Protocol of the Session on May 21, 2014

Das bestreitet keiner, Kollege Schmitt. Dennoch ist es eine Reduzierung der Ausgaben. Deswegen sollten Sie nicht versuchen, ein falsches Bild zu stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn man nämlich dabei auch noch berücksichtigt, dass gleichzeitig Mehrausgaben von rund 150 Millionen € für Personal aufgrund der Tarifentwicklung noch im Jahr 2014 anfallen und das Ausgabenvolumen sinkt, wird doch deutlich, dass kluge Sparsamkeit und nicht Wohltatsmentalität diesen Nachtragshaushalt bestimmt.

Gegenwärtig hört man vielstimmige Forderungen nach mehr Zuwendungen oder besserer Dotierung in unterschiedlichsten Bereichen – Kollege Schmitt hat es hier auch vorgeführt –, während andere, wie ich ebenfalls bereits erwähnte, wiederum stärkere Ausgabenkürzungen verlangen, in der Regel natürlich in Bereichen, die sie nicht so sehr interessieren. Das Ganze fasse ich einmal unter dem üblichen Ritual zusammen, das einen nicht allzu sehr beunruhigen muss. Beunruhigen muss den Finanzpolitiker zumindest die in der Politik auf Bundesebene aktuell immer wieder aufkommende Debatte über Steuersenkungen mit den unterschiedlichsten Begründungen.

Aus meiner Sicht muss das angemerkt sein, obwohl dies eigentlich zum dritten E und damit zu der Frage der Einnahmeerhöhung gehört. Wenn wir uns – da sind wir uns in diesem Haus fast alle einig und mit breiter Mehrheit vom Volk bestätigt worden – den Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben vorgenommen haben, das ist die kamerale Formulierung der Schuldenbremse, um genau dieses Ziel zu erreichen, dann geht es bei der Diskussion über die

Steuerfragen immer zwangsläufig auch um die Frage von Einsparungen. Jede Debatte über Steuersenkungen bedeutet zugleich die Frage, an welcher Stelle wir unseren Aufwand reduzieren und damit Leistungen einschränken wollen.

Zu dieser Frage fällt die Zahl der Antworten in der Regel sehr überschaubar aus, liebe Kolleginnen und Kollegen. Meist erfährt man in diesem Zusammenhang nur, was auf keinen Fall geht – nämlich in dem jeweiligen Bereich Einsparungen durchzuführen. Solche Diskussionsbeiträge mögen, oberflächlich betrachtet, vielleicht politisch klug erscheinen, ein Beitrag zur Lösung des Problems sind sie gewiss nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Grundsatz – deswegen führe ich das hier auch aus –, dass das Land und seine Kommunen, durch welche steuerpolitischen Maßnahmen auf Bundesebene auch immer, keine Einbußen erleiden dürfen, verträgt keine Ausnahmen. Dieser Grundsatz ist, so denke ich, auch die Richtschnur Hessens bei der Willensbildung auf Bundesebene.

Meine Damen und Herren, aus Sicht der Koalition von CDU und GRÜNEN gilt es deshalb, an dieser Stelle die finanzpolitischen Leitlinien herauszustellen, die der Finanzminister gerade angesprochen hat. Das sind, wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Konsolidierungsmaßnahmen bei den Aufwendungen, nämlich Stellenabbau, Begrenzung der Personalkostenentwicklung, Kürzung der Sachbudgets außerhalb der geschützten Bereiche. Die geschützten Bereiche wurden auch genannt. Man kann sie nicht oft genug wiederholen, weil sie sehr wichtig sind: Lehrerstellen und Pakt für den Nachmittag, Sozialbudget, Sportförderung, Brand- und Katastrophenschutz. Ich habe noch niemanden in diesem Hause gesehen oder gehört, der gesagt hätte: Da müsst ihr besonders sparen. – Von einigen verwirrten Geistern einmal abgesehen.

Insgesamt ist das ein starker Ansatz. Das kann ich nur betonen und insoweit die Worte des Finanzministers unterstreichen.

Für die politische Gestaltung neuer Projekte und veränderter Anforderungen gilt ansonsten – auch das sollte man wiederholen, obwohl es im Koalitionsvertrag bereits steht – der Grundsatz der unmittelbaren, vollständigen und dauerhaften Gegenfinanzierung.

Meine Damen und Herren, ich komme zum dritten Teil des Triple E, nämlich den Einnahmeerhöhungen. Auch der muss angesprochen werden, weil auch dieser Punkt zu den finanzpolitischen Leitlinien gehört. In der gesamten Debatte über die Schuldenbremse hatten wir GRÜNE, damals – Herr Kollege Schmitt, hören Sie zu – durchaus in Übereinstimmung mit der SPD, das Thema Einnahmeverantwortung in der Landespolitik immer wieder betont. Das Ergebnis dieser Bemühungen war dann auch eine Einigung mit der CDU auf die entsprechende Formulierung im geänderten Art. 141. Ich darf daran erinnern.

