Protocol of the Session on November 24, 2017

Der Eurovision Song Contest ist ein Musikwettbewerb, der jährlich von der Europäischen Rundfunkunion veranstaltet und weltweit ausgestrahlt wird. Er erreicht 200 Millionen Zuschauer und ist also für die Musikwirtschaft und die Selbstdarstellung der Teilnehmerstaaten gut. Die Erstausstrahlung erfolgte am 24. Mai 1956. Das 62. Jubiläum findet nächstes Jahr statt, einen Tag bevor die DatenschutzGrundverordnung in Kraft tritt. Sie können also datenschutzrechtlich noch einmal in die Vollen gehen. Die Datenschutz-Grundverordnung tritt erst einen Tag später in Kraft.

In der ersten Phase waren die Darbietungen im Eurovision Song Contest mehr oder weniger anspruchsvoll. Die Lieder mussten in der Landessprache gesungen werden. Dann ist man auf die englische Sprache übergegangen. Dann haben immer die Engländer und die Iren gewonnen. Vielleicht erinnern Sie sich daran. Es haben grundsätzlich die Engländer und die Iren gewonnen. Mit Deutsch hatten wir keine Chance. Der Einzige, der auf Deutsch eine Chance hatte, war Udo Jürgens. Er hat „Merci Chérie“ so häufig gesungen, dass das Deutsch nicht auffiel.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Englisch war der Renner. Die Hauptschwierigkeit war die Bewertung. In die Bewertung wollte man die Qualität und die Publikumsattraktivität einfließen lassen. Vielleicht erinnern Sie sich noch. Es hieß „twelve points“, zwölf Punkte. Wir haben die nie bekommen. Bei uns hieß es immer „zero points“. Germany: zero points – Deutschland bekam null Punkte.

Das einzige deutsche Lied, mit dem wir Erfolg hatten, war die „sensationelle“ Errungenschaft „Ein bisschen Frieden“. Es geht nicht um den ganzen Frieden, sondern wir sind mit „Ein bisschen Frieden“ durchgekommen. Bei Lena fiel nicht auf, dass sie ein deutsches Lied sang. Sie hat „Satellite“ auf Englisch gesungen.

Ich möchte das nicht endlos bringen. Wir fallen beim Eurovision Song Contest deswegen durch, weil wir als

Einzige jedes Mal teilgenommen haben. Wir sind nämlich gesetzt. Die anderen müssen sich qualifizieren. Wir sind gesetzt. Denn wir sind die Hauptgeldgeber des Eurovision Song Contest.

Sie können sich vorstellen, dass man nicht sonderlich beliebt ist, wenn man als Geldgeber immer gesetzt ist und dann Schrott abliefert. Wir haben grundsätzlich verloren. Wir bekamen zero points. Wir haben uns unbeliebt gemacht. Wir haben uns als Geldgeber aufgespielt. Wir haben die Atmosphäre nicht richtig verstanden.

Wir müssen hinsichtlich des Datenschutzes verhindern, dass wir uns genauso ungeschickt wie beim Eurovision Song Contest verhalten. Denn beim Datenschutz droht uns genau das Gleiche. Wir spielen uns als die Superdatenschützer in Europa auf. Die Datenschutzreform wurde als Europäisierung des deutschen Datenschutzrechts verkauft. Wir haben das überall herumposaunt: Wir haben die deutschen Standards gehalten und auf europäische Ebene transportiert. Die Europäer bekommen nun den tollen Datenschutz, den die Deutschen schon immer hatten. – Das macht uns nicht gerade sympathisch.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich rede jetzt etwas weg vom Manuskript. Aber das ist mir ein Anliegen. Die Datenschutzreform hat verschiedene Ursachen. Zum einen hat man den Datenschutz als Schranke für den Datenverkehr betrachtet. Man wollte den Datenverkehr verbessern. Das war ein Anliegen.

