Protocol of the Session on December 16, 2010

Meine Damen und Herren, ich denke, damit ist vieles gesagt. Viele Kinder bzw. Eltern finden allein nicht den Zugang zu Vereinen, und wir ebnen ihnen mit diesem Projekt sozusagen den Weg zu den Vereinen. Auf der einen Seite gelingt es dann Vereinen, Kinder für ihre Arbeit zu begeistern und gegebenenfalls als künftiges Vereinsmitglied zu gewinnen. Auf der anderen Seite gilt es, was uns sehr wichtig ist, Jugendlichen die Hemmschwelle zu nehmen und sie an Sport und Vereine heranzuführen.

Man möge sich einmal überlegen: 8 € je Übungsleiterstunde waren bestangelegtes Geld. Wer an dieser Stelle kürzt, spart ein bewährtes und gut funktionierendes System kaputt. Der Landessportbund hat die Kürzung zu Recht scharf kritisiert; ich habe Herrn Dr. Rolf Müller gerade schon erwähnt. Ich finde, die sehr fundierte Kritik war an dieser Stelle richtig. Was man hier kürzt, ist völlig verfehlt.

Viele Sportkreise sind auch entsetzt über das Verfahren, wie man mitten in einem Bewilligungsjahr diese Mittel kürzen kann. Die Vereine haben sich darauf verlassen, dass die Verträge weiterlaufen. Sie haben sich um Übungsleiter für die Schulen bemüht. Im Übrigen ist es nicht einfach, diese Übungsleiter am Nachmittag zu finden. Man hat sie mit Vereinsmitteln ausgebildet und auch entsprechende Vereinbarungen für das kommende Jahr getroffen. Jetzt machen Sie mit einem Federstrich am grünen Tisch alles zunichte. Das ist wirklich zu kritisieren, und wir fordern heute, dass Sie das zurücknehmen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt ist, wenn man das mitten im Jahr macht: Letztendlich zwingen Sie mit diesem Federstrich Schulen, aber vor allem Eltern und Fördervereine, die Schulsportstunden aus eigener Tasche zu finanzieren. Wir finden, das ist schlichtweg eine Sauerei.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Hans-Jür- gen Irmer (CDU): Na!)

Das zusätzliche Sportangebot an Schulen ist ein wichtiger Bestandteil für den Ausbau von Ganztagsschulen und auch ein wichtiger Bestandteil des Bildungsangebots. Wer sich zwischendurch bewegt, lernt besser. Ich denke, das ist bewiesen. Wir wissen auch, der Sport sorgt wie keine andere Gruppierung für Integration.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Kindern mit Migrationshintergrund wird die Integration erleichtert. Kinder mit einer Behinderung werden im Sportunterricht gefördert. Ganz entscheidend: Kinder aus finanziell benachteiligten Familien können ein kostenloses und qualitativ hochwertiges Sportangebot in den Schulen wahrnehmen. Das möchten wir auch gern aufrechterhalten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Meine Damen und Herren, Sport ist für die Prävention von allerhöchster Bedeutung; denn ohne die vielen Vereinsaktivitäten für unsere Jugend gäbe es noch viel mehr soziale Brennpunkte. Besonders im Kinder- und Jugendsport stellt die integrative Arbeit hohe Anforderungen an Trainer, Übungsleiter, Betreuer und Betreuerinnen. An dieser Stelle ist eine gute Gelegenheit, die hervorragende und wichtige Arbeit in den Vereinen zu loben und für dieses ehrenamtliche Engagement heute einmal Dank zu sagen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ein solches Engagement hat für uns Vorbildcharakter. Ein solches Engagement ist nicht selbstverständlich, gerade wenn es um die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geht. Ich finde, ein solches Engagement kann man an dieser Stelle nicht so mit Füßen treten, wie Sie es tun.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ein Aspekt ist noch nicht genannt worden: Auch die Folgekosten lässt man aus unserer Sicht völlig außer Acht. Nicht nur, dass Sport einen wesentlichen Faktor im Bereich der Integration darstellt – er ist natürlich auch ein Gesundheitsfaktor. Mangelnde Bewegung wird gesundheitliche Probleme hervorrufen, die später auf Kosten der Allgemeinheit repariert werden müssen.

