Protocol of the Session on December 15, 2017

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich möchte mich auch ausdrücklich bei Herrn Heinz, dem Obmann der CDU, für sehr offene und zielgerichtete Gespräche bedanken. Er hat immer zu seinen Zusagen gestanden, immer den großen Konsens als Ziel betrachtet und nicht mit der Abstimmungsguillotine gearbeitet. Alle Achtung und dafür auch einen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Dank gilt auch den anderen Obleuten, Herrn Kaufmann, Herrn Hahn und Herrn Dr. Wilken, für konstruktive und vertrauensvolle Diskussionen. Das war sehr gut und Maßstäbe bildend.

(Beifall bei der SPD)

Ein Dank natürlich auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung; Herr Stomps ist genannt worden. Ein Dank auch an die Mitarbeiter der Staatskanzlei, die hier mitgewirkt und manche Begründung vorbereitet haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen und an unsere Mitarbeiterin und unseren Mitarbeiter, Herrn Dr. Donath und Frau Ensinger. Und natürlich auch den Dank an die SPD-Kommission, mit der wir das vorbereitet haben.

(Beifall bei der SPD)

Es war eine interne Kommission zur Änderung der Hessischen Verfassung, in der die Arbeitsgemeinschaft der Juristen der SPD eine besondere Rolle gespielt hat. Ich will noch einen Namen nennen: Insbesondere Frau Susanne Selbert hat in der Vorbereitungsarbeit sehr viel beigetragen. Ganz herzlichen Dank auch dafür.

(Beifall bei der SPD)

Es sind auch die gesellschaftlichen Gruppen der Zivilgesellschaft genannt worden, die uns mit ihren Beiträgen immer wieder angestoßen, gefordert und gute Ideen eingebracht haben. Auch das war vorbildlich. Die Arbeit der Enquetekommission ist ja heute noch nicht abgeschlossen, das war heute sozusagen der Zwischenbericht von Herrn Banzer. Wir wollen das bei den anstehenden Anhörungen noch weiterführen.

Meine Damen und Herren, die SPD musste bei diesen Übereinstimmungen, bei diesem Konsens überhaupt keine Kröten schlucken, sondern wir alle können das ohne Wenn und Aber mittragen. Es gibt ja manchmal faule Kompromisse – das kennen wir aus der Politik –, aber in diesem Fall kann man sagen – ich glaube fast, das gilt für alle –, dass wir echte, saubere Übereinkünfte geschlossen haben. Auch das finde ich vorbildlich.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf für die SPD sagen – Herr Heinz hat es aus Sicht der CDU dargestellt –, dass zahlreiche sozialdemokratische Forderungen – immer ein positives Votum der Bevölkerung, der Wähler vorausgesetzt – nun neu in die Verfassung aufgenommen werden könnten.

Wichtig war der SPD auch, dass der historische Kern der Hessischen Verfassung nicht verändert wird. Denn die Hessische Verfassung zeichnet sich besonders durch soziale Rechte aus, und sie macht deutlich – das ist uns schon wichtig –, dass sich die Wirtschaft dem Wohle der Bürgerinnen und Bürger unterzuordnen hat und nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Mit den geplanten Änderungen wird die Hessische Verfassung also an wichtigen Stellen modernisiert, ohne ihren besonderen sozialen Charakter zu beschneiden. Das ist aus unserer Sicht auch ein großer Erfolg.

Für die SPD war es ein besonderes Anliegen, dass die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Verfassung verankert und auf die Beseitigung von bestehenden Nachteilen hingewirkt wird. Der Name Selbert

spielt da auch eine Rolle – das für den einen oder anderen Insider der verfassungsrechtlichen Diskussion.

Ebenso haben wir erreicht, dass erstmals in einer deutschen Landesverfassung die Rechte von Kindern verankert werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit und auf Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Das legen wir jetzt auch in der Verfassung fest, das ist ganz wichtig.

Neu aufgenommen wird eine Reihe von Staatszielen; Herr Heinz hat es dargestellt. Die Wirkung von Staatszielen soll in einem eigenen Artikel definiert werden. Staatsziele sind danach eine inhaltliche Vorgabe für staatliches Handeln und binden alle Staatsgewalt, also den Gesetzgeber, Gerichte, Behörden. Ziel ist die fortlaufende Verwirklichung der jetzt vorgegebenen Staatsziele, wenngleich damit natürlich kein individueller Rechtsanspruch auf Verwirklichung, auf Erfüllung garantiert wird. Staatsziele, die finanziell unterlegt werden müssen, stehen unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Staates. Wie könnte es anders sein?

Als neue Staatsziele sollen unter anderem die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit, die Errichtung und der Erhalt der technischen, digitalen und sozialen Infrastruktur und von angemessenem Wohnraum aufgenommen werden. Es soll auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land hingearbeitet werden. Ebenso sollen die Kultur, das Ehrenamt und der Sport jetzt mit einer neuen Formulierung als Staatsziele aufgenommen werden.

Dieser Auflistung lässt sich unschwer entnehmen, dass hierzu sozialdemokratische Ziele in der Verfassung festgeschrieben werden sollen. Deswegen möchte ich noch einige Sätze zu Art. 26d, Förderung der Infrastruktur, sagen.

Als technische Infrastruktur werden die Verkehrswege, die Energie- und Wasserversorgung definiert. Damit wird deutlich, dass dies zuvörderst staatliche Aufgaben sind und dass damit z. B. eine vollständige Privatisierung von Landesstraßen oder der Wasserversorgung nicht mehr möglich sein wird.