Das andere Anliegen bestand darin, die Kompetenz der Europäischen Union auszuweiten. Die Kommission soll in Positionen gebracht werden, die sie zuvor nicht hatte. Kompetenzen sollen auf die Kommission übertragen werden. Deswegen hat man die Datenschutzbeauftragten als völlig unabhängige Institutionen propagiert. Sie sollen im nationalen Bereich nicht völlig unabhängig sein. Aber sie sollen völlig unabhängig von den nationalen Behörden sein. Man will uns als verlängerten Arm der europäischen Exekutive aufbauen.

Das war das Anliegen. Das ist keine Skepsis gegenüber der Europäischen Union. Es ist legitim, dass diese europäische Instanz versucht, ihre Kompetenzen auszuweiten. Aber es ist genauso legitim, dass die deutschen Behörden dafür sorgen wollen, dass wir unseren eigenen Hoheitsbereich intakt halten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich betrachte mich nicht als europäischen Amtsträger und Beamten. Ich habe den Eid auf das Grundgesetz, die nationale Verfassung, geleistet. Die Europäer haben teil an der deutschen Souveränität. Aber sie sind nicht der Souverän. Das ist in einem Staatsverbund naheliegend. Ich betrachte mich als Vollzugsorgan der Bundesrepublik Deutschland und nicht primär als Vollzugsorgan der Europäischen Kommission.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung beginnt angeblich eine neue Zeitrechnung. Das stimmt. Wir werden unmittelbar Recht der Europäischen Union zu vollziehen haben. Wir werden jede Menge zusätzliche Verpflichtungen haben. Das habe ich in meinem Tätigkeitsbericht ausführlich dargestellt.

Aber wir haben auch deutsche und hessische Verpflichtungen. Wir haben hausgemachte Probleme. Wir haben eigene Angelegenheiten. Wir haben souveräne Regelungsbereiche. Die Europäische Union ist für ihren Tätigkeitsbereich zuständig. Sie ist zuständig, wenn ihr durch das europäische Vertragswerk Befugnisse zugebilligt wurden.

Ich bin nicht bereit, deutsches Recht für ungültig zu erklären vor dem Hintergrund, dass das Recht der Europäischen Union Anwendungsvorrang habe und das deutsche Recht nicht gelte.

Es wird von uns verlangt, zu erklären, das deutsche Recht würde nicht gelten. Dazu bin ich nicht befugt. Die Normverwerfungskompetenz hat bei uns das Bundesverfassungsgericht. Die hat nicht jeder Verwaltungsbeamte. Ich bin gesonnen, dem Rechnung zu tragen, wenn es einen Konflikt zwischen dem Recht der Europäischen Union und deutschem Recht gibt. Dieser Konflikt muss ausgetragen werden. Das soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Es ist bei uns die zuständige Instanz – und niemand sonst.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt sind wir dabei, das europäische Recht mit sogenannten Öffnungsklauseln zu perfektionieren, die Spielraum im Rahmen der europäischen Regelungen lassen. Diese Öffnungsklauseln perfektionieren wir jetzt wieder für die Europäer.

Deswegen habe ich vorhin das Beispiel mit dem Eurovision Song Contest gebracht. Die Amtssprache beim Datenschutz ist Englisch. Wir perfektionieren auf Englisch die englische Amtssprache und handeln doch deutsch. Das Englische, das wir benutzen, ist Deutsch auf Englisch. Das klingt jetzt zwar sehr abgehoben, aber das ist unsere Message: Wir perfektionieren aus deutscher Sicht europäisches Recht in englischer Sprache. Ich weiß nicht, ob ich es verdeutlichen kann, aber wir machen uns ausgesprochen unbeliebt, wenn wir unsere deutschen Vorverständnisse in englische Sprache umsetzen und dann glauben, dass das als englische Sprache empfunden wird. Ich kann es Ihnen nur sagen – aufgrund vieler Erfahrungen mit Europäern –: Es fällt auf, wenn ein Deutscher Englisch spricht.