Konsequenterweise haben wir diese Einnahmeverantwortung auch in den Koalitionsverhandlungen erneut betont, sodass wir GRÜNE mit der CDU eine Einnahmeerhöhung vereinbaren konnten. Die einzige Steuerart, über die die Landespolitik disponieren kann, ist, wie Sie wissen, die Grunderwerbsteuer. Sie wird, so ist es vertraglich vereinbart, um einen Prozentpunkt angehoben. Das wird jetzt

zum 1. August vollzogen. Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor, er ist auch eingebracht.

(Norbert Schmitt (SPD): Dann gehen Sie doch auf 10 %!)

Was mich an der Stelle etwas irritiert, das ist das durchaus merkwürdige Verhalten der SPD zu diesem Thema in diesem Hause.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Bei der Diskussion um die Schuldenbremse waren Sie mit die Lautesten, die den Punkt Einnahmeverbesserungen immer wieder genannt haben. Bei Ihren Koalitionsverhandlungen in Berlin ist daraus überhaupt nichts geworden: keine Einnahmeverbesserungen für Länder und Gemeinden. Wir haben vorhin gehört, die CDU sei daran schuld, sie habe es in Berlin verweigert. Dazu kann ich nur sagen: Dann ist die SPD daran schuld; denn sie war zu schwach, es durchzusetzen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es gibt immer zwei Seiten, Herr Kollege Schmitt. Ich sage das mit Nachdruck; denn wir haben es in Hessen durchgesetzt. Glauben Sie doch nicht, dass die CDU begeistert war. Aber wir haben den Kompromiss gemacht, und Sie haben es nicht geschafft. Deswegen halten Sie uns das jetzt vor.

(Norbert Schmitt (SPD): Deshalb sollte man bei der Europawahl SPD wählen! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es ist schade. Niemand ist begeistert über höhere Steuern, aber der weitere Weg in die Verschuldung ist zu Recht versperrt. Deshalb muss die Deckung des unabweisbaren Finanzbedarfs den Ausschlag bei steuerpolitischen Entscheidungen geben.

Was an dieser Stelle ein bisschen irritiert oder eigentlich weniger irritiert, sondern eher bestätigt, wie überflüssig diese Partei ist, ist der Gesetzentwurf der FDP zur Senkung des Grunderwerbsteuersatzes. Was für Sie im Jahre 2012 noch richtig war, als Sie erhöht haben, ist plötzlich nicht mehr Ihre Politik. Da kann ich nur sagen: eine stringente, echt solide Finanzpolitik der Verantwortungslosigkeit und sonst gar nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich muss noch anmerken, dass wir GRÜNE mit der CDU die Einnahmeerhöhung vereinbaren konnten – ich sagte es bereits – und dass wir diese Chance ausgenutzt haben. Es wäre schön gewesen, Kollege Schmitt, wenn die SPD in Berlin vielleicht bei anderen sinnvollen Steuerarten etwas gemacht hätte. Dann hätten wir unsere Maßnahme möglicherweise gar nicht benötigt. Vor allem hätten die hessischen Kommunen mehr davon haben können, als es jetzt der Fall ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn nun aber kritische Äußerungen von Ihrer Seite kommen, dann darf man doch ein bisschen verwirrt sein. Ich sehe da ein rotes Durcheinander, vielleicht weil Sie die Inhalte des Nachtrags und das ganze Thema noch nicht richtig durchdrungen haben. Einnahmeerhöhungen beim Land, ja oder nein, diese Frage müssen Sie noch klar beantworten. Bisher hieß es immer, wir bräuchten sie. Ich bin ge

spannt, wie Sie es weiterhin mit diesem Thema halten werden.

Wir jedenfalls stehen in der Koalition von CDU und GRÜNEN gemeinsam zu unserer Vereinbarung und haben Ihnen den entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die Beratungen werden dann zeigen, wie sich die anderen Fraktionen dazu verhalten und ob vor allem bei der SPD die finanzpolitische Wirrnis weiterhin herrscht oder beseitigt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage der Einnahmen ist umso drängender, als es für den Haushalt 2014 wegen Steuermindereinnahmen gegenüber den Schätzungen der Vergangenheit am Ende auch unter Berücksichtigung des Länderfinanzausgleichs fast 180 Millionen € weniger in der Landeskasse geben wird und wir dies aus der Rücklage ausgleichen müssen. Im Übrigen war auch Ihr Gerede zum Thema Rücklage völlig daneben, weil es bereits im letzten Jahr angekündigt war. Dass man über den Jahreswechsel hinweg genau diese Maßnahme nimmt, hat unter anderem auch etwas mit der Abrechnung des Länderfinanzausgleichs zu tun. Aber, Herr Kollege Schmitt, mir scheint das Thema zu schwierig zu sein, als dass ich es Ihnen heute hier noch erklären könnte.

(Norbert Schmitt (SPD): Mein lieber Schwan!)

Meine Damen und Herren, es gäbe sicherlich noch vieles zum Nachtragshaushalt anzumerken. Wir haben aber in der zweiten und dritten Lesung noch Gelegenheiten, auf Einzelheiten einzugehen. Deswegen erspare ich es mir jetzt.

