Protocol of the Session on November 16, 2011

Wir drücken uns auch nicht um die schwierigen Fragen herum. Das war eben so ein Thema. Natürlich ist die Energiepolitik ein schwieriges Feld; denn das, was wir beschlossen haben – ich werde gleich noch dazu kommen –, wird natürlich Auswirkungen bei den Bürgerinnen und Bürgern haben, bis hin zur Frage: Steigen die Energiepreise? Das sind alles wichtige Themen, nicht nur für die Privathaushalte, sondern natürlich auch für die Unternehmen, die wir in unserem Land haben.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Al-Wazir, Kollegen von der Opposition, ich glaube, man kann uns viel vorwerfen. Aber man muss das, was schwarz auf weiß steht, beispielsweise wie sich Hessen in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich entwickelt hat, zur Kenntnis nehmen.

Dass diese wirtschaftliche Entwicklung hinsichtlich des Bruttosozialprodukts die erfolgreichste im Vergleich der 16 Bundesländer in Deutschland war, sollte man doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb kann ich es nicht mehr hören, wenn Sie sagen, Sie seien die „New School“, und wir seien die „Old School“ – nach dem Motto: „Wir nehmen Beton und bauen Straßen irgendwo im Wald“. Das machen wir, weil wir wollen, dass sich Unternehmen in Hessen nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch im ländlichen Raum ansiedeln, dass diese Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, Innovation schaffen und Steuern zahlen, damit das Geld, das dort gezahlt wird, hier wieder ausgegeben werden kann. So herum funktioniert nämlich die Reihenfolge.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb bin ich immer wieder erstaunt, wenn Sie das Schreckgespenst des § 121 HGO an die Wand malen nach dem Motto, das sei alles Ideologie. Unter dieser Ideologie ist Hessen das erfolgreichste Wirtschaftsland in Deutschland geworden. Diese Ideologie scheint also doch nicht ganz unsinnig zu sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU – Vizepräsidentin Sarah Sorge übernimmt den Vorsitz.)

Was macht Hessen in seiner wirtschaftlichen Entwicklung so stark? Hessen macht das so stark, was wir im Vergleich zu anderen Bundesländern haben: einen der stärksten Ballungsräume in ganz Europa, das Rhein-Main-Gebiet, und eine starke Stellung der Wissenschaft, die wir – der Herr Ministerpräsident hat es gesagt – stetig und sukzessive mit Spitzeninstituten, wie dem Fraunhofer-Institut und dem Max-Planck-Institut, weiter ausbauen. Wir haben hier einen riesigen Nachholbedarf, weil in Hessen – vor allen Dingen unter sozialdemokratischer Führung – in den letzten 30 Jahren viel zu wenig passiert ist. Außerdem haben wir es mit klugen Investitionen in die Infrastruktur geschafft, die Wirtschaft auch in Regionen zu bringen, wo vorher keine Unternehmen waren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir binden das Ganze mit einem wirtschaftlichen Gesamtgerüst ab, das Existenzgründungen fördert. Wir haben in Hessen die zweithöchste Existenzgründungsquote. Existenzgründer fühlen sich in unserem Bundesland deshalb so wohl, weil sie wissen, dass sie sich, wenn es darum

geht, Investitionen nach Hessen zu holen, auf die staatliche Unterstützung nicht nur des Wirtschaftsministers, sondern der ganzen Landesregierung und ihrer Institutionen verlassen können.

Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, warum wir mit einem Wirtschaftswachstum von 4,3 % im ersten Halbjahr dieses Jahres so gut dastehen. 4,3 % – meine Damen und Herren, das ist ein Spitzenwert. Ich will das erklären. Hessen hat in den Jahren der Krise im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht so stark verloren, weil wir in vielen Bereichen eine sehr diversifizierte Situation in der Wirtschaft haben. Wir haben neben der industriellen Produktion eben auch viele Dienstleister in Hessen. Wir haben gemerkt, dass sich die wirtschaftliche Situation in diesem Bereich nicht so sehr verschlechterte. Deshalb ist das Wachstum jetzt aber auch nicht extrem groß. Das erklärt aber, warum dieses Wachstum ein Spitzenwert ist. Diesen Spitzenwert haben wir dem Rhein-Main-Gebiet zu verdanken. Wir haben ihn auch dem Frankfurter Flughafen zu verdanken. Ich glaube, da besteht Übereinstimmung mit den Kollegen der SPD.

