließend nicht schlecht über die Regierung reden.
Meine Damen und Herren, heute Morgen hat Herr Bischof Peter Kohlgraf über Güte und Wohlwollen gesprochen. Güte und Wohlwollen durchziehen diesen Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht. Dagegen durchzieht ihn großes Misstrauen gegenüber der kommunalen Familie. Die kommunale Familie, die nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der deutschen Einheit als Erste vor Ort angepackt hat, wird mit großem Misstrauen überzogen, in der Annahme, dass sie nicht mit Geld umgehen kann und dass sie entsprechende Aufsichten braucht. So muss sie, wenn sie sich nicht richtig verhält, eine Pönale von 50 € pro Einwohner zahlen, und das Rechnungsprüfungsamt, das bisher in der kommunalen Struktur verankert ist, kann sozusagen vonseiten der Regierung instrumentalisiert werden, in diesem Fall als Kommunalaufsicht. Das sind alles Dinge, bei denen man sich fragt: Was bekommen die Kommunen dafür?
Die Kommunen bekommen dafür etwas ganz Plumpes, nach dem sie immer geheischt haben, das ihnen aber verboten wurde: Sie bekommen die Erlaubnis, Kassenkredite in langfristige Kredite umzuwandeln. Das ist das, worum es eigentlich geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es dürfen jetzt Kassenkredite in langfristige Kredite umgewandelt werden. Das war bisher verboten. Das erlaubt die Landesregierung respektive die sie tragende parlamentarische Mehrheit in der Zukunft. Darum geht es.
Darüber hinaus geht es um die Frage – Herr Dr. Hahn hat schon darauf hingewiesen –, wer das wie finanziert. Herr Dr. Arnold, in einem Punkt muss ich Ihnen dezidiert widersprechen: Die 20 Millionen € aus dem KFA, die zukünftig an den Landesausgleichsstock gezahlt werden müssen, sind 20 Millionen € aus dem KFA. Es sind keine originären Landesmittel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben auch schon Jahre erlebt, in denen nur 10 Millionen € im Landesausgleichsstock waren. Das war beispielsweise 2015 so; 50 Millionen € waren es 2012. Wir haben es da also durchaus mit Schwankungen zu tun, wie Sie feststellen, wenn Sie in der eigenen Statistik nachsehen. Jetzt sollen Landesausgleichsstockmittel in Höhe von 20 Millionen € gebunden werden. Das sind KFA-Mittel; sie gehören nach dem neuen KFA also eigentlich den Kommunen. Wer finanziert am Ende die ganze Chose? – Wir Bürgerinnen und Bürger.
Lieber Herr Dr. Arnold, was die vier Stufen betrifft, von denen Sie gesprochen haben: Es gibt noch eine Stufe davor. Das sind die 344 Millionen €, die Sie aus dem Kommunalen Finanzausgleich genommen haben. Damit wurden nach der Antwort der Landesregierung allein in den ersten fünf Jahren mehr als 2 Milliarden € netto Cash von den Kommunen genommen.
Da in dem von Ihnen quer durch die Lande gehaltenen Vortrag auch geschildert wird, wie sich die Entwicklung
der Kommunalfinanzen im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs dargestellt hat, kann man definitiv nachweisen, dass die Mittel, über die ich gerade gesprochen habe, Mittel sind, die eigentlich weiter berechnet werden müssten. Da wir hier immer mit riesigen Summen arbeiten, sage ich: In 30 Jahren werden Sie den Kommunen 12 bis 13 Milliarden € weggenommen haben.
Die zweite Summe hat Kollege Schmitt vor Kurzem nachgerechnet: Die Bürgerinnen und Bürger haben 2016 – ich meine, es war 2016 – über zusätzliche Gebühren und Steuern 610 Millionen € mehr gezahlt als noch wenige Jahre zuvor. Das macht 1 Milliarde €, die den Kommunen genommen wurden oder die Sie zusätzlich bekommen haben. Das ist ein Haufen Holz.
