andererseits sind sie Resultat einer Politik, die seit Jahren und Jahrzehnten unsere öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß gefahren hat, Sozial- und Personalabbau betrieben hat und unsere Städte, Kreise und Gemeinden zum Kürzen gezwungen hat. Sie nennen das verantwortungsvolle Konsolidierung, wir nennen das verantwortungslosen Sozialabbau, meine Damen und Herren.
Sie haben über Jahre im Bereich des Landespersonals Abbau betrieben, und bis heute stellen Sie die Beamtinnen und Beamten in Hessen schlechter als in anderen Bundesländern. Der sogenannte Schutzschirm für die Kommunen war nichts anderes als ein Kürzungsdiktat, das Städte, Kreise und Kommunen gezwungen hat, öffentliche Leistungen einzuschränken, Gebühren und Beiträge zu erhöhen und mit Grundsteuererhöhungen Bürgerinnen und Bürger zu schröpfen. Angesichts dieser Entwicklungen gibt es kei
Es ist eine Feierstunde, bei der viele von Ihrer Politik Betroffene nicht allzu viel zu feiern haben. Damit meine ich die Familien, die mit massiven Grundsteuererhöhungen zur Kasse gebeten werden, weil Sie die Kommunen nicht bedarfsgerecht ausstatten. Ich meine die Beamtinnen und Beamten, die über Jahre auf Besoldungsanpassungen verzichten und auch noch länger arbeiten mussten. Und ich meine die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die mit Kürzungsvorgaben der Landesregierung im Nacken vielerorts nur noch entscheiden durften, in welcher Reihenfolge sie die politischen Grausamkeiten aus den sogenannten Schutzschirmverträgen umsetzen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)
Genau so sieht es aus, Herr Boddenberg. Es ist ja sehr gut, dass Sie mir zuhören können, obwohl Sie einen Stahlhelm aufhaben.
Es ist ja sehr gut, dass Sie mir zuhören können, obwohl Sie Ihren Stahlhelm so tief aufgesetzt haben.
Dieser Logik folgt auch Ihr selbst erklärtes und alles entscheidendes Ziel in der Haushaltspolitik, nämlich die schwarze Null. Diese schwarze Null – egal, ob sie von den GRÜNEN, der CDU oder auch von der SPD kommt – ist nichts weiter als ein Fetisch von Finanzministern, die ihrer Kürzungspolitik den Anstrich der Gerechtigkeit geben wollen,
meist der sogenannten Generationengerechtigkeit. Aber was bitte ist daran gerecht, wenn über Jahre und Jahrzehnte in den Kommunen und im Land wichtige Investitionen in die Infrastruktur unterlassen werden? Was ist daran gerecht, wenn man in Hessen ein Schulgebäude im Ort oft daran erkennt, dass es ziemlich heruntergekommen ist?
Was ist daran gerecht, dass über Jahre die Steuern für Reiche und Vermögende gesenkt werden, und gleichzeitig in Kommunen die Schwimmbäder kaputtgehen oder gleich ganz geschlossen werden? Für zahlreiche Schwimmbäder kommt ihr viel zu kleines Schwimmbadrettungsprogramm schon viel zu spät, diese Schwimmbäder sind nämlich bereits geschlossen, meine Damen und Herren.
Ich weiß, dass Sie es bei Ihrer schwarz-grünen Feierstunde nicht hören wollen, aber dieser Landeshaushalt ist kein Erfolg, dieser Landeshaushalt ist bestenfalls eine Atempause in einem Streichkonzert. Er ist eine Atempause, die nichts, aber auch gar nichts an den Schäden ändert, die Ihre Kürzungspolitik und die der Vorgängerregierung – ich erinnere noch einmal an die sogenannte „Operation düstere Zu
kunft“ – verursacht hat. Sie ist nicht geeignet, diese Kürzungspolitik der letzten Jahre zu beheben.
Was passiert denn eigentlich, wenn die Konjunktur abkühlt? Es glaubt doch niemand ernsthaft, dass Sie die Mehrausgaben, die Sie jetzt vor der nächsten Landtagswahl unternehmen, auch dann noch aufrechterhalten, wenn die Konjunktur einmal schlechter läuft. Niemand glaubt dieser Landesregierung, dass Sie dann nicht, ohne zu zögern, Stellen im öffentlichen Bereich – Lehrerstellen oder andere – wieder streichen, wenn das Geld in den Kassen wieder knapper wird. Deswegen ist dieser Haushaltsentwurf eine Atempause, aber ich sehe nicht, dass er mehr als eine solche ist – von einer notwendigen politischen Wende gar nicht zu sprechen. Was Sie hier machen, ist nichts anderes als Schönwetterpolitik.