Meine Damen und Herren, wir haben dieses Wachstum aber auch den Menschen in Nordhessen zu verdanken. Die Region Nordhessen hat sich mittlerweile, nachdem sie von Rot-Grün jahrzehntelang unter Naturschutz gestellt worden war, zu einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen in Deutschland entwickelt. Das ist ein großer Erfolg.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich kann Ihnen ganz persönlich sagen: Ich bin in Nordhessen aufgewachsen, habe dort Abitur gemacht. Als ich zum Studium nach Frankfurt gehen durfte – so will ich es einmal formulieren –, habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Menschen, die in Nordhessen leben, aus der Sicht des Rhein-Main-Gebietes in unserem Bundesland eine ziemlich unwichtige Rolle spielen – nach dem Motto: „Warum brauchen wir eigentlich diesen Teil des Bundeslandes, die haben ja mehr mit Thüringen zu tun?“ Geschichtlich gesehen ist das richtig. Wozu brauchen wir die Nordhessen – neben der Tatsache, dass sie von ihrer ganzen Art her der liebenswerteste Menschenschlag sind, den wir in Hessen überhaupt haben?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten)

Sie können sehen, dass bei der Union zurzeit wenige Nordhessen sind, sonst hätten sie an dieser Stelle geklatscht.

(Heiterkeit)

Für die Nordhessen war es jahrelang eine persönliche Schande, dass sich der Fleiß, den sie aufgebracht haben, nicht gelohnt hat, weil die Politik Rahmenbedingungen setzte, die es nicht ermöglicht haben, dass sich diese Region eigenständig wirtschaftlich gut entwickelt. Ich habe darunter – das gebe ich zu – nicht gelitten, aber ich habe nicht verstanden, warum das so ist. Ich habe nicht verstanden, warum von der SPD, die damals nach einer, wie ich glaube, sehr erfolgreichen schwarz-gelben Regierung 1991 ins Amt gekommen ist, beispielsweise der Baustopp für die A 44 als politischer Preis dafür bezahlt worden ist, dass man mit den GRÜNEN gemeinsam regieren durfte. Ich habe das damals für einen einmaligen Vorgang in der Geschichte gehalten. Ich dachte, es ist für Nordhessen, für die dortige Wirtschaft und die Menschen, die dort leben, unglaublich ärgerlich, dass die GRÜNEN diese Autobahn

geopfert haben und die SPD das mitgemacht hat; aber ich habe auch gedacht, das kommt bestimmt nicht noch einmal vor. Ich gebe zu: Ich habe nicht mit Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gerechnet, ich habe nicht damit gerechnet, dass wir dort im Jahr 2011genau das erleben, was im Jahr 1991 in Nordhessen passiert ist. Das ist die gleiche Geschichte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Al-Wazir, wenn Sie uns ideologisches Handeln vorwerfen, was sagen Sie denn dann abends zu sich selbst, wenn Sie mit sich alleine sind? Wenn Sie das Wort „Straße“ hören, dann scheint das für Sie noch schlimmer zu sein, als wenn Sie das Wort „Liberale“ in den Mund nehmen müssen. Herr Al-Wazir, die Straße ist für Sie sozusagen der Feind des Baumes. Kollege Rösler hat auf unserem Parteitag gesagt: Sie sind die Mensch gewordene Tempo-30-Zone. – Das finde ich fast noch ein Lob, denn Sie sind nicht nur langsam, sondern Sie sind mit dieser Position auch weit zurück, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU)

Alle erfolgreichen Volkswirtschaften investieren in ihre Infrastruktur. Dazu gehört die IT-Infrastruktur genauso wie die Straßen-Infrastruktur. Möglicherweise hat es einen Grund, warum die A 38 von Göttingen nach Halle an einem Gebiet vorbeiführt, das in den letzten 50 Jahren wirtschaftlich überhaupt keine Rolle gespielt hat, nämlich die Region Eichsfeld. Möglicherweise hat es einen Grund, dass das Eichsfeld jetzt eine der Boomregionen in Thüringen ist. Dieses Gebiet ist nämlich erschlossen. Man kommt da mit dem Auto hin, nicht nur mit dem Hubschrauber, Herr Kollege Al-Wazir.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben vorhin auf die Straßen geschimpft, auf denen man von A nach B kommt. Ich weiß nicht, ob es stimmt – ich habe das nur gehört –, aber vielleicht ist es wirklich so, dass das Thema Auto für Sie keine Rolle mehr spielt, dass Sie sich von den Straßen vollkommen verabschiedet haben, seit Herr Kretschmann mit dem Hubschrauber zur Ministerpräsidentenkonferenz nach Kiel geflogen ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Das mag so sein. Aber gestehen Sie es wenigstens den Bürgern und Unternehmen zu, dass sie Autos und Straßen brauchen und haben wollen. Wir und Dieter Posch als unser Verkehrs- und Wirtschaftsminister werden weiterhin in die wirtschaftliche Infrastruktur unseres Landes investieren, weil wir wollen, dass sich die Unternehmen entwickeln, dass sie Arbeitsplätze schaffen, dass sie Steuern zahlen und den Menschen die Möglichkeit geben, in ihrer Region erfolgreich zu sein. Das unterscheidet uns.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Uns unterscheidet die Grundphilosophie, wie man dieses Land lenkt. Der Unterschied ist – ich erinnere an die Debatte um Opel –, dass wir eine völlig andere Grundphilosophie haben. Ich glaube, dass es kein besseres Instrument gibt, um einem Unternehmen zu zeigen, ob es erfolgreich oder nicht erfolgreich ist, als dass man einfach den Markt entscheiden lässt, ob die Menschen das Produkt dieses