Die Geschäftssprache ist nicht Englisch, sie ist Deutsch. Wir sollten doch ehrlich sein: Wenn wir unseren Geschäftsbetrieb regeln, dann wenden wir als Amtssprache Deutsch an und nichts anderes. Wir sollten unsere Regelungen für den eigenen Bereich nach unseren Maßstäben treffen und die Öffnungsklauseln für unsere Aufgaben nutzen. Wir wenden die Öffnungsklauseln an. Außer den Österreichern wendet kein anderer europäischer Staat die Öffnungsklauseln an. Die anderen lassen ihre Regelung stehen und wenden ihr bisheriges Recht nach eigenem Gusto an. Sie machen kein Drama aus der Perfektionierung des europäischen Rechts.

(Allgemeiner Beifall)

Ich sage es noch einmal: Mir geht es darum, dass wir die europäischen Belange schützen sollten. Wir sollten uns als gute Europäer fühlen, aber wir sollten unsere eigenen Angelegenheiten selbst regeln. Deshalb ist es höchste Zeit – das ist meine Message, und das ist jetzt nicht lächerlich gemeint –: Wir sollten ein solides Hessisches Datenschutzgesetz machen, in dem alle Datenschutzbelange gewürdigt werden, in dem wir modern sind, in dem wir die Informationsfreiheit mit einbinden – sie ist ein Teilbereich des Da

tenschutzes – und den Datenverkehr in einer Hand regeln. Es steht mir zwar nicht zu, aber ich sage es trotzdem: Es wäre mir ein Anliegen, wenn alle Parteien in die Optimierung des Hessischen Datenschutzgesetzes eingebunden werden könnten und alle Anstrengungen unternommen werden, dass wir eine einheitliche Linie haben, eine hessische Lösung, und auf der Höhe des Fortschritts sind.

(Allgemeiner Beifall)

Wir sollten für unseren Bereich und unsere Belange eigene Regelungen treffen. Ich habe vorhin schon angekündigt, dass es mir ein Anliegen ist, dass wir das noch machen.

Ich habe nicht so gagisch gesprochen wie sonst. Aber Sie haben sicher nachempfunden, dass mir das ein Anliegen ist. Ich will nicht „zero points“ für den Datenschutz; ich will die zwölf vollen Punkte für den Datenschutz. Ich möchte eine umfassende, erschöpfende und gelungene Regelung und nicht immer dem nachlaufen, was die Europäer gemacht haben. Sie haben ihre Regelung schon solide und souverän gemacht. Sie brauchen nicht unsere Nachhilfe. Wir brauchen eigene Regelungen für die neuen Entwicklungen im Datenschutz.

Die Informationsfreiheit gehört dazu. Ich habe schon oft gesagt: Wir sind keine Höhlenmenschen, die den Staat am Eindringen in die Höhle hindern und die staatlich gebotenen Maßnahmen verhindern. Der Datenschutz ist eine allgemeine Angelegenheit. Wir wollen die IuK-Errungenschaften nutzen und werden dabei in unserer Datenhoheit gefährdet. Wir werden von der Industrie bedroht, wir werden von der Datenwirtschaft und von großen internationalen Unternehmen bedroht, und wir werden in unserem Informationsverhalten beeinträchtigt. Das ist nicht nur eine Abwehrhaltung; das ist eine Haltung, die Leistungen beansprucht: Ich will meine Information unverfälscht übermitteln können. – Deswegen gehört die Informationsfreiheit zum Datenschutz dazu. Wenn andere Länder da eigene Gesetze haben, sollen sie das machen. In Hessen brauchen wir ein einheitliches Gesetz. Ich persönlich bin dabei; dafür mache ich mich stark.

(Allgemeiner Beifall)

Es ist mir emotional jetzt etwas durchgegangen, aber ich habe „fast“ gesprochen; vielleicht sind Sie nicht „furious“ und nicht erbost über das, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, sondern nehmen das, so wie es gedacht ist, als Anregung für eine solide parlamentarische Arbeit. – Meine Arbeit ist damit geleistet. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch, ganz herzlichen Dank für Ihren umfangreichen Bericht. Zwei Punkte. Zum einen, trotz Bandscheibenvorfall: Das Rückgrat stimmt bei Ihnen. Das ist ein wichtiger Punkt.