Nehmen wir das Thema Investitionen. Eingangs lobte sich die Landesregierung bzw. der Finanzminister dafür. Sie kündigen in diesem Haushaltsentwurf an, dass das Land die Investitionen auf ein neues Niveau bringen werde. – Das ist, gelinde gesagt, eine sehr gewagte Behauptung. Die Investitionen des Landes planen Sie – und dass diese Investitionen geplant sind, ist ein wichtiges Detail – in einer Höhe von etwa 2,2 Milliarden € insgesamt pro Jahr. Wer glaubt, dass wir jetzt ungeahnte Höhen im Investitionsbereich erreicht haben, der irrt gewaltig: In etwa in dieser Höhe hat das Land 2010 investiert, danach waren die Investitionen beim hessischen Finanzminister leider nur Steinbrüche für weitere Kürzungen.
Auch die Ankündigungen, dass diese Investitionen erhöht werden sollen, sind erst einmal nur Papier, und das ist bekanntlich geduldig. Ob das Geld nämlich tatsächlich in dieser Höhe überhaupt verausgabt werden kann, ist eine ganz andere Frage. Nachdem man in den vergangenen Jahren in den öffentlichen Verwaltungen Stellen gestrichen hat, fehlt es gerade in den Bauverwaltungen schlicht an Personal. Wir werden also sehen, ob und wie dieses wenig ambitionierte Ziel, die niedrige Investitionshöhe, die jetzt im Plan steht, überhaupt wieder erreicht wird.
Wohlgemerkt: Sie haben etwa 6 Milliarden € mehr an Einnahmen als noch 2014, und Sie wollen die Investitionen um gerade einmal 200 Millionen € erhöhen. Ich finde, das ist bestenfalls ein Tippelschritt in die richtige Richtung, wenn er denn überhaupt gegangen wird.
Auch Ihre kommunalen Investitionssonderprogramme bleiben nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein – finanziert im Übrigen größtenteils mit Bundesmitteln. Dem gigantischen Bedarf etwa im Bereich der Schulsanierungen werden Sie überhaupt nicht gerecht. Leider verweigern Sie sich auch einer von vielen Experten geforderten validierten Bedarfsanalyse. Der Bedarf ist nämlich so hoch, dass Sie sich noch nicht einmal trauen, ihn zu bemessen.
Kommen wir zu einem anderen Punkt. Sie werben damit, angeblich die Kitagebühren abschaffen zu wollen. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail, darüber haben wir schon im Landtag diskutiert. Ihre Vorschläge in diesem Bereich sind zwar ein Erfolg für diejenigen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für eine kostenlose Kitabetreuung
eingesetzt haben, sie gehen aber nicht weit genug. Im Übrigen hat Ihre Ankündigung auch zu Irritationen und Unsicherheiten in den Kommunen geführt. Sie entlasten die Eltern nur unzureichend. Weder die unter drei Jahre alten Kinder noch Schulkinder werden berücksichtigt, für die frühkindliche Bildung über sechs Stunden hinaus fallen weiterhin Beiträge an.
Für uns ist völlig klar: „Gebührenfreiheit“ heißt auch Gebührenfreiheit. Das heißt, wer sein Kind in einer Kita betreuen lassen müsste, der darf bei Gebührenfreiheit auch nichts dafür zahlen.
Das heißt Gebührenfreiheit. Was aber heißt Gebührenfreiheit für die Landesregierung? Für die heißt es, Gebührenfreiheit gilt nur für sechs Stunden. Wer sein Kind länger betreuen lassen muss, muss trotzdem weiter zahlen – es sei denn, die Kommunen legen noch Geld drauf. Gerade in ärmeren Kommunen bedeutet das dann, dass andere Leistungen wegfallen werden. Zum Zweiten bezahlt das Land ja keinesfalls die komplette Gebührenbefreiung für sechs Stunden allein, sondern nimmt den Kommunen dafür auch noch 81 Millionen € aus dem KFA weg, sprich: Das Land zahlt auch nur einen Teil.
Angesichts der Möglichkeiten, die wir eigentlich haben, ist das ein ziemlich knausriger Trick, um vor der nächsten Landtagswahl noch ein Wahlgeschenk auf Kosten der Kommunen zu verteilen. Im Übrigen werden ärmere und wohlhabendere Kommunen mit Ihrem Modell gegeneinander ausgespielt. Wir hingegen wollen die komplette Gebührenfreiheit für alle und alle Kommunen, bezahlt vom Land – und nicht, wie Sie es machen, indem Sie den Kommunen noch etwas wegnehmen.
(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos) – Dr. Walter Arnold (CDU): Woher kommt denn das Geld?)
Auch über zusätzliche Beamtinnen und Beamte bei der Polizei konnte uns der Finanzminister berichten. Hier gilt aber auch eher der Hinweis: Endlich; denn angesichts eines Überstundenbergs, der seit Jahren bei der Polizei angehäuft wird, ist das nichts anderes als ein Versuch, die Schulden, die die Landesregierung bei Beamtinnen und Beamten angesammelt hat, endlich zu verringern.
Schöner wäre es allerdings, wenn Sie diesen Schritt für die gesamte Verwaltung gehen könnten, und zwar vollständig, indem man mehr Personal zur Verfügung stellt und die Arbeitszeit auf das Niveau der Tarifbeschäftigten angleicht. Denn Geld für mehr Personal im öffentlichen Bereich scheinen Sie offensichtlich zu haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum Sie das Landesamt für Verfassungsschutz – den sogenannten Verfassungsschutz – weiter auf 370 Planstellen aufblähen.
Ohne jetzt eine sehr treffsichere Bemerkung meiner Fraktionskollegin Janine Wissler zu zitieren, der ich mich im Übrigen voll und ganz anschließen kann, was die Qualität dieses sogenannten Verfassungsschutzes angeht, sage ich
Ihnen ganz deutlich: Diesen Inlandsgeheimdienst braucht kein Mensch. Den können und müssen wir uns ersparen.
Wie „sparsam“ die Landesregierung mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger umgeht, kann man im Übrigen auch beim Millionengrab Kassel-Calden besichtigen: Jahr für Jahr gewaltige Verluste. Hören Sie endlich auf, das Geld dort aus dem Fenster zu werfen. Das wäre ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
Das Geld hätten Sie dann vielleicht verwenden können, um weitere Sozialpädagogen einzustellen. Das ist eines der wenigen Dinge, über die ich wirklich froh bin. Hier haben Sie endlich jahrelangen Forderungen nachgegeben. Sagen Sie es aber nicht zu laut – das geht jetzt an die Kollegen der CDU – in den Wahlkreisen. Sie haben hier auch eine Forderung aus dem LINKEN-Wahlprogramm erfüllt – nicht, dass jemand, ausgerechnet die Hessen-CDU aus dem Alfred-Dregger-Haus oder, noch schlimmer, beim Inlandsgeheimdienst, Sie der Sympathie gegenüber linken Ideen verdächtigt. Also passen Sie gut auf, wenn Sie diese Forderungen in Ihren Wahlkreisen verteidigen.
(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos) – Zuruf des Abg. Klaus Peter Möller (CDU))
Ich bin zwar sehr gespannt, wie schnell Sie diese große Zahl an Fachkräften bekommen wollen. Aber im Sinne derjenigen, denen sie helfen sollen, wünsche ich dieser Landesregierung in jedem Fall dabei viel Erfolg. Ich fürchte nur, Sie sehen Ihre Fehler reichlich spät ein, wie es Ihnen auch im Lehrerinnen- und Lehrerbereich reichlich spät aufgefallen ist, dass in den Grundschulen Personal fehlt. Da sieht man dann, wie nachhaltig und generationengerecht schwarz-grüne Haushaltspolitik ist, die über Jahre eine sogenannte demografische Rendite einplant, die es überhaupt nicht gibt. Im Gegenteil, wir brauchen mehr Personal im Bildungsbereich. Das wird schon jetzt sehr deutlich.
Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben: das sogenannte Sozialbudget. Ich muss Ihnen sagen: Was Sie hier machen, ist mehr als enttäuschend. Ja, Sie haben den Vorschlag der Liga aufgegriffen und ein Programm zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt aufgelegt. Allerdings müssen sich Ihre Verantwortlichen für Sozialpolitik in der Koalition schon die Frage gefallen lassen, ob sie tatsächlich weniger als 3 % der Mehreinnahmen für Soziales ausgeben wollen.
Wir brauchen hier eine andere Politik. Wir brauchen sie in einer ganz anderen Größenordnung. Dieses Sozialbudget, das Sie hier vorlegen, ist kaum mehr als ein Feigenblatt für eine Landesregierung, von der wir wissen, dass sie bei sinkenden Einnahmen zuerst bei den Sozialausgaben ansetzen würde.