Protocol of the Session on February 2, 2011

halten Sie, Frau Henzler, an den Fehlentscheidungen Ihrer Vorgängerin fest.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt: der nächste untaugliche Versuch zum Erhalt der Hauptschule, diesmal unter dem Namen „Mittelstufenschule“. Im Februar 2010 trat die Kultusministerin mit dem damaligen Ministerpräsidenten vor die Presse und verkündete diese erneute schulpolitische Sackgasse. Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Ein weiteres Jahr Diskussion innerhalb der Koalition hat diese Maus im Schulgesetz nicht lebensfähiger gemacht.

(Peter Beuth (CDU): Was wollen Sie?)

Es wird lediglich organisatorisch vollzogen, was diese Landesregierung ohnehin nicht mehr ändern kann, nämlich dass es schon heute in vielen Schulträgerbezirken nicht mehr möglich ist, in der Jahrgangsstufe 5 eine Hauptschulklasse zu bilden. Schon ab der Jahrgangsstufe 6 soll es jedoch mit der Binnendifferenzierung vorbei sein. Dann müssen in den Hauptfächern wieder die verschiedenen Schubladen geöffnet werden.

Frau Henzler, ich will Ihnen nur eines sagen: Die meisten Schulen mit einer Förderstufe sind in Hessen schon heute wesentlich weiter. Wenn sich Schulen dafür bewerben, dann geschieht das aus Mangel an Alternativen. Wir werden sie ihnen gerne bieten. Herr Irmer, Sie können sie bei uns nachlesen.

(Beifall bei der SPD)

Vierter Punkt. Die Umsetzung der UN-Konvention zur Eingliederung Behinderter bleibt Makulatur. Wenn behinderte Kinder vom Besuch einer Regelschule ausgeschlossen werden, weil die personellen, räumlichen und sächlichen Voraussetzungen nicht vorhanden sind, und wenn dies im Schulgesetz steht, gibt man zu erkennen, dass man diese Voraussetzungen auch gar nicht schaffen will. Schon heute apodiktisch zu erklären, man werde am Förderschulsystem auf jeden Fall festhalten, zeigt, dass die Konvention weder verstanden wurde noch ernsthaft mit Leben erfüllt werden soll.

(Beifall bei der SPD – Peter Beuth (CDU): Was wollen Sie denn?)

Frau Henzler, die Eltern in Hessen werden nicht aufgehetzt, sondern die Eltern behinderter Kinder wollen aus der Konvention das Recht in Anspruch nehmen, ihre Kin

der in eine Regelschule zu schicken. Sie, Frau Kultusministerin, haben die Aufgabe, dieses Recht umzusetzen, und nicht etwa die, es zu untergraben. Das hätte im Hessischen Schulgesetz stehen müssen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die diffuse Angst der hessischen CDU vor einem Schulsystem ohne Selektion und ohne Ausgrenzung verhindert den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts in Hessen schon seit Jahren. Dieser Schulgesetzentwurf wird den sukzessiven Aufbau eines inklusiven Schulsystems in Hessen verhindern.

Fünfter Punkt: die selbstverantwortliche Schule.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist eine Mogelpackung!)

Das Konzept wird durch eine Fülle von Detailregelungen bis hin zu der Frage nach Sinn und Zweck einer Schulverfassung gigantisch aufgebläht.

(Zuruf von der FDP: So ist es halt, wenn man re- giert! Dann muss man es auch hineinschreiben!)

Aber eine klare Regelung der organisatorischen und pädagogischen Spielräume für alle Schulen fehlt. Die Praxis bei den jüngsten Kürzungen des sogenannten kleinen Budgets zeigt, dass Vision und Realität weiterhin weit auseinderklaffen.

Immerhin kann ich loben, dass Sie die Idee der Rechtsfähigkeit von Schulen aus dem Gesetzentwurf der hessischen SPD aufgegriffen haben. Bei uns steht es seit September drin, bei Ihnen seit vergangener Woche. Ich denke, daran kann man die Urheberschaft erkennen. Dass Sie das heute noch einmal erwähnt haben, zeigt auch, dass das ein guter Schritt war.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ihr müsst schneller arbeiten!)

Ich sehe, dass meine Redezeit bereits abgelaufen ist. Deshalb komme ich zum Schluss. Ich kann eigentlich dem allgemeinen Pressetenor nur zustimmen: Begeisterung klingt anders.

„Kein Konzept hat die Regierung für das gemeinsame Lernen Behinderter und nicht Behinderter“, meint die „HNA“. „Auch das nun vorgelegte Werk ist kein großer Wurf. Vieles bleibt im Ungefähren, manches alten Ideologien verhaftet“, stellt das „Darmstädter Echo“ fest, und die „Rundschau“ kommentiert: „Wer keine Bildungsverlierer will, muss andere Signale setzen“. Über diese anderen Signale werden wir uns im Kulturpolitischen Ausschuss ausführlich unterhalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Habermann. – Das Wort hat nun Frau Kollegin Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, Frau Bildungsministerin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede kurz auf das Hessische Personalvertretungsgesetz eingehen. Es freut uns, dass Sie nicht zuletzt durch uns von der Absicht, den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst das passive

Wahlrecht für die Personalräte der Studienseminare zu entziehen, Abstand genommen haben. Ebenso freut uns dass es eine gemeinsame örtliche Personalvertretung für die in Unterricht und Erziehung tätigen Personen geben soll.