Unternehmens kaufen oder nicht. Herr Kollege Hoff war vorhin hier im Hause und hat sich die Debatte angeschaut. Ich würde mir nicht zutrauen, der Firma Opel zu sagen, ob ihre Autos ökologisch genug sind, ob sie sportlich genug sind – oder was auch immer. Sie als kluger Autobauer der grünen Landtagsfraktion und Landesvorsitzender haben damals gesagt: Opel ist deshalb in der Krise, weil die Autos nicht ökologisch genug sind. – Herr Al-Wazir, wenn Sie so viel Ahnung haben, dann sollten Sie der neue Entwicklungschef bei Opel werden. Ich denke, das ist Ihre eigentliche Bestimmung für dieses Land. Und dieser Job ist mit Sicherheit auch besser bezahlt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben eine unterschiedliche Grundphilosophie. Wir werden den Menschen keine Vorschriften machen nach dem Motto: „Straßen dürfen nicht sein, wir richten alle politischen Aktivitäten darauf aus“, sondern wir wollen, dass sich die Wirtschaft und die Menschen so entwickeln, wie sie können, nach den Fähigkeiten, die sie haben, und wir schaffen die Rahmenbedingungen dafür. Das ist unsere Philosophie. Diese Philosophie zieht sich durch alle Bereiche.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Diese Philosophie erkennen Sie auch in unserer Bildungspolitik. Ich glaube, dass wir in der Bildungs- und in der Wirtschaftspolitik – das sind für uns die wichtigsten Politikbereiche – gezeigt haben, wo der Unterschied zu Ihrer Politik liegt. Was haben wir in diesem Land nicht alles schon erlebt. Herr Schäfer-Gümbel hat vorhin eine mutige Rede über die Bildungspolitik gehalten. Da habe ich gedacht: Er hat ja unter dem gleichen Kultusminister wie ich Abitur gemacht – ich glaube, das gilt auch für den Herrn Kollegen Wagner –, nämlich unter Hartmut Holzapfel. Ich glaube, wir können uns freundschaftlich darauf einigen, dass es schlimmer nicht mehr ging. Das sollten wir einfach einmal gemeinsam feststellen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mich ja nie über Freistunden und Stundenausfall beschwert. Das muss ich zugeben. Aber ganz ehrlich, dass das ein Beispiel für eine gute Bildungspolitik gewesen ist, das sollten wir uns nicht antun. So viel Ehrlichkeit muss untereinander sein.

(Lothar Quanz (SPD): Was ist aus ihm geworden?)

Was aus ihm geworden ist?

(Lothar Quanz (SPD): Aus euch beiden ist doch etwas geworden!)

Da habe ich von Ihren Kolleginnen und Kollegen auch schon anders gehört.

(Heiterkeit – Wolfgang Greilich (FDP): Und das trotz dieser Schule!)

Ich glaube, dass wir mittlerweile in einer Luxussituation sind. Wir sind in einer Luxussituation; denn die Bildungspolitik in unserem Bundesland wird mittlerweile auf einem solch hohen Niveau betrieben, dass sich die Menschen daran gewöhnen, dass das so ist. Für viele ist es anscheinend völlig normal, dass wir im Jahr 1998 43.800 Lehrerstellen hatten – es waren natürlich mehr Lehrer als Lehrerstellen, deshalb nenne ich die richtige Zahl –, wäh

rend es im Jahr 2011 bereits 50.261 sind. Das sind knapp 7.000 Stellen mehr.

Jetzt könnte man sagen: Na ja, vielleicht ist auch die Zahl der Schüler so stark gestiegen. – Genau das Gegenteil ist der Fall. Während die Zahl der Schüler von 846.000 im Jahr 1999 auf 801.000 in diesem Jahr zurückgegangen ist – damals waren es also fast 50.000 Schüler mehr –, ist die Zahl der Lehrerstellen in diesem Land um beinahe 7.000 gestiegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Diese Investition ist kein Beweis dafür, dass wir eine gute Bildungspolitik machen; aber sie ist der Beweis dafür, dass das für uns keine Phrase ist, sondern dass wir es sehr ernst meinen, wenn wir dort investieren. Das unterscheidet uns.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Al-Wazir, ich sage Ihnen, wie der Wahlkampf ablaufen wird. Ich bitte Sie, jetzt schon einmal in Rheinland-Pfalz anzurufen. Wir werden Ihnen nämlich jeden Tag aufs Butterbrot schmieren, dass die großen Erfinder der besten Bildungspolitik, nämlich Grün und Rot, im Nachbarland Rheinland-Pfalz – in 7 km Entfernung auf der anderen Seite des Rheins – 2.000 Lehrerstellen abbauen werden, während wir in dieser Legislaturperiode 2.500 Lehrer einstellen.

(Beifall bei der FDP)