(Allgemeiner Beifall)

Zum Zweiten würde man dann im Fernsehen sagen: Germany twelve points.

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst Herr Dr. Hahn für die Fraktion der FDP. Bitte schön.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Prof. Ronellenfitsch, wir machen das erste Mal seit Jahren wieder einmal freitags eine Plenarsitzung. Die parlamentarischen Geschäftsführer, die daran schuld sind, dass wir heute noch hier sein müssen, weil sie nicht ordentlich geplant haben, haben gedacht: Wie können wir so viele Kolleginnen und Kollegen davon überzeugen, heute noch einmal nach Wiesbaden zu kommen? – Deshalb haben Sie hier heute Morgen um 9 Uhr Ihren Auftritt, und fast alle sind gekommen. Wir sind alle wieder einmal begeistert. Vielen herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Prof. Ronellenfitsch, ich erbitte aber ein bisschen Frieden.

(Heiterkeit des Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch)

Ich habe über „Satellite“ festgestellt: Es hieß nicht immer null Punkte, sondern mindestens zweimal hat Deutschland sogar gewonnen: einmal Nicole mit „Ein bisschen Frieden“ und dann im Jahre 2010 Lena Meyer-Landrut mit „Satellite“. Das soll uns nicht zufriedenstellen, aber ich möchte Ihnen damit auch ein bisschen Mut zusprechen, dass wir auch auf europäischer Datenschutzebene wieder einmal gewinnen werden – und dann mit vielen zwölf Punkten.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum harten Kern der Debatte: Ja, wir beraten heute den 44. und 45. Tätigkeitsbericht. Der 44. betrifft das Jahr 2015. Er wurde von Herrn Prof. Ronellenfitsch und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Juni 2016 vorgelegt, denen ich dafür und für alles andere ganz herzlich danke, und zwar nicht nur im Namen der FDP-Fraktion, sondern auch als Vorsitzender des Unterausschusses Datenschutz. 15 Monate hat es gedauert, bis die Landesregierung im September 2017 eine Stellungnahme dazu abgeben konnte. Ich bewerte das jetzt nicht, sondern ich stelle nur objektiv fest: Es waren 15 Monate.

Der 45. Tätigkeitsbericht, der das Jahr 2016 beinhaltet, lag im März 2017 vor. Hier hat die Landesregierung Anfang November ihre Stellungnahme vorgelegt. Das waren dann nur noch neun Monate. Wir sind also guter Hoffnung, dass aus 15 neun und aus neun letztlich sechs Monate werden, damit wir hier tatsächlich auch noch etwas beraten können, an das wir uns erinnern können. Es sind – ich wiederhole es – die Jahre 2015 und 2016, die wir hier zu beraten haben.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, aber auch insbesondere an Staatssekretär Koch, der das offensichtlich ein bisschen mit zu verantworten hatte, dass dann aus der Debatte des Unterausschusses Datenschutz heraus jedenfalls relativ flott die Stellungnahme zum zweiten Bericht vorgelegt worden ist. So können wir das jetzt etwas zeitnäher diskutieren. Meine Hoffnung bleibt aber, dass wir im nächsten Jahr nicht wieder neun Monate brauchen, sondern es vielleicht schon in sechs Monaten schaffen.

Zweite Bemerkung. Ja, insgesamt ist der Datenschutz in Hessen gut aufgestellt. Das sieht der Datenschutzbeauftragte so, das sieht erkennbar die Landesregierung so, die in einer Vielzahl von Bemerkungen dem Datenschutzbe

auftragten zustimmt. Das sieht die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag genauso.

Trotzdem möchte ich vier Aspekte herausgreifen, sodass Sie erkennen können, dass man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen darf, sondern dass man immer wieder neu Sensibilisierung produzieren muss.