Protocol of the Session on August 25, 2011

Bei der Frage der Zukunft unserer gemeinsamen Währung haben wir in den letzten Jahren einiges erlebt. Gerade die letzten zwölf Monate haben gezeigt, wie labil unsere gemeinsame Währung ist und welche Herausforderungen uns in den nächsten Monaten bevorstehen.

Ich weiß das aus vielen Gesprächen. Das wird Ihnen nicht anders gehen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben natürlich Angst, dass die Schuldenkrisen vieler europäischer Länder letztendlich auch auf die eigene Währung, auf Deutschland, zurückschlagen und dass die Stabilität des Euro der letzten Jahre nicht erhalten bleiben wird und möglicherweise das eigene Eigentum, das eigene Angesparte, die eigenen Anlagen in Probleme geraten.

Deshalb ist es richtig, dass wir heute hier darüber diskutieren, und deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Wir als Bundesland wollen gemeinsam mit dem Bund darüber entscheiden, welches die nächsten Schritte bei der Bekämpfung dieser Eurokrise sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann nicht an einem so wirtschaftsstarken Bundesland wie Hessen vorbei geschehen.

Die Eurobonds sind sicherlich keine Lösung, um die Schuldenkrisen verschiedener Nationalstaaten in Europa in irgendeiner Form zu lösen. Sehen Sie sich an, was die Eurobonds letztendlich sind. Sie sind die Zusammenführung aller Schulden in Europa und tragen letztendlich dafür Sorge – Kollege Reif hat es richtig gesagt –, dass der Zins, den wir für unsere Schulden zahlen, nicht niedriger wird, sondern in den nächsten Jahren ansteigen würde,

wenn wir diese Eurobonds einführen würden. Meine Damen und Herren, das zeigt, welche Probleme das für unser Land auslöst.

Es geht aber nicht nur um die Bundesrepublik Deutschland, die – wenn die Eurozone den Durchschnitt bildet – letztendlich mit einem Zinssatz von 4,4 % belastet würde, sondern wenn Sie alleine das hessische Beispiel betrachten, dann zeigt das, welche katastrophalen Auswirkungen dies hätte.

Wir haben es gerade einmal ausgerechnet. Wir gehen einmal davon aus – Sie können mich gerne korrigieren –, dass die ungefähre Summe der Kreditmarktschulden unserer Kommunen bei 8,5 Milliarden € liegt. Bei einer Erhöhung des Zinses, wenn wir Eurobonds einführen würden, würden wir – Bundesfinanzministerium – mit einer Zinssteigerung von ungefähr 0,8 Prozentpunkten rechnen. Das wäre eine Mehraufwendung für die Schuldentilgung und den Schuldendienst von 67 Millionen € für unsere Kommunen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ja, doch, genau so ist es. – Das zeigt eben: Sie wollen zur Lösung eines europäischen Problems die Vergemeinschaftung der Schulden, die Vergemeinschaftung der Probleme,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

anstatt die Probleme bei der Wurzel zu packen: nämlich endlich zu sparen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das eben ist das Fatale. Auch Wirtschaftsexperten sagen: Natürlich würden Eurobonds kurzfristig Ruhe bringen. Aber mittelfristig sind sie das Problem, weil sie eben nicht zum Sparen führen würden, sondern sie würden den Schuldendienst gerade für die Länder begünstigen, die eigentlich keine Vergünstigungen bekommen dürfen, weil sie endlich das machen müssen, was notwendig ist: endlich sparen.

Es kann doch nicht richtig sein, dass unser Land dank Fleiß und Anstrengung durch diese Krise gegangen ist, indem Menschen auf Lohn verzichtet haben und durch viel Arbeit und letztendlich Leistung und mit einer hohen Steuerbelastung dafür Sorge getragen haben, dass wir gut durch diese Krise kommen – und dass diese Anstrengungen dann nicht belohnt werden, weil wir alles in einen Topf werfen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann doch nicht der Weg sein.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man dem Kollegen Al-Wazir vorhin zugehört hat, hat man wirklich das Gefühl, dass er, wenn er eine Frage wirtschaftspolitischer Art hat, in der wirtschaftspolitischen Fachbibel von Tarek Al-Wazir nachschaut. Herr Kollege Al-Wazir, schreiben Sie eigentlich Ihre Antworten selbst? Wenn Sie einmal die Experten sehen, die sich in den letzten Tagen zu diesem Thema geäußert haben, dann müssen Sie doch eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass möglicherweise der eine oder andere, der noch nicht einmal auf unserer Seite steht, eine Richtung vorgibt und sagt: Nein, Eurobonds sind nicht der richtige Weg, um aus der Schuldenkrise herauszukommen.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will Ihnen einmal ein paar Beispiele nennen. Ich glaube, dass Sie dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, aus Prinzip nicht glauben. Aber vielleicht haben Sie ein bisschen mehr Gefühl für Hans-Werner Sinn? Kollege Reif hat es vorhin gesagt.

(Lachen und Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ja, natürlich keifen Sie, das ist doch klar. Kollege Al-Wazir, Sie als Politologe haben sicherlich mehr Expertenwissen als Hans-Werner Sinn. Aber nehmen Sie doch Michael Hüther, nehmen Sie Wolfgang Franz, nehmen Sie Christoph Schmidt – das sind alles Volkswirte, die – natürlich, Sie als Politologe sind in der Lage, zu allem etwas zu sagen – in den letzten Jahren klar gesagt haben, wohin der wirtschaftspolitische Kurs unseres Landes gehen muss.

