Protocol of the Session on November 16, 2011

Sie haben angekündigt, bis zum Jahr 2016 350 bis 400 Stellen abzubauen. Erst ringen Sie einzelnen Gerichtsbarkeiten mit dem Versprechen, es werde gerade kein Personal abgebaut, die Zustimmung zu den Gerichtsschließungen ab, um kurz danach – im September wurde der Haushaltsplanentwurf vorgelegt – die eigenen Versprechen Lügen zu strafen und einen umfassenden Personalabbau anzukündigen.

Meine Damen und Herren, diejenigen, die im Rechts- und Integrationsausschuss Mitglied sind, haben bei der Anhörung zu den Gerichtsschließungen mitbekommen, mit welcher Ablehnung, geradezu Verachtung, die Organisationen der Justizbediensteten über den Justizminister reden. Niemals zuvor hat ein Justizminister seinen Ruf in der Justiz so schnell und so nachhaltig ruiniert wie JörgUwe Hahn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Herr Hahn, verglichen mit Ihnen ist der sprichwörtliche Wendehals ein Muster an Beständigkeit.

Meine Damen und Herren, die Personalausstattung der Justiz, die Anzahl der Stellen ebenso wie ihre Verteilung innerhalb der Justiz, ist immer ein erheblicher Streitpunkt. Deswegen wurden in den letzten Jahren viel Kraft und viel Zeit darauf verwandt, mit PEBB§Y eine rationale Grundlage für die Personalbesetzung zu finden. Für diejenigen, die nicht ständig damit befasst sind: Das ist die Abkürzung für Personalbedarfsberechnungssystem.

In umfangreichen bundesweiten Erhebungen über mehrere Jahre wurde ermittelt, welcher Personaleinsatz für welchen Arbeitsanfall eigentlich notwendig ist. Mit weiterem erheblichen Aufwand wurden diese Ergebnisse an hessische Verhältnisse angepasst. Das Ergebnis war immer: Die Justiz in Hessen ist unterbesetzt. Es fehlen Stellen für Richterinnen und Richter ebenso wie Stellen für richterliches Personal. – Sie wollen dieses Problem nicht beseitigen, sie wollen es noch verschärfen.

Wenn man das auf die ordentliche Gerichtsbarkeit herunterrechnet – dort sollen 45 Richterstellen und 170 Stellen im mittleren und einfachen Dienst wegfallen, obwohl nach den PEBB§Y-Zahlen eine 111-prozentige Belastung besteht –, dann müsste das Personal eigentlich um 11 % aufgestockt werden.

Das Problem daran ist, dass wir einen Justizminister haben, der keine Vorstellung von den Besonderheiten der Justiz hat. Wir reden nicht über eine x-beliebige Behörde wie jede andere, sondern über die dritte Gewalt. Die Unabhängigkeit der Justiz, die Rechtsweggarantie der Verfassung, die Gleichheit vor dem Gesetz oder – einfacher ausgedrückt – der Wunsch nach einer gerechten Gesellschaft erfordern eben auch eine angemessene Personalausstattung der Justiz. Das müsste der Maßstab sein, und nicht eine Personalkürzung mit dem Rasenmäher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass auch die Justiz Einsparungen hinnehmen muss, dann muss man als Berechnungsmaßstab den eigentlich notwendigen Personalbedarf und nicht den Istzustand, der schon einen Mangel darstellt, zur Grundlage nehmen. Das ist deswegen ärgerlich, weil Sie reale Einsparmöglichkeiten – Frau Hofmann hat bereits darauf hingewiesen – im Personalbereich nicht nutzen.

Seit mehreren Jahren, spätestens aber im letzten Jahr, hatte ich in den Haushaltsdebatten darauf hingewiesen, dass wir beim Verwaltungsgerichtshof ohne Qualitätsverlust, allein aufgrund der rückgängigen Eingangszahlen, mindestens einen Senat einsparen könnten. Der erste Schritt dazu wäre, eine Vorsitzendenstelle nicht wieder zu besetzen und zu streichen. Jetzt lesen wir im Stellenbesetzungsplan, es soll weiterhin zwölf Vorsitzendenstellen, also die gleiche Anzahl von Senaten, geben, nicht einmal mit einem kw-Vermerk versehen. Das heißt, sie sind auch nicht künftig wegfallend. Bei den Indianern zu sparen und die Häuptlinge ungeschoren zu lassen, das ist und bleibt auch in diesem Falle ungerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Justizminister, ich bin auch gespannt, wie Sie die Stellenstreichungen im Justizvollzug umsetzen wollen. Herr Honka hat darauf hingewiesen, welche Stellenmehrbesetzungen es in den letzten Jahren gegeben hat. Es soll sie auch in diesem Jahr wieder geben. Warum planen Sie denn eigentlich, 65 dieser Stellen wieder zu streichen, wenn Sie vorher behauptet haben, sie würden gebraucht? Das macht überhaupt keinen Sinn. Es ist doch mit Händen zu greifen. Wir haben zwar einen Rückgang an Gefangenenzahlen, aber ob auf einer Station 20, 25 oder 30, oder was weiß ich wie viele Gefangene sind, sie muss immer personell besetzt sein. Es muss immer mindestens ein Beamter anwesend sein, unabhängig von der Anzahl der Gefangenen – außer, Sie ziehen in Erwägung, eine weitere Vollzugsanstalt zu streichen. Das sollten Sie aber dann auch offen sagen. Sie sollten den Mitarbeiterinnern und

Mitarbeitern reinen Wein einschenken. – Egal, was Sie sagen, glauben würde Ihnen sowieso keiner mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich will Sie nur auf die vorgesehene Redezeit hinweisen.