(Beifall bei der SPD)

Denn diese Aufgaben der Daseinsvorsorge sind, wie es in der Begründung heißt, von elementarer Bedeutung. Ich meine, das ist dort gut ausgeführt.

Ähnliches gilt für den Wohnungsbau, der für sozial tragbare Bedingungen, wie es in der Begründung heißt, notwendig ist. Bei einem angespannten Wohnungsmarkt kann damit die Wohnraumförderung in Zukunft schlecht auf null gefahren werden, ohne gegen dieses Staatsziel zu verstoßen. Auch das ist wichtig festzuhalten.

(Beifall bei der SPD)

Denn Wohnen ist – ich zitiere wieder aus der Begründung – „eine unabdingbare Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein“.

An dieser Stelle noch ein Hinweis zum Gesetzentwurf der Linkspartei, die ein einklagbares Grundrecht auf Wohnen verankern will: Leider ist das angesichts der Wohnungslage nicht realistisch.

(Lachen des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Man darf nicht versprechen, was man nicht realisieren kann, Kollegin. Damit würden wir die Menschen täuschen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Die Verstaatlichung der Bahn steht auch in der Verfassung!)

Mit diesem Staatsziel wollen wir den Wohnungsmarkt in Hessen Schritt für Schritt verändern und für mehr Wohnungen zu sozial tragbaren Bedingungen sorgen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Vielleicht schaffen wir das in acht oder zehn Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Dann kann man über ein solches Grundrecht reden, aber zur heutigen Zeit würde man etwas versprechen, was objektiv – auch bei größten Anstrengungen – nicht realisierbar ist. So etwas sollte jetzt bitte nicht in der Verfassung stehen.

Ebenfalls wichtig ist für uns – auch das ist in Art. 26d verankert –, dass auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land hingewirkt wird.

Für Sozialdemokraten selbstverständlich ist, dass die Notwendigkeit der Bereitstellung einer sozialen Infrastruktur durch den Staat sichergestellt wird. Das betrifft Schulen, Krankenhäuser, Sport- und Freizeitanlagen sowie auch kulturelle Einrichtungen. Das sind Grundbedürfnisse unseres Gemeinwesens. Deswegen ist es gut, dass ihre Sicherung als Staatszielbestimmung ausdrücklich aufgenommen werden soll.

Ich habe es schon genannt: Wir wollen ebenfalls die Staatsziele Kultur, Ehrenamt und Sport verankern. Da war es uns wichtig, mit dem Wort „fördern“ einen modernen Begriff aufzunehmen; Herr Heinz hat schon etwas dazu gesagt.

Ich möchte die Frage aufwerfen: Was bringen uns Staatsziele überhaupt? Wir haben sie jetzt definiert. Aber was bringen sie uns? Ich will an die Diskussion über die Neuordnung des hessischen Kommunalen Finanzausgleichs erinnern und an die Frage: Was bewirkt es, dass Sport in der Hessischen Verfassung steht? Die Landesregierung wollte den Sport zunächst einmal als freiwillige Leistung anerkennen und sagen: Finanziell gesehen halten wir das nicht für eine Pflichtaufgabe. – Daraufhin haben wir und vor allem die Kommunalen Spitzenverbände protestiert mit dem Ergebnis, dass es zwar heute auch noch nicht als Pflichtaufgabe eingeordnet wird, aber es wird finanziell wie eine Pflichtaufgabe behandelt.

Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Staatsziele in der Tat etwas bringen, auch eine Wirkung entfalten. Das sage ich gerade in Richtung der Linkspartei, die sich meines Erachtens bei der Staatszieldebatte, mit Verlaub, verrannt hat. Auf Bundesebene haben Sie z. B. Gesetzentwürfe für die Staatsziele Ehrenamt und Sport für das Grundgesetz eingebracht. Das haben Sie aber so wachsweich formuliert, dass man nur sagen kann: Die hessischen Formulierungen sind dahin gehend fast wie Beton. Ich glaube, dadurch wird auch etwas deutlich.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Ich komme zur Stärkung der Volksgesetzgebung und kann an Herrn Heinz anknüpfen: Wir wollten zunächst die Reduzierung auf 15 %, also dass bei einer Abstimmung mindestens ein Quorum von 15 % erfüllt sein muss. Wir haben uns dann überzeugen lassen, dieses Quorum bei 25 % zu fassen, weil damit sichergestellt ist – auch da hat sich Konsens entwickelt –, dass sich auch bei geringer Abstimmungsbeteiligung die Mehrheit der Bevölkerung in dem Ergebnis widerspiegelt. Auch das ist ein sinnvoller Kompromiss.

Übereinstimmungen gab es selbstverständlich auch bei der Frage der Todesstrafe und bei der Frage des Wählbarkeitsalters.

Ich will die verbleibende Zeit nutzen, um unseren Gesetzentwurf zur verfassungsrechtlichen Verankerung der kostenfreien Bildung von Anfang an und des Verbots von Studiengebühren einzubringen. Leider konnte sich die SPD mit ihrer Forderung danach nicht durchsetzen. Die SPD will aber verfassungsrechtlich garantieren, dass der Besuch von Kindertagesstätten bzw. der Kindertagespflege kostenfrei ist. Damit soll sichergestellt werden, dass auch die Betreuung und frühkindliche Bildung von dem Grundsatz der Kostenfreiheit erfasst werden.

Zudem soll vor dem Hintergrund eines seltsamen Urteils des Staatsgerichtshofs – das darf ich sagen –, in dem die Zulässigkeit von Studiengebühren festgestellt wurde, jetzt verfassungsmäßig geregelt werden, dass deren Erhebung in Zukunft ausgeschlossen ist.