Was macht die Landesregierung? – Die Mitglieder der Landesregierung laufen jetzt durch die Lande und erklären, wie toll die Hessenkasse sei. Wenn Sie sich einmal die eigene Statistik anschauen, sehen Sie, es gibt hier ein ganz faszinierendes Momentum: den sogenannten Schutzschirm. Der Schutzschirm hat 2012 Geltung erlangt. Die Kassenkredite in Höhe von 7,51 Milliarden € sind nicht um die 1,8 Milliarden €, die im Schutzschirm enthalten sind, reduziert worden – das wären nämlich, wenn ich das im Kopf richtig rechne, 5,71 Milliarden € –, sondern sie verharren bei einer Höhe von 6,62 Milliarden €. Das heißt, obwohl man den Kommunen zur Entlastung mehr Geld gegeben hat, haben sie neue Kassenkredite in Höhe von 800 Millionen € aufgenommen. Da muss doch strukturell irgendetwas nicht stimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die machen das doch nicht, um einfach Geld auszugeben. In der Regel sind es auch gesetzliche Vorgaben. Bei allen Bemühungen, die es auf der Bundesebene, insbesondere im sozialen Bereich, gab, den Kommunen mehr Geld zu geben: Das sind Mittel, die im Weiteren durch die Bürgerinnen und Bürger und die 610 Millionen € kompensiert wurden. Aber, lieber Herr Dr. Arnold, eines ist es für das Land Hessen bis heute nicht: ein Minusgeschäft.
Man müsste sicherlich, wenn man die Kommunen nicht ganz so despektierlich einstuft, wie es Herr Dr. Hahn mit Blick auf die Kommunen getan hat, die Kassenkredite aufgenommen haben, auch einmal fragen, warum die Kommunen, die Kassenkredite aufgenommen haben, anschließend nichts von dem Investitionsprogramm haben. Sind das die Kommunen, die am Ende besonders goldig dastehen, sodass man sagt: „Wenn die Kassenkredite weg sind, ist die Sache gelaufen“?
Dieser Spielraum ist aber angesichts der Summe – die wir überhaupt nicht kleinreden wollen –, die so manche Kommune aus diesen investiven Maßnahmen bekommt, relativ begrenzt. Da das etwas Dauerhaftes ist, stellt sich schon die Frage, warum es für Kommunen, die in der Regel dezidiert keine Kassenkredite aufgenommen haben, um inves
Bei denen hapert es am Investieren, und es hapert gleichzeitig an den Kassenkrediten. Da müsste man sich, wenn man das eine und das andere will, schon überlegen, ob man nicht beides machen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zudem hat uns wirklich verwundert, wie Sie mit den kommunalen Mitteln umgehen, über die wir schon gesprochen haben. Die kommunalen Mittel, über die wir hier reden, sind schließlich keine Mittel, die, wie der Kollege Schmitt einmal gesagt hat, irgendwo im Wolkenkuckucksheim verharren, sondern es sind Mittel – die Kommunen sind diejenigen, die die Investitionen tragen –, die jährlich verausgabt werden. Die Kommunen sind da relativ stabil – übrigens das Land nicht so sehr, wie wir in der letzten Sitzung des Unterausschusses erfahren haben. Das Land plant immer große Investitionen, und anschließend klappt das irgendwie nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den Kommunen gehen wir davon aus, dass das klappt. Deshalb sind diese investiven Maßnahmen, von denen Sie selbst gesprochen haben, doch ein Geschenk. Was kein Geschenk ist, ist, dass Sie einen interkommunalen Finanzausgleich erfinden. Man kann darüber reden, dass sich reichere Kommunen an irgendetwas beteiligen sollen. Dass Sie aber nicht sagen, dass die kommunale Familie fast alles von diesem Geld selbst trägt, verwundert uns schon. Das wäre die erste Maßnahme und die erste Stufe, zu sagen: Die kommunale Familie trägt es maßgeblich selbst.