Okay. – Es gibt noch eine ganze Reihe von Einsparmaßnahmen und Effizienzsteigerungen, die wir vorgeschlagen haben. Wir haben immer wieder gesagt, wir brauchen die drei E: Einsparung, Effizienzsteigerung, Einnahmeverbesserungen.

Man könnte Registergerichte zusammenlegen, man könnte die elektronische Aufenthaltsüberwachung, die elektronische Fußfessel, für weit mehr Dinge einsetzen, als Sie das geplant haben. Man könnte Aufgaben der Rechtspflege auf die Serviceeinheiten verlagern, und man könnte die seit Langem unveränderten Gerichtsgebühren maßvoll anheben. Wir haben ausgerechnet, allein eine Anhebung um 5 % würde einen Mehrbetrag von rund 15 Millionen € ergeben, also fast so viel, wie Sie mit den Stelleneinsparungen einsparen wollen.

Es gibt andere Wege, die man gehen kann, ohne die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gefährden. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Müller das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, der Justizminister wies mich gerade darauf hin, dass der Kollege Honka den zur FDP passenderen Schlips anhat. Dafür passt meiner wahrscheinlich besser zur CDU. Das spricht für die gute Zusammenarbeit, die wir in der Koalition pflegen. Das möchte ich an dieser Stelle erläutern.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Wenn euch nichts mehr einfällt!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, die relativ überzogenen Versuche des Kollegen Dr. Jürgens, den Justizminister und seine Glaubwürdigkeit anzugreifen, sind dadurch in ihrer Werthaltigkeit unterstrichen worden, dass einzig und allein Herr Dr. Wilken von den LINKEN daraufhin applaudiert hat. Alle anderen haben erkannt, dass es so weit am Thema vorbei ist, dass es nicht weiter beachtenswert ist.

Meine Damen und Herren, wir sind im Justizressort sehr gut aufgestellt. Das zeigen auch die vielen Gespräche, die man führt. Ich gebe zu, wenn man mit dem Richterbund und der NRV spricht, dann hört es sich anders an. Aber das ist sicherlich ein Stück weit der Verbandstätigkeit geschuldet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Denn wenn wir den bundesweiten Vergleich sehen, müssen wir erkennen, dass wir in Hessen eine sehr gut ausgestattete Justiz haben, sowohl was die Arbeitsplatzausstattung anbelangt, als auch was die personelle Ausstattung anbelangt. Das muss man sehr deutlich machen.

Trotzdem müssen wir in verschiedenen Bereichen sparen. Wir haben das letzte Jahr sehr häufig und intensiv über KuK und das Thema Arbeitsgerichte und Amtsgerichte, Kleinstarbeitsgerichte und Kleinstamtsgerichte gesprochen und dann die Entscheidung getroffen, zur Schließung entsprechender Standorte zu kommen. Das war sicherlich richtig und sinnvoll. Wir werden auch weiterhin darüber diskutieren, und ich freue mich, dass das heute sehr sachlich stattfindet, auch mit verschiedenen Vorschlägen, wo weitere Einsparungen zu erbringen sind.

Meine Damen und Herren, wir haben ein Personalkonsolidierungskonzept im Einzelplan 05 genauso auf den Weg zu bringen wie in allen anderen Einzelplänen. Das ist keine leichte Herausforderung, aber ich bin relativ sicher, dass wir diese Herausforderung im Justizressort sehr gut bewältigen werden können. Wir haben ein Konzept, das bis 2016 ausgestaltet ist, und wir erarbeiten gemeinsam – das ist das Entscheidende – mit den Gerichtsbarkeiten eine Umsetzung.

Ich will an der Stelle hervorheben, dass wir in den Bereichen, die intensiv belastet sind, in der Staatsanwaltschaft und den Sozialgerichten, so viele Stellen haben wie nie zuvor. Das heißt, wir schauen sehr wohl, wo Bedarf ist, und entsprechend handeln wir und stellen Richterstellen zur Verfügung. Damit werden wir der Verantwortung gerecht.

Ich glaube, wer bei der Veranstaltung des Richterbundes aufmerksam zugehört hat – Frau Hofmann, Sie haben es angesprochen –, dem ist klar, dass es irgendwo Grenzen gibt. Deswegen hat der Justizminister angekündigt, dass man daran arbeitet, über einen Justizpakt feste Regelungen, feste Grenzen auf den Weg zu bringen, die eine Verlässlichkeit gewährleisten.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Ich glaube, das ist eine sehr sinnvolle Geschichte, und wir unterstützen diese Ambitionen des Justizministers.