Da stellt sich Kollege Al-Wazir hin, zitiert aus seiner eigenen Fachbibel „Tarek Al-Wazir und die Probleme der Welt“ und erklärt, wie es funktioniert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist abstrus, was Sie hier leisten.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich sage Ihnen das auch als überzeugter Europäer: Jemand, der zurzeit eine solche Politik vorträgt, wie es Sozialdemokraten und GRÜNE tun,

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

der pervertiert die europäische Idee.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Doch, so ist es. Es sind gerade die verantwortungslosen Politiker,

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Genau!)

die jetzt das süße Gift nach dem Motto empfehlen: alle Schulden zusammen, dann wird es schon irgendwie klappen. Mich würde es nicht wundern,

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

wenn immer mehr Bürger in unserem Land von dieser europäischen Idee abweichen, weil Politiker wie gerade Sie diese Idee wirklich pervertieren. Meine Damen und Herren, das ist doch das Problem.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Judith Lannert (CDU))

Sie gefährden die europäische Idee. Haben Sie sich eigentlich einmal mit der Frage beschäftigt, was mit den Bundes- oder Landesanleihen passieren würde? Einmal neben der Tatsache, dass Sie kein Wort darüber verloren haben, dass wir für das Thema Eurobonds gar keine Rechtsgrundlage haben. Bei Ihnen spielt das gar keine Rolle.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Diese Rechtsgrundlage wollen Sie anscheinend aus der Hand schwitzen. Dann wäre noch die nächste Frage zu klären, wie das Verhältnis von Bundes- und Landesanleihen zu bewerten ist, sowie die Frage der Nachrangigkeit. Wahrscheinlich müsste eine Verfassungsänderung her.

All diese Fragen haben Sie gar nicht thematisiert. Es wird einfach einmal so in den Raum posaunt, nach dem Motto, das sei der richtige Weg.

Ich muss sagen, ich finde es auch mutig, dass gerade Sozialdemokraten und GRÜNE bei diesem Thema so offensiv sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer war es denn, der Griechenland aufgenommen hat? Unter rotgrüner Führung. Wer war es denn, der die Stabilitätskriterien des Euro aufgeweicht hat?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war Hans Eichel, der hier Zugeständnisse gemacht hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Lothar Quanz (SPD))

All diese Fragen sind bei dieser Debatte leider viel zu kurz gekommen. Deshalb: Es hilft niemandem etwas, wenn wir durch Eurobonds dazu kommen, dass die Refinanzierungsquote für Deutschland teurer wird, dass Unternehmen mehr zahlen müssen, wenn sie ein Darlehen aufnehmen. Es hilft auch niemandem etwas, wenn wir den deutschen Wirtschaftsmotor abwürgen – weil nämlich ganz Europa unter diesem Wirtschaftsmotor letztendlich positiv funktioniert.

Er zieht Europa niemand anderes. Wenn Deutschland nicht funktioniert, funktioniert auch Europa nicht. So einfach ist es.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Möglicherweise ist es so, dass bei den Maßnahmen, die bisher gemacht worden sind – Griechenlandhilfe, Irlandhilfe, Portugalhilfe, Euro-Rettungsschirm, Europäischer Stabilitätsmechanismus, Europäisches Semester, Legislativpaket der Kommission, Behandlung im Europäischen Rat, Euro-Plus-Paket, Sondergipfel Eurozone etc. pp. – –

(Petra Fuhrmann (SPD): Wer regiert eigentlich in Berlin? – Dr. Michael Reuter (SPD): Alles unter Merkel!)

Die Liste ist unendlich. Aber irgendwann müsste man zum eigentlichen Problem kommen, und das eigentliche Problem, wenn wir beispielsweise über Griechenland reden, ist, dass die Griechen ein Schuldenproblem haben, das sie durch billigere Zinsen nicht werden lösen können. Dieses Schuldenproblem, dass ein Viertel der Menschen in Griechenland beim Staat beschäftigt ist, dass eine Masse von Unternehmen in Staatshand ist, nicht effizient geführt wird, wird auch das Thema Eurobonds nicht lösen. Deshalb warne ich davor – ich versuche auch, an Ihre Verantwortung zu appellieren als überzeugte Europäer; ich glaube, da sind wir ähnlich aufgestellt – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nee!)

Das hat man gerade gemerkt; dann scheinen Sie doch nicht so viel Verantwortung für Europa übernehmen zu wollen. – Aber es reicht nicht, sich einfach nur markig hierhin zu stellen, eine einfache Lösung für dieses komplexe Problem anzubieten und letztlich zu sagen, Eurobonds seien die Lösung.

Ich würde gerne eine Umfrage im Landtag machen, wenn es gestattet wäre, was die Menschen zurzeit denken, was wir hier machen. Glauben Sie nicht ernsthaft, dass die Ängste der Menschen in diesem Land relativ weitgehend sind? Glauben Sie nicht ernsthaft, dass die Leute Angst um ihre Währung, um ihre Anlagen etc. haben?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Glauben Sie, dass Sie eine Antwort geben?)

Doch, das glaube ich. – Herr Kollege Wagner, deshalb glaube ich auch, es wird nichts bringen, einfache Lösungen anzubieten und um den wahren Kern einen großen Bogen zu machen. Es bleibt nichts anderes übrig, als die Kardinalfrage zu stellen, die der Kollege Noll bei uns vor einigen Monaten in diesem Landtag gestellt hat: Das Geheimnis des Sparens ist der Verzicht und sind nicht die Mehrausgaben.