Um den Bestand der vielfältigen Sportangebote zu sichern, die durch die lokalen Vereine gemeinsam mit den Schulen getragen werden, hatte die SPD-Fraktion die Rücknahme dieser unseligen Mittelkürzung gefordert. Leider wurde der Antrag von der Regierungskoalition im Haushaltsausschuss abgelehnt.

(Clemens Reif (CDU): Schade!)

Genau, schade. – Ihr Jubelantrag heute hingegen eiert um das eigentliche Projekt herum. Das ist unsere Kritik. Was Sie niederschreiben, ist nicht falsch, ist aber auch nichts Neues. Das heißt, zuzustimmen braucht man nicht, man kann sich bestenfalls enthalten. Aber viel entscheidender ist, dass Sie nicht die Rücknahme der Mittelkürzung fordern, was wir heute wirklich von Ihnen erwartet hätten.

Meine Damen und Herren, Sie haben heute die letzte Möglichkeit, die Kürzung zurückzunehmen. Lassen Sie uns auch in Anbetracht von Weihnachten gemeinsam für den Entschließungsantrag der LINKEN stimmen, der zu Recht den Fortbestand der Schul- und Vereinsangebote fordert. Wir fordern Sie hierzu auf. Ich möchte einfach sagen: Beweisen Sie Größe mit Blick auf die Kinder, die ihr Sportangebot nicht aufgeben wollen. – In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hofmeyer.

Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP betreffend Kaliproduktion sichern und Salzwasserbelastung von Werra, Weser und Grundwasser so bald wie möglich beenden, Drucks. 18/3497. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 83 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 46, 48, 49, 50, 51 und 75 zum gleichen Thema aufgerufen werden. – So weit die Einordnung in die Tagesordnung.

Wir fahren in der Debatte fort. Nächster Redner ist Herr Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Spätestens mit dieser Debatte hat Dorotheas Märchen ein böses Ende. Dorotheas Märchen ist, an der Bildung kürzen, ohne dass es jemand merkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist es, was Sie uns seit Wochen erzählen wollen, Frau Kultusministerin.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir haben es aber gemerkt!)

Man merkt es eben doch. Man kann nicht an der Bildung kürzen, ohne dass sich die Qualität des Bildungsangebots verschlechtert. Frau Ministerin, so einfach ist es nun einmal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen es nicht der Opposition glauben. Es gibt Leute, die das auch berufen sagen. Ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 26. November 2010:

Der Präsident des Hessischen Landessportbunds, der CDU-Landtagsabgeordnete Rolf Müller, greift Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) in einem Brief scharf für den Sparkurs an. „Viele Sportkreise sind entsetzt über das Verfahren, mitten im Bewilligungsjahr die Mittel zu kürzen“, schreibt er. „Der Landessportbund hält ein solches Verfahren für unzumutbar, und er hält die Kürzungen auch in der Sache für völlig verfehlt, für strategisch und im Verfahren falsch.“ Nehme das Kultusministerium die Kürzungen nicht zurück, werde die Zusammenarbeit zwischen Schule und Sport erheblich erschwert.

Kürzen im Bildungsbereich, ohne dass es jemand merkt – es geht eben nicht, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie versuchen, dieses Märchen überall zu erzählen, jetzt wieder mit dem Ablenkungsmanöver, das wir mit dem Antrag von CDU und FDP bekommen haben. An der einen Stelle wird es genommen, an der anderen Stelle wird es gegeben. Frau Ministerin, die Herausforderung ist aber,