Unverständlich ist uns aber, dass es ein Mitspracherecht an der Ausgestaltung der Stundenpläne nun nicht mehr geben soll. Das wäre ein Rückschritt, der noch einmal überdacht gehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme jetzt auf die Novelle des Hessischen Schulgesetzes und unseren Antrag betreffend Eckpunkte für eine gerechte Bildungspolitik in Hessen zu sprechen. Zunächst möchte ich sagen: Mit einer Gesetzesnovellierung gehen immer auch Chancen einher, nämlich die Chance, etwas besser zu machen, und die Chance, Bestehendes, das sich nicht bewährt hat, zu verändern, um innovativ, engagiert und progressiv in eine neue Zukunft zu starten.

Mit der Novellierung des Hessischen Schulgesetzes wurden von vielen Seiten große Hoffnungen verbunden. Ich spreche hier nicht nur von meiner Fraktion. Ich spreche ebenso von der GEW, der Landesschülervertretung, dem Landeselternbeirat und den vielen gut arbeitenden Lehrkräften in unserem Land. Natürlich spreche ich auch von den Eltern und Schülern.

Der Schulleiter der Ernst-Reuter-Schule II, einer großen integrierten Gesamtschule in Frankfurt, Herr Dörfel, sagte – Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich –:

Ein neues Schulgesetz, das Ernst macht mit dem Gebot, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen, ist mehr als überfällig.

Des Weiteren sagte er:

Es kann nicht hingenommen werden, wenn unser Land im internationalen Vergleich im Hinblick auf Chancenungerechtigkeit einen Spitzenplatz einnimmt und die politisch Verantwortlichen sich weigern, diesen unerhörten Missstand zu korrigieren.

Die Chance zur Korrektur haben Sie nicht wahrgenommen. Ihr Gesetzesentwurf beinhaltet vor allem Entdemokratisierung und die weitere Ökonomisierung des Schulsystems.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie halten krampfhaft an dem veralteten und niemals wirklich effektiv gewesenen mehrgliedrigen Schulsystem fest. Damit bleibt zugleich die soziale Selektion erhalten.

Mit unseren zehn Eckpunkten für eine gerechte Bildungspolitik machen wir klar, dass es auch anders geht. Wir zeigen, dass es vor allem auch gut und gerecht gehen kann. Unsere zehn Punkte sind daher nicht nur eine Abrechnung mit dem bisherigen Bildungssystem, sondern die Vision eines neuen, gerechten Bildungssystems, das hier und jetzt verwirklicht werden könnte, wenn man denn wollte. Viele haben uns das vorgemacht.

Bildung ist ein Menschenrecht und hat unentgeltlich zu erfolgen. In Ihren Augen scheint Bildung aber vor allem eine Ware zu sein, die von den Eltern an vielen Stellen bezahlt werden muss. Das war das Ergebnis Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zur Entgeltlichkeit des Schulsystems in Hessen. Ihre Politik sorgt damit vor allem für eines, nämlich für die Ausgrenzung der Kindern und Jugendlichen aus finanziell benachteiligten Familien.

Die Bildungspolitik hat vor allem einen Auftrag: Sie soll jedem Kind, egal, welchen Hintergrund es hat, die erfolgreiche Partizipation am Bildungssystem ermöglichen. Dem sind Sie nicht nachgekommen.

Wir fordern außerdem die Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das will die SPD auch!)

Wir wollen eine demokratisch geführte und inklusive Gemeinschaftsschule als Regelschule, die die Kinder ganztägig betreut.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie in der DDR!)

Das soll mit bestausgebildeten Fachkräften geschehen, mit Fachkräften, die eine gerechte Bezahlung erhalten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Mit sozialistischen Lehrern!)

Sie sollen vernünftige und existenzsichernde Verträge erhalten. Das soll in einer bedarfsgerecht finanzierten und ausgestatteten Schule geschehen, die barrierefrei ist.

Sie halten aber an starren Strukturen und an Schubladen fest, in die Sie die Schüler im zarten Alter von zehn Jahren stecken. Herr Irmer, das ist nach den modernsten pädagogischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Sie wahrscheinlich nicht zur Kenntnis nehmen, in keinster Weise nachvollziehbar.

Sie wollen die Realschule stärken. Ich vermute, Sie wollen das, weil die Hauptschule längst ein Auslaufmodell ist und das Gymnasium keine weitere Stärkung benötigt. Wir sagen: Wir brauchen keine Stärkung irgendeines Gliedes dieses maroden vielgliedrigen Schulsystems, das selektiert und diskriminiert.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Abitur für alle!)

Wir benötigen dagegen dringend die Stärkung jeder Schülerin und jedes Schülers zu jedem Zeitpunkt seiner Bildungsentwicklung. Das geht nur mit einer Gemeinschaftsschule, in der alle Kinder zusammen lernen.