Neben die Sparbemühungen haben wir auch Schwerpunkte gesetzt. Dazu gehört die dritte Tranche der Vollzugsgesetze. Wie gesagt, es ist die dritte Tranche. Wir haben gerade beim Vollzug in den letzten Jahren mit den Vollzugsgesetzen und der anschließenden Zurverfügungstellung von zahlreichen Stellen sowohl beim AVD als auch in der weiteren Betreuung sicherlich Duftmarken gesetzt, die in anderen Bundesländern der Nachahmung würdig wären.

Wir haben mit der Sicherungsverwahrung eine horrende Aufgabe vor uns, bis zum Mai 2013 eine entsprechende Einrichtung zu schaffen. Die Arbeiten dafür sind in vollem Gang. Das Ganze ist auch haushaltswirksam, weil im Jahre 2012 die ersten 7 Millionen € dort enthalten sind, zusätzlich dazu das Personal. Herr Kollege Honka hat das schon ausgeführt.

Wir haben die GÜL, die sogenannte Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder, die zeigt, dass wir in Hessen vorne sind. Wir sind hier Vorreiter. Aufgrund unserer vielfältigen Erfahrungen sind wir es, die zusammen mit den anderen Bundesländern diese Stelle einrichten. Sie wird bei uns eingerichtet. Unser Justizministerium hat auch den Staatsvertrag wesentlich mit ausgearbeitet.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Darüber hinaus gibt es die GIT – die GIT und die GÜL, schöne Abkürzungen –, und auch hier zeigt sich, dass wir nach vorne denken, wie insgesamt beim Bereich E-Justiz. Ich glaube, hier darf man einmal Herrn Dr. Köbler erwähnen, der sehr aktiv und intensiv in diesem Bereich arbeitet und sich auch bundesweit mittlerweile Kompetenzwerte erarbeitet hat.

(Marius Weiß (SPD): Zehn Gerichte habt ihr dichtgemacht! Nicht, dass Sie das vergessen!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir brauchen uns vor keinem Vergleich mit benachbarten oder anderen Bundesländern zu scheuen. Wir haben sehr gute Arbeitsbedingungen, und es ist unser Ziel, diese Arbeitsbedingungen auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. Deswegen schauen wir sehr genau, wo und wie wir bei den Sparanstrengungen und -bemühungen vorgehen.

An dieser Stelle ist es angebracht, den Aktiven in der dritten Gewalt Dank zu sagen, der Richterschaft, der Staatsanwaltschaft, den Rechtspflegern, der Amtsanwaltschaft – was häufig vergessen wird; auch denen gebührt unser Dank;

(Heike Hofmann (SPD): Nein, ich habe sie erwähnt!)

ja, Sie hatten sie erwähnt, aber sie werden immer wieder einmal vergessen, weil sie hinter den Staatsanwälten zurücktreten; deswegen ist es richtig, auch sie zu erwähnen und ihnen zu danken – und natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Servicestellen. Denn auch das ist eine nicht unwichtige Tätigkeit. Dort wird wichtige und gute Arbeit geleistet.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Marius Weiß (SPD): Es freuen sich alle über Gerichtsschließungen!)

Natürlich danken wir auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium und der Hausspitze, die allesamt intensiv und sehr engagiert dazu beitragen, dass die dritte Gewalt in unserem Staat so gut aufgestellt ist, wie sie es ist, und damit eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren unseres Rechtsstaates liefern. Dazu zähle ich das gesamte System, in dem wir leben. Denn ohne eine funktionierende und gute Justiz könnten wir weder in einem ordentlichen Wirtschaftssystem arbeiten, noch könnten wir in Sicherheit leben.

Meine Damen und Herren, wir haben neben der Justiz auch noch andere Bereiche, nämlich die Integration und Europa. Was Europa anbelangt, sehen wir, seit wir in den Ausschüssen die Vorlagen bekommen, wie aufwendig und wie vielfältig diese Arbeit ist. Deswegen kann man an dieser Stelle der Europastaatssekretärin Beer danken, dass sie uns in Brüssel so gut vertritt und dort die Lobbyarbeit für Hessen vornimmt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Last, but not least die Integration. Hier möchte ich nur kurz die Modellregionen Integration ansprechen. Die Enquetekommission Integration tagt sehr intensiv und auch inhaltlich sehr tief greifend. Wir fördern weiterhin innovative Integrationsprojekte. Wir haben auch intensive niedrigschwellige Sprachkurse für Erwachsene, gezielt für Mütter bzw. Eltern. Wir fördern finanziell die Qualifizierung und Fortbildung von ehrenamtlichen Integrationslotsen. Alle diese Tätigkeiten tragen dazu bei, dass wir in

Hessen eine gute Integrationspolitik aus einem Guss haben. Das zeigt, dass dieser Haushalt, dieser Einzelplan 05, insgesamt die richtigen Wegmarken setzt. Das werden wir auch weiterhin tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Müller. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Wilken das Wort. Bitte schön.