Mehr Mittel für die Unterbringung von Flüchtlingen und mehr für die Inklusion – auch wenn Sie immer wieder sagen, da ist weder etwas für die Kommunen noch aus dem Bereich Sozialbudget dabei; das stimmt einfach nicht –, allein diese beiden genannten Punkte sind bereits deutliche Zeichen, dass die Koalition den Willen zur Haushaltskonsolidierung mit dem Willen zur politischen Gestaltung zu verbinden vermag und diesen Kurs der Vernunft fortzusetzen beabsichtigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben das Ziel als GRÜNE – gemeinsam mit der CDU, aber vor allem als GRÜNE –, Hessen grüner und gerechter zu machen. Der Nachtragshaushalt ist ein erster Schritt in diese Richtung. Die nächste Etappe ist dann der Haushalt 2015, den wir im Herbst beraten werden und der entlang der finanzpolitischen Leitlinien, die Ihnen präsentiert worden sind, entwickelt werden wird. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat Herr Abg. Willi van Ooyen, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Das waren jetzt sozusagen die Pluderhosen, wenn man in der Regierung ist. Lieber Kollege Kaufmann, ich glaube, man darf sich nicht so aufplustern, wenn man in der Regierung ist.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das sagt man nur in der Opposition!)

Es kommt immer darauf an. – Um 100 Millionen € steht der Landeshaushalt in diesem Jahr besser da als ursprünglich geplant, zumindest dann, wenn man den aktuellen Zahlen des Nachtragshaushalts glauben will.

Bei einer Nettokreditaufnahme von fast 1 Milliarde € sagt dieser Betrag zunächst wenig aus. Tatsächlich aber gilt für die Schuldenbremse nicht diese 1 Milliarde € als Maßstab, sondern die strukturelle Verschuldung. Erstmals hat die Landesregierung mit dem Nachtragshaushalt 2014 neben der Nettokreditaufnahme von fast 1 Milliarde €, wie gesagt, auch die strukturelle Verschuldung in einem Haushaltsentwurf explizit ausgewiesen. Dafür sind wir sehr dankbar.

Nach dem gültigen Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse darf das Land Hessen in diesem Jahr 415 Millionen € neue Schulden aufnehmen, ohne die Grenze der Schuldenbremse zu verletzen. Die Nettoneuverschuldung liegt also um etwa 600 Millionen € darüber. Ich will jetzt deutlich machen, warum ich das so feststelle.

In der Debatte um die Einführung der Schuldenbremse wurde von den vier Schuldenbremsenparteien immer wieder der Eindruck erweckt, dass die Schuldenbremse die Aufnahme von Krediten verbieten würde. Mein Eindruck ist, dass weite Teile der Öffentlichkeit genau das auch heute noch glauben. Tatsächlich weist dieser Nachtragshaushalt aber erstmals die nach den Regeln der Schuldenbremse zulässige Neuverschuldung aus.

Der Unterschied zu den Schulden, die ohne Schuldenbremse zulässig wären, ist nur der, dass es hierfür keine Zweckbindung mehr gibt. Mit der sogenannten konjunkturellen Verschuldung, die nach der Schuldenbremse ausdrücklich noch zulässig ist, kann die Landesregierung finanzieren, was sie möchte.

Nach den alten Schuldenregeln durften Kredite nur in der Höhe von Investitionen aufgenommen werden. Jetzt aber muss kein Cent mehr investiert werden. Das Märchen, Sie wollten mit der Schuldenbremse die nachfolgenden Generationen schützen, ist damit Makulatur; denn was jetzt geschieht, geht voll auf die Kosten unserer Kinder und Enkel. Auf der einen Seite werden die Investitionen auf allen staatlichen Ebenen reduziert und so das Land und seine Infrastruktur auf Verschleiß gefahren. Auf der anderen Seite werden dennoch neue Schulden aufgenommen, damit man nur keine Vermögensteuer einführen muss. Damit hinterlässt man den nachfolgenden Generationen nicht nur ein Land, in dem die Infrastruktur heruntergewirtschaftet ist, als gäbe es die Notwendigkeit für Investitionen in erneuerbare Energien, Breitbandausbau und Bildung nicht.

Nein, so schadet man auch der jetzigen Generation, die einen handlungsfähigen Staat braucht, der die öffentliche Daseinsfürsorge sichert. Diese Schuldenbremse schützt nicht eine Generation vor der vorangegangenen. Diese Schuldenbremse schadet allen, außer denen, die von den niedrigen Steuern seit der Ära Schröder profitieren, also den Konzernen und Millionenvermögen.

(Beifall bei der LINKEN – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr müsst aber klatschen!)

Wer behauptet, bei der Schuldenbremse ginge es darum, die Neuverschuldung auf null zurückzuführen, der muss

jetzt erkennen, dass mit der Schuldenbremse weiterhin neue Schulden gemacht werden dürfen. Nie ging es bei der Schuldenbremse um Generationengerechtigkeit. Es ging immer nur darum, ein weiteres Sachzwangargument zu schaffen, mit dem jeglicher Abbau staatlicher Leistungen begründet werden kann.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Och nee!)