Neues und Zusätzliches an den Schulen zu gestalten, und nicht, eine immer schnellere Mangelverwaltung an unseren Schulen zu installieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gleiche Spiel bei den Vertretungsmitteln: Sie rühmen sich auf der einen Seite, Sie hätten neue Lehrerstellen geschaffen – gut –, aber Sie nehmen es auf der anderen Seite bei den Mitteln für Vertretungsunterricht. Frau Ministerin, ein besseres Bildungssystem in unserem Land können Sie nicht als Nullsummenspiel gestalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz interessant ist Ihre Aussage in Dorotheas Märchen, am Unterricht würde nicht gespart. Frau Ministerin, das lässt sehr tief blicken, was Sie an unseren Schulen für wichtig und für nicht wichtig halten. Wenn Sie diese Differenzierung jetzt anfangen, dass Sie sagen: „Wir betrachten Ganztagsschulen nicht mehr als pädagogische Einheiten, in denen es darauf ankommt, dass sich Phasen des Fachunterrichts, Phasen der Erholung, Phasen der Angebote von Externen, Phasen der Angebote von Sportvereinen abwechseln“, wenn Sie diesen pädagogischen Konsens jetzt auch noch aufbrechen, dann zeigen Sie, auf welchem Irrweg Sie mit Ihrem Glauben sind, man könnte an Bildung kürzen, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Unterricht und die Qualität der Schule sind betroffen, wenn die Schulen nicht mehr ihre Ganztagsangebote so organisieren können, wie sie wollen. Die Qualität des Unterrichts ist betroffen, wenn wir die hervorragende Arbeit von Sportvereinen nicht mehr wie bislang in die Schule integrieren können. Frau Ministerin, Sie können sich dieses ganze Gerede, diese ganzen Sonntagsreden, die Sie draufhaben, von der Bedeutung des Sports, von der Bedeutung des Ehrenamts, von der Bedeutung der selbstständigen Schule sparen, wenn Sie in Ihrem Haushalt das genaue Gegenteil tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sport hat gesellschaftlich eine unglaubliche Bedeutung. Er hat eine unglaubliche Bedeutung für viele Menschen, für das Zusammenleben in unserem Land, für die Integration in unserem Land, und es hat auch schulisch eine unheimliche Bedeutung, dass sich Schülerinnen und Schüler in der Schule bewegen können. Es öffnet im wahrsten Sinne den Geist, wenn sich Schülerinnen und Schüler bewegen können. Es hilft, Gewalt an unseren Schulen zu vermeiden. Es ist ein Präventionsprogramm par excellence an unseren Schulen. Deshalb sollte man hier nicht kürzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wo er recht hat, hat er recht! Herr Müller hat auch recht!)

Frau Ministerin, es ist einfach hohl, dann immer die Bedeutung des Sports hochzuhalten. In der letzten Landtagsdebatte hatten Sie auf eine mündliche Frage des Kollegen Tipi noch das Hohelied auf die Bedeutung des Sports an den Schulen gesungen. Ich hatte Sie danach gefragt, ob Sie Ihre eigenen Kürzungen kannten. Damals kannten Sie sie noch nicht. Sie mussten die Antwort nachreichen. Frau Ministerin, Sie können es sich sparen, das Hohelied zu singen, wenn Sie nichts dafür tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Kommen Sie endlich weg von Ihrem Märchen, man könne an der Bildung sparen, ohne dass es jemand merkt. Wir wissen seit der ersten PISA-Studie, wir müssen in unserem Bildungswesen in Deutschland und in Hessen viel tun. Manches wurde auch getan; das muss man nicht in Abrede stellen. Wir sind in PISA etwas besser geworden, und auch das ist sehr gut. Aber wir haben noch unglaublich viel zu tun, bis wir so gut sind, wie andere Länder und andere Staaten sind. Wenn wir so gut werden wollen, wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler so gut fördern wollen, wie das in anderen Ländern geschieht, dann darf man an Bildung nicht kürzen.

Frau Ministerin, deshalb sind Sie völlig auf dem falschen Weg. Sie sind die erste Kultusministerin seit langen, langen Jahren in diesem Land, die glaubt, man könne im Bildungsbereich kürzen. Das ist die einzige Innovation, die diese Kultusministerin von der FDP in diesem Land eingeführt hat, dass sie glaubt, man könne an Bildung kürzen. Frau Ministern, man kann es nicht. Es ist genau der falsche Weg, den Sie hier eingeschlagen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Frau Ministerin, man kann im Bildungsbereich Dinge effizienter machen, man muss im Bildungsbereich viele Dinge effizienter machen. Aber man kann nicht das Geld aus dem Bildungsbereich herausnehmen, sondern das, was man effizienter macht, was man besser organisiert, muss man nutzen, um an anderer Stelle Neues auf den Weg bringen zu können. Wie das gehen kann, das hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Konzept „Hessen tritt auf die Schuldenbremse“ sehr detailliert gesagt, und zwar wie man es unter den Bedingungen der Schuldenbremse tun kann. Frau Ministerin, also sparen Sie sich in Ihrer Antwort gleich die Ausrede mit der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse begründet nicht schlechte Schulen, und sie entschuldigt auch keine schlechte Bildungspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD))