Protocol of the Session on April 3, 2014

(Beifall bei der LINKEN – Florian Rentsch (FDP): Sie waren doch alle zufrieden!)

Ich bin sicher, damit wäre der Schulfrieden eher gerettet worden als mit dem, was wir jetzt seit Jahren an Verschlimmbesserungen und an krampfhaftem Festhalten an dem gescheiterten G 8 erleben müssen.

Meine Damen und Herren von der FDP, dass Sie nun eine weitere Verschlimmerung der sowieso schon schlimmen Schulsituation fordern und das bisschen Vernunft, das die schwarz-grüne Landesregierung an diesem Punkt an den Tag legt, rückgängig gemacht haben wollen, ist einfach unglaublich. Mehr Worte zu Ihrem Ansinnen kann ich bei aller Liebe zu diesem Hohen Haus nicht finden.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Wagner, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren jetzt innerhalb von eineinhalb Stunden zum zweiten Mal über dasselbe Thema.

(Florian Rentsch (FDP): Weil es wichtig ist!)

Herr Kollege Rentsch, natürlich ist das ein wichtiges Thema. Dennoch ist es ein bisschen so wie beim Fernsehprogramm: vormittags nur Wiederholungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Aber das Thema bietet die Gelegenheit, einmal ausführlicher darauf einzugehen – es ist die Aktuelle Stunde der FDP –, was die Eltern von der FDP zu erwarten hätten. Die Aussage der FDP ist klar: Sie ist dagegen, dass die bestehenden 5., 6. und 7. Klassen die Chance haben, zu G 9 zurückzukehren. Meine Damen und Herren von der FDP, was das mit dem Elternwillen zu tun hat, müssen Sie den Eltern bitte einmal erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es war doch die FDP, die darauf gedrängt hat, dass durch eine Regelung im Schulgesetz sogar gesetzlich ausgeschlossen wurde, dass die Eltern der Kinder, die 5., 6. und 7. Klassen besuchen, darüber entscheiden können, ob es eine Rückkehr gibt. Herr Kollege Greilich, dass Sie von der FDP sich jetzt erdreisten, sich zum Anwalt der Eltern zu machen, obwohl Sie es doch gesetzlich verboten haben, den Elternwillen zu berücksichtigen, ist ein sehr starkes Stück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich halte fest: Die Eltern der Kinder, die die bestehenden 5., 6. und 7. Klassen besuchen, haben nach der FDP keine Wahl, keine Entscheidungsmöglichkeit und keine Freiheit. Was das noch mit Liberalität zu tun hat, möchte ich gern wissen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Geis, herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede. Sie haben sehr viel über die grundsätzliche Frage gesprochen, wahrscheinlich nicht ohne Grund; denn Sie wissen, dass man es, was die 5., 6. und 7. Klassen betrifft, gar nicht sehr viel anders machen kann als die Koalition.

Aber, Frau Geis, ich sage auch gern etwas zu der grundsätzlichen Frage: Wir haben in Hessen die Situation, dass 60 % der Gymnasien und 85 % der kooperativen Gesamtschulen zu G 9 zurückgekehrt sind. Die integrierten Gesamtschulen haben schon immer zu 100 % G 9 angeboten. Frau Geis, wir sind also bei der Wahlfreiheit sehr weit – weiter als alle anderen Bundesländer. Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Geis, ich kann es akzeptieren, wenn Sie sagen, es gibt einzelne Regionen in unserem Land, in denen die Wahlfreiheit noch nicht verwirklicht ist. Da haben Sie ausdrücklich recht. Für diese Regionen haben wir im Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN festgehalten, dass wir uns das noch einmal ganz genau anschauen und versuchen wollen, bis zum Schuljahr 2015/2016 zu Lösungen zu kommen. Dann haben wir vielleicht einen Anteil von 65 % der Gymnasien und 90 % der kooperativen Gesamtschulen, die zu G 9 zurückgekehrt sind.

Frau Geis, dann muss die SPD die Frage beantworten, ob sie die wenigen Schulen, die bei G 8 geblieben sind, weil es die Eltern wollten, zur Rückkehr zu G 9 zwingen will. Diese Frage müssen Sie irgendwann einmal beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Selbst wenn Sie sie dahin gehend beantworten, Sie wollen alle Schulen – auch gegen den Willen der Eltern – zur Rückkehr zu G 9 zwingen, müssen Sie sich mit der Frage auseinandersetzen, was Sie mit den bestehenden 5., 6. und 7. Klassen machen wollen. Dann kommen Sie um einen Fakt nicht herum – das wissen Sie auch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD –: Es gibt einen Vertrauensschutz für die Eltern, die sich für G 8 entschieden haben.

(Judith Lannert (CDU): Genau!)

Um diesen Vertrauensschutz kommen wir nicht herum. Wir können hier schon einmal festhalten, dass wir uns darin einig sind. Was, bitte, bleibt dann von Ihrer Kritik an unseren Vorschlägen übrig? Wenn Sie bereit sind, den Vertrauensschutz der Eltern zu garantieren, bleibt von Ihrer Kritik an unserem Gesetzentwurf nichts übrig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Greilich hat den Kommentar von Herrn Trautsch aus der „FAZ“ in die Debatte eingeführt. Es gibt in der Politik in der Tat immer Alternativen. Wir streiten darüber, was die richtige Alternative ist. Aber der letzte Satz des Kommentars von Herrn Trautsch lautet:

Denn hätte die Politik anders entschieden, müsste sie sich jetzt Bevormundung und Sturheit vorhalten lassen.

Genau das wollen wir nicht. Wir wollen nicht bevormunden, und wir wollen nicht stur sein, sondern wir wollen uns anhören, was die Eltern und die Schulen wollen. Wir wollen Möglichkeiten einräumen, auch wenn diese vielleicht manchmal schwierig sind.

Aber, Herr Kollege Greilich, wir sind für die Freiheit der Entscheidung, für die Freiheit der Schulgemeinden und für die Freiheit des Elternwillens. Dass die FDP dagegen ist, zeigt, dass in Hessen von einer liberalen Partei leider nichts mehr übrig ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kultusminister, Staatsminister Prof. Lorz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun also G 8/G 9 zum Zweiten. In der Tat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, hätte man angesichts der offensichtlichen Identität des Themas auf den Gedanken kommen können, die beiden Aktuellen Stunden zusammenzulegen.

(Nancy Faeser (SPD): Sie wollen als Minister doch wohl nicht das Parlament kritisieren!)

Dass es aber nicht geschehen ist, liegt nicht nur an der Beliebtheit dieses Themas bei der Opposition, die das gern zwei Mal diskutieren wollte, sondern vor allem an ihrer Uneinigkeit.

(Günter Rudolph (SPD): Das entscheiden wir und nicht Sie!)

Das ist vollkommen richtig; ich darf nur auf die Motive hinweisen, die Sie dazu bewogen haben.

Frau Abg. Geis und Herr Abg. Greilich haben das hier auch sehr schön demonstriert, indem sie nämlich versucht haben, das Thema der Aktuellen Stunde kurzerhand zu ändern, und indem sie ein weiteres Mal eine Grundsatzdebatte zur Frage eröffnet haben: Gibt es jetzt eine flächendeckende zwangsweise Rückführung zu G 9, und wenn nein, sind denn G 8 und G 9 im Lande korrekt verteilt? – Das hat aber nichts mit dem zu tun, worüber wir hier in der Aktuellen Stunde reden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn diese Aktuelle Stunde war überschrieben mit: Die Landesregierung solle ihren Gesetzentwurf zurückziehen. Dieser Gesetzentwurf bezieht sich ausdrücklich nur auf die Frage der Mitnahme der laufenden Jahrgänge, also der 5., 6. und 7. Klassen. Also, meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch über dieses Thema reden. Ich bin überzeugt, wir werden auch in diesem Hause noch genügend andere Gelegenheiten haben, das Grundsatzthema wieder aufzugreifen. Eben hatten wir den Versuch der SPD, ein Problem dadurch zu lösen, indem man es für alle einführt. Das ist eine alte sozialistische Devise: Wenn es allen gleichermaßen schlecht geht, dann geht es ja auch allen gleich gut.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Jetzt haben wir den Vorschlag, ein Problem dadurch zu lösen, dass man einfach gar nichts macht. Aber das ist wenigstens konsequent.

Lassen Sie uns noch einmal rekapitulieren. Es geht hier um eine Balance zwischen Elternwillen und Vertrauensschutz für die laufenden Jahrgänge. Die alte Landesregierung und die alte Mehrheit im Landtag hatten daraus den Schluss gezogen: Wir machen einen klaren Schnitt – keine Mitnahme der laufenden Jahrgänge, und zwar gerade um irgendwelche Mobbingsituationen zu vermeiden, die aus den Erfahrungen mit der Rückkehrbefugnis für die kooperativen Gesamtschulen bekannt waren. Dafür sind wir damals – Frau Abg. Geis, Sie haben das noch nicht miterlebt, aber ich erinnere mich noch sehr gut an die Debatten des letzten Jahres hier in diesem Hause – auf dieser Seite ausgelacht worden. Jetzt beschwören Sie das wortreich als unglaubliche Gefahr und Störung des Schulfriedens. Wenn also der Begriff Krokodilstränen jemals seine Berechtigung gehabt hat, dann hier.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die alte Regelung hatte den Vorteil: Es war eine klare Ansage, und es gab kein Problem mit dem Vertrauensschutz. Deswegen möchte die FDP auch daran festhalten. Aber, Herr Abg. Greilich, Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, dass das den Schulfrieden hergestellt habe. Haben wir denn die zahlreichen Elternbriefe, die eingetroffen sind, die Petitionen, die Unterschriftsaktionen und die hitzigen Debatten in- und außerhalb dieses Hauses vergessen?

Im Vergleich zu dem, was wir hier letztes Jahr erlebt haben, ist doch alle Kritik an der Neuregelung bisher ein laues Lüftchen. Wir hatten keine Zufriedenheit an den Schulen. Das muss man in Erkenntnis der Sachlage vom letzten Jahr einfach feststellen. Deswegen hat die Koalition daraus die Konsequenz gezogen: Wir öffnen das, soweit es

der Vertrauensschutz zulässt. Was rechtlich möglich ist, wird gemacht.

Wir haben das auch deswegen getan, weil wir von unseren Schulen Rückmeldungen bekommen haben, die sagten, jedenfalls einige davon: Wir schaffen das, wenn ihr uns lasst. – Jetzt, meine Damen und Herren, kommt der Clou. Ich habe nämlich ein paar Daten für Sie. Diese sind alle noch vorläufig, weil die Gremien noch tagen und an vielen Schulen noch die Entscheidungsprozesse laufen. Aber ich will Ihnen die Tendenz nicht vorenthalten:

Wir haben jetzt aus sechs Staatlichen Schulämtern Rückmeldungen. 29 Schulen sind insgesamt betroffen, von 20 haben wir Rückmeldungen. Diese 20 verteilen sich aller Voraussicht nach wie folgt: Sieben wollen gar nicht wechseln, also mit keinem Jahrgang. Wir reden von Schulen, die zu G 9 wechseln oder gewechselt sind. Wir reden hier nur über die Mitnahme der laufenden Jahrgänge. Sieben wollen mit keinem Jahrgang wechseln. Vier wollen mit einem Jahrgang wechseln, und zwar wenn, dann komplett. Acht wollen mit zwei Jahrgängen wechseln, davon zwei nur, wenn es komplett geht, also mit Einstimmigkeit, und sechs sind auch zum Splitting bereit, also zur Einrichtung paralleler G-8- und G-9-Klassen. Eine Schule will sogar mit allen drei Jahrgängen wechseln.

Meine Damen und Herren, das zeigt doch eindeutig: Die Schulen nutzen, und zwar ziemlich gleich verteilt, die ganze Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten, die wir ihnen mit diesem Gesetzentwurf eingeräumt haben bzw. einräumen wollen. Deswegen ist es richtig, ihnen diese Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Tagesordnungspunkt 51 ist damit beraten und besprochen.