Wir wollen als Landesregierung, dass das auch so ist. Wir setzen dann – von einem Fünftel ist schon gesprochen worden – ein bisschen obendrauf und sagen am Ende: toll. – Wenn Sie das allerdings mit den 400 Millionen €, die wir einmal annehmen, gegenrechnen, werden Sie feststellen, dass da noch 340 Millionen € fehlen. Das Geld sprudelt ja weiter. Dass da keine großen Einbrüche sind, können Sie übrigens an Ihren Statistiken sehen. Die entsprechenden Einnahmen des Landes wachsen und wachsen. Herr Kollege Schmitt hat im Hintergrund dazu gigantische Zahlen. Diese wachsen und wachsen; und damit wächst auch der KFA; und wenn dieser wächst, dann stellt sich noch immer die Frage: Wo sind die 400 Millionen € geblieben?
Sie als CDU haben in Ihrer Zeit, also in 20 Jahren, die Situation deutlich verschlechtert, wie Sie übrigens selbst in diesem Blättchen nachweisen, indem Sie strukturschwache Länder zum Vergleich nehmen; denn normalerweise hat sich Hessen unter sozialdemokratischer Ägide immer an Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg orientiert.
Ja, in der Tat, damals war Hessen vorn. – Damals ging es immer um die Plätze 1, 2 oder 3. Damals wurden wir dafür kritisiert, dass wir nicht auf Platz 1 seien. Von der Opposition, also von der CDU, war damals immer davon die Rede, warum wir nicht auf Platz 1 seien.
Kollege Schmitt hat neulich darauf hingewiesen, dass wir uns jetzt darum streiten, ob wir auf Platz 15, 16 oder 17 sind.
Herr Al-Wazir, jetzt haben Sie zwar dazwischengeredet, aber Sie haben recht. Es gibt aber auch noch den Bund.
Ja, ich komme zum Schluss. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch etwas zur Hessenkasse sagen, was Sie vielleicht überraschen wird. Wir haben uns im Kreistag des Landkreises Hersfeld-Rotenburg damit auch schon beschäftigt. Dazu gab es folgenden Vorschlag, allerdings von der Sozialdemokratie:
Der Kreistag des Landkreises Hersfeld-Rotenburg hält die Übernahme von Altschulden durch das Land Hessen für zwingend erforderlich. Daher begrüßt der Kreistag im Grundsatz die Initiative des Landes Hessen.
Bei der Abstimmung waren die SPD, die GRÜNEN und die FDP dafür. Dagegen waren die CDU und die AfD. Enthaltungen gab es bei der FWG. Wenn wir also diesen Stichwörtern „pro Hessenkasse“ begegnen, dann müssen Sie die CDU einmal abziehen.
Die GRÜNEN wussten gleich, worum es geht, um den Inhalt; und bei der CDU gab es nur Reflexe. Ich hoffe nicht, dass wir die Hessenkasse so behandeln müssen. Ich hoffe, dass wir in den Beratungen zu einem guten Ergebnis kommen. Da die Fraktionen dies eingebracht haben, wird sicherlich mehr Flexibilität da sein als bei einem Regierungsentwurf. – Herzlichen Dank für das Zuhören. Glück auf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf über die sogenannte Hessenkasse möchte die schwarz-grüne Regierungsmehrheit in einer mehrfach durch die Landesregierung im Vorfeld öffentlich zelebrierten Geste vermeintlich großzügig alle Kassenkredite der Kommunen ablösen. Dabei liegt zunächst die Frage nahe, warum die hessischen Kommunen überhaupt Kassenkredite in der Höhe von ursprünglich 6 Milliarden €, so steht es noch in dem Gesetzentwurf, haben.
Seit gestern stehen 5 Milliarden € im Raum. Es stellt sich also die Frage, warum diese Kassenkredite angehäuft worden sind. Zu dem Vorgehen mit der Zahlenkorrektur, das gestern öffentlich bekannt gegeben worden ist, dass also ein ganz anderer Gesetzentwurf eingereicht worden ist, hat Herr Kollege Hahn schon das Nötige gesagt. Also, was glauben Sie denn, wie hoch die Kassenkredite waren, als die CDU zuletzt in die Hessische Landesregierung eintrat? – Für das Jahr 1998 weist das Statistische Bundesamt einen Bestand an Kassenverstärkungskrediten für die Kommunen in Hessen von etwas über 800 Milliarden € aus.
Von 800 Millionen €, Entschuldigung. – Seitdem sind die Kassenkredite auf über 5 bzw. 6 Milliarden